Geistige Reife

An unserer Veranda winden sich die Trauben bis zum ersten Stock hinauf. Letztes Jahr habe ich daraus ein Gelee – ich formuliere es mal so: gepanscht. Das Resultat war nicht gerade berauschend.

Heuer habe ich die Übung wiederholt. Dabei ein wenig dedizierter vorgegangen (so als ob ich Jean-Baptiste Grenouille wäre, der die Essenz dieser Traube konservieren will), die Rezeptur geändert und – le Clou! – einen Schuss Grappa dazugegeben.

Trauben gründlich abspülen. Von gut zwei Kilo Trauben nur die schönsten, prallsten und unbeschadeten Beeren von den Zweigen zupfen. Ergab etwas über 1 Kilo.

In einen Dampfkochtopf geben. Deckel verschrauben, langsam erwärmen und 10 Minuten aufkochen. Dann Topf ruhen lassen, bis er nicht mehr unter Druck steht.

Den gewonnenen Traubensaft durch ein Sieb streichen und 0,8 Liter davon abmessen. Saft (kein Fruchtfleisch) von einer frisch gepressten Orange und Zitrone dazu (zusammen etwa 1 dl) und mit einer guten Grappa bis auf 1 Liter aufgiessen.

Alles in einem Topf zum Kochen bringen. 500 Gramm Gelierzucker einstreuen und kräftig zum Aufwallen bringen.

Erst dann weitere 250 Gramm Gelierzucker einstreuen und gut 4 Minuten sprudelnd weiterkochen bis die Gelierprobe gelingt (es sollte sofort erstarren, wenn man ein wenig davon auf einen kalten Teller gibt). Dann zügig in heiss ausgespülte Marmeladegläser giessen.

Der erste Einsatz galt einer Panna Cotta mit „Grape Jelly Topping“. Dazu Boden der Panna Cotta-Förmchen mit dem noch warmen, flüssigen Traubengelee ausgiessen. Auskühlen.

Panna Cotta aus 5 dl Vollrahm, 1/2 ausgekratztem Vanillestengel, 50 g Zucker und einem Teelöffel Agar-Agar oder 2 Blättchen Gelatine zubereiten. Abkühlen lassen und dann die Förmchen mit dem traubengelierten Boden ausgiessen.

Am besten über Nacht kühl stellen. Vor dem Stürzen auf Dessertteller Förmchen ins heisse Wasserbad stellen, damit sich Gelee und Panna Cotta gut lösen (tricky!). Mit viel grob gehackten Pistazien anrichten.

Das Gelee ist klar und von angenehm seidig-sanfter Textur. Süsse und Säure halten sich die Balance, die Muskatnote schmeckt deutlich heraus und die Grappa gibt dem Gelee eine angenehme Tiefe.

Die Panna Cotta mit einer zusätzlichen Grappa und einem kräftigen Espresso zu begleiten ist übrigens nicht verkehrt.

Freu mich schon auf die Begleitung zu Käse oder Wild.


12 Kommentare zu Geistige Reife

  1. Mike am 22. November 2009 at 22:43:

    Sehr schön! Nun warte ich sehnsüchtig auf die Erklärung, warum der Gelierzuckerprozess geteilt wurde. Ob Jean-Baptiste Grenouille dies so zubereitet hätte, oder ob er möglicherweise die geschälten Trauben erst in Grappa mazeriert hätte? Ich weiß es nicht. Aber der Herr Süßkind taugte schon vom Namen nach als Pate zu dem Rezept. Aber nun mal aus dem Nähkästchen: welche Grappa?

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  2. lamiacucina am 23. November 2009 at 07:22:

    vermutlich schmilzt beim Anwämen der Deckel schneller als die panna cotta. Hast Du einen trick dafür, wie man es unbeschaded rausbekommt ?

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  3. creezy am 23. November 2009 at 09:43:

    Ein Nachtisch mit Begleitung, sehr fein!

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  4. anette am 23. November 2009 at 10:45:

    ich hatte immer bei längerem lagern weinsteinchen im traubengelee aus unserer tessiner (roten) americana-rebe…
    ist deshalb der gelierzuckerprozess bei dir geteilt?

    feine nachspeise…und besonders die kombination mit käse….
    den caffè aber erst eine zeit danach…wegen der säure..

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  5. Claudio am 23. November 2009 at 12:01:

    Grappa ist die hier, Mike, und du weisst auch, wo ich sie gekauft habe 😉 Das Gelierresultat ist in der Tat besser, wenn beim ersten Durchgang nur 500 Gramm zugefügt werden (stand auch als Anweisung auf der Zuckerpackung), anette, letztes Jahr hab ich es nicht beachtet. Ich hatte zwar keine Weinsteinchen, aber die Konsistenz war irgendwie „porös-spröde“. Diesmal ist sie „fein-glasig“. Einfach sehr vorsichtig auslösen, Robert, mal mit einem Messer dazwischen, dann wieder ins heisse Wasser, bis es sich in Bewegung setzt (erst den Teller auf das Förmchen legen, dann beides zusammen kippen). Ein Nachtisch, oder auch zwei, creezy, sind ja winzige Förmchen 😉

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  6. Filuzi am 23. November 2009 at 14:52:

    Das klingt gut- muss ich meiner Schwester weitergeben, die in der schönen Steiermark jedes Jahr langweilig süßes Traubengelee produziert und auch verschenkt. Ich verschenks dann weiter *blush*

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  7. peppinella am 24. November 2009 at 12:54:

    hm. ich habe vor ein paar tagen rotweingelee geschenkt bekommen…..das müsste doch auch gehen, oder?

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  8. Claudio am 24. November 2009 at 15:55:

    Sei heiter, schenks weiter, das kenn ich, Filuzi. Ich habe einmal von einer Verwandten in Italien eine gar schröckliche Kaffeekanne zur Hochzeit geschenkt bekommen. Als ich sie ausgepackt habe (was ich nicht hätte tun sollen), habe ich unten an der Kanne eine Widmung entdeckt. Die habe ich dann laut vorgelesen (was ich nicht hätte tun sollen, denn da stand für jemand anders): «Alles Gute zu eurer Hochzeit GIUSEPPE & GIUSEPPINA!» Es war dann einen Moment lang peinlich – also, nicht für mich. Und schwupps, nahm die Verwandte das versilberte Blechding wieder an sich: Verwechslung! Tut mir so leid! Hm, peppinella, dazu müsstest du es zuerst wieder verflüssigen, oder? Mit wenig Wasser aufkochen, ins Förmchen giessen und hoffen, dass es wieder geliert? Non lo so, prova!

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  9. Ellja am 25. November 2009 at 11:46:

    Schaut sehr gut aus, aber wenn ich so darüber nachdenke…. hmm… das traubengelee mit einem schönen Ziegenkäse, den ich vorher im Ofen überbacke…mhhhh.. noch besser!

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  10. PREGAS am 25. November 2009 at 21:09:

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    PREGAS

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  11. Kirsten am 26. November 2009 at 09:08:

    Wenn ich ehrlich bin: ein wirklich tolles Traubengelee hab ich bisher noch nie gegessen. Der Geschmack pendelte immer im mittleren Durchschnitt: nicht schlecht, aber auch nicht aufregend. Ein Grund mehr, Dein Rezept zu testen…

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  12. anette am 26. November 2009 at 13:58:

    zur ehrenrettung des traubengelees ….erst ein konzentrat einköcheln und dann gelieren …
    dann wirds perfekt vom geschmack…
    ausserdem kommts auch auf die rebe an…
    muskateller oder americana sind sehr aromatisch

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