Mittendrin statt nur dabei

Wir sitzen bei Tapas und Tinto auf der sommerlich lauen Placa del Rei und geniessen unter freiem Himmel Foodporno vom Feinsten.

Auf einer Grossleinwand werden atemberaubend schöne Bilder von mehr als 30 internationalen Foodphotografen gezeigt. Ein traumhaftes Abendprogramm für jeden Foodblogger! Das Screening des Foodphoto Festivals im katalanischen Tarragona ist öffentlich, kostenlos und inmitten des magischen Settings von mittelalterlicher Altstadt und römischen Ruinen so was von unbezahlbar.

Natürlich interessieren sich nicht alle gleichermassen für die Bilder. Eine gut hundertköpfige Festbruderschaft spanischer Polizisten vergnügt sich auf demselben Platz lieber lautstark bei Snacks, Bier und Räubergeschichten. Da musste die ausgesucht schöne und dezente Musik zur Projektion schon etwas aufgedreht werden. Kulturkampf live!

Dafür fand am Hauptabend die krönende Preisverleihung des Foodphoto Awards 2011 auch beim branchenfremden Publikum der umliegenden Restaurants Gefallen. Es hallen spontane Applauskaskaden durch die Gassen. Das Auge geniesst eben mit.

Gewonnen haben übrigens Francesca Moscheni und Roland Persson.

Aber auch für alle anderen Teilnehmer gab es viel Gewinnendes am total relaxten Festival: Die Ausstellung aller Foodphotos in inspirierenden alten Hallen am Hafen von Tarragona, Networking, Portfolio reviews, Workshops, Erfahrungsaustausch und Konferenzen.

Eine davon durfte ich geben. Zum Thema „I have made my own cookbook – written, styled and photographed“ gab ich einen Einblick, wohin foodbloggen einen so bringen kann: direkt zu einer treuen Leserschaft, Gleichgesinnten, neuen Freunden, einem Buchvertrag oder eben an eine Konferenz des Foodphoto Festivals.

Und dank zwei charmanten Dolmetscherinnen wurde mein Freestyle-Englisch simultan in anmutiges Katalanisch und Spanisch übersetzt. Überhaupt ist es grossartig, was Festivalgründer Günter Beer mit seinem Staff im zweiten Jahr auf die Beine gestellt hat. Den Termin für das Foodphoto Festival nächsten Oktober sollte man sich merken. Wie auch seine knackfrische seine Go Veggie! App, die er eben für Kollege Stevan Paul fotografiert hat.

Ich für meinen Teil häng noch eine Woche Badeferien mit meinen Liebsten an der Costa Dorada an und freue mich, dem Rätsel des mir bis dato unbekannten spanischen Wesens nachzugehen – als da wären:

Warum sind sie so viel ordentlicher als die Italiener?

Warum vergewaltigen sie Cappuccino mit Sprühsahne?

Warum sagen sie Aceite zu Öl wenn das doch wie Aceto (Essig) auf Italienisch klingt?

Warum isst der Spanier, wenn andere schon längst schlafen?

Warum schmecken sogar Croissants nach dem allgegenwärtigen Jamòn?

Warum servieren sie in pseudo-italienischen Restaurants so schlechte Pasta?

(Wohl nur damit sie sagen können, Tapas sind eh besser.)

Und dann die Grössenverhältnisse – ich persönlich würde den Spanier ja nicht à priori als kleingewachsen bezeichnen. Den kleinen Fussballgiganten Messi mal ausgenommen. Aber sie selbst sehen sich wohl gerne grösser als sie wirklich sind.

Ist das der Grund, weshalb Pissoirs etwa auf Kinnhöhe hängen? (Erinnert an Jungs, die ein zu grosses Herren-Rad fahren, aber zwischen der Rahmengeometrie treten müssen.)

Ist das der Grund, weshalb mich alle spanischen Spiegel so schlaksig machen, als hätte mir ein ukrainischer Orthopäde meine Haxen um 20 cm gestreckt?

Ist das der Grund, weshalb Toilettenschüsseln oder Hotel-Lobby-Sessel teilweise so klein sind, dass man sich auch mit 1.73 m als Gulliver vorkommt?


12 Kommentare zu Mittendrin statt nur dabei

  1. Evi am 4. Oktober 2011 at 09:20:

    „Warum schmecken sogar Croissants nach dem allgegenwärtigen Jamòn?“ Die nehmen vielleicht keine Butter für ihren Blätterteig, sondern Schweineschmalz? Siehe Shoarma mit Schwein? http://taz.de/Im-Angesicht-des-Gottes-namens-Geld/!79265/ (Vollkommen wertungsfrei, ich koche oft genug indisch mit Rind.)

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  2. Isabell von kuechenplausch.de am 4. Oktober 2011 at 09:42:

    Guten Morgen,

    schöner Artikel, das Event hört sich wirklich interessant an und ist bestimmt einen Besuch wert.

    Das mit der schlechten Pasta kann ich glaub ich erklären,da ich in Spanien lebe und ich weiß daher, das es in spanischen Restaurants nur schlechte Pasta gibt, die einfach viel zu weich ist, wenn dann muss man schon einen guten Italiener finden um Glück zu haben und den hab ich dankbarer weiße gefunden 🙂

    nun aber zu dem Pastaproblem: ein spanischer Bekannter von mir meinte, dass seine Großeltern mal in Italien Urlaub gemacht haben und nur über die harte italienische Pasta genörgelt haben, da die Spanier einfach die Pasta so weich essen. Das ist also leider kein Kochfehler, nein, die haben sich wirklich angewöhnt die Pasta so schrecklich weich zu essen und finden das anscheinend auch noch lecker.

    Naja ich für meinen Teil liebe Pasta die alldente ist und gehe daher jeder Nudel in einem spanischen Restaurant aus dem Weg.
    Und Achtung, ich glaube sogar Buittoni hat sich den Spaniern zumindest auf dem spanischen Markt angeschlossen, denn wenn man die in Spanien kauft, muss man die Nudeln 3 Minuten früher rausholen als auf der Packung angezeigt, damit sie nicht zu weich werden. So geht es mir zumindest. 😉

    Liebe Grüße
    Isabell

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  3. Magdi am 4. Oktober 2011 at 10:04:

    Das spanische Festland hat uns noch nie gereizt und wird es auch nicht in Zukunft. Euch trotzdem einen schönen Aufenthalt!

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  4. zorra am 4. Oktober 2011 at 10:28:

    Gegenfrage: Warum geht man in Spanien in ein pseudo-italienisches-Restaurant? 😉

    Dafür weiss ich jetzt dank deiner Frage warum aceite so heisst. Kommt aus dem Arabischen – az-zait.

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  5. Eline am 4. Oktober 2011 at 11:15:

    Teilantworten:

    Ordentlich sind die Katalanen, nicht die Spanier generell. Sie werden gerne auch „die Preussen Spaniens“ genannt. an der Costa Brave z. B. gibt es die vorbildlichste Mülltrennung und Müllentsorgung, die ich kenne.

    Schmalz statt Butter im Frühstücksgebäck wurde schon von Evi erwähnt. Ensaimadas z. B., diese Schmalzschnecken, die es hauptsächlich auf den Balearen gibt, aber auch in guten Bäckereien am Festland, sind legendär gut(wenn gut gemacht). saim heisst Schmalz auf katalanisch.

    Pasta:
    manche Katalanen behaupten, sie haben die Cannelloni erfunden. Es gibt sie, so wie das überall ist: von guten Köchen in guter Qualität, gefüllt mit Kaninchenfleisch oder experimenteller mit Oktopus und Kaninchen. In Touristenlokalen aus der Mikrowelle schmecken sie ähnlich grauslich wie in italienischen Touristenlokalen.
    Noch eine Konkurrenzsituation zu Italien: Reis (vor allem für Risotto und schwarzen Reis) gibt es in Katalonien in sensationell guter Qualität.
    Cappuccino mit Sprühsahne ist mir noch nie wo begegnet, auch im schönen Tarragona nicht. Ich wäre gerne dort gewesen und wäre ans Meer gefahren.

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  6. Sheik am 4. Oktober 2011 at 11:29:

    ein sehr schöner Beitrag !! und ich gebe Zorra absolut Recht : wieso in Spanien in ein italienisches Restaurant gehen??

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  7. Claus am 4. Oktober 2011 at 11:59:

    Der Messi is´n Argentinier…;-)

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  8. zeno am 4. Oktober 2011 at 23:02:

    1. sie sind nicht ordentlicher als die Italiener. Nicht im Süden.
    2. sie benutzen oft auch Kondensmilch, hatte früher mit Haltbarkeit in der Hitze zu tun und jetzt mit Gewohnheit- schrecklich!
    3. schon beantwortet- Sprachen haben unterschiedliche Herkünfte
    4. das ist der Unterschied zu allen anderen europäischen Ländern- genial die Nacht zu feiern!
    5. gute Croissants gibt’s nur in Paris
    6. warum in Spanien italienisch essen?
    7. da geht’s wieder um die blöde Konkurrenz- wer hat das bessere Olivenöl, wer hat den Größten?
    8. auch Italiener sind oft! klein und Messi ist immer noch aus Argentinien
    9.10.11. siehe 8. und vor allem 7.
    10. ich liebe die frische spanische Meeresküche mit frischen Gambas und auch Retinto und Pata Negra von den schwarzen Schweinen- und der Wein ? que mas se puede pedir?

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  9. Cettina am 5. Oktober 2011 at 10:56:

    „Warum sagen sie Aceite zu Öl wenn das doch wie Aceto (Essig) auf Italienisch klingt?“

    Das macht mich auch immer fertig.

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  10. Claudio am 5. Oktober 2011 at 13:30:

    Holà! Danke für eure höchst lehrreichen wie amüsanten Inputs und Kommentare. Die Frotzeleien von meiner Seite sind natürlich ebenso Amusement und nicht bösartig gemeint. Wir geniessen die Zeit hier im total relaxten Tarragona sehr. Wir wollten eigentlich weiter nach Sitges, aber es ist uns sehr wohl hier. Die Leute sind sehr entspannt und freundlich. Das mit den italienischen Restaurants ist so: Es gibt einfach unheimlich viele davon hier! Ausserdem ist mit Kindern ein Teller Pasta immer ein Joker. Und dann erst noch einer, der das Ferienbudget nicht strapaziert. Das beste Essen hatten wir gestern Abend hier. Zeitgemäss, gepflegt, authentisch. Nur Meeresgetier als Tapas und der beste Reis seit langem, Hammer! Was Messi betrifft: Mann-o-Mann, hab gestern im TV seinen Hattrick beim 5:0 gegen ATM gesehen. Loco! Klar ist er Argentinier, aber praktisch adoptiert, nicht wahr. Und Xavi und Iniesta sind ja auch nicht wirklich grösser 😉 Saludos!

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  11. Lemon am 5. Oktober 2011 at 22:34:

    Bei dem Strand scheint mir eine Woche Urlaub genau das richtige zu sein. Das Event hört sich richtig cool an. Tja, und zu den Unterschieden, spannender noch als das warum ist doch, dass es eben so viele Unterschiede gibt (sonst wär‘ ja auch die Küche immer die gleiche).

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  12. Anonyme Köche » Blog Archive » Laib und Seele. am 30. Dezember 2016 at 19:11:

    […] erzählte mir eine Schwedin am Foodphoto Festival in Tarragona, dass jeder in ihrer Familie selber Brot bäckt. Und zwar mit dem eigenen Sauerteig, […]

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