antizyklisch geniessen

Venusmuscheln

Die Eselsbrücke ist ja bekannt: Muscheln nur in den Monaten mit «r».

Eine andere Klippe gibt es vor Weihnachten zu umschiffen. Wenn tausende Südeuropäer in der Schweiz ihre traditionellen Fisch- und Muschelgerichte zu Weihnachten kochen: zum Beispiel Spaghetti alle Vongole.

Dann entern sie die Fischbastionen des lokalen Detailhandels und fischen die Auslagen gnadenlos leer. Wer so naiv war, nicht vorzubestellen, kann von Glück reden, wenn er um 5 nach 9 noch abgepackte Tiefkühlware bekommt.

Wobei, was heisst hier Glück, man muss von doppeltem Unglück reden. Denn lieber würde ich verhungern, als tiefgekühlte Venusmuscheln oder (noch schlimmer!) Vongole im Glas zu kaufen.

Heute hat sich lustigerweise noch niemand für die frisch eingetroffenen Mollusken interessiert. Zack! Landet das 1-Kilo-Netz flugs im Einkaufskorb und ergibt so ein vorgezogenes Festmahl, das schlichter nicht sein könnte:

1 Kilo Vongole (wenn immer möglich, die grossen «Veraci»)

Olivenöl

Knoblauch

Peperoncino

Glatte Petersilie

400 g Spaghetti

In einer weiten Sauteuse mit extra vergine Olivenöl behutsam die Aromen von Knoblauch und Peperoncino auslösen.

Olivenöl

Dazwischen die Spaghetti ins Kochwasser geben und die Petersilie hacken.

Petersilie

Die in einem Stahlsieb mehrfach abgebrausten Vongole in die Sauteuse geben, eine Kelle Spaghettiwasser dazu (kein weiteres Salz), Deckel drauf und aufkochen, bis es dampft.

Sobald die Spaghetti al dente sind (6 – 7 Minuten) haben sich auch alle Muscheln brav geöffnet (die Bösen, das wissen wir ja, schliessen sich ein und werden zur Strafe entsorgt).

Vongole

Vor dem Servieren die Spaghetti – es dürfen auch Spaghettini oder Linguine sein – abschütten, den Vongolesud durch ein feines Sieb dazugiessen, Petersilie und schliesslich die Vongole dazu – alle offenen – mit Schale.

Gut durchmischen, Spaghetti, Muscheln und etwas Sud in Teller verteilen und mit zusätzlichem Olivenöl beträufeln.

Ist das nicht eine virtuose Art, vor den Feiertagen mit Ebbe und Flut umzugehen?

Spaghetti alle Vongole


11 Kommentare zu antizyklisch geniessen

  1. Mike Seeger am 21. Dezember 2007 at 01:39:

    Ich oute mich jetzt mal: Ich mag nichts, was aus dem Wasser kommt (außer ein paar knusprige Badenixen vielleicht). Fischeiweißallergie! Glaube ich zumindest, denn mir wird sowas von schlecht, esse ich Fisch oder Muscheln in größeren als messerspitzenweisen Mengen. Trotzdem weiß und beachtete ich bis dato, dass Muscheln in den Monaten MIT R die schmackhaftesten sein sollen (was bin ich wieder für ein Klugscheißer). Den Duft mag ich denn auch sehr gern, sofern die Frutti di Mare auch wirklich frisch sind. Insbesondere in Verbindung mit Olivenöl, Knoblauch, Weißwein und etwas Tomate. Essen kann ich es leider nicht, was mich mehr als nur ärgert! Trotzdem wünsche ich guten Appetit, ich gönne mir derweil ein paar Spaghetti al Amatriciana mit zusätzlichen Scheiben von Wildschweinsalsiccia (Was ist denn wohl der Plural von Salsiccia? Vielleicht weiß Frau nina Rat?).

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  2. Boris Zatko am 21. Dezember 2007 at 09:45:

    Na, das ist merkwürdig. Just heute während der Morgentoilette dachte ich über Fisch nach, und ob es noch gilt, dass nur am Freitag der Frische zu finden sei. Bei Muscheln, grübelte ich weiter, gilt diese Weisheit dank der Globalisierung ja nun nicht mehr. Dann klicke ich auf die AK und finde dieses Rezept vor – es gibt schon Dinge zwischen Himmel und Erde, die von der Wissenschaft zwar irgendwann erklärt werden wird, über die man sich aber heutzutage noch herzhaft den Kopf zerbrechen kann. Wunderbar!

    Viele liebe Grüsse

    Boris

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  3. Claudio am 22. Dezember 2007 at 02:06:

    Herzliches Beileid, Mike. Ich hatte einmal einen Kreislaufkollaps und deftiges Nesselfieber – vermutlich als allergische Reaktion auf eine hohe Jod-Dosis im Thunfisch (meinte der Hausarzt). Daraufhin litt ich monatelang unter Paranoia beim Fischessen. Hat sich dann zum Glück alles wieder ausgebadet.

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  4. Claudio am 22. Dezember 2007 at 02:07:

    Boris, ich bitte dich jetzt nicht, zu erklären, was dich bei deiner Morgentoilette an Fisch (!) denken lässt.

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  5. Boris Zatko am 23. Dezember 2007 at 10:36:

    Just als ich den „Kommentieren“-Knopf gedrückt hatte, kam mir natürlich ebenfalls der Gedanke, dass man meinen Beitrag etwas falsch verstehen könnte. Aber ich dachte, dass du dann einen Lacher auf deiner Seite hättest, und deshalb liess ich grosszügig von einer Richtigstellung ab ;-).

    Viele liebe Grüsse

    Boris

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  6. chris am 7. Januar 2008 at 13:36:

    Hi there,

    I’ve been trying to get in touch with you about a project you may be interested in, but can’t seem to find a working email address.
    Can you please email me back as soon as possible and I will forward you the details.

    Kind regards,

    Chris

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  7. Iris am 17. Februar 2008 at 12:43:

    Wie Ihr seht, wühle ich mich noch immer durch Eure Archive… und a finde ich beim Runterscrollen genau diesen Artikel, mit diesem Rezept und diesen Bildern – und dann noch diesen Kommentar von Mike… tja, und da ist er wieder da, der Tag, an dem ich meine Muschelallergie entdeckte – genau mit diesem Gericht bei Freunden noch genossen, bevor ich hinter vorgehaltener Hand um schleunigste Heimfahrt bitten musste und nur noch brédouillant das geheime Zeichen mit meinem Fahrer vereinbaren konnte: einmal in den rechten Oberschenkel kneifen = sofort anhalten und Kopf raushängen lassen – das Weitere erspar ich Euch. Kniff in jeder Kurve – und auf der Strecke zwischen Ceps und Tarrassac gib’ts nur solche….

    Ja, das war die Geschichte, danach hat sich jeder Test (Jakobsmuscheln als Vorspeise: probier doch nur mal ein Stückchen – und schon verlassen wir das Lokal mitten im Hauptgericht) als verheerend erwiesen. Dabei liebe ich Muscheln und Austern und sitze hier (60 km vom Mittelmeer und vom Étang de Thau) ja auch fast an der Quelle!

    Geheimes Projekt seit Jahren: mal wieder testen: 1.also einen Tag wählen, den ich im Zweifel sowieso abschreiben könnte 2. ein frisches Objekt meiner Begierde auf Vorrat haben 3. ein gutes Rezept wählen (s.o. z.B.)4. tief Luft holen, mir Deinen Satz über die Paranoia als Mantra einpräen 5. schlucken 6. Abwarten, ohne besagter Paranoia das Szepter zu überlassen…

    Irgendwann bin ich soweit!

    Ps: zum Glück trifft das alles nicht für Fisch und Schalentiere zu, auch wenn es natürlich reicht, um mir jede hiesige Paella zu verleiden… und jetzt scroll ich mal weiter:-)

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  8. Claudio am 17. Februar 2008 at 21:40:

    Weisst du, mir geht es mit Escargots so. Obwohl ich noch nie welche gegessen habe, bin ich seit frühester Kindheit davon geheilt: Meine Eltern waren zum Essen von selbst gesammelten Weinbergschnecken eines französischen Ehepaars eingeladen und nahmen mich mit. Ich konnte den Geruch aus Küche und Esszimmer nicht ertragen und durfte den ganzen Abend mit deren Tochter im Kinderzimmer verbringen (Doktorspiele inbegriffen, so weit ich mich erinnere). Nachdem wir wieder daheim waren, verbrachten meine Eltern die ganze Nacht auf der Toilette. Es hörte sich an wie Jurassic Parc 1 – 3! Einzig letzten Herbst bin ich aus meinem kulinarischen Schneckenhaus gekrochen, um diese Delikatesse zu geniessen – allerdings waren es Meeresschnecken. Und ich habe es nicht bereut! Keep trying.

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  9. Anonyme Köche » Archiv » Gegen frieren hilft aphrodisieren am 2. Februar 2009 at 00:56:

    […] Erweitern lässt sich das Liebesmenü mit Muscheln, wie zum Beispiel Linguine alle Vongole, die hier auch schon auf den Tisch gekommen sind: Lesen […]

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  10. Marqueee am 4. Oktober 2012 at 12:17:

    In Ermangelung von echten Trackback bei Tumblr erlaube ich mir mal einen händischen Hinweis. Dein Rezept hat sich in meinem Urlaub bewährt. Ich habe es allerdings moderat erweitert. Mehr dazu bei Allem Anfang…

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  11. Sellerie, rote Beete & Co. in der Kohle gegrillt - cookin' am 18. Oktober 2017 at 09:23:

    […] Fotos und Claudios Mut zur Meinung – auch wenn ich diese mitunter nicht teile, z.B. die Qualität tiefgefrorener Vongole betreffend. Aber das ist erstens gar nicht schlimm und zweitens ein anderes […]

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