Gut Kirschen essen

Lauwarmer Kirschkuchen – altes Brot süsser nie schmeckt.

Mit meiner Frau ist nicht gut Kirschen essen, wenn ich ihr gutgemeinte Ratschläge beim Kochen geben möchte. Ich kann noch so gute Karten in der Hand und ebensolche Absichten in mynem Herzen tragen, Sie hat einen Trumpf, der immer sticht: «Ich war in der Kochschule!».

Damit spielt sie auf eine graue Vorzeit des Holozäns an, in welcher an ihrer Schule Kurse in Hauswirtschaft Pflichtfach waren. Vor allem für die Lehrperson war es eine Pflicht. Eine schwere dazu, muss ich annehmen, bei den schlimmen Dingen die da gekocht wurden.

Als Lehrmittel diente dieser grüne Findling. Herausgegeben 1975 vom Lehrmittelverlag des Kantons Zürich. Hand hoch, welche wackere Schweizerin kocht heute noch damit?

Ich picke zur Verdeutlichung nur eine einzige Anweisung von Seite 179 heraus:

Italienischer Salat

Zum russischen Salat Schinken, Fleischresten oder Sardellenfilets, klein geschnitten, mischen. Garnieren nach Belieben.

Nun, ich gebe zu, ich räume dem hässlichen Kochbüchlein mit den grauen Anweisungen einen angemessenen Platz in meinem Kochbuchregal ein. Grund dafür sind aber vor allem die vielen handgeschriebenen Zettelchen aus der Familie meiner Frau mit traditionellen Hausrezepten, die darin verborgen liegen.

Aber diesmal haben meine Frau und ich gemeinsam darin geblättert, um das Grundrezept für einen traditionellen Kirschentschu, oder Chirspfannchueche, wie er in ihrer Familie genannt wird, zu finden.

Denn wir wollten weder Muffins noch Clafoutis oder diese hippen Cupcakes backen. Wir wollten zurück in die Kindheit, zurück zum Geschmack von währschaftem, in Milch aufgeweichten Brot. Und wir sind fündig geworden!

Auf Seite 248 steht: Springform 22–24 cm. 4 Weggli oder 200 g altes Brot kleinschneiden (wir hatten Ruchbrot, Baguette und Paillasseresten). 2 dl heisse Milch darübergiessen, einweichen, fein zerdrücken. 50 g Butter, 80 g Zucker (zeitgemässe Rezepte schreiben hier unzeitgemässe 150 g hin), Schale und Saft von 1/2 Zitrone und 3 Eigelb schaumig rühren.

50–150 g Nüsse, gehackt (wir haben uns für 150 g Mandeln entschieden und es nicht bereut), 1/2 kg Kirschen zugeben (diese alten Geizkragen, das nächste Mal nehmen wir 1 kg!) und alles mit dem Brot vermischen.

3 Eischnee sorgfältig unter die Brotmasse ziehen, diese in die ausgefettete, mit Paniermehl ausgestreute Form einfüllen, bei guter Mittelhitze (wir waren mit 160 Grad zu bescheiden, 200 dürfen es schon sein) 45–60 Minuten backen. Auf Tortenplatte stürzen und mit Puderzucker überstäubt servieren.

Was nicht im Buch stand: Torte nach draussen in den Garten tragen, Nachbarinnen herbeirufen und Stück um Stück von diesem lauwarmen Gedicht verputzen, bis kein Krümel mehr übrig bleibt!


17 Kommentare zu Gut Kirschen essen

  1. Irene am 20. Juni 2011 at 07:51:

    Das hört sich fein an, würde auch den grossen Vorrat an
    Kirschen verkleinern. Ich hatte in der Schule den Tip Topf als Lernbuch.
    Grüessli
    Irene

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  2. Dolce Vita am 20. Juni 2011 at 08:30:

    Lach…ja, das Kochbuch ist schon leicht verstaubt, steht bei mir jedoch auch im Kochbuchregal. Ich war ja auch mal in der Kochschule…vor laaaaanger Zeit.
    Wie bei deiner Frau, ist es jedoch im laufe der Jahre auch bei mir vollgespickt mit kleinen Post-It-Zettelchen und eigenen Rezepten.
    Und wenn man sich euren wunderbaren Kirschkuchen ansieht, findet man ja darin auch ab und zu mal was nützliches. Abändern kann man ja immer…
    Wegschmeissen kann ich das Ding jetzt also wirklich auch nicht, da hängt irgendwie zuviel Nostalgie dran… und drin.
    Liebe Grüsse
    Susann

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  3. zorra am 20. Juni 2011 at 09:03:

    Hier, ich habe das Buch auch. Kochen draus tu ich aber schon lange nicht mehr. Drin blättern ab und zu schon.

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  4. Petra am 20. Juni 2011 at 13:28:

    Gut sieht der Kuchen aus. Da bist du mir jetzt einen Tag zuvorgekommen, ein ganz ähnliches Rezept probiere ich morgen aus. In Süddeutschland heißt das Kirschmichel, „Kirschentschu“ klingt auch sehr interessant … Was heißt denn „Tschu“?

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  5. nata am 20. Juni 2011 at 14:53:

    Was wohl passiert, wenn man einem Russen Schinken, Fleischreste oder Sardellenfilets gibt?

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  6. Claudio am 20. Juni 2011 at 17:45:

    Irene, wir haben einen schönen alten Hochstamm-Kirschbaum, die Früchte reifen aber selten optimal, in diesem Chriespfannchueche aber sind sie perfekt. Und was mich immer wundert, Susann, trotz den vielen Zettelchen verzettelt man sich weniger, als bei der Suche über das Kochbuchregister 😉 Dacht ichs mir, Zorra! Ja, lebt denn der alte Kirschmichel noch, Petra? Dann bin ich gespannt, gutes Gelingen! Das Wort Tschu, hab ich gelesen, ist eine Entlehnung aus dem französischen «chou», dem Kohl, anscheinend soll die Form eines schön aufgegangenen Küchleins einem Kohlkopf ähneln – whatever. nata, Hauptsache es gibt genug Vodka dazu

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  7. Sarah am 21. Juni 2011 at 16:34:

    Hallo Claudio, Kompliment für diesen tollen Blog! Ja, auch wir haben damals mit Tip Topf die ersten Schritte in der Küche gemacht – und ich koche ab und zu noch heute nach diesem alten Schinken! Das Rezept tönt spannend, sollte ich eigentlich gleich ausprobieren, bevor der Rest der Familie die (noch) einsam in der Früchteschale thronenden Kirschen wegputzt!

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  8. georg am 21. Juni 2011 at 20:39:

    petra scheint da was ähnliches zu kenne wie ich. komme aus dem schwarzwald, bei uns war das ein kirschenplotzer, immer in der ovalen auflaufform gemacht, aber mit sauerkirschen. und nur sauerkirschen, nicht entsteinte sauerkirschen. denn das kerne ausspucken ist wichtig. und ich glaube nicht dass eiweiß mit drin war. vanillesoße dazu, und alle selbst essen, keine nachbarn einladen.

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  9. eva am 21. Juni 2011 at 22:14:

    Vor 30 Jahren habe ich als Teenager zum ersten mal die „Lasagne verdi al Forno“ (S. 254) aus Kochen Braten Backen geschustert – eine echte Herausforderung: Vom Lasagne-Rezept auf S. 254 wird verwiesen aufs Grundrezept zum Teigwaren kochen, dann auch noch zur Sauce Mornay auf S. 210 (wohlverstanden mit den Zutatenmengen von S. 254), von der zur Béchamel und von der Béchamel zur Weisse-Sauce-gedünstet auf S. 208. Ich bekam damals Komplimente für meine Lasagne. Vielleicht koche ich drum auch heute noch gerne – ab und zu sogar etwas komplizierteres…

    Hab grad im Inhaltsverzeichnis nachgeschaut – es gibt kein Demi-Glace-Rezept, nur „Braune Sauce“!

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  10. Claudio am 22. Juni 2011 at 17:21:

    Danke, Sarah, und ja, mach, jetzt oder nie! Auch ein schöner Name, Georg, Kirschenplotzer. Du sagst es, mit Sauerkirschen möcht ich nächstens probieren – und nicht entsteint, richtig, auf keinen Fall. Herrlich, Eva, und danke für den Hinweis mit der Demi-Glace, wär nie darauf gekommen da drin danach zu suchen!

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  11. Marcus am 23. Juni 2011 at 14:51:

    Ich liebe Kirschkuchen – dieses Jahr haben wir ja Glück und eine besonders reiche Ernte. Der Kirschbaum hängt satt voll mit Früchten – da kommt dieses Rezept genau richtig.

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  12. Gabor am 7. Juli 2011 at 18:36:

    Hihi… Das Buch erinnert mich vor allem an die Handarbeitslehrerin im Progym Hüslimatt. Die hatte vom Kochen so viel Ahnung wie eine Arktisrobbe vom Flamengotanzen. Bei der Fleischsuppe etwa sollten wir die Hälfte des Gemüses verkochen, die andere Hälfte dagegen separat (!) garen, um es dann als Beilage zum Fleisch zu reichen.
    …Oder abenteuerliche Kombinationen wie Kartoffelgratin (also mit Rahm), zu Fleisch mit Rahmsauce mit Blumenkohl in Béchamelsauce.
    Ich verstand damals noch nicht, was hier genau nicht stimmte, aber das irgend etwas nicht koscher war, schien klar.

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  13. Patrick am 27. Juli 2011 at 22:27:

    Tagchen!

    Hatte den Blog immer schon im Auge und kam heute endlich mal dazu, mich damit zu beschäftigen. Nach reichlich Spaß mit dem „Kann Fisch enthalten“-Bild gings direkt zum Bäcker, um Brot von gestern für den Kirschkuchen zu kaufen. Hier das Resultat: http://i.imgur.com/CQCy5l.jpg
    An der Konsistenz gilt es noch arbeiten, meine Freunde waren jedoch auch so begeistert. Dank Dinkeltoast extra gesund, und mit frischen Pfälzer Kirschen eine Wucht. Merci für die Anregung, und die Kommentare im Rezept machen auch Freude 🙂

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  14. Desme am 30. Juli 2014 at 15:54:

    Dass sieht lecker aus. Bitte haben Sie einen Blick auf meinen Blog, ich bin neu.
    xoxo
    http://www.cookwithdesy.com

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  15. p'itti am 9. August 2014 at 17:21:

    Hallöle,
    köstlich, dieser Kirschkuchen.
    Haben eher dunkleres (Roggen-)Brot verwendet, daß zudem auch noch komplett trochen war, dafür muss man allerdings die Flüssigkeitsmenge erhöhen.
    Das gab dem ganzen eine eher herbe Note, trotzdem sehr lecker und auch von der Zubereitung recht verzeihend.
    Mehr Kirschen (als 500 g) sind allerdings absolut angezeigt, hatten leider saisonbedingt auf Konserve aus dem Glas zurückgreifen müssen, hat der Sache keinesfalls geschadet.

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  16. Anonyme Köche » Blog Archive » Alles passt, es muss Sommer sein. am 24. Januar 2017 at 13:43:

    […] will man das Glück perfekt machen, bäckt man damit schleunigst den besten Kirschpfannkuchen, den man hinbekommen […]

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  17. Ruth am 25. Juli 2021 at 07:28:

    Super das „Chriesikuchuecherezept“
    Ich suchte es in meinem Tiptopf Jahrgang 2009 vergebens…(brauchte ihn in der Bäuerinnenschule) also schnell notiert und später wirds ins reine geschrieben. Aber der Kuchen wird heute noch gebacken. Ich freu mich schon….

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