Ragout vom Wurzelgemuese

Wurzelgemüse_s

Nehmen wir einmal an, einer hat den Winterblues, als hätte er ein jaulendes Rudel Wölfe in der Hose. Aber auch der Biss in best abgehangenes Fleisch kann ihn nicht befriedigen. Weil ihm irgendwie irgendetwas anderes fehlt. Dann könnte es daran liegen, dass er ein akutes Manko an gutem Gemüse hat.

Weil Sommer ist jetzt nicht. Und all die saftig-fruchtigen Gewächse stehen nun mal nicht beim Gemüsehändler in der Auslage. Zumindest nicht bei solchen, die noch einen Rest Selbstachtung haben.

Ein perfektes Remedium wäre dann der schleunigste Besuch eines lokalen Bauernmarkts. Ich kann euch sagen, so eine Kratte mit winterlichem Wurzelgemüse ist in dieser Hinsicht  eine wahre Zauberkiste!

Daraus macht man sich dann folgendes Ragout vom Wurzelgemüse und gut ist es:

Butterrüben, weisse, gelbe und rote Karotten, Petersilienwurzel, Pastinaken, Herbtsrüben, Topinambur, Knollensellerie, La Ratte Kartoffeln, nacheinander (die härtesten zuerst) in wenig Wasser dämpfen. Anschliessend im Eiswasser abschrecken und beiseite stellen.

Verbleibenden Sud einkochen; mit Sellerie, Zwiebel, Lorbeerblatt, Thymian (nur kurz) und Pfefferkörner. Hausgemachte Rinder- oder Gemüsebrühe dazugeben und einkochen. Das gibt einen wunderbaren Wurzelfond mit Tiefgang.

In der Zwischenzeit kümmern wir uns um das gewisse Etwas, das diesem Ragout hervorragend steht: Getrocknete Zwiebeln.

Dazu gleichmässig geschnittene Zwiebelstreifen langsam in Butter glasieren. Leicht salzen. Wenn sie weich und saftig sind, mit wenig Mehl bestäuben und sanft Farbe nehmen lassen.

Auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech kippen, locker verteilen und bei 80 Grad (Umluft) trocknen, bis sie rascheln, wenn man sie bewegt.

Geröstete Zwiebeln_s

Sie sollten nun sehr knusprig und süsslich-würzig sein. Bereitstellen – wenn möglich, nicht in unmittelbare Griffnähe, sonst sind sie weggeknabbert, bevor man sie über das Wurzelragout geben kann!

Wurzelgemüse kurz mit gesalzener Butter in einer Eisenpfanne schwenken, mit Weisswein löschen. Wurzelragout in tiefen Tellern oder kleinen Suppenschüsseln anrichten. Die Weissweinreduktion zum Gemüsefond geben. Fond mit Rahm und Butter binden, mit dem Zauberstab aufschäumen.

Wurzelragout mit dem aufgeschäumten Sud übergiessen, getrocknete Zwiebeln darüber geben. Knusprige Lingue di Suocera dazu servieren.

Ragout vom Wurzelgemüse_s

Was, bitte, gibt es am Winter nicht zu mögen?


Dimanche en Decembre

Sonntag. Langsam erwachen. Tout gentilement. Küchengeräusche vernehmen.

Ein leiser Duft frischer Croissants herbeisehnen. Unter der weissen Bettdecke hervorkriechen. Die Schneedecke vor dem Haus bewundern.

Ein stiller Kuss. Einen Ristretto mit dickem Milchschnee bedecken. In ein knusprig-warmes Croissant beissen. Dabei die Augen schliessen.

Der Schwere der Augenlieder, dem Gleissen des Tageslichts nachgeben. Gestärkt für die nächste Schlafphase unter die Daunen schlüpfen. Den Anschluss im Traum wiederfinden.

Fünf vor zwölf mit einer konkreten Idee erwachen: Eine dampfende Schüssel Moules. Mit nichts als frischem Baguette für die cremige Weissweinsauce gewappnet sein. Freudig entschlossen zur Tat schreiten. Den eisgefrorenen Notvorrat an irischen Pfahlmuscheln feiern.

Staudensellerie und Cipollotti fein schneiden. Rispentomaten von den Kernen befreien und fein würfeln. Mit Chilis im Olivenöl kurz braten. Mit einem guten Weisswein löschen – und anstossen.

Muscheln in die Pfanne geben und fünf Minuten zugedeckt aufkochen.

Herausheben, Sauce aufkochen, Vollrahm und Butter einrühren, mit weissem Pfeffer abschmecken. Sauce und frische Cipollotti- und Petersilienstreifen über die Muscheln geben.

Viel Baguette essen, noch mehr Wein dazu trinken. Zurück ins Bett. Zu zweit.


Patience legen mit Aepfeln.

Hat nichts mit dem Original zu tun, aber die geduldige Fingerübung, die man dafür aufbringen muss, lohnt sich zum Fingerlecken.

Alain Passard nennt die Kreation aus seinem Dreisternelokal l’Arpège in Paris La Tarte bouquet de roses.

Wie – auch auf diesen Bildern –unschwer zu erkennen ist, hat da jemand ein wesentlich geschickteres Händchen, um aus hauchdünnen Apfelstreifen perfekte Röllchen zu drehen. Musste mich trotzdem daran versuchen.

Vermutlich ist Blätterteig die bessere Wahl. Hm, wäre er doch nur so schnell zubereitet, wie ein Mürbeteig.

Ich nehme 350 g Mehl, 250 g weiche Butter, 200 g Zucker, 1 Ei und eine Prise Salz. Mit den Händen ist alles im Nu zu einem kompakten Teig geknetet. Eine Stunde in Folie gewickelt kühlen. Dann 15 Minuten blind backen. Auskühlen lassen und Boden mit gemahlenen Mandeln bestreuen.

In der Zwischenzeit säuerliche Äpfel mit einem Ausstecher vom Kerngehäuse befreien. Dann mit einem Sparschäler spiralartig hauchdünne Streifen mitsamt Schale schneiden (je länger, je besser). Damit sie nicht braun werden in Zitronenwasser legen.

Dann nach und nach möglichst satte Röschen formen und mit der Schale nach oben auf den Teig verteilen. Viel Spass dabei!

Tarte mit Puderzucker bestreuen. Butterflocken darauf verteilen und 30 Minuten bei 180 Grad backen.

In der Zwischenzeit ein schönes Karamell ziehen. Zucker schmelzen, mit etwas Wasser löschen und sirupartig einköcheln. Vollrahm dazu, etwas Fleur de Sel und dann mit eiskalter Butter montieren.

Wenn die Tarte aus dem Ofen kommt, Apfelröschen mit dem Karamell nappieren.

Das Karamell auf dem Teller sieht nett aus, ist aber nicht nötig. Die Tarte schmeckt fantastisch. Und ich liebe meinen Mürbeteig (deshalb bin ich womöglich so träge, selbst einen Blätterteig herzustellen).

Schmeckt – wie selbst der banalste Apfelkuchen – lauwarm natürlich am besten.


Lasst uns Wurzeln erschlagen

Und auf dem Spaltbock: Schlachtfrisches sowie bestens abgehangenes Gemüse!

Wurzelgemüse – wenn nicht im Winter, wann dann?

So reich, so gut und so leicht in flüssiges Gold verwandelt. Und zwar mit diesem archaischen Werkzeug. Ich nenne es gut schweizerisch Passevite.

Das verbittet sich der Franzose. Er nennt es passe-vite. Pardon. Eventuell noch moulinette. Der Italiener sagt passaverdure dazu. Oha! Frei übersetzt etwa Gemüsemühle, wie passend.

Welcher küchensprachlich frivole Teufel aber die Deutschen geritten hat, ist mir ein Rätsel: Flotte Lotte. Echt jetzt?

Zugegeben, es gibt hübschere Geräte als dieses abgewetzte Teil. Aber es ist ein Erbstück und mit besten kulinarischen Erinnerungen konnotiert. Und damit macht man richtig gute Gemüsesuppen.

Wann hat das eigentlich angefangen, dass anständige Gemüsesuppen nur noch Crème, Süppchen, Schäumchen, oder fucking Cappuccino(!) sein dürfen?

Meine liebsten habe ich oft im Elsass bekommen. Mit kräftigem Weisswein-Geschmack. Rahmig, und mit diesen unzähligen kleinen Fettäuglein auf der Oberfläche. Da schmeckst du jedes Gemüse raus. Und das wollen wir doch, wenn wir eine Gemüsesuppe essen. Wollen wir das nicht?

Ich jedenfalls hab keine Freude an Gemüsesuppen die nur nach Zitronengras, Ingwer und uhh-ist-da-ein-Hauch-von-Kardamon? schmecken.

Jedenfalls nicht in unseren Breitengraden. Wenn ich Exotik im Suppenteller will, reise ich in ferne Länder.

Schaut mal bei Robert vorbei – allein schon wie viele Karottensorten es gibt. Dazu würfelt man Knollensellerie, jede Menge Rüben, Lauch, Schwarzwurzeln, Pastinaken, Petersilienwurzeln und was ihr sonst noch so auf dem Markt findet. (Meine Geheimwaffe: Ein paar dicke weisse Rippen vom Mangold dazu).

Alles in Butter mit Zwiebeln anziehen ohne es zu bräunen. Mit ein bis zwei Gläsern Riesling ablöschen, reduzieren.

Jetzt kann man mit einer guten selbst gemachte Geflügel- oder Rindsbouillon aufgiessen, oder – wers vegetarisch mag – einfach mit Wasser. Das Gemüse entwickelt genug Aroma, wenn man es eine gute Stunde langsam köcheln lässt.

Ein Loorberblatt und zwei Wacholderbeeren liegen auch nicht ganz falsch darin.

Dann dreht man alles schön durch (wenn ich jetzt Flotte Lotte schreiben würde, merkt man, wie befremdlich das klingt) das Passevite. Mit Rahm aufgiessen und nochmals aufkochen.

Hat man die Suppe nur mit Wasser statt mit Boullion aufgegossen, fehlen die schönen Fettäuglein. Kein Problem, einfach einen Esslöffel klare Butter oder von eurem Lieblingsöl darüber träufeln.

Natürlich kann man auch einen anständigen Minestrone mit dem tollen Wintergemüse machen. Inspiration gibts hier.


Bohnen und Lamm aufs Korn nehmen

Wer hat gerne Lamm? Wer hat gerne Bohnen? Wer hat gerne Reis? Bene, hier lang. Es gibt Risotto con Fagioli rossi di Lucca e Angnello.

Wenn man als Erstes die Bohnen mit dem Fleisch gekocht hat, muss man sich so was von zusammenreissen: Gross ist die Versuchung, sich eine grosse Serviette um den Hals zu binden und diese Pfanne Löffel um Löffel genüsslich wegzuputzen.

Zum Glück (für die anderen) dringen die Rufe der Familie an mein Ohr: «Hung-eeer! Wann gibts Essen?». Also auf – Risotto aufsetzen.

Aber der Reihe nach: Von der Lammkeule löst man so viel Fleisch vom Knochen, wie man pro Person mag und teilt es in mundgerechte Stücke. Den Knochen entsorgen oder dem Hund überlassen.

Das war ein Scherz! Der Knochen kommt natürlich zum Fleisch in den Topf, wo er für eine besonders gute Sauce sorgt.

Die Fleischstücke (und den Knochen) sanft im Olivenöl anbraten, viel Knoblauch, ein Stück Sellerie, ein paar zerstossene Fenchelsamen und Peperoncino dazu. Salzen, pfeffern und mit einem Schluck Weisswein deglacieren.

Passierte Tomaten dazu und mit Brühe aufgiessen. Die über Nacht eingeweichten Bohnen dazugeben und auf kleiner Hitze zwei Stunden weich schmoren.

Die Bohnen der Sorte Fagiolo Rosso di Lucca sind von ausgezeichneter Qualität. Sie behalten die Form und schmecken fantastisch. Der gute Freund, der mir schon von seinem weissen Trüffel abgegeben hat, hat sie mir vom diesjährigen Salone del Gusto mitgebracht. Grazie!

Habe ich erwähnt, dass das ein guter Freund ist?

Den Carnaroli-Reis habe ich nur im Olivenöl etwas auf Temperatur gebracht. Man braucht den gar nicht gross zu parfümieren, sondern nur nach und nach mit guter Brühe angiessen.

Wenn er gar ist, kippt man von diesem grossartigen Bohnen-Lamm-Eintopf dazu und labt sich an einem herzhaften Risotto rusticano!


Das Brot ist voll

Endlich wieder einmal altes Brot: Ein Grund zur Freude!

Wer sein altes Brot verschämt und (zu Recht) mit schlechtem Gewissen schmeissen will – bitte. Ich ziehe es vor, damit etwas brachial Einfaches und gleichzeitig brutal Ergötzliches daraus zu machen.

Pane cotto oder dialektisch Pan‘ cott‘ – gekochtes Brot – gibt es in Italien in vielen regional unterschiedlichen Varianten. Gemeinsam ist ihnen, altbackenes Brot einzuweichen oder aufzukochen und als rustikale Mahlzeit zu servieren.

Die Toskaner zum Beispiel machen daraus eine Pappa, einen bestimmt wohlschmeckenden, leider aber auch etwas unansehnlichen Brei.

Bei uns in den Abruzzen ziehen wir es vor, dass sich das harte Brot in einem Gemüsesud volllaufen lässt, aber die Form trotzdem noch behält.

Einmal mehr erstaunt, wie viel Geschmack (und Glück) mit so wenig Zutaten herauszuholen sind. Es braucht nebst altem, harten Brot (kann weiss oder dunkel sein, aber gut muss es sein) nur vier Zutaten: Olivenöl, Knoblauch, Peproncino und Broccoletti auch bekannt als Cime di Rapa.

Ich habe ja bereits über die Askese italienischer Abendbrote geschrieben. Das hier reiht sich bestens in diese Nische.

Brot grob stückeln. Cima di rapa waschen und grob zerkleinern. In einer Pfanne Olivenöl erwärmen und einzig mit Knoblauch und Peperoncino bei sanfter Hitze aromatisieren.

Beim Peperoncino habe ich übrigens auf eine Probe von Josefina Petrus’ Chili zurückgegriffen. Diese Verrückte hat es sich zum Ziel gemacht, den bestmöglichen Chili aufzuspüren und zu vertreiben. Passt mir.

Cime di rapa dazugeben. Knapp mit Wasser bedecken und zugedeckt gute 15 Minuten köcheln. Salzen, pfeffern.

Brotbrocken in die Pfanne legen und leicht andrücken, damit sie sich vollsaugen. Alles in einen Teller kippen und reichlich Olivenöl darüber träufeln.

Wer mag, kann das einfache Glück noch mit einem würzigen Pecorino ausbauen.

Den süditalienischen Rotwein bechert man am besten aus Zahnputzgläsern, die man bis zum Rand füllt (mit einem Zitronenschnitz garniert) und in jeweils einem Zug leert. Das ist sehr gesund und wärmt die Seele.

Salute!


Pizza mit Schnauz

Lahmacun ist manchmal die bessere Pizza.

Vor über zwanzig Jahren habe ich mich in diesen knusprigsten und dünnsten aller mir bekannten belegten Fladen verliebt.

Das war in Alanya. In einer Imbissbude von erschreckender Bescheidenheit. Mit mehr Fliegen als Gäste an den drei Tischen. Am Bestelltresen gab es nichts zu sehen als einen Backofen und Teiglinge die unter einem Leintuch Mittagsschlaf hielten.

Wir deuteten auf einen der schnauzbärtigen Männer mit durchgehenden Augenbrauen, der in etwas biss, das er zwischen seinen Händen hielt. Ich sagte nur: „Iki tane, lütfen“. Der beflaumte Milchbubi hebte nur kurz sein Kinn und machte sich ans Werk.

Im Nu hatte er zwei Teiglinge zu hauchdünnen Fladen ausgewellt und diese knapp mit einer Hackfleischsauce bestrichen.

Einen Augenblick später holte er die dampfende, mit dicken dunklen Blasen übersäte Lahmacun aus dem Ofen. Er streute ungefragt Pul Biber darüber, setzte einen Zitronenschnitz darauf und liess uns essen.

Einkassieren interessierte ihn vorerst nicht. Er wusste, dass wir nach der ersten Portion noch weitere bestellen würden!

Zu meinem grossen Glück gibt es in Basel schon fast so lange das Restaurant Pinar. Mein liebstes für Anatolische Spezialitäten.

Alles dort ist gut. Die Familie, die es betreibt und das was sie auf der Karte führen.

Die Lahmacun gehört selbstredend zu den besten, die man nördlich von Ankara serviert bekommt.

Eines der Geheimnisse besteht darin, den Teig nicht zu überladen. Dönerbuden, die ein gefühltes Kilo Rinderhack auf wagenradgrosse Fladen klatschen, sollten vom Amt für kulinarischen Anstand geschlossen werden.

Ich gebe zu, für die Zubereitung der Sauce liebe ich die europäisierte Version mit Kalbfleisch. Original wäre wohl Lamm, oft wird auch Rindshackfleisch verwendet. (Und original wird vermutlich noch nicht einmal eine Sauce gekocht, sondern alle Zutaten mit dem Hack gemischt und dann roh auf den Teig gegeben.)

Ich habe mir vom Metzger durchwachsene Kalbsbrust am Knochen geben lassen. Wer Freude am Schneiden mit scharfen Kochmessern hat, den wirds gehörig jucken: Das Fleisch wird minutiös von Hand klein geschnitten und nicht etwa durch den Wolf gedreht.

Der Teig ist simpel: Frischhefe (15 g auf ein Kilo Mehl), Weissmehl, Salz, Wasser. Drei Stunden zugedeckt gehen lassen.

Faustgrosse Teiglinge formen, bemehlen, zugedeckt 30 Minuten gehen lassen. Dann ultradünn auswellen und zum besteichen bereitstellen.

Sauce: Klein gewürfelte Zwiebeln und rote türkische Spitzpaprika glasig braten (herausnehmen und später zum Fleisch geben). Fleisch in derselben Pfanne Farbe nehmen lassen.

Passierte oder frische Tomaten dazugeben, mit Wasser bedecken, eine Stunde einköcheln lassen. Würzen mit Paprikapaste (Paprikapulver geht auch), Pfeffer, Salz. Zum Schluss glatte Petersilie dazugeben oder alternativ direkt über die dampfende Lahmacun streuen.

Die Lahmacun bei 250 Grad backen. Geht ganz schnell. Ein wachsames Auge und etwas Übung machen den Unterschied! Und noch was: Wer am Ofentürchen steht, muss wohl oder übel im Stehen essen. In einem normalen Haushaltsofen geht nur eine aufs Mal.

Ein paar Spritzer Zitrone und etwas Pul Biber zum Nachschärfen gehört dazu.

Afiyet olsun!

A propos Afiyet olsun – guten Appetit! heisst es auch im Istanbul Kochbuch von Gabi Kopp mit jeder Menge authentischer Rezepte.


Abstimmungswochenende

Blöde Frage: Was macht ein Foodblogger lieber – seinen Geburtstag feiern, oder für Vinum das Wochenende durchkochen und portugiesische Weine darauf abstimmen? Eben, blöde Frage.

Der Vorteil für die Leserschaft dieser Seiten: Ich verschenke schon heute einen Einblick. Ins Heft kommt das Wine & Food Pairing in der Dezemberausgabe.

Insalata di Polpo, Salat vom Oktopus, ist eine feine Sache. Im Sommer mache ich ihn gerne mit Stangensellerie, Peperoncino, Knoblauch, Olivenöl und Zitrone. Dieser hier ist sozusagen die Winterversion.

Ich schmore ihn wie für den sommerlichen Salat im eigenen Saft: Olivenöl mit Lorbeerblatt, Selleriestange, Knoblauch, und Peperoncino erhitzen. Polpo dazugeben, Deckel drauf, 1 Stunde bei kleinster Hitze weich schmoren.

Dazu kippe ich nach halber Kochzeit aber eine Schalotten-Wein-Reduktion (von 4 dl auf 1 dl). Das Resultat: Intensiver, tiefer Eigengeschmack. Ein Traum. Ich hab nicht einmal gesalzen.

Der 2007 Dolium Reserva ist intensiv, komplex und elegant. Passt mit seinen leichten Noten von roten Peperoni wunderbar.

Diese kleinen Freunde hier, Calamaretti, habe ich einfach zum Oktopus in den Topf gegeben. Aye! Gute Idee. Kann ich als Vorspeise so was von empfehlen. Sind butterzart. Die müssen nicht gefüllt, nicht gewürzt oder sonst wie aufgemotzt werden. Der Tintenfisch, der Weinjus, perfetto.

Am ersten Kochabend besucht mich ein Freund. Er war im Piemont und sagt, er hätte ein Problem: Weisser Alba-Trüffel. Den muss man jetzt essen! Kein Problem, sag ich. Trink dich durch acht portugiesische Weine und dazu verputzen wir etwas Kleines mit Trüffel.

Als Erstes gibt es ein Slow Egg nach Christian Seiler. Seidenweich und trüffelreich. Der junge, eher leichte Fagote Reserva 2010 gesellt sich mit seiner Frische gut dazu.

Als Primo gönnen wir uns Tajarin mit einer Butter-Käse-Sauce und weiterem Trüffel (dazu trinken wir uns durch die portugiesische Weinpalette. Schöne Weine).

Nebst dem leicht narkotisierenden Trüffelduft, der die Küchenluft schwängert, betört uns schon die  ganze Zeit das schwere Bouquet vom Ragù, das schweigend auf dem Herd vor sich hin simmert. Seit fünf Stunden.

Wir können uns nicht zurückhalten und werfen ein paar Pappardelle ins schäumende Salzwasser. Die Fleischsauce ist so dick und intensiv, dass der Herzschlag einen Gang hochschaltet.

Als Nachspeise gönnen wir uns Parmesan. Einen alten Malandrone. Sehr alten sogar. Er hat unglaubliche 120 Monate auf dem Laib! Schaut nur die Salzkristalle, sehen sie nicht aus wie Sterne am Käsefirmament?

Am nächsten Tag brate ich behutsam eine Wildenten-Brust auf der rautenförmig eingeschnittenen Haut. Karamellnoten steigen auf. Ich lasse sie im Ofen bei 100 Grad ruhen und ziehe eine Rotwein-Port-Sauce mit frischen Preiselbeeren.

Das Ganze begleitet von einer schlichten Bramata-Polenta. Schon beim Degustieren vom 2010 Monte da Ravasqueira wusste ich, zu dieser tollen, vollreifen Fruchtnote, muss es Ente sein. Ein sehr schöner Pas de deux.

Für den 2008 Herdade da Servas (70% Syrah, 30% Touriga Nacional) wähle ich schlichte Past‘ e fagioli.

Der Wein ist charmant ausbalanciert und passt mit pfeffrigen Noten sehr gut zu den Umami-Komponenten Bohnen, Sellerie, Knoblauch, Tomate.

Den 2007 Perescuma Reserva mit komplex-würzigen Aromen, Frische und Wucht kombiniere ich mit einem scharf gebratenem und sanft zu Ende gegarten Lamm-Coquille auf Couscous und gebratenen Auberginen.

Beim Verkosten des 2008 Herdade do Portocarro war klar. Dieser gerbstoffreiche companheiro verträgt fettige, sukkulente Speisen. Ein Saucisson aus Neuchâtel bei dem das Fett nur so rausspritzt kombiniere ich mit Rippchen und Salzspeck.

Die süssen Komponenten vom Rotkraut und den glasierten Marroni bringen dann die fruchtigen Noten vom Wein sehr schön nach vorn.

Ein Sonntagsessen sondergleichen wurde das schlichte Ossobuco mit Safranrisotto alla Milanese (und seit dieser Nummer halte ich mich an das asketische Rezept).

Elegant herausgeputzt kommt auch der 2008 Herdade da comporta daher. Lang ist er, mit weichen Tanninen und feinen Holznoten.

Den nimmt man nach dem Essen auch gerne mit aufs Sofa rüber, um dem sonntäglichen Nickerchen sanfte Träume zu entlocken.

Aber vorher muss noch die Paarung Monte da Ravasqueira 2009 mit Salsiccie al Monte de Ravasqueira (statt al Barolo) getestet werden. Na ja, eine Kombo muss auf dem letzten Platz landen.

Eigentlich liebe ich dieses Gericht: Peperoncino geschärfte Salsiccie al Finocchio braten, mit einer Flasche Wein aufgiessen, Kartoffeln und Pepperoni dazugeben und warten bis alles gut wird.

Hier hat es nicht so richtig funktioniert, denn die Säure überwiegt und auch die Schärfe ist dem Wein nicht zuträglich (die Eiche ist zu dominant). Dieser fällt im Vergleich zum 2010 (der mit der Entenbrust) ohnehin deutlich ab. (Zu den Tajarin al Tartufo hingegen, hat er sich sehr gut verhalten).

Was die verpasste Geburtstagsfeier betrifft: Die Kocherei und Testerei hat mich mehr als entschädigt!


Gehet hin und backet

Die Stadt Linz trägt nicht nur pflichtbewusst Sorge zu der nach ihr benannten Torte. Nein, sie hat da auch einen äusserst gewissenhaften Verantwortlichen für die Links der Tourismus-Seite der Stadt.

Dieser Herr hat mich diese Woche freundlich darüber in Kenntnis gesetzt, dass meine Verlinkung zum original Linzer Torten Rezept nicht mehr aktuell ist. Ich möchte mich doch bitte um das Problem kümmern.

Selbstverständlich habe ich das umgehend und – habe die Ehre – noch so gerne erledigt. Hier ist der aktualisierte Beitrag über Gotti Ernas Linzer Torten Rezept inklusive neuer Verlinkung.

Wer nun Bock auf Backen hat, kann das Original in Angriff nehmen oder sich an Gotti Ernas Variante halten. Weil ich das Rezept damals, und auch in meinem Buch, nicht vollständig veröffentlicht habe, gibt es jetzt endlich ein PDF vom Rezept als Download zum nachbacken und glücklich werden.

Und wenn ihr dabei in Schwung kommt, dann könnt ihr schon mal vorproduzieren – Weihnachten kommt bald!


Hallo Herbst!

Wozu jammern über den Verlust des Sommers? Mit dem Herbst kommt doch für uns Kulinariker die Erntezeit, der wir das Summum abgewinnen können.

Mit grösster Vorfreude habe ich mich darum an das Aushecken und Zubereiten eines reichen Menus gemacht.

Auf dem Herbstteller gab es als Einstieg wunderbar pfeffrige Hirschsalami von Tichy und Wildschweinschinken. Darunter versteckt sich ein halber Steinpilz. Mal eben kurz mit Schalotten in Butter geschwenkt.

Dazu die ersten glasierten Marroni. Gedämpft, geschält und dann langsam mit Karamellzucker, Butter und Fleur de Sel überschmelzt.

Die perfekt gereiften italienischen Feigen habe ich im Ofen mit Staubzucker und Weisswein gebacken. Und schliesslich ein Apfel-Chutney aus den eigenen Sauergrauech-Äpfeln dazu gereicht.

Den Sirup mit Schalotten, Senfkörnern, Ingwer, Rohrzucker und Zimt eindicken lassen – ohne Apfelstücke drin, damit sie nicht zerfallen. Würfelchen davon lieber alleine in einer Pfanne kurz und heftig anbraten und dann unter den fertigen Sirup heben. Passt übrigens auch sehr gut zu Käse.

Dazu Riesling von Boxler. Mal mineralischer, mal harmonischer. Beide eine Wucht.

Den Butternut-Kürbis gab es als Süppchen mit Safran und selbst gemachtem Gemüsefond. Veilchen als Farbtupfer und süss-saure Crevette als Abschiedsgruss an den Sommer.

Exotischer aber sehr gesitteter Begleiter dazu ein Chardonnay aus Südafrika.

Das Herzstück im Trüffelrisotto ist ein rosa gebratenes Medaillon vom Rehrücken. Die Sauce dazu gezogen aus den ausgelösten Knochen, Mirepoix, Rotwein, Port und aromatisiert mit Nelken, Wacholder, Zimt und Thymian.

Dieser Côtes-du-Rhône ein respektvoller Begleiter, dem auch ein Steinpilzrisotto geschmeckt hätte.

Zum dritten Mal hab ich nun das Sieben-Stunden-Lamm nach Anthony Bourdain aufgetischt. Ich habe meine Hausaufgaben gemacht. Um 6 Uhr morgens aufgestanden, nur eine Tasse Weisswein als Flüssigkeit verwendet und minuziös den Creuset mit Brotteig zugespachtelt.

Das Resultat kann sich sehen und vor allem schmecken lassen. Den eingedickten Bratenjus habe ich vor dem Servieren nochmals kurz mit Weisswein deglaciert. Die 20 Knoblauchzehen die man herausfischen konnte, waren herrlich karamellisiert und zart wie Pralinen.

Als Beilage gab es blaue St. Galler-Kartoffeln, die als Püree leider etwas von ihrem intensiven Violett einbüssen.

Dafür hat dieser Papst unseren Durst nach intensiven Purpur bestens gestillt.

Karamelliger geht fast nicht. Das ist selbst für Kalbsbäckchen harte Konkurrenz.

Die Vieille Julienne konnte bestens Paroli bieten. Komisch, ich hätte schwören können, dass wir dazwischen noch eine Bottiglia di Barolo getrunken haben. Aber die Flasche ist entweder verschwunden oder in meinem sanften Rausch abgetaucht.

Der Käsehändler vom Basler Markt streckte mir ein Stück entgegen und warnte: „Sind Sie sicher, dass sie diesen Gorgonzola piccante versuchen möchten? Der macht süchtig!“ Das muss der erste ehrliche Dealer sein, den ich getroffen habe.

Zum Dessert zwei Mal Todsünden von Maître Pâtissier Jacques, Mulhouse: Chocolat und Caramel au Fleur de Sel. Mein Gast, der am nächsten Tag nach Kalifornien geflogen ist, meinte treffend: „Wenn mein Flieger morgen abstürzt, hat es sich wenigstens gelohnt!“

Ach ja, Dessertwein war auch noch und lange, lange Gespräche und ein noch längerer Nachhall auf einen schönen Herbstauftakt.



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