Kaschierte Innerei

So, nun sind wir wohl irreversibel in der Saison für wohlige Wintergerichte gelandet. Geschmortes, Gratiniertes, Gesottenes. Was lange währt, wehrt Kälte ab.

So wie sich im Sommer die Lust der Leichtigkeit, des Entblätterns und Entblössens mitunter auch auf unseren Tellern manifestiert, wo man Versteckspiel ebenso wenig duldet wie schwere Saucen, so wird in der winterlichen Küche gestopft, gewickelt, eingehüllt und zugedeckelt.

Auch die Vorräte verraten es: Speck, Käse, Wurst und Wurzelgemüse machen sich breit. Grandes Pièces am Knochen wollen domptiert, Schulter- und Schenkelfleisch stundenlang in Wein zartgeschmort, Wildbret mit all seinen aromatischen Begleitern gezähmt werden.

Und auch an Resten beseelt man sich mit Genuss. Dankbar aufgewärmt entfalten sie mit Glück noch intensiveren Geschmack als bei der ersten Zubereitung: Choucroute und Rotkraut, Suppen, Minestre e Minestroni ebenso wie Ribollite oder Ragouts.

So kam ich neulich auf die verwegene Idee, mit einem Rest Kartoffelbrei Antoine-Augustin Parmentier zu huldigen. Wann immer ein Gericht seinen Namen trägt, kann man sich der Präsenz von Kartoffeln gewiss sein. So wie zum Beispiel in einem Potage Parmentier, einer Kartoffelsuppe oder dem legendären Hachis Parmentier, einer mit Kartoffelbrei überdeckten Hackfleischmasse.

Mich hingegen animierte eine frische Rindsleber, die mich beim Metzger impulsiv aufforderte, mit nach Hause genommen zu werden.

Der Wiederspruch ist offensichtlich; Leber darf nicht zu lange gegart werden. Wohingegen ein Hachis Parmentier erstens durchgebraten wird und zweitens für gute 20 Minuten im Ofen verschwindet. Behutsamkeit ist deshalb angesagt.

Leber in Würfel schneiden. Bemehlen. Mit fein gewürfelten Schalotten in Butter eine Minute scharf anbraten. Salzen, pfeffern. Auf Gratinförmchen auskühlen lassen.

Der listige Leser entdeckt hier zwei Portionen. Wer nun zwei Esser vermutet liegt falsch. Mein Glück ist, dass zuhause niemand ausser mir Leber mag! Man steht also vor der Wahl, die eine Portion wie ein gieriger Kater sofort zu verschlingen, oder sich dann zweimal Leber Parmentier zu Gemüte führen zu können. Guess what?

Alsdann (fürs Erste gesättigt oder mit weiterhin knurrendem Magen) Bratensatz lösen. Je nach Vorliebe mit Cognac, Essig, Porto oder  – wie bei mir – mit Madeira.

Dazu Rotwein in mehreren Etappen aufgiessen und immerzu reduzieren. Ein, zwei Löffel Demiglace wären auch nicht schlecht. Salzen, pfeffern. Mit wenig eiskalter Butter montieren. Die Leberwürfel mit der Sauce übergiessen. Vorsicht, wir wollen kein Vollbad anrichten.

Den kalten Kartoffelbrei (vom Vortag oder frisch zubereitet, aber ausgekühlt) in einen Dressier-/Spritzsack füllen und die Innerei gekonnt verstecken.

Butterflöckchen darauf verteilen und im Ofen bei maximaler Grillfunktion überbacken, bis sich eine hübsche Bräunung ergibt (ging bei mir keine 10 Minuten).

Coucou, mais c‘est quoi ça? Zarte, saftige Leberstückchen in samtiger Weinsauce.

Merci, Monsieur Parmentier!


20 Kommentare zu Kaschierte Innerei

  1. Barbara am 3. Dezember 2009 at 23:20:

    Parmentier – es wird wirklich winterlich. 🙂

    Gerade habe ich gefroren wie ein Schneider, da wäre mir Dein Gericht gerade richtig gekommen. Ich liebe nämlich Leber – auch nur ich, nicht mal der Kater.

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  2. lamiacucina am 4. Dezember 2009 at 06:44:

    Kartoffelstock ist ein gutes Isolationsmaterial. Darin eingehüllt lässt sich manches zartgaren.

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  3. Magdi am 4. Dezember 2009 at 07:16:

    Mit dem Gericht kannst du mich kein Fuzi animieren. Ich mag keine Innereien, besonders Leber nicht!!Was könnte man sonst unter dem Kartoffelbrei verstecken? Die Idee gefällt mir nämlich sehr gut.

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  4. Arthurs Tochter am 4. Dezember 2009 at 09:11:

    Nachdem ich in einer Huldigung an Elines Geflügeleinbrennsuppe die Leber in einem schnellen Strudel verstecken musste, ist mir dieses Rezept die noch feinere Variante. Und wie Du habe ich diese versteckten Köstlichkeiten immer für mich alleine, da kann ich Portionen bereiten, wie ich will. Außer mir mag es niemand daheim. Insofern wäre das Verstecken eigentlich völlig unnötig, erhöht die Freude aber ungemein! 😉

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  5. Claudio am 4. Dezember 2009 at 09:28:

    Echt, Barbara? Dann empfehle ich dir ebenfalls zwei Portionen anzurichten: Eine für dich und eine für dich. Mit der ersten überbrückst du wunderbar die Wartezeit auf die gratinierte Portion. Von den Isolationswerten im Hüftbereich ganz zu schweigen, Robert. Aber sicher, Magdi, du könntest dein wunderbares Kaninchengericht darunter verstecken, oder Reste von einem Brasato al Barolo! Genau, AT, das Auspacken ist doch das Kribbelige.

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  6. Eline am 4. Dezember 2009 at 09:56:

    Ein schönes Leber-Versteckspiel! Rindsleber kommt in meinen Breitengraden nur in Leberknödel oder Leberschädl. Ich weiss gar nicht, wie sie pur schmeckt. Muss ich mal beim nächsten Schlachten ein Stück probieren.
    Ich bin gerade auf dem Weg nach London. Ein traditionelles Pub-Essen dort hat ein ähnliches Erscheinungsbild: die Shepherds Pie. Das wäre auch eine Alternative für Leberverächter.

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  7. Isi am 4. Dezember 2009 at 10:16:

    Das feine Gericht hätte ich zuhause nur für mich alleine, wenn ich flunkern würde, dass sich unter dem Kartoffelbrei gar nichts versteckt. Ich glaube wir sind eine „Leber-Familie“, da es alle gerne essen… Ich mag sehr gerne Rindsleber, natürlich auch Kalb- oder Geflügelleber. Nur Wildleber ist nicht so mein Geschmack.

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  8. Claus am 4. Dezember 2009 at 10:26:

    Als Vizepräsident des Vereins der Freunde und Förderer der Kalbsleber e.V. bedanke ich mich recht herzlich für diese geniale Idee…

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  9. Schnick Schnack Schnuck am 4. Dezember 2009 at 10:33:

    Das erinnert mich an diese typisch englischen Piegerichte. Mir fehlte da noch was fruchtiges, wie Apfel oder Birne.

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  10. anette am 4. Dezember 2009 at 11:53:

    sehr gerne mit kalbs- lamm- oder rehleber…
    die rinderleber kommt auch bei mir nur in die knödel…
    die hide & find präsention ist wirklich nachahmenswert…
    und nun weiss ich endlich nach wem die rue parmentier in nancy benannt ist …

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  11. Petra am 4. Dezember 2009 at 12:47:

    Sieht wirklich gut aus, auch appetitlich. Es ist noch gar nicht so wahnsinnig lange her, da wurden von einem Tier wirklich alle Teile gegessen. Heute rühren viele nicht mal mehr Leber an und das ist noch die Innerei (gibt es das Wort überhaupt im Singular?), die gesellschaftlich am ehesten akzeptiert ist. Interessant ist da auch ein Nationenvergleich. Die Franzosen essen noch relativ viel Innereien, in den USA sind sie im Grunde tabu.

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  12. Mike am 4. Dezember 2009 at 13:35:

    Tolle Idee, wird mal mit einem Rindergulasch ausprobiert. Leber ist auch nicht so meins, schon von der Konsistenz her nicht. Schöne Überschrift übrigens (für die Kenner von Faschiertem). Wo wir hier gerade so innereiiglich beisammen sind: „Wann kochst Du uns denn mal Trippa, Claudio?

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  13. katha am 4. Dezember 2009 at 14:04:

    *rrrrrrr du gieriger kater 😉 – würde ich sofort essen, wenn da nicht ein riesentopf minestrone im kühlschrank stehen würde (von ursprünglich 7 litern vom dienstag, wird immer besser) und ausserdem bei mir nach der ersten back- und schmorphase schon wieder die erste frische, säuerliche, salatige angebrochen wäre… aber bei der zweiten heiss-periode kommt dann die leber dran. auch ich muss die alleine essen. mein tigerkater (der menschliche) verweigert.

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  14. creezy am 5. Dezember 2009 at 14:55:

    Tsja, bei mir kämst Du an die zweite Portion wohl nicht ran! Allerdings überlege ich gerade, wann ich das letzte Mal im Handel Rinderleber gesehen habe. Falls überhaupt schon einmal … es klingt sehr großartig, bodenständig, einfach und lecker. Ich werde es sicher mal nachkochen, wenn vermutlich eher mit Leber vom Flugvieh.

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  15. Johannes am 6. Dezember 2009 at 01:07:

    Wenn es um Leber geht bin ich ein bekennendes Penibelchen. Ich habe letztens eine sehr gute rosa Lammleber unter einer Kruste aus Haselnuss gegessen und das war zum Niederknien. Eine Woche später habe ich die Kalbsleber, zu der ich eingeladen wurde, klag- aber freudlos verspiesen. Die Leber vom Kanninchen die dabei war als ich in der nächsten Woche das ganze Tier in Cidre geschmort hatte mochte ich gar nicht. Ich denke ich werde deshalb Deine Kuckucksleber als Anregung nehmen und das ganze mal mit Kalbsnieren versuchen, dann vielleicht lieber mit weißem Port abgelöscht und vielleicht einem kleinen bisschen groben Senf im Sößchen.

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  16. Claudio am 7. Dezember 2009 at 01:46:

    Oh, London! Schönen Aufenthalt, Eline. Hier meine Beschreibung diverser Lebern: https://www.anonymekoeche.net/?p=600. Eine Leber-Familie, Isi? Ein Hoch auf die inneren Werte! Gerne, Claus, aber nicht durchbraten, ja? Hab auch daran gedacht, Schick Schnack Schnnuck, ist bestimmt nicht verkehrt. Nicht nur in Nancy, anette, in den Strassen ganz Frankreichs hat Monsieur Wurzeln geschlagen. Im Grunde, Petra, sind doch die USA an sich schon ein Tabu. Touché, Mike! Das hab ich tatsächlich noch vor. In der Familie habe ich Kutteln gehasst (und auch nie gegessen), bin gespannt, ob ich nun erwachsen genug bin dafür. Minestrone, Katha, du sagst es: Auf gehts! Geht bestimmt genauso gut, creezy. Das klingt sehr überzeugend, Johannes, man darf durchaus penibel sein, finde ich, wenn Essen Freude bereiten soll.

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  17. Kirsten am 7. Dezember 2009 at 11:45:

    Ich bin ein echter Leberfreund, doch komme selten in diesen Genuss, da meine Familie vehement Innereien ablehnt… *jammer*. Doch mich freut es um so mehr, wenn ich auf Rezepte wie diese stoße – dann ergötze ich mich eben daran, bis die Kinder aus dem Haus sind… 😉

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  18. Eline am 9. Dezember 2009 at 08:47:

    Claudio,
    danke fuer den Link zum Leber- Vergleich, der ist sehr interessant!
    Schweinsleber ist (war) in Oberoesterreich/Bayern DIE Leber fuer „saure“ oder „geröstete“ Leber, mit Zwiebeln und Sauerrahm und/oder Essig. Dieses Gericht ist nix maennlich – unisex!

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  19. Andreas Gradert am 9. Dezember 2009 at 18:00:

    Kirsten, das wäre mal ein Termin, auf den ich mich auch vertrösten muss.

    Bei uns in Österreich stehen sie selten auf der Speisekarte, in München bin ich oft hier gewesen.

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  20. Kaffeeklatsch » Potage Parmentier und die Unlust an der Kartoffel am 11. Februar 2010 at 13:05:

    […] einiger Zeit erreichte mich eine Anfrage von Claudio zu Kartoffelgerichten à la Parmentier – also nicht etwa nach einem Rezept, da würde er mich nicht […]

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