Spuma Adriatica

Der kleine Nachtfalter setzt auf der Etikette auf. Abrupt, aber bestimmt. Als wäre es ein rettender Hafen in dieser dicken, salzigen Abendluft.

Reglos verweilt er auf dem kühlen, beschlagenen Papier. Seinen Arm schützend über San Giorgio gelegt. Wie ein halbierter Mantel. An diesem Ort der adriatischen Küste, der den Namen des Heiligen trägt: Porto San Giorgio.

Welch bella Figura diese Motte da macht. Den Schoner mit den polarweissen Segeln flankierend. Gerade so, als sei sie beim Entwurf vergessen gegangen und nun das Bild rechtmässig komplettiert.

Der Falter ist ein Spanner. Nicht so einer wie wir. Seine Familie sind die Braunstirn-Weissspanner. Unsere die der rotbraun-glänzenden Touristen, die verstohlen andere rotbraun-glänzende Touristen begaffen, nicht durchschauend, dass sie ebenso begafft werden.

In vetro è meglio, das stimmt, im Glas schmeckt es besser. Alles schmeckt besser, wenn man den Tag am Meer verbracht hat und sich noch salzig und paniert auf die Bank an der Strasse vor dem Pizza al Taglio setzt.

Nur, diese Pizza, die ist unerwartet gut. Genau wie diese Spuma Adriatica. Dieser wie aus der Mottenkiste gehievte, klebrige, bittersüsse Chinotto-Sprudel, der seit 1947 mit der derselben Etikette, Rezeptur und – ohne Internetz daherkommt.

Der Pizzaiolo ist am Rudern. Er tritt vor den Laden und raucht und kann nicht mehr. Tagsüber liegen seine Gäste wie tote Fliegen an der Sonne und jetzt sirren sie versessen auf eine schnelle Pizza wie Moskitos in die Bude.

Und Moskitos wollen nicht warten. Also flirren sie ohne Pizza weiter. Und der Pizzaiolo fühlt sich wie ein Rabenpizzaiolo. Was er auch ist. Denn seine Pizzeria heisst dal Corvo.

Uns kümmert das nicht. Wir zwinkern ihm zu und muntern ihn auf, noch einmal einen Frisbee für uns nachzulegen. So schnell wird er uns nicht los. Er zieht drei Mal an seiner Zigarette und gibt sie an den minderjährigen Pizzaburschen weiter, der daran zieht, wie eine Mücke saugt. Mit einem langen Gesicht.

Oh, Moon of Adriatica, we now must say goodbye. Show us the way to the next Summernight. Oh, dont ask why.


9 Kommentare zu Spuma Adriatica

  1. Micha am 31. Juli 2011 at 07:16:

    Pizza zu hause ist was anderes. Zu schade, dass man solche Momente nicht in kleine Tüten packen kann und zum gegebenen Anlaß dann ein Tütchen wieder öffnet.

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  2. Dolce Vita am 31. Juli 2011 at 10:29:

    Wie schön doch Ferienerinnerungen sind… und Du schreibst das so schön und witztig… man will einfach auch…
    Liebe Grüsse
    Susann

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  3. Afra Evenaar am 31. Juli 2011 at 12:47:

    Was für ein köstlicher Text!
    Und ich als Chinottojunkie bin tatsächlich noch nie einer Spuma Adriatica begegnet.

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  4. Claus am 1. August 2011 at 21:45:

    Datt ist Kunst! Da gibbet nix….

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  5. Claudio am 2. August 2011 at 08:42:

    Das hast du sehr hübsch formuliert, Micha. Ich könnt auch gleich nochmal, Susann. Ist anscheinend den Lokaljunkies vorbehalten, Afra Evenaar. Bin froh, dass du nicht Kitsch geschrieben hast, Claus, obwohl der ja oft auch als Kunst durchgeht.

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  6. zeno am 2. August 2011 at 15:21:

    …….wäre das Originaletikett so wie fotografiert – vielleicht würde diese Spuma sogar noch besser schmecken ! … würde es uns dann nicht nur davon erzählen, wie schön und abenteuerlich das Segeln über´s Meer ist , sondern auch noch die Phantasie mit dem Traum vom Segeln in der Luft beflügeln….

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  7. Sheik am 2. August 2011 at 17:41:

    einfach schön ,,,,,, besonders wie du aus dem „alabama song“ den „adria song“ gemacht hast 😉

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  8. Claudio am 2. August 2011 at 18:15:

    Eine sehr schöne Phantasie, zeno. Freut mich, dass du den Song erkannt hast, Sheik! Ich nehme an, die Version der Doors ist dir vertrauter, als das Operoriginal von Kurt Weill?

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  9. Sheik am 2. August 2011 at 20:02:

    in der tat, Claudio aber ich kenn sie beide 😉

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