Polenta und Singvoegel

Pavarotti

Es gibt so etwas wie High-Fidelity-Food. Und die italienische Küche ist voll davon.

Ähnlich wie bei der Musikwiedergabe geht es dabei um Ehrlichkeit, Genauigkeit, Redlichkeit und Wiedergabetreue.

Wie weit die Meinungen darüber auseinandergehen, kann man den Kommentaren in der Molekularküche in Bezug auf die Modifikation von Spaghetti Bolognese nach Heston Blumenthal lesen.

Aktuelles und sehr treffendes Lob kommt von Bill Buford, dem Autor vom neusten Kochbuchbestseller «Hitze»:

«Nur die italienische Küche vermag ein Gericht durch all das, was es nicht enthält, in ein Gedicht zu verwandeln. Über Jahrhunderte hinweg haben italienische Köche die Kunst des „Was-womit“ perfektioniert.»

Herbert Breslin, ehemaliger Agent von Luciano Pavarotti, soll gesagt haben: «Luciano, you‘re a nice guy. So you need a real bastard to do your publicity.»

Ich habe «Hitze» noch nicht gelesen, aber ich verspreche, dass ich das so schnell wie möglich nachhole. [Edit Januar 2010: Gesagt, getan – lesen!]

Ich bin gespannt, aber auch voreingenommen. Vielleicht tue ich Bill Buford unrecht, aber irgendwie habe ich so das Gefühl, dass er Herbert Breslin ist und Luciano Pavarotti die italienische Küche. We‘ll see.

High-Fidelity-Food (kann jemand meine neue Wortschöpfung auf Deutsch übersetzen, das sieht ja furchtbar aus) bedeutet für mich, dass die verwendeten Zutaten als das erkennbar sind, was sie sind. Rein geschmacklich gesprochen, selbstverständlich, nicht optisch.

Das setzt voraus, das man nicht einfach alles mischen kann, was irgendwie mediterran klingt. Das heisst, man kann natürlich schon, aber das ist dann wie gute Musik schlecht aufnehmen, schlecht abmischen und über eine schlechte Musikanlage hören.

Übersetzt auf das Kochen heisst das: Zutaten von bester Qualität verwenden (aufnehmen), so kombinieren, dass jede einzelne Aromakomponente klar identifizierbar bleibt (mischen) und mit einer bestimmten Technik zubereiten, die das beste Resultat liefert (abspielen).

Diese Dreifaltigkeit des Genusses hat mir schon einer der besten Tonmeister zugeflüstert. Er geht sogar soweit, dass er sagt, eine gute Aufnahme, perfekt abgemischt und gemastert, klingt auch auf einer mittelmässigen Musikanlage überduchschnittlich gut.

Ich weiss nicht, was die Leibspeise von Luciano Pavarotti war. Aber auf der Suche nach einem Bild für meine Schweinerippen bin ich auf dieses CD-Cover gestossen: «Mr. Big P.»

Das «P» steht natürlich für «Pavarotti». Honni soit qui mal y pense. Und diesen Nickname erhielt er übrigens von der Sopranistin Joan Sutherland, nicht von einem seiner zwei fest angestellten Diätärzte.

Dass er kein Kostverächter war, ist hinlängst bekannt. Und diesen Klassiker der italienischen Küche liess er sich bestimmt mehr als nur einmal aufführen: Costine di Maiale con Polenta.

Für die doch sehr feissen Bio-Schweinerippen habe ich eine Methode, die sowohl den Fettanteil minimiert als auch den Geschmack maximiert.

Klingt nach Werbung für Magnum-Eis, ist aber alles andere als ein Marketing-Gag.

Die Rippchen einfach ohne Zutaten 20 bis 30 Minuten im Ofen bei 200 Grad unter der Grillschlange auf den Rost legen.

Ei! Wie Schweiss in der Sauna trieft das Fett in Bächen auf das darunter gestellte Blech. Alle 5 Minuten wenden, bis sie goldbraun sind.

Costine

Der Tomatensugo ist idiotensicher: Zwiebeln in Olivenöl anbraten, ein Stück Knollensellerie und passierte Tomaten dazu, salzen, pfeffern. Gelegentlich etwas Wasser zugeben, wenn die Sauce zu fest eindickt.

Kurz vor dem Servieren kann man, je nach Saison, etwas glatte Petersilie oder Basilikum dazugeben.

Sobald die Costine ready sind, in den Sugo gleiten lassen so lange pianissimo köcheln, bis sich das Fleisch von den Knochen zu lösen beginnt.

Bei der Polenta scheiden sich die Geschmäcker. Es gibt unterschiedlichstes Mehl, das sich für Polenta eignet. Ich mag gerne eine grobe Bramata aus Maisgriess in Bio-Qualität. Andere bevorzugen feinere Mehlsorten aus Weizen oder Kastanien.

Aber zum Kochen reicht mir Salzwasser. Man kann die Polenta auch in Bouillon kochen oder mit Milch und Rahm verfeinern. Aber eben, ich will den Mais schmecken, also lass ich nur Wasser dran.

Das Verteilen der Polenta auf die Teller ist etwas für Streicher. Und bevor der Sugo draufkommt, wird die Polenta mit Parmesan bestreut.

Polenta con Parmiggiano

Das Fleisch kann man am Knochen lassen oder ablösen, zur Polenta essen oder als «Secondo Piatto» mit einem Salat servieren.

Polenta con Sugo

Übrigens haben sich die Norditaliener einen Namen eingefangen, weil sie ständig so viel Polenta verdrücken: Polentoni – Polentafresser.

Und die Schweinerippen ersetzen sie gerne auch mit kleinen Singvögeln und machen damit «Polenta e Osei». Aber davon ein ander Mal.


16 Kommentare zu Polenta und Singvoegel

  1. Iris am 18. Februar 2008 at 11:28:

    wie wär’s mit „ehrliches Essen“ – für mutige Alliteratoren kann zu „einfach echt ehrlichem Essen“ gesteigert werden, na ja, war ja nur so meine erste Idee – vielleicht fällt mir noch was besseres ein, wenn die Sonne hier wieder scheint… sieht übrigen l.., ach nee: interessant rustikal und appetitanregend aus.

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  2. reibeisen am 18. Februar 2008 at 12:04:

    yummie, das ist feinste polenta-kost! den buford haben wir übrigens bereits gelesen. und unser urteil fällt ziemlich ambivalent aus. zum einen ist das ding ja recht unterhaltsam (der traditionelle, us-amerikanische reportagestil kann das einfach). zum anderen erfüllt es aber nicht wirklich, was wir uns erwartet und erhofft hätten: einen tiefgehenden einblick in die welt der profiküchen, gesehen mit den augen eines engagierten hobbykochs. das gibt es zwar auch in dem buch, das ja eigentlich in der bewerbung genau das verspricht. aber eben eher nur am rande. das hauptanliegen des buchs scheint im name dropping (freundschaften mit berühmten küchenchefs wollen dargestellt werden), diversen kochtheoretischen überlegungen (etwa: wann kam das ei zur pasta?) und ein bisschen restaurantkunde zu liegen. schade!

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  3. Claudio am 18. Februar 2008 at 12:29:

    Iris: Nach der ersten Idee kommen die guten Ideen. Oder after the rain comes sun again.
    Reibeisen: Ja, schreiben wird er als ehemaliger Literaturredaktor beim «New Yorker» wohl brilliant. Alles andere werde ich mit Vorsicht geniessen.

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  4. Mike Seeger am 18. Februar 2008 at 13:35:

    Das Fleisch vom Knochen lösen? Niemals! Das bringt einen ja um das Beste und sinnlichste beim Rippchenessen: das Abknabbern des Knochens!

    Das Buch klingt interessant, das Titelbild finde ich spitze. Bestelle ich mir bei Gelegenheit, denn auf der Webseite bin ich schon eine Weile hängen geblieben (am längsten bei der Stelle mit dem Metzger aus der Toskana :-).

    High-Fidelity-Food? Also ehrlich, Du kommst auf Sachen … Irgendwas mit „elementar“, „authentisch“ und „Qualität“. Elentität? Auquatar? Quamentisch? Elementar authentische Qualität?
    Vergiss den letzten Absatz!

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  5. Claudio am 18. Februar 2008 at 18:38:

    Sorry, Mike. Nach der langen Kochzeit fällt das Fleisch praktisch von alleine vom Knochen. Der ist dann blitze-blankinese – nix mit abknabbern. Da musst du sie schon verputzen, bevor sie in den Sugo wandern (was gar keine schlechte Idee wäre!). Übersetzung: Vielleicht werden wir in Bufords Buch fündig. Schreiben kann er. Sein Zitat über die italienische Küche ist ja die reinste Poesie.

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  6. Mike Seeger am 18. Februar 2008 at 18:43:

    Dann mache ich einfach ein paar Rippchen mehr und teile sie dann in zwei Häufchen: das eine kommt in den Sugo, das andere wird so verputzt. Geteilte Freude ist doppelte Freude! Und mit einem guten Rotwein wird das der reinste Freudentaumel!

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  7. Claudio am 18. Februar 2008 at 18:47:

    Das ist die richtige Einstellung!

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  8. einfachkoestlich.com am 18. Februar 2008 at 19:25:

    Das gefällt mir sehr, sehr gut! – Wie so vieles in Eurem Blog.

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  9. fressack am 18. Februar 2008 at 23:50:

    Und wann bekommen die terroni ihr Forum?

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  10. Boris Zatko am 19. Februar 2008 at 10:26:

    Claudio, dein Gekoche ist einfach eine nahrhaftige Küche. Oder das reine Kochen? Oder das wahre Kochen. Es muss eben einfach gut sein.

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  11. Claudio am 19. Februar 2008 at 10:56:

    Franz: Dein «Spezi vom Stiefel» hat mir auch gut gefallen. Nur konnte ich keinen Kommentar abgeben (Tücken der Technik?), aber jetzt weisst dus.
    Fressack: Aha! Ein Kenner. Tummeln sich in den meisten Foren nicht auch die meisten Terroni?
    Boris: Je nach Tagesform auch das totale Chaos, ein Gedicht, kongenial, banal, einfallslos oder so gut, dass man weinen möchte (und dabei in hysterisches Gelächter à la Tom Cruise ausbricht).

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  12. Über das Verfeinern | molekularkueche am 29. Februar 2008 at 17:48:

    […] zum Verfeinern von Gulasch, Polenta oder […]

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  13. Anonyme Köche » Blog Archive » Und hier noch die weiteren Aussichten: am 7. Januar 2010 at 18:01:

    […] von diesem hysterischen Wettergequake habe ich wieder auf einen Klassiker zurückgegriffen, den ich hier wärmstens empfehlen […]

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  14. Eva am 11. Januar 2010 at 14:24:

    Hi Claudio,
    hast du auch schon mal das 3-Std.-Polenta-Experiment aus „Hitze“ nachgekocht? Fand die Theorie, dass die Maiskörner irgendwann ihren Zucker loslassen und dieser dann dem Ganzen zu einem süßeren, runden Geschmack verhilft ja ganz schlüssig, aber ich konnte mich noch nicht dazu aufraffen.

    Mich würden Deine/Eure Erfahrungen zu diesem Thema mal interessieren, denn bisher fand ich Polenta eher fad, trotz guten Maisgries‘ aus einem italienischen Supermarkt.

    Lieben Gruß aus HH
    Eva

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  15. Claudio am 11. Januar 2010 at 17:47:

    Danke, Eva, dass du mich an die Stelle im Buch erinnerst. Ehrlich gesagt, ich habs bis heute nicht kapiert, was Buford da schwafelt. Das Mehl meiner Bramata-Polenta ist sehr grob und nach 30-40 Minuten ist die wunderbar cremig – mit leichter Körnung. Es gibt nicht wenige, die ein feineres Mehl bevorzugen oder sogar Griess (Semolina) für ihre Polenta verwenden. Das ist mir persönlich zu nahe am Babybrei 😉

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  16. Palatschinken gefüllt mit Auberginenmus, Patl?can Salatas?, an Salsa de Pimiento rojo « lamiacucina am 11. Juni 2012 at 05:01:

    […] Zu dem zartschmeckenden Auberginenmus brauchts einen würzigen Gegenpart. Schweinerippchen wie bei Claudio waren keine im Hause, dafür die Zutaten für eine Salsa de Pimiento rojo. Also warum nicht gleich […]

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