Abtauchen und Aufleben.

Samnaun Panorama

Samnauns überragende Bergkulisse als Seelenfutter fürs Genuss-Weekend.

Ich fahre echt viel zu selten in die Schweizer Berge. Dabei hat unsere Alpenwelt so viele Kraftorte, dass einem beim Anblick der Atem stockt. Tiel Luft holen, das herbstliche Panorama einatmen und schon leuchtet die persönliche Ladeanzeige wieder grün.

Doch bevor wir den äussersten Ost-Zipfel der Schweiz erreichen, gibt es noch einen Schmankerl-Schlenker. So mögen wir das: Auf dem Weg nach Samnaun die Route über Österreich wählen und dank einer Umleitung zufällig an so ein Wirtshaus geraten. Passt!

Traube Braz

Super romantisch eingerichtet, traditionelle Gerichte, solide zubereitet und jeder Teller kann auch als halbe Portion bestellt werden (was über Mittag als Zwischenstopp-Mahlzeit mehr als willkommen ist). Ja sicher, ist doch überhaupt kein Problem.

Sehr freundliche Bedienung. Oder sagen wir, eine unverkrampfte. Meine Frau bekommt an ihrem Platz etwas viel Sonne ab. Als die Hoteliersfrau die Vorhänge zuzieht, danke ich: «Oh, da ist meine Frau aber froh, dass sie keinen Sonnenbrand bekommt.» Darauf sie: «Wanns die Leit an Sonnenbrand bekommen is mia des wurscht, owa i mags ned, wann die Möbel abschiess’n duan!»

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Munter rauschen wir bei Kaiserwetter über den Arlberg und erreichen Samnaun in satter Indian Summer-Koloration. Muss mir ein gedankliches Post-it anheften: Das Skigebiet, das bis nach Ischgl reicht, muss immens sein, alle schwärmen davon.

Die Einladung zu einem genussvollen Weinabend verbinden wir mit einem Relax-Wellness-Weekend im Relais & Château Chasa Montana Hotel & Spa. Das Haus im gehobenen Chalet-Stil nimmt uns mit seiner familiären Ambiance und dem extrem freundlichen Staff ein.

Küchenchef Johannes Partoll (eben wieder mit einem Michelin-Stern für das hoteleigene Gourmet-Restaurant «La Miranda» ausgezeichnet) bereitet ein grandioses Siebengang-Menü zu den passenden Spitzen-Weinen der Domaine Chanson zu.

Zweite Post-it-Notiz: Wieder mal ins Burgund fahren!

Chanson-CEO Gilles de Courcel stellt seine Weine jeweils vor. Sein Önologe, Jean-Pierre Confuron, wurde letztes Jahr zum Winzer des Jahres gewählt. Eingeschenkt heisst das: grosse, sehr saubere, sehr charaktervolle Pinot Noirs (und ein Chardonnay) der besten Lagen.

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Auch der sympatische Hoteldirektor und passionierte Sommelier Daniel Eisner spickt den unterhaltsamen Abend mit Weinwissen und Anektoden. Im hoteleigenen Weinkeller pflegt er gemeinsam mit seinem Service-Chef Thomas Monsberger über 1000 Positionen.

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Auf dem Teller überzeugen präzise gegarte und perfekt komponierte Kombinationen wie Seesaibling mit Gurke und Wasabi, konfierter Kaisergranat mit geräucherter Mandel, fermentiertem Lauch und schwarzem Knoblauch oder Hirschrücken mit Feigenkaffee, kandierten Oliven und Karotten-Maracuja-Chutney.

Aber, dieser Einschub muss sein: Nicht nur im Gourmet-Teil isst man hervorragend. Küchenchef Partoll verantwortet auch die Karte der Tagesrestaurants.

Und dort bemerkte mein Junior zu Recht, dass er noch nirgends ein so gutes Wiener Schnitzel bekommen hat (nicht mal das bei Plachutta). Tatsächlich wird es in einer Schweineschmalz-Butter-Mischung ausgebacken und hat eine unverschämt feine und perfekt gewellte Panade. Gibt Extra Junior-Bonus-Punkte!

Die Weinabende finden zweimal jährlich statt und sind seit Jahren bei vielen Weinkennern und Gourmets kulinarische Fixsterne.

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Sorgte am Ende des Abends für vinologische Tiefenentspannung: Chambertin-Clos de Bèze Grand Cru 2008.

Chasa Montana

Eine Tiefenentspannung der besonderen Art war meine erste Erfahrung in einem Floating Tank. 60 Minuten wohlig-warme Schwerelosigkeit.

Floating Tank

Mag sich noch jemand an den Film Altered States erinnern? Übertriebener 80er-Jahre Quatsch aus heutiger Sicht. Die extrem entspannende Wirkung im Salzwasser in völliger Dunkelheit ist grandios.

Anfangs bleibt das sanfte Licht noch 5 Minuten an und ich wiege mich mich hin- und her. Strecke und dehne mich und lasse es da und dort etwas knacken. Dann geht das Licht aus, Meeresrauschen ist zu hören. Wärme umschliesst den Körper. Langsam legt man den Kopf ganz nach hinten und breitet die Arme aus, so dass nur noch Mund uns Nadenspitze aus dem Wasser ragen.

Einem imaginären Hypnotiseur folgend, werde ich immer schwerer, entspannter und dabei gleichzeitig leichter. Alles fliesst. Der Gedankenrausch ebbt ab. Der Puls verlangsamt sich und dämpft die Atmung. Bis man nur noch an eine Farbe denkt: Tiefes Smaragdgrün. Wunderschön.

Wenn das Licht wieder angeht ist es, als wären erst 10 Minuten vergangen. Das Wasser läuft langsam ab. Nun spürt man die Erdanziehungskraft wie nie zuvor. Der Körper sinkt stetig. Wird gegen den Boden gedrückt. „Geerdet“ zu sein, jetzt fühlt man es. Man klebt förmlich in der Wanne, wie ein Crew-Mitglied in einem Science-Fiction-Film, der aus dem Cryo-Schlaf gespült wird.

Bloss, dass man sich hier nicht in einem kühlen Raumfrachter befindet, sondern in der wohligen SPA-Oase mitten in der Schweizer Bergwelt. Fast zu schön um wahr zu sein, denkt man. Und ist dankbar.


Chef-Alps 2015

Profis und Gourmets lieben diese Plattform. Seit vier Jahren holen sie sich an der Chef-Alps von den Gastköchen einerseits Inspiration für neue Gerichte und Kochtechniken wie auch horizonterweiternde Genuss-Philosophien und richtungsweisende Präsentationsformen. Andererseits ist der International Cooking Summit auch eine Art Klassentreffen, wo sich Küchenchefs und langjährig bekannte Gastronomen mit neuen und etablierten Lieferanten treffen. Letztendlich eine überschaubare Familie, die das kulinarische Gipfeltreffen sichtlich geniesst.

Ich bin nach einem Jahr Pause auch wieder hier und darf als Medienpartner des Veranstalters über den zweiten Tag berichten. Die Shows vom Sonntag kann man bei meinem geschätzten Blog-Kollegen David Schnapp auf DasFilet nachlesen.

Morgens um halb zehn macht Alexandre Bourdas einen etwas verhaltenen Anfang. Der Arme musste bangen, ob sein verlorenes Gepäck wieder auftaucht. Seine Langustinen aus der Normandie haben es irgendwie nicht geschafft und so nimmt er sich leicht skeptisch den angelieferten Krustentieren an. Bourdas hat sich nach einer Laufbahn in grossen Restaurants mental befreit und führt mit seiner Frau das Restaurant SaQuaNa in Honfleur, das mit 2 Michelin-Sternen bewertet ist. Ein weiteres Restaurant mit 1 Michelin-Stern wird in Paris betrieben.

Alexandre Bourdas

Sein Leitspruch: «Pas de règles, juste du plaîsir». Er möchte zurück zum Handwerk und zur Freude am Kochen mit klassischen Küchengeräten und Kochtechniken. Ohne Pacojet et compagnie, wie er sagt. Ihm habe es heute zu viele Hightech-Geräte in der Küche und zu wenig Seele. «En cuisine, il faut cuisiner». Und nicht grosse Theorien schwingen? wie es stillschweigend nachhallt.

Er präsentiert zwei simple Gerichte:

Kohlroulade

Mit Langustinen gefüllte Kohlblätter. Dazu werden die Langustinen kleingeschnitten und mariniert. Die Kohlblätter und hauchdünnen Selleriescheiben in Olivenöl angeschwitzt, mit dem Langustinen-Tatar und gebratenen Chorizo-Streifen gefüllt und eingerollt. Zu den aufgeschnittenen Rollen gibt es einen Krustentier-Jus.

Erdbeeren

Sein Dessert heisst schlicht «Fraise et Chantilly». Er serviert einen mazerierten Erdbeersalat in einem Tuile-Ring. Der Fond des Türmchens bildet eine Crème italienne mit Erdbeerjus. Getoppt mit einer sehr luftigen Chantilly aus Wasser, Rahm, Milch und Zucker aus dem Rahmbläser. Bepudert wird das Ganze mit einem Sucre massé. Zucker wird dazu mit Wasser aufgekocht. Kurz bevor er karamellisiert, wird Butter und eine Weinreduktion eingerührt. Danach wird so lange weitergerührt (der Arm fällt ihm fast ab und er übergibt an seinen Sous-Chef) bis die dickflüssige Masse wieder kristallisiert und als aromatisches Puder eingesetzt werden kann.

Bourdas macht einen entspannten, zufriedenen Eindruck. Er muss niemandem mehr etwas beweisen. Alles was er will, ist gut kochen und seine Gäste glücklich machen. Man will es ihm gerne gönnen.

Norbert Niederkofler, Botschafter der Chef-Alps, darf dieses Jahr endlich mal selbst auf die Bühne, wie er freudig betont.

Norbert Niederkofler

Vor zwei Jahren hat er die Küche im Restaurant St. Hubertus (2 Michelin-Sterne) vom Hotel Rosa Alpina im italienischen Badia radikal auf Bergküche umgestellt. Er arbeitet sehr eng mit lokalen Bauern und Produzenten. Also: Kein Meerfisch, keine Foie Gras und ähnliche Luxusprodukte. Seine Gerichte und die Philosophie dahinter sind sehr poetisch. So bilden die Teller jeweils die Natur sinnlich nach – sensorisch, geschmacklich und farblich. Eine Dessert-Kreation zum Beispiel soll sich wie ein Waldspaziergang im Winter anfühlen – inklusive Schnee-Knirschen. Dazu verwenden sie sowohl modernste Küchengeräte als auch traditionelle wie einen Holzofen, um darauf den perfekten Risotto zu kochen.

In diesem Clip bringt er seine Philosophie sehr schön auf den Punkt.

Orzotto alle erbe

Als erstes Gericht präsentiert er seinen Signature Dish Orzotto alle erbe con gelatina di verbena al limone. Einen „Risotto“ aus Rollgerste mit Lorbeer, Zitrone, Wasserpfeffer und Kräutern. Gebunden mit Ziegenbutter und Parmesan und darüber ein Gelee aus Zitronenverbene.

Forelle
«Es war einmal eine Forelle» ist ein weiterer Signature Dish. Geräuchertes Forellen-Tatar, Forellenkaviar, Knusperhaut in Streifen. Fond aus den scharf angebraten Gräten und Essig zu einer klassischen Beurre blanc gebunden. Dillöl, Kornblumen, Apfelblüten.

Dessert
Sein Pâtissier Philippe Siegwart (der das Restaurant demnächst verlassen wird) schafft es, immer mehr Zucker wegzulassen und eine Balance hin zu spannenden, süss-salzigen Kreationen zu finden. Hier ein Dessert mit Saft vom Weizengras. Getrocknetem Joghurt. Im Stickstoff gefrorenes Popcorn. Mais-Eis. Sauerklee.

Ähnlich wie Bourdas findet Niederkofler, müsse er, mit 54, was das Kochen angeht, nichts mehr Neues erfinden, sondern darf es geniessen, sein Wissen weiterzugeben und den jungen Köchen Platz machen. Und das tut er. Äusserst ansteckend und mit sehr viel Freude.

Der Argentinier, Mauro Colagreco kommt ursprünglich aus tataa! Abruzzo – uè guagliò – genau wie ich. Seit neun Jahren ist er nun an der Côte d’Azur an einem Ort, in den man sich vermutlich Hals über Kopf schwer verliebt. Das Restaurant «Le Mirazur» (2 Michelin-Sterne) in Menton. Das ist, wie er sagt, pure méditerranée. Seine Quellen: La Mer, Les Alpes Maritimes, Le Potager. Das heisst, viel frischen Fisch direkt von kleinen Fischern, intensive Kräuter und ein reicher Garten voller selbst gezogenem Gemüse.

Mauro Colagreco

Das Thema, das er den Besuchern in drei Gerichten näher bringt ist: Kollagen aus dem Meer. Einmal setzt er es als Gelatine um. Dann als Klebemittel und beim dritten Teller als Emulgator.

Für einen intensiv schmeckenden, delikaten Gelatinefilm wird ein Sud aus Zwiebel, Fenchel, Knoblauch, Orangenschale, Thymian, Safran, Krustentierfond und vielen kleinen Felsenfischen aufgesetzt. Diese „minderwertigen“, aber geschmackvollen Fische gelangen kaum in den Verkauf. Meistens bilden sie die Grundlage für einfache Gerichte der Fischerfamilien. Leider werden sie auch von grossen Schleppern als Beifang wieder tot ins Meer geworfen. Schande.

Gelatine Fond

Der stark reduzierte Fond wird jeweils als Basis in einen Teller gegossen und im Kühlschrank geliert. Darauf legt er zarte rote Gambas aus San Remo und komplettiert den auf Eis gebetteten Teller mit Queller, Filetstücken von kleinen Doraden, Olivenöl, Blütenblättern und etwas Zitronenabrieb.

Calamar

Wie Kollagen als Kleber wirkt, zeigt er in einem Gericht mit Kalmar. Für einen zarten Biss schneidet er den Kalmar zu einem Rechteck und dieses in tagliatelledünne Streifen. Nebeneinander gebraten, verkleben diese und bilden ein stabiles breites Band. Die Sauce darunter lehnt an die piemontesische Bagna Cauda an, jedoch mit Crème fraîche statt mit Olivenöl. Dazu kommt eine Artischockencrème, gebratene Artischocken und Pimpinelle. Für den knusprigen Chicarròn verwendet er mit Tinte eingefärbten Arborioreis. Gemixt, sehr dünn auf Silikon ausgestrichen und getrocknet, wird er Sekunden im heissen Öl gepufft.

Ceci al mare

Die dritte Anwendung des „Meeres-Kollagens“ zeigt sich in einer sämigen Emulsion zu Venusmuscheln, Meereschnecken und Kichererbsen. Die Sauce wird mit wenig eingerührter Butter und in Streifen geschnittene Kabeljaublase, die augenblicklich schmilzt, gebunden. Zur Fertigstellung kommen Gambas, Schnittlauch, Zitronensaft und Blütenblätter dazu.

Schwer beeindruckend ist der jüngste Gastkoch der Chef-Alps 2015: Der «Steira Wirt» Richard Rauch. Bereits mit 17 Jahren wurde er Chefkoch des Betriebs, den er heute mit seiner Schwester führt. Während seinen ersten beiden Lehrjahren kamen und gingen nicht weniger als acht Küchenchefs. Da habe ihn seine Familie gefragt, ob er den Chefposten nicht gleich selbst übernehmen möchte. «Schlimmer kanns nicht werden», wie er witzig anfügt. Heute ist das, was als einfaches Traditions-Wirtshaus begann, eine Pilgerstätte, die mit drei Hauben ausgezeichnet ist.

Richard Rauch

Alles, was verarbeitet wird, gründet auf traditionellen Produkten der Region. Selbst der Biertrester vom lokalen Brauer wird zu Brot oder Knusper verarbeitet. Der Vater betreibt eine angegliederte Fleischerei. 500 eigene Freiland-Schweine liefern erstklassiges Fleisch, das bis zu zehn Wochen(!) am Knochen trockengereift(!) wird. Und dann ruft er auch noch seinen Taubenzüchter Gerd auf die Bühne!

Rauch bringt das Kunststück fertig, seinen Gästen in derselben Wirtsstube zwei Menükarten in die Hand zu drücken. Eine mit währschaften Wirtshausspeisen und eine mit kreativen Gerichten.

Als erstes zeigt er ein einfaches Gericht mit selbst gemachtem Frischkäse aus Ziegenmilch mit gegrillten Gurken, Zitruskaviar, Verbeineöl, Eisenkrautöl und Duftgeranien. Dazu drei verschiedene Tag-Lilien: in Verjus eingelegt, gedämpft und roh.

Zum dry aged, sous-vide gegarten Schweine-Kotlett gibt es selbst angebaute, scharfe Kresse. Gedämpft, roh und pulverisiert. Dazu weissen Lardo, kurz angeflämmt. Krokant aus Biertrester und als Balance zum Fettigen, einen Kimchi-Fond aus Kohlrabi.

Kotelett

Als nächstes zeigt er, wie er Taube in drei Gängen serviert. Brust im Taubenschmalz konfiert, mit Sonnenblumenkeimlingen, Hanfsamen und geräuchertem Taubenfond. Dazu eingelegte Weinblätter, gefüllt mit Mais und eingelegten Traubenblüten.

Taubenbrust

Das glasierte Tauben-Haxel bekommt junge, im Taubenfett konfierte Mairüben und Sommerspinat als Beilage. Dazu klassischer Schmorsaftl.

Taubenhaxl

Was Jäger und Feinschmecker als Schnepfendreck kennen, serviert er von der Taube: Innereien wie Magen, Herz und Leber feinwürfelig geschnitten, mit Jungzwiebeln sautiert. Den Fond mit Taubenblut gebunden und eingeklemmt in einer Art Mini-Sandwich aus Hanfpresskuchen. Grossartig.

Taubendreck

Christian Bau, der dieses Jahr zum zehnten Mal seinen dritten Michelin-Stern bestätigt hat, als Starkoch vorzustellen, ist eigentlich obsolet. Vor allem, weil er von sich selbst sagt: «Ich sehe mich als Handwerker, nicht als Star.»

Christian Bau

Bevor er seine Gerichte präsentiert, geht er mit sich selbst, dem gastronomischen Umfeld und den Medien hart ins Gericht. Er erzählt von seinem langen, zwanghaften Weg zu seinem heutigen, befreiten bau.stil, der die klassische französische mit der asiatischen Küche kombiniert.

Und er gibt seinen Berufskollegen drei Botschaften mit: 1. Findet euren eigenen Stil. 2. Kocht wieder und hört auf mit dem modernen Firlefanz. 3. Macht euch frei von Social Media Druck und negativen Bewertungen von selbsternannten Kritikern.

Man spürt, dass da der Schuh an diversen Stellen drückt und bevor er, wie er wie zugibt, zu emotional wird, zündet er mit sechs göttlich komponierten Gerichten das finale Feuerwerk.

Sich die komplexen Kompositionen merken oder seine Kochtechnik präzise notieren zu wollen, ist aussichtslos. Lieber lasse ich seine Bilder mit spärlichen Notizen sprechen.

Ich bin mir sicher: Sein zwanziggängiges Menü würde mich mit Freudentränen erschüttern und in meinem kulinarischen Universum bliebe kein Stein auf dem anderen.

Memories of Japan
«Memories of Japan». Alle Aromen Japans mit marinierten rohen Austern und Meeresfrüchten, Enoki-Pilzen, Abalone und Kräutern. Tapiokafond. Ponzuschaum und Sorbet von Yuzu und roter Shisokresse.

Island Shrimps
Kleine, süsslich-delikate Island-Shrimps. Dazu Buttermilch, Dill und Gurke. Buttermilch-Dashi. Gurken in verschiedenen Texturen.

Gelbflossenmakrele
Kiemenstück und Rücken von der Gelbflossenmakrele mit Apfel, Zitrus und Meereswasser. Das Rückenstück ph-neutral gebeizt, mit Sojasauce, Aromaten und Reisessig. Das Kiemenstück (das ausgelöst aussieht wie Kobe-Beef – durch und durch mit Fett durchzogen), wird sous-vide gegart und abgeflämmt. In Kombination mit Meeresfrüchten, rohem Apfel, Apfelblüten, marinierten Apfelröllchen, Dillöl, Stabmuscheln, pochierten Austern, Limetten-Ricotta, konfierten Yuzuschalen, Algenerde aus Noriblättern, grüne Auster-Kräuter-Emulsion und Meerwasser in Form von Stickstoffperlen.

Langoustine mit Satay
Französische gebratene Langustinen mit Satay, Erdnusscrumble, Rettich, Sobanudelrolle, knackiges Gemüse und Misosuppe.

Ozaki Beef
Ozaki Beef über Holzkohle gegrillt, mit Erdartischocke, Wakame und Trüffel. Dickflüssige Vinaigrette aus Topinambur, Trüffel-Dashi und diversen Ölen. Artischockenpüree. Würfel vom Short-Rib.

Souvenir aus Asien
«Souvenir aus Asien». Crème caramel mit Pan-Dan in Form einer Buddhamaske. Mit Schokolade überzogen. Maccarons. Rohe Nashibirnenkugeln. Ingwer-Eis.

So unterschiedlich die Persönlichkeiten und die konzeptionellen Ansätze der Kochgrössen sind – es gibt Trends, die alle teilen. So wird Regionalität bei den meisten radikal vorangetrieben. Der direkte Einkauf beim Produzenten wird als richtiger Schritt in eine nachhaltige Zukunft gesehen. Dadurch wird nicht nur die Saisonalität respektiert sondern auch Frische, Güte und Geschmack der Produkte sichergestellt.

Gemeinsam mit lokalen Bauern, Brauern oder Bäckern wird Neues entwickelt und Traditionelles wiederentdeckt. Das bedeutet auch, weg von Luxusprodukten, hin zu ehrlichen Erzeugnissen mit viel Geschmack.

In den Gerichten sorgen verschiedene Temperaturen und Texturen für eine spannende geschmackliche Variation bestimmter Ausgangsprodukte. Dabei wird bei pflanzlichen wie auch bei tierischen Erzeugnissen konsequent alles von nose-to-tail und leaf-to-root verwendet.

Das wirkt sich zum einen positiv auf den Wareneinsatz und somit auf den wirtschaftlichen Erfolg des Restaurants aus und zum anderen werden Erzeuger fair bezahlt, was wiederum junge Menschen motiviert, aufwändige Agrarberufe anzupacken.

Und schliesslich gibt es auch eine Rückbesinnung auf „richtiges“ Kochen und klassisches Handwerk ohne Effekthascherei. Moderne Küchentechnik soll nurmehr da eingesetzt werden, wo es Sinn macht und dem Gast einen wirklichen Mehrwert auf dem Teller bietet: Geschmack.

Bilder: ©Christian Bau / ©Nadine Kägi


Reise zum Mittelpunkt vom Genuss.

Rolls Royce Phantom

Blick aus dem Fond des Rolls Royce Phantom vom Badrutt’s Palace Hotel: «Ich gebe Ihnen meine Karte, Sior Del Principe. Rufen Sie einfach an, wenn wir Sie wider abholen dürfen, Sior Del Principe

Ja, so geht das natürlich. Sehr gut sogar. Ich weiss jetzt, wie man sich als Gentlemen gekleidet, in eleganten Lederschuhen souverän durchs hochwinterliche St. Moritz bewegt. Auf vier Rädern. Door to door chauffiert. So wie Allmen in Martin Suters Romanen. Ich habe die Garderobe entsprechend gewählt und auch genügend Schuhe eingepackt (6 Paar für zwei Übernachtungen – Ladies, ich bin da ganz bei euch – man kann nie zu viele Schuhe mit dabei haben).

Ich war Gast am diesjährigen St. Moritz Gourmet Festival. Es fand bereits zum 22. Mal statt und lief unter dem Label «British Edition».

Dies zu Ehren der britischen Touristen; sie machten St. Moritz als Erste zur beliebten Winterdestination. Was die Schweiz heuer mit dem Jubiläum «150 Jahre Wintertourismus» feiert.

Für das «Grand Opening» beziehe ich mein Quartier im Kempinski, wo der Eröffnungs-Event stattfindet. Praktisch: Ich kann feiern, essen, trinken und mich gleich danach ins Bett fallen lassen. Hip hip hurray!

Nach meinem letzten Besuch im Dezember geben mir die Angestellten im Kempinski das Gefühl, einer dieser britischen Touristen zu sein, die schon seit 150 Jahren hierherkommen. Ich meine: Wie machen die das? Egal wem ich begegne, jeder spricht mich mit Namen an. Man erkundigt sich nach meinem Wohlbefinden oder knüpft an ein Detail an, über das wir gesprochen hatten. Ich bin schwer beeindruckt.

Die Partnerhotels des Festivals geben sich aussen wie innen «very british».

22. St. Moritz Gourmet Festival: Lichtinstallation

Dem Dresscode «Cocktail» entsprechend wähle ich einen schwarzen, einreihigen Anzug (mit Spitzrevers), weisses Hemd, schwarze Seidenkrawatte, silbergraues Pochette und schwarze, glänzende Schnürschuhe. «Wäre für ‹Cocktail› nicht sogar Smoking angebracht?» fragt der gern gelesene Kollege Fassbender vom NZZ-Blog. Nein. Das wäre Dresscode «Black Tie».

Was passiert, wenn man den Dresscode ignoriert, durfte der ebenfalls gern gelesene Kollege Schnapp vom Blog DasFilet erfahren. Seine beiden Begleiter wurden vor zwei Jahren dezidiert abgewiesen (einmal Jeans – absolutes No Go – ab ins Hotel zum Umziehen! Und einmal Jackett ohne Krawatte – ihm wurde freundlicherweise ein Schlips geliehen.)

Dass man sich nicht allzu sehr über gewünschte Dresscodes hinwegsetzt, finde ich in Ordnung. Schliesslich geht es um Fine Dining. Und das soll alle Sinne ansprechen. Wir trinken schliesslich auch aus Kristallgläsern und nicht aus Plastikbechern.

Noch etwas über den Gourmet-Blog von David Schnapp. Er ist dieses Jahr offizieller Medienpartner des Festivals. Das finde ich erstens sehr super (bitte seine Tagebucheinträge lesen!) und zweitens eine sehr erfreuliche Entwicklung für Blogger/Leser.

Grand Opening

Zum «Grand Opening» präsentiert jeder Gastkoch  sich und – quasi zum Salut – zwei Grüsse aus der Küche. Das macht richtig Laune. Man gondelt von Foodinsel zu Foodinsel, verspeist insgesamt 18 Häppchen und parliert nebenbei locker mit den Sterneköchen.

Collage Martinez Burge

(v.l.n.r.) Shootingstar und everybody’s Darling Virgilio Martìnez (Restaurant LIMA Fitzrovia, London, 1 Michelin-Stern) serviert ein lauwarmes Ceviche aus Wurzelgemüse – wow! das ist „Vegetarisch zum Verlieben“; tolle Säure, intensives Gemüsearoma und warme Steviasüsse mit den pulverisierten Andenkäutern on top. Der zweite Gruss: Jakobsmuschel-Tartar an „Amazonas Tiger’s Milk“ und sehr luftiger und körniger schwarzer Quinoa. Insgesamt mehr erdig denn marin im Geschmack.

Der etwas schüchterne und hoch konzentrierte Martin Burge (Whatley Manor Hotel, Malmesbury, 2 Michelin-Sterne) kombiniert sein Tartar von der Jakobsmuschel mit Gurke und milder Wasabi Ice Cream – very cool, very fresh indeed. Auch seine vegetarische Visitenkarte überzeugt: Die Mollige Pilz-Crème (Steinpilz, Champignon) mit Haselnuss-Emulsion und -Knusper und Artischocken-Schaum ist eine kleine Umami-Bombe. Traumhaftes Food-Pairing.

Collage McHale Kochhar

(v.l.n.r.) Sein Buttermilk Fried Chicken mit Piniensalz fällt leider etwas banal aus, auch wenn es sehr zart ist, weil: Isaac McHale (The Clove Club, London, 1 Michelin-Stern) erobert die Sympathien mit einer schlichten Amalfi-Zitronen Ice cream mit Sarawak-Pfeffer – schlicht der beste Gang des Abends, urteilen viele Gäste. Zu Recht. Selten so etwas Erfrischendes gegessen. Das ist Kindheits-„Tiki-Prickeln“ auf Sterneniveau. Ob er sich an der Amalfiküste inspirieren liess, frage ich ihn. Nein, meint er. Da war er noch nie. Überhaupt komme er viel zu wenig zum Reisen – «I just watch a lot of TV!»

Chong Choi Fong (Restaurant China Tang at the Dorchester, London) zeigt, wie authentische kantonesische Küche ausserhalb Chinas schmeckt. Sowohl sein Schweinebauch-Bun wie auch der leicht scharfe Ying Yang Salat mit Gemüsejulienne, Chili, Hühnchen und Ente sehen – pardon – nach nichts aus, sind aber simpler, purer Genuss ohne Effekthascherei.

Collage Kochhar Outlaw

(v.l.n.r.) Atul Kochhar (Benares Restaurant & Bar, London, 1 Michelin-Stern) bringt butterzartes, fein gewürztes Chicken Tikka, welches gegenüber seinem Dessert (ähnlich wie bei Isaac McHale) sogleich ein wenig verblasst: Die erfrischende Bapha Doi Jogurtcrème mit Pistazien und roten Beeren bleibt in bester Erinnerung.

Nathan Outlaw (St Enodoc Hotel, Rock, Cornwall, 2 Michelin-Sterne) liebt alles, was aus dem Meer kommt. Der erklärte Seafood-Spezialist bereitet eine crèmige Fischsuppe mit ordentlich Tiefgang zu. Dazu eine Austernmayonnaise auf einem Cracker. Die knusprig ausgebackene Auster auf Gemüsepickles ist optisches Understatement, geschmacklich überzeugt sie.

Collage Atherton Bosi

(v.l.n.r.) Jason Atherton (Restaurant Pollen Street Social, London, 1 Michelin-Stern) ist auf der Überholspur: Er führt Restaurants und Bars in London, Hongkong, Shanghai, Singapur, Dubai, Sydney und New York. Ist «Chef of the Year» 2014 (Caterer and Hotelkeeper) und «Man of the Year» 2013 (GQ). Dafür sind seine beiden Gerichte leider etwas kraftlos. Ziegenkäse-Churros mit Trüffel und Honig sowie Smoked Pork Empanadas mit Trüffel, reissen mich nicht vom Hocker.

Das schafft dafür Claude Bosi (Restaurant Hibiskus, London, 2 Michelin-Sterne) mit seinem hauchdünnen Dumpling – gefüllt mit nichts als konfierter Zwiebel und etwas Lime – in einer Garnelen-Consommé. Es ist geradezu magisch, wie viel Prickeln und Substanz er damit herauskitzelt! Seine Foie Gras Eiscrème im Cornet ist perfekt, hat dafür weniger Überraschungspotential.

Collage Angela Hartnett

(v.l.n.r.) Angela Hartnett (Restaurant Murano, London, 1 Michelin-Stern) auf die ich mich so gefreut hatte, ist eine ganz wundervolle, heitere Nudel. Könnte eine meiner Cousinen sein! Sofort chatten wir angeregt halb englisch, halb italienisch über italienisches Essen, Tradition und schrullige Mammas. Letzthin habe ihr Freund den Brodo gemacht, als ihre Mutter zum Essen kam. Es reichte ihr ein flüchtiges Schnuppern am Topf um enttäuscht zu konstatieren: «Diese Brühe hast nicht du gemacht, stimmts? Er hat sich wohl daran versucht. Ich werde keinen Löffel davon essen!». Ja, so sind sie, die italienischen Mamas. Sehr eigensinnig, nicht nur was das Essen angeht.

Ihre Snacks: Frittierte Schwarzwurzel mit Parmesan und Trüffel sowie Culatello (mit Pancetta leider falsch angeschrieben), Gnocco fritto (mit Crostino leider falsch angeschrieben) und Ricotta und konfierte Feigen. Fast typisch für traditionelle italienische Gerichte – zwar hervorragende Produkte, aber im Vergleich zu ihren Kollegen deutlich weniger Wow-Effekt.

Am nächsten Tag disloziere ich voller Vorfreude ins Badrutt’s Palace Hotel. Ihr habt bestimmt alle den mit neun Oscar-Nominierungen angekündigten Film «The Grand Budapest Hotel» gesehen. Nun, das Palace hätte zehn Oscars verdient. Was man beim Betreten dieser Legende der Schweizer Hotellerie an Grandezza, Geschichte und Glamour einatmet ist überwältigend. Der Service, die Freundlichkeit und die Ausstattung sind schlicht outstanding.

Bevor ich mich ins bezaubernd schöne Grand Hotel Kronenhof in Pontresina aufmache oder besser gesagt, chauffieren lasse (im blauen Pinstripe-Anzug, ohne Krawatte – und vor allem ohne Mantel, wozu auch? – mit weissem Einstecktuch und braunen Wildleder- Loafers), um einen echten Afternoon Tea zu geniessen, stehe ich etwas dusselig vor dem Concierge: «Wo hab ich jetzt meine Kamera?», frage ich nicht ihn, sondern in meine Aktentasche hinein. Er hebt sofort den Kopf und bedeutet dem Pagen (ja, so einer wie im «The Grand Budapest Hotel») mich aufs Zimmer zu begleiten: «Accompagna il Sior Del Principe su in camera e aiuta il Signore a cercare la sua macchinetta!»

Warum hier alle ausnahmslos italienisch mit mir sprechen, ist mir zwar nicht klar, aber es gefällt mir ungemein. Nun finde ich nicht mal mehr meine Magnetkarte, mit der ich den Lift in die oberen Etagen dirigieren kann – aber dafür ist ja der Page da. Er hat schon längst seinen Passepartout durchgezogen und redet beruhigend auf mich ein (ebenfalls auf Italienisch): «Kein Problem, Herr Del Principe. Ich bin sicher, wir finden Ihre Kamera. Ich begleite sie auf Ihr Zimmer und helfe Ihnen suchen, kein Sorge.»

Nein, hier brauch ich mir wirklich keine Sorgen machen. Ich glaube ich könnte nachts um drei nackt in der Lobby auftauchen und behaupten, Aliens hätten eben meinen Bademantel geklaut, das würde hier niemanden auch nur im Geringsten aus der Ruhe bringen. Der nette Page hat die Kamera in meinem offenen Koffer gesichtet, bevor ich überhaupt mit Suchen anfangen konnte …

Kronenhof Hotel Lobby_s

Wirklich: So umwerfend sieht die „sixtinische“ Lobby des Kronenhofs aus.

Collage Afternoon Tea

Richard Spears vom The Dorchester, London zelebriert am Gourmet Festival perfekten Afternoon Tea. Überaus aufmerksam fragt er mich, ob er mich zu meinen Kolleginnen der Hotel Revue setzen dürfe. Und ob! (Danke für den entzückenden Nachmittag, my Ladies.). Zu einem milden Dorchester Blend tea (Ceylon und Assam) werden die klassischen Sandwiches mit Frischkäse und Gurken, Eiern und Brunnenkresse, Hühnchen und Lachs serviert. Gefolgt von lauwarmen Scones mit üppiger Clotted Cream, Lemon Curd, Aprikosen- und Erdbeerkonfitüre. Weiter geht es mit knubbeligem Konfekt, das ausschaut, als hätten sie Wallace and Gromit geliefert. Schliesslich kommt noch der obligate Mandel-Marzipan-Kuchen, aber man muss Contenance wahren, steht doch am Abend die abenteuerliche «Gourmet Safari» an.

Ich wähle für den Dresscode «Smart Casual» einen Grau-in-Grau-Look: Hose, V-Neck Jumper, Jackett und Krawatte aus Wolle, dazu ein weisses Hemd und schwarze Chelsea-Boots. Mantel? Wozu auch. Wir werden ja chauffiert …

Bei dieser exklusiven Eskapade werden die Gäste mit den neusten 4×4 Limousinen von Festival-Sponsor BWM zu jeweils fünf Gästeköchen in fünf Partnerhotels gefahren. Die Gänge werden dann jeweils direkt in der Küche an einem Chefstable serviert. Ein einzigartiges Vergnügen! Nachzulesen in meinem Artikel auf Falstaff.

Collage Martin Burge

Die unterschiedlichen Grand Hotels wie das Suvretta House, das Hotel Waldhaus, Sils, das Giardino Mountain oder das Kulm Hotel St. Moritz mit den jeweiligen Küchen, Küchenchefs und Gastköchen zu sehen ist very vibrant!

Collage Martinez

Superstar/Entertainer Virgilio Martìnez gibt sich extrem aufgeschlossen.

Collage Nathan Outlaw

Nathan Outlaw kocht in der eindrücklich hohen Küche des Hotel Waldhaus.

Den vergnügten Abend lassen wir bei Zigarren und Digestifs in der Sunny Bar des Kulm Hotels ausklingen. Ich bin geneigt, den Heimweg beschwingt durch die kalte Winternacht unter die Füsse zu nehmen. Aber bevor ich überhaupt zur Drehtüre komme, hat der Concièrge bereits einen Wagen vom Palace für mich bestellt. Ist vielleicht auch vernünftiger: Hab nämlich keinen Mantel dabei …

Jemand hat zum Frühstück Kaiserwetter bestellt. Gehört bestimmt auch zum Fünfstern-Service. Ich wage mich im Schlafanzug (Hanro, hellblau, Nadelstreifen) auf die eisig-kalte Terrasse. Diesen Anblick muss ich augenblicklich instagrammen.

St. Moritz Nordblick instagram

Ich betrachte zufrieden das Werk und teile das Foto. Dann fällt mir ein, dass es Richtung Süden eventuell auch einen netten Ausblick gibt. Also steige ich noch einmal auf die Terrasse. Ja, doch. Wäre schade drum gewesen:

St. Moritz Südblick instagram

Nach einem Morgenschwumm im (modernen) Palace Aussenpool gönne ich mir das fürstliche Frühstück in kathedraler Atmosphäre. Nein, ich übertreibe kein bisschen. Die Innenräume, die Materialien, die Einrichtung einfach alles – hat tatsächlich etwas von „heiligen Hallen“. Und weil das so ist, spielt im Frühstücksraum auch nicht irgendeine Musik aus versteckten Lautsprechern oder ein Pianist, sondern folgerichtig eine Harfenistin. Ja, eine richtige, die an einer richtigen Harfe zupft.

Und als ob es nicht schon alles am Buffet gäbe, was man sich nur wünschen kann, bestelle ich ein getrüffeltes Egg Benedict. Nur um es mit dem vom Kempinski vergleichen zu können. Während dieses nämlich zeitgemäss leicht und in einer moderaten Portion im Tumbler-Glas serviert wird, bekomme ich im Palace fast schon einen Mittagsteller. Gleich zwei pochierte Eier sitzen auf Toast und Schinken und die Hollandaise ist gemacht, um den Aufstieg zur Corviglia mit ausreichend Reserve per Pedes in Angriff zu nehmen.

Badrutt's Palace Breakfast

Da ich das nicht mache, sondern mit der Bergbahn zu Reto Mathis‘ Corviglia Caviar & Seafood Blizzard hochfahre, ist mein Appetit arg begrenzt.

Collage Corviglia

Ich nasche dennoch von seiner legendären Pizza mit schwarzem Trüffel (und das nicht zu knapp!) vom duftenden Aquarello-Risotto mit Seafood sowie vom ebenfalls getrüffelten und mit Foie Gras gefüllten sehr zarten, sehr saftigen Poulet Noir (Bianchi). Zum Dessert gibt es Savarin mit Fior di panna und Beeren und eines der schönsten Gruppenbilder der Gastköche vor einer imposanten Bergkulisse.

St. Moritz Gourmet Festival: Corviglia Caviar & Seafood Blizzard, Gruppenbild im Schnee

Ich unterhalte mich zum Schluss mit Festival-Gründer und Präsident Reto Mathis. Er sprüht vor Energie, Kreativität und Innovationsdrang. Davon profitiert eine ganze Region. Besonders freut ihn, dass das Gourmet Festival immer jüngere Besucher nach St. Moritz lockt. Für ihn ein Zeichen, dass man nicht vergangenen Zeiten nachtrauern, sondern sich entschieden nach vorne orientieren soll. Nur das bringe langfristig Erfolg. Man mag es ihm aufrichtig wünschen.

St. Moritz Gourmet Festival: Corviglia Caviar & Seafood Blizzard, Reto Mathis

Von den gut 40 Events am St. Moritz Gourmet Festival hatte ich einen grossartigen kleinen Einblick. Die Organisation ist perfekt. Der Anlass hochkarätig. Spass, Glamour und kulinarisches Vergnügen unvergleichlich. Ich kann es nur empfehlen. Und hoffen, dass ich auch nächstes Jahr wieder dabei sein kann. Dann mit dem Gastland Japan: Oishii!

Einzelne Bilder wurden von swiss-image.ch bzw. den Partnerhotels zur Verfügung gestellt.


1 neue Nachricht: Istanbul!

Fish of fishermen, walnut “Tarator”, onion and taramasalata
The fishermen of the Bosphorus is one of the most importand figure to explain the culinary scene of İstanbul. And we just want to give our graditude to our fellow fishermen for their hard work and hard life. Tarator is an old recipe that goes well with mussel tempura. This time it goes with what we have got from the fisherman.

Ich liebe dieses helle «Pling!» wenn eine neue Nachricht vom Facebook Messenger auf meinem iPhone erklingt.

Menschen, die ich noch nie in meinem Leben gesehen, getroffen oder gesprochen habe, schreiben mich an. Einfach so. Mit einer vereinnahmenden Vertrautheit. Nicht zudringlich, mehr so zuversichtlich. Dabei sind wir noch nicht mal „befreundet“ auf diesem Facebook.

Egal, weil – es geht um Essen. Und da teilt man etwas Gemeinsames. Etwas, das sofort alle Hürden überwindet.

Diese Nachricht kommt von Cem Ekşi. Er schreibt aus Istanbul. Enthusiasmiert berichtet er von seiner dreiwöchigen Entdeckungsreise durch die kulinarische Landschaft Anatoliens.

Von drei Jahre gereiftem Rindertalg, das zum Konfieren verwendet wird. Von einem letzten Käser dieser Art, der seine Ziegenmilch wie zu Urzeiten in einem Ledersack fermentieren lässt und dessen Käse auf der Arche Noah Liste gelistet ist.

Beet and “Kargı Tulum” cheese, purslane
Kargı tulum cheese (fermented in goat skin) is on “Noah’s Ark List” of Turkey, because there is only one producer left and we as Neolokal, we try our best to reach all the “noah’s ark” products to have them survive. This salad is a reformed version of one of our best loved dishes of our previous restaurant.

«Es ist ein Traum. Echt krass, was man hier alles findet. Diese Qualität, diese Fülle! In diesem Land wächst einfach alles. Unsere neuste Entdeckung: Trüffel. Sowohl weisser als auch schwarzer. Und zwar echter Trüffel. Auf der europäischen Seite, kurz vor Bulgarien gibt es Eichenwälder in denen man fündig geworden ist.»

Er schreibt, er sei von Deutschland hierher gekommen, um als Chef Tournant in einem neuen Lokal zu arbeiten. Bezeichnenderweise heisst es Neolokal.

«Wir ziehen fünf verschiedene Sauerteige und machen das Brot täglich selber. In den letzten zwei Wochen haben wir mit sechs verschiedenen Milchsorten Joghurt gemacht, entrahmt, den Rahm extra weiterverarbeitet. Gekocht wird mit Kupfertöpfen (hab den ersten schon auf den Fuss bekommen!)»

Ich schreibe: «Stopp. Du hattest mich bei den fünf Sauerteigen. Können wir skypen?» Ich will mehr wissen über dieses Restaurant. Ach was – ich will den nächsten Flieger nehmen und mir vor Ort alles anhören und einverleiben!

Bonito rillette and fresh herbs, pickled fennel
Bonito is our favorite fish of Bosphorus. It is now still warm and the bonitos are not fatty enough, that makes us want to create the best rillette out of the bonito. The herbs and radish is freshly picked from our farm and the bread is baked by the farmers nearby.

So reden wir zum ersten Mal Face to Face. Wie alte Schulkumpel, die damals zusammen auf demselben Bolzplatz gekickt haben. Und so nebenbei erwähnt er, dass er immer noch auf der Suche nach Fettine di Reale ist. Davon habe ich vor sieben(!) Jahren mal auf dem Blog geschwärmt.

Cabbage and siyez wheat, milk poached garlic and parsley
Siyez wheat is the oldest breed known in Anatolia. Since it is wild, it cannot be turned into flour. We use it as bulgur, cracked wheat. İt is both on the “noahs ark list” and “presidia” product which is the alliance of producers trying to market traditional products. This dish is very traditional in south eastern cuisine of Anatolia made with bulgur wheat, pommegranate molases and fresh herbs. We are proudly happy to use siyez on this recipe.

Für Cem ist es die erste Station nach seiner Ausbildung im Bareiss Baiersbronn. Von Neolokal Küchenchef Maksut Askar sagt er: «Da rollt ne ganz grosse kulinarische Bewegung in Istanbul an und Maksut ist eine treibende Kraft dieser gastronomischen Revolution.»

«Wir fahren an den Wochenenden vor Dienstbeginn auf diverse Bauernmärkte, es wird ganz krass auf die Saison geachtet, man achtet darauf, nur faire Produkte aus der Türkei zu verarbeiten. Fisch wird täglich frisch geliefert – aber ausschliesslich Angelware! Fleisch kommt aus der Region. Von einem Hof 50 Kilometer ausserhalb von Istanbul.»

“Katmer” and “Tirit”, “Tarhana” yoğurt cream, dried “Tarhana”
Where ever you go in Anatolia, you will find Tirit on your dinner table. Or in the traditional recipe list. Depending on the region, or ethnic culture, it is either cooked with beef or lamb, poultry or just with the stock. Simply bread soaked in stock of the beef and yoğurt accompanies. Our version is the combination of all, cooking beef in duck juice and fat gives an amazing hint to the dish.

«Zusammen mit den sechs momentan einzigen „Gourmetrestaurants“ haben wir einen Hof gemietet mit 5 Hektar Anbaufläche. Wir pflanzen altes Saatgut von vergessenen türkischen Gemüsesorten. Ab nächstem Jahr sollen 90 Prozent der Versorgung von dort kommen.»

Buttered garlic shrimps, sorrel, “Satsuma” cream
Garlic and butter fried shrimp dish is an old tradition of “Meyhanes” and “fish locandas” in Turkey. We wanted to reconstruct such a delicacy into a memorable plate. The only link missing on our cuisine is presentation but focusing on the taste. We want to respect the recipes on both.

«Wir haben eine Weinauswahl von 120 türkischen Top-Gewächsen (es gibt 53 autochtone Rebsorten). Auf unserem Käsewagen gibt es 30 regionale Spezialitäten von denen ich bisher noch nicht mal den Name aussprechen konnte.»

Lamb and beet “Borani”, salted yoğurt and lamb sauce
Local traditional food is all about home cooking in Turkey, and not Kebap! Our stews and casserole dishes play an important role representing our cuisine. This “Borani” dish is designed to have the chance to explain this. “Beet Borani” is a slow cooked stew with salted yoğurt of “Hatay”. Our dish has slow cooked lamb and salted yoğurt & lamb sauce on “Borani”.

Also, ich komme hier leider nicht so schnell weg, wie ich mir wünschte.

Aber wer demnächst nach Istanbul reist (wenn das kein Grund ist!), der klopft bitte im Neolokal an (und dem Cem von mir freundschaftlich auf die Schulter) und isst gedanklich ein paar Happen für mich, einverstanden?

Linden parfait, lemon cream and “Acıbadem macaron” crumble
Linden is an amazing flower of a tree with same name that represents our cuisine too. İt is mostly used for tea. This time we wanted to show our respect to the flower and share the taste we designed for you.
 
Alle Bilder von Seren Dal. Weitere Fotos finden sich auf seiner Website.

Und der Sprecher geht leer aus.

Spätestens bei der Fanfare des «Tiggi uno» sind alle Dorfbewohner in ihren Häusern. Die Italiener sprechen immer von ihrem Haus. «Casa», Haus, Heim, Zuhause. Auch wenn ein Dorfbewohner faktisch in einer Wohnung wohnt: Casa. Niemand sagt «Appartamento». Ausser wer in einem «Palazzo» in der Vorstadt wohnt. Was kein Palast ist, sondern ein grosses Wohnhaus mit vielen Wohnungen.

Das orchestrale Intro des «TG1 delle 20», der Hauptnachrichtensendung des italienischen Hauptfernsehsenders «Rai uno» bläst seit 1952 – über die Jahre immer wieder leicht variiert – alle von der Piazza. Sie ist das Signal, bei welchem sich halb Italien gesetzt am Esstisch befindet.

Davor befinden sich alle auf der Piazza.

Die Kinder, die auf der Piazza Fussball spielen. Die Männer, die vor der Bar über Fussball reden. Die Ragazzi, die mit ihren Rollern rumröhren. Die Ragazze, die in ihren Röhrenhosen, ihre Augen rollen. Und die Alten, die über die Kinder ihrer Kinder und ihre eigene Kindheit reden.

Danach befindet sich niemand auf der Piazza.

Die Mütter? Die sind um diese Zeit nicht auf der Piazza. Die machen Abendessen. Ausser, es sind Mütter, deren Mütter das Abendessen alleine zubereiten und zu ihrer Tochter sagen: «Lass nur. Ich mach das. Geh du ruhig auf die Piazza und schau mal, wer alles so da ist». Aber die gibts nicht.

Denn eine ältere Mutter erwartet von der jüngeren Mutter und Tochter, dass sie ihr beim vorbereiten des Abendessens zuschaut. Hilfe kann sie nicht gebrauchen. Das würde nur den Lauf der eingeschliffenen Handgriffe stören.

Aber anwesend sein ist wichtig. Assistieren. Also, Anweisungen ausführen. Alle Versuche der jüngeren Mutter, diese Hackordnung in Frage zu stellen, enden zwangsläufig in einer theatralischen «Commedia». Und die wird laut ausgetragen. Sehr laut. Beim Abendessen ist es dann dafür sehr still.

Ausser der Stimme, die fortwährend spricht: Der Nachrichtensprecher des TG1.

Es gibt natürlich auch die Familien, bei denen irgendwie alle allen helfen und in der Küche umherwuseln und Essen auffahren als gäbe es kein morgen.

Und auch in dieses Gewusel und Geschnatter mischt sich die ernste Stimme des Nachrichtensprechers des TG1.

Von aussen kann man das alles hören. Und es sich durch das weiche Licht der Vorhänge und Fensterläden ausmalen. In den friedlichen, gepflasterten Gassen die cadmiumgelb leuchten.

Dann mischen sich gläserne und klappernde Tischgeräusche mit den Stimmen der Bewohner, der Nachrichtensprecher, der Korrespondenten, der Politiker, der Journalistinnen.

Und man schnuppert sich durch die Winkel des Dorfes uns atmet diesen unglaublichen Reichtum an Aromen und Düften. Es riecht nach Feuerholz. Harz. Rauch. Nach gebratenem Fleisch. Es ist Lamm. Es ist geschmortes Rind.

Bohnensuppe. Hefe. Keller. Rosmarin. Verdampfender Weisswein. Knoblauch. Zwiebel. Tomatensauce. Brot. Pizza. Basilikum. Milch.

Vornamen werden rüde geblafft. Der Nachrichtensprecher zappt mitten im Satz zur Werbestimme, zur Moderatorin, zum Schauspieler, zur Sängerin, zu kreischenden Teenies und dann gehen die Stimmen im rhythmischen Wechsel zurück zum Nachrichtensprecher, der einen Fussballspieler zitiert.

Dann bellen dunkle Männerstimmen. Helle Kinderstimmen brüllen los. Harsche Frauenstimmen rügen und werden sogleich samtig weich und trösten.

Katzen springen einem aus dem Nichts vor die Beine und umschmeicheln sie. Verschwinden in einer dunklen Ecke. Der Hall einer Vespa von irgendwoher wird von den alten, steinernen, barocken Fassaden zurückgeworfen.

Und man ist immer noch hier. Und möchte nirgendwo anders sein. Ausser an all diesen Tischen, in all diesen Häusern, mit all diesen Leuten und all ihre Töpfe inspizieren und alles riechen und kosten.

Während der Nachrichtensprecher leer ausgeht.


So weit sind wir nun also.

Nouvin_s

Fundstück der Woche: Ein „Glas“ Wein im PET-Becher.

Gab ja schon mal so was. Hatte ebenfalls den Sex-Appeal einer Stützstrumpfhose.

Aber vielleicht ist der Wein ja gar nicht zum Trinken gedacht. Sondern vielmehr zum Auslöffeln. Anstelle eines Frühstück-Jogurts. Na dann, Prost!


Sarah hat es wirklich getan.

Viele sitzen tagsüber da und denken sich: Scheissjob, Scheissjob, Scheissjob.

Ich weiss das. Jede Woche kommt jemand auf mich zu, der unzufrieden mit seiner Arbeit ist und zu mir sagt: «Ich würde viel lieber etwas mit Food machen. Mit meinen Händen arbeiten. Etwas Geniessbares produzieren. Gäste mit gutem Essen glücklich machen.»

Sarah Krobath war erfolgreiche Werbetexterin in einer führenden Wiener Werbeagentur. Auch Sie hatte ihre Gründe, als sie ihren Traumjob schmiss.

Sie beginnt ein Praktikum bei den jungen wilden Schweizer Käsemachern von Jumi. Und schon nach der ersten Woche wird Sie nach London geschickt, um die innovativen Käsespezialitäten auf dem Markt und Spitzenköchen zu verkaufen.

Nach dem Praktikum hängte sie gleich noch ein Studium der Universität der Gastronomischen Wissenschaften im Piemont an.

Was sie dabei alles gelernt hat und vor allem, wie sie diese abrupte Kehrtwende in ihrer Karriere erlebt hat, erzählt sie in ihrem eBook mit dem erfrischenden Titel Who the f*** is Heidi?

Dringende Leseempfehlung! Nicht nur an alle Sesselkleber da draussen. Auch allen, denen Geschmack und Genuss etwas bedeutet.

Letzten Samstag präsentierte Sarah ihr Buch am Ort des Geschehens, beim Jumi-Sommerfest im Emmental. Neben Käse gab es auch wahnsinnig gute Fleischerzeugnisse von Jumi zu kosten. Und natürlich selbstgemachte Züpfe!

Dominik Flammer, der das Gespräch führte, veröffentlicht übrigens im Herbst die Enzyklopädie der alpinen Delikatessen: Das kulinarische Erbe der Alpen.

Leseempfehlung Nummer zwei!


Viva la Mamma!

Von der Besten lernen: Pasta machen mit meiner Ma.

Es sind unsere Mütter die, statt dem Bewahren der Asche, das Feuer für das leidenschaftliche Kochen weitergeben. War bei mir jedenfalls so. Wie vermutlich bei den meisten von uns.

Wenn man darüber nachdenkt: Mütter ernähren uns schon, bevor wir überhaupt den ersten Atemzug machen. Neun Monate lang geniessen wir exklusives All you can eat und den privatesten SPA ever.

Und dies währenddem sie einer Lawine von Ratschlägen ausgesetzt sind. Ausgelöst von Besserwissern, die anderen ihr Essen so gerne madig machen und speziell ihnen vorschreiben wollen, was sie als Schwangere essen dürfen und was nicht.

Und die ihnen Vorwürfe über das Stillen oder Nichtstillen machen. (Und egal wie, wo und wie lange, es ist eh immer verkehrt).

Gut, spüren Mütter ganz allein, welchen Weg sie gehen müssen. Es ist ihr Weg. Und der ist eh der beste. Denn wie blöd ist es, den Weg eines anderen zu gehen, um sich da in etwas zu verrennen.

Es sind auch die Mütter, die dem Kochen Poesie einhauchen. Wenn sie beim ersten gemeinsamen Werkeln in der Küche mit uns konspirieren, mit uns singen oder uns Geschichten –  Familiengeschichten – erzählen. Während wir ihnen beim geduldigen Zubereiten zusehen und ihre Rezepte und Tipps einsaugen.

Mütter kochen mit Selbstverständlichkeit und Selbstlosigkeit. Tagein, tagaus. Immer besorgt, dass alle gut versorgt und bestens umsorgt sind. Und bekommen dafür statt Anerkennung und Dank, allzu oft Achtlosigkeit und jedes noch so kleine Haar in der Suppe serviert.

Sie kochen nicht wie die vielen Männer, die tendenziell einen Hang zum kulinarischen Drama haben. Die, wenn sie dieses eine Mal am Wochenende kochen (aber dafür richtig!) aufrüsten, als müssten sie eine Rakete auf den Mond schiessen.

Und natürlich erwarten diese Männer dann, im Gegensatz zu Frauen, höchste Anerkennung, einen Lorbeerkranz und einen Pokal, den sie sich stolz in die Heldensammlung stellen wollen.

Mütter sind kulinarische Quelle und Inspiration. Immer bereit, ihr Wissen zu teilen und zum wiederholten Mal zu verraten, woran es liegen könnte, dass ihre Version eines Gerichts immer ein wenig besser schmeckt, als wenn wir es kochen (auch wenn wir daran zweifeln, je hinter das wahre Geheimnis zu kommen).

Und noch etwas. Ich kenne es von Marokko, wo sich die Frauen in die Küche zurückziehen und die Männer aussen vor lassen, um dann vergnügt miteinander in einfachsten Verhältnissen handwerklich erlesene Köstlichkeiten hervorzuzaubern.

Auch in Italien gibt es eine Beobachtung, die mich schon lange fasziniert: In traditionellen Osterien und Trattorien sind es Frauen; Mütter, Töchter und Tanten, die zusammen die Küche dirigieren. Während ihre Männer die Gäste bedienen.

Und diese Frauen kochen natürlich auch ohne männlich geprägte Küchen-Hierarchie. Sie leben tradiertes Wissen und geben es weiter – quasi von Hand zu Hand. Denn es gibt viel Handwerk in diesen Küchen zu verrichten.

Ohne sie würde die Kultur der aufrichtigen, ehrlichen italienischen Küche vermutlich verblassen. Sie erbringen auf eine unaufgeregte Art eine Spitzenleistung. Ohne diese Leistung auf die Spitze zu treiben, wie es Spitzenköche gerne tun, um sich abzuheben.

Wie sehr wir im Alltag vergessen, den Wert der Arbeit, die Mütter pausenlos und kostenlos verrichten, zu würdigen, zeigt dieser virale Werbespot eines Kartenherstellers, der den härtesten Job der Welt ausgeschrieben hat, eindrücklich.

Also danken wir ihnen. Rufen sie heute an. Besuchen sie und sagen ihnen, wie sehr wir sie lieben.

Viva la Mamma – ihr seid die Besten!


Mehr Salz in der Fernsehsuppe.

Können wir einfach nur reden?

Mehr Fakten und weniger Faxen. Schon seit Jahren wünsche ich mir im TV Talk-Sendungen, die Kulinarik als Genussthema haben.

So club-mässig. Die Gesprächspartner dürfen auf Ledersesseln rumlümmeln und über Kochen, Essen und Geniessen diskutieren. Ja, ohne alles. Nur: reden.

Kein Kochzirkus, bitte. Lieber schwärmen, schwadronieren und leidenschaftlich Position beziehen!

So, wie wenn man sich unter guten Freunden bei einem Bier oder einem Glas Wein über Rezepte, Produkte und Ess-Erlebnisse austauscht.

Meine Gedanken dazu kann man in diesem Artikel auf local flavors lesen.

Seit Anfang Jahr schreibe ich regelmässig für die Genuss-Seiten des grössten Schweizer Suchportals local.ch

Im  Artikel davor ging es zum Beispiel um das Teilen von Tisch und Teller und im Januar um Shoppingsitten.

Wer die monatlichen Texte mitlesen möchte, ist also herzlich eingeladen, mir auf localflavors zu folgen.


Neu mischen: Wer wird Wirt?

Wer will ansagen und nächstes Jahr Wirt im Pöstli Rifferswil werden?

In Rifferswil, im Knonaueramt, gibt es eine alte stattliche und sehr schöne Dorfbeiz: Das Pöstli. Diese hätte  für immer die Lichter gelöscht, weil das Wirtepaar in Pension geht.

Doch dank einer Initiative aus dem Dorf kann nun eine Genossenschaft gegründet werden, um die letzte Dorfbeiz zu retten und dem Dorf somit etwas Dorfkultur weiterzugeben.

Leider ist nun der Wirt ausgestiegen, so dass das Geld für die Genossenschaft zwar da ist, nicht aber der Wirt.

Auf Anfrage der Initianten helfe ich nun über meinen Blog einen coolen Wirt, eine motivierte Wirte-WG oder ein schönes Wirtepaar zu finden. Interessenten melden sich bitte direkt über diesen Link.

Bin gespannt, ob wir über diesen Weg einen Stich machen können.



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