Platz 1 fuer Nummer 562

Das ist die aktuelle Nummer Eins unter meinen favorisierten Pastaformaten. Verehrtes Publikum, einen Applaus für: «Gnocchetti di Zita»!

Zugegeben, eine auf den ersten Blick ziemlich komische Namenskombination. Ist Gnocchetti nicht die Verkleinerungsform von Gnocchi, also kleine Klösschen? Ja, schon. Aber Gnocchi bedeutet ja eigentlich Nocken. Oder auch so was wie Stummel, Happen oder Bissen.

Und Zita, das ist doch ein beliebter Name für Appenzeller Sennenhunde? Ja, schon. Aber eben auch der Name einer klassischen napoletanischen Röhrennudel. Deshalb, sinngemäss: «Stummel der Zita-Röhrennudel».

Vorsicht Männer: Es gibt auch das mit Gnocchi verwandte und äusserst schnalzige Wort Gnocca, das allerdings mit Bedarf und nur von designierten Latin Lovers at the right place to the right time ausgesprochen werden sollte.

Die Pasta kommt von der herzallerliebsten De Cecco. Herzallerliebst weil a) berühmt für die hervorragende Qualität und b) in meiner zweiten Heimat beheimatet: den Abruzzen – in die sich mittlerweile sogar George Clooney und Anton Corbijn verliebt haben. Ich freu mich auf den Film!

Im klassischen Sortiment von De Cecco tragen sie die Nummer 37. Bei dieser Spezialedition im nostalgischen Filippo De Cecco-Look-and-Feel mit dem archetypischen abruzzesischen Bauernmädchen als Key-Visual hingegen die Nummer 562.

Ich weiss nicht, ich habe einmal gelernt, Marketing bedeute, sämtliche Massnahmen eines Unternehmens auf die Bedürfnisse des Marktes/der Kunden auszurichten. Nun, ein und dasselbe Pastaformat mit zwei unterschiedlichen Nummern zu versehen, scheint mir da strategisch nicht wirklich dienlich.

Abgesehen davon, was interessiert uns Kunden diese Nummer? Nach welchen Kriterien wird sie vergeben? Und wozu? Und haben alle Pastamacher dieselbe Nummer für die gleichen Formate? Und wer hat überhaupt damit angefangen?

Irrelevant. Was zählt, ist wie sie schmecken und vor allem womit. Ich finde, vor allem mit Gemüse. Erbsen im Speziellen. Die zwängen sich dann so flapsig in die Nudelmündung wie eine Kanonenkugel.

Für diese Variante wird der Reis des klassischen venezianischen Gerichts «Risi e bisi» einfach mit den Gnocchetti di Zita ersetzt:

Schalotten für einmal in Butter (statt Olivenöl) mit gekochten Schinkenwürfeln andämpfen. Mit Brühe löschen. Erbsen dazugeben und weich kochen. Vor dem Mischen mit der Pasta, salzen und pfeffern, fein geschnitte Petersilie dazugeben und mit kalter Butter und geriebenem Parmesan durchmengen.

Laut De Cecco geht jeder Fleisch- und Fischsugo oder eben Gemüse zu diesem Format. Jedem das Seine. Aber für meinen Geschmack sind Saucen mit Gemüse eindeutig besser geeignet. Zum Beispiel Cima di rape, Broccoletti, Bohnen, Kichererbsen und so weiter.

Unschuldige aber unkundige Menschen können bei der Abstimmung von Sauce und Pastaformat ja durchaus herzhaft danebengreifen. Kein Koch mit einem reinen kulinarischen Gewissen jedoch würde zum Beispiel je Penne mit – sagen wir – Vongole zubereiten. Dafür nimmt man Linguine oder Spaghetti.

Ist wie mit den olympischen Disziplinen: Gnocchi = Kugelstossen, Orecchiette = Diskuswerfen oder so ähnlich. Man würde ja auch nicht hingehen und den Sportlern die falschen Utensilien reichen: dem Speerwerfer den Hochsprungstab zum Beispiel, oder den Staffelläuferinnen den Hammer.

Am liebsten mache ich zu diesen Gnocchetti di Zita aber einen Minestrone.

Einen? Ja, der Minestrone, männlich. Und nicht etwa wie im Volksmund wieder und wieder gekaut, die Minestrone.

Warum? Erstens, weil er im Ursprungsland schon männlich ist: Il Minestrone. Warum muss er sich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen, wenn er die Sprachgrenze passiert?

Und zweitens, weil der Minestrone keine Suppe ist. Dann wäre er nämlich auch auf Italienisch weiblich: La Zuppa. Oder allenfalls: La Minestra.

Der deutsche Sprachgelehrte fabuliert sich die Suppe also bloss dazu und denkt sich wohl: Minestrone-Suppe, aha! also DIE. Und baut das Gericht kurzerhand vom Bauern zur Diva um.

Den besten Minestrone macht man – festhalten – indem man einen Knochen hineinschmuggelt. Schinkenknochen eignen sich besonders gut. In meinem Fall war es ein kleines Schulterblatt von einem geräucherten Schinekenschäufele. Stilechter wäre das Bein eines Prosciutto crudo.

Sodann setzt man einen Sud an: Kaltes Wasser, besagter Knochen, Selleriegrün, Zwiebeln, reife Tomaten (ungehäutet), Lorbeerblätter, Salat- oder Mangoldblätter, schwarze Pfefferkörner und ein paar Wacholderbeeren. Einmal aufkochen und dann zugedeckt zwei Stunden bei milder Hitze ziehen lassen.

Sud abseihen (nicht austrinken, ich weiss, es duftet berauschend) und darin das Gemüse für den Minestrone kochen: gewürfelte Karotten, Knollensellerie, Kartoffeln. Zucchini, eingeweichte Bohnen und erst kurz vor Schluss Erbsen. Mit einem kräftigen Schuss Olivenöl und glatter Petersilie vollenden.

Traurig, dass man es immer wieder schreiben muss: Die Pasta wird immer in einem eigenen Topf bissfest gekocht. Nie und nimmer mit dem Gemüse. Und schon gar nicht zu weich. Es sei denn, man steht auf die von der Stärke getrübte Suhle mit pampig weicher Pasta.

Soll, ja darf man Parmesan darüber geben? Wenige Fragen spalten muntere italienische Tischrunden vehementer als diese. Sie bleibt unbeatwortbar. Muss jeder für sich entscheiden.

Wenn wir schon bei meiner persönlichen Verbotsliste sind: Vieles passt in einen Minestrone, je nach Jahreszeit und Vorliebe. Solange sich der Geschmack ergänzt. Kohlrabi gehört jedoch definitiv nicht dazu. Wie auch alle anderen Gemüse, die sich geschmacklich zu stark hervorheben wie Kohl, Broccoli oder Fenchel.

Ratsam hingegen ist, so viel Minestronegemüse zu kochen, dass man was davon einfrieren kann. Denn eines ist sicher: Der nächste Winter kommt.


20 Kommentare zu Platz 1 fuer Nummer 562

  1. nata am 20. September 2010 at 07:52:

    Sag mal, diese eine Erbse auf dem Foto… die hat sich doch nicht selber kanonenkugelmäßig in die Nudel gezwängt, oder? Kann es sein, dass sie extra fürs Foto gezwungen wurde?

    Dieser Text ist mal wieder großartig geschrieben. Ich fühle mich gut unterhalten und hungrig. – Danke!

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  2. Antonio da Stuttgart am 20. September 2010 at 08:30:

    Risi e bisi?
    PASTA E FAGIOLI!!!!!
    PENG PENG PENG!

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  3. Andreas am 20. September 2010 at 10:55:

    Die Erbse hast du extra so arrangiert! Auf der, die, das Nudel.

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  4. carlo am 20. September 2010 at 11:07:

    Wirsing? NIE. Nie Wirsing. Und keinen Kohl, giusto, dottor c. Brökelkohl in geringem Mass: geht. Fenchel: Geschmacksache. Aber eines passt immer über die Suppe: P A R M I G I A N O ! ! !

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  5. Antonio da Stuttgart am 20. September 2010 at 11:12:

    statt parmesan geht aber auch pecorino roma oder toscanello. ist ja net so, dass wir nur noch parmesan zu allem und alles nehmen. wäre ja noch schöner!
    bei uns zuhause sind wir mit RODEZ eingedeckt.

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  6. Antonio da Stuttgart am 20. September 2010 at 11:14:

    ICH HASSSE MEINE TATSTUR!!!
    Pecorino roma ist selbstverständlich pecorino ROMANO! Uffa!

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  7. Eline am 21. September 2010 at 09:19:

    Ich freu mich auch auf den Film!
    Gestern gab es bei uns, unabhängig von deinem Post, Penne auf die genau gleiche Art zubereitet. Allerdings gefallen mir diese „Zite“ (?) optisch noch besser.
    Bei Minstrone bleib ich beim „die“, obwohl ich weiss, dass es grammatisch falsch ist.
    Ich finde, du bist zu streng wegen der „erlaubten“ Gemüsesorten. Bestimmt doch bei diesem Armeleute-Essen das, was im Garten wächst, die Zutaten. Im Norden Italiens wird sehr häufig Wirsing verwendet. Im Winter mag ich das sehr. In Südtirol wird das Gericht dann zur „Gemiiisesuppn“, da kommen schon auch mal Kartoffeln statt Bohnen dazu.

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  8. creezy am 21. September 2010 at 09:27:

    Es wird aber wenig gegessen in „The American“, mehr Café getrunken … ,-)

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  9. Claudio am 21. September 2010 at 09:42:

    Nein, nein, nata & Andreas: Zuerst war die Erbse, dann der Gedanke! Als Freund des Wabi-Sabi-Konzepts labe ich mich an solchen zufälligen Schönheiten. Past‘ e fagioli, perfekt, Antonio, aber dann definitiv ohne Käse! Wer hat denn was von Wirsing gesagt, Carlo? Aber jetzt wo dus erwähnst, una foglia di verza lo rende anche dolce, ich lehne das nicht kategorisch ab, nein. Ja, nein, Eline, nur weil etwas im Garten armer Leute wächst, darf es noch lange nicht in einen Minestrone wandern. Stell dir vor: Radieschen, Gurken, rote Bete, Auberginen, Rotkohl … Aber Kartoffeln, da bin ich mit dir einig, gehören unbedingt hinein. Und entgegen Carlos Meinung, habe ich auch nichts gegen ein Blatt (aber nur eines) Wirsing, das gibt ihm eine angenehme Süsse.

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  10. Tweets that mention Anonyme Köche » Blog Archive » Platz 1 fuer Nummer 562 -- Topsy.com am 21. September 2010 at 09:42:

    […] This post was mentioned on Twitter by claudine, Paul Fritze. Paul Fritze said: Weniger die Anmerkungen zu No 562, als vielmehr die Art wie hier ein Minestrone gekocht wird, finde ich äusserst… http://fb.me/JyyrL0Hi […]

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  11. Andreas am 21. September 2010 at 13:07:

    @Erbse: die Unvollkommenkeit, dass lediglich eine einzige Erbse sich so einmalig der, die, das Nudel nähern konnte, löst eventuell auch bei mir ein Gefühl der Melancholie aus. Ein spirituelles Sehnen kann ich aber noch spüren *g*

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  12. Antonio da Stuttgart am 21. September 2010 at 18:15:

    ich darf meinen Senf dazu geben:

    wirsing ist so la la, aber in dünnen Streifen….
    back zu den fagioli:
    selbstverständlich MIT geriebenem käse. und zwar viel davon und einen „strich“ olio d´oliva…….
    geht es den anderen auch so, dass wenn man sowas schreibt sich sofort ein hungergefühl einstellt?

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  13. Carlo am 21. September 2010 at 22:19:

    Verzo oppur Wirsing: im Prinzip ja, sagt Radio Erewan…
    Aber schon Väterchen Dschugaschwilji war gegen Wirsing, nachdem er mit dem Duce eine Minestrone gelöffelt hatte. Original-Wortlaut: kann man daraus Wodka machen? Nö, disse il Duce

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  14. depende am 22. September 2010 at 06:53:

    Summe von 2 und 4 ist natürlich nicht 7? Wozu ist das eigentlich gut??
    Bravo, bravissimo, der Beitrag ist mal wieder hundertprozentig gut! Wir leben in Espana und vermissen de cecco zwar, aber nicht wirklich…. Wir haben Delverde im Angebot und sind happylie ever after darüber. Habe gerade die Packung Spaghetti No 4 vor mir. Da steht drauf:
    Parco Nazionale della Majella, Acqua pura die sorgente, Trafilata al bronzo, Essicata lentamente come una volta: prodotta in Fara San Martino..
    so schmecken die auch (ich kann das nur gefühlsmäßig übersetzen, kann kein italienisch..) auch abruzzesisch, oder so… nach Deinem Beitrag gibt es bei uns heute: na was? Pasta! Basta! Fotos gehen ja leider nicht….

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  15. depende am 22. September 2010 at 07:14:

    Nachtrag:
    ich glaube mit den Gnocchetti di Zita kann man auch gut
    Pirciati Ch`abbruscianu: brennende Nudeln machen…
    perfekt!!

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  16. Magdi am 22. September 2010 at 08:41:

    Unser jüngster Bruder, hasste Erbsen (wahrscheinlich heute noch). Seine zwei großen Schwestern haben ihm einmal eine Minestrone mit Erbsen gespikten Nudeln vorgesetzt und genüßlich zugesehen wie er die ganze Suppe ausgelöffelt hat, nur um ihm zu sagen, wieviele Erbsen er ungewußt verspeist hatte.

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  17. Klaus am 22. September 2010 at 14:38:

    lecker – geht nix über Martelli Nudeln
    Gruß Klaus

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  18. Antonio da Stuttgart am 23. September 2010 at 11:23:

    Was die landesübliche und legal erwerbliche Nudel angeht ist in der Gesamtheit wohl DE CECCO wirklich die Nummer 1. Deren Fusilli fläddern zum Beispiel beim Anblick von kochendem Wasser nicht gleich auseinander und die Linguine zu Cozze oder Vongle sind die absolut besten die ich je gegessen habe. Aber, wenn man beim Vergleich schon ist:Wer an Voiello ran kommt sollte hier unbedingt beherzt zugreifen. Die von Barilla wussten schon genau, warum man sich diese feine Firma einverleibt hat.
    Als Pugliese stehe ich selbstverständlich auf Pasta die semola grano duro (Hartweizengries). Orecchiette und Mincchiareddi are the best. Mittlerweile machen hier im schwäbischen die Nudelhersteller auch Orecchiette und verkaufen diese als:ORECCHIETTE! Wer hätts denkt?
    N´gutn!

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  19. Jaz am 24. September 2010 at 21:48:

    Stand and Deliver !

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  20. Anonyme Köche » Blog Archive » Lasst uns Wurzeln erschlagen am 27. November 2012 at 20:59:

    […] Natürlich kann man auch einen anständigen Minestrone mit dem tollen Wintergemüse machen. Inspiration gibts hier. […]

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