Vegan in Wien? Des gehd si scho aus.
So schaut sie aus, die vegetarische Galaxie im Wiener Tian.
Die seit Jahren hoch geschätzte Seelenverwandte Katharina Seiser befindet sich aktuell in einem ungewöhnlichen kulinarischen Orbit. Ihre Mission: 21 Tage vegan essen. Also rein pflanzlich. Keine tierischen Produkte. Nicht einmal Honig ist ihr vergönnt. Der gehört den fleissigen Bienen.
Wer Katha kennt, weiss, dass sie das akribisch durchzieht, ebenso fleissig Tagebuch darüber führt und ihre Erkenntnisse teilt und diskutiert.
Man kann ihr hier folgen, oder sich auf die Märzausgabe der Maxima freuen. Dort wird ein Artikel von ihr darüber erscheinen.
Auf meiner Kurzvisite in Wien haben wir uns im schicken Vegetarier Tian getroffen.
Ich weiss, Wien und Kurzvisite sollten sich ausschliessen und ich gelobe wieder zu kommen, ich mag nämlich diese Melange aus hochtrabend und heruntergekommen und auch wenn ich gehört habe, dass sich die Wiener über ihre Stadt beklagen – ich bewundere sie.
Das vegetarische Restaurant ist gleichzeitig gehoben und geerdet. Und dazu sehr kommunikativ. Die Küche ist radikal auf die Qualität der primären Produkte fokussiert. Gekocht wird auf einem hohen kreativen und handwerklichen Niveau mit viel Überraschung und Witz.
Schöne Grüsse von der Knoff-Hoff-Show: Japanische Kaffeekocher für Randensuppe mit Thymian und Kakao.
Hmm, wenns vegetarisch sein muss und herzhaft und satt machen soll, dann gehen italienische Spiantravioli immer.
Leider hab ich in den dreieinhalb Stunden (!) nicht mitgeschrieben, was uns da als leichter Lunch serviert wurde. Aber sie wollen das Menü per Mail nachreichen und natürlich werde ich es dann hier ergänzen. Für Katha wurde jeder Gang auf veganisch übersetzt. Da fehlen dann ein paar Silben auf dem Teller, aber sprachlos macht einen so ein Essen bestimmt nicht. Im Gegenteil.
Für mich ist vegane Ernährung keine Option, aber sehr wohl ein Thema. Dank meinem italienischen Erbe verwende ich mit einer ungezwungenen Selbstverständlichkeit, Gemüse, Hülsenfrüchte, Pasta, Reis und Polenta. Damit ist mein Speiseplan über lange Strecken veganer, als mir vermutlich bewusst ist.
Vor Jahren hatte ich mich übrigens bewusst gegen Fleischkonsum entschieden.
Die Erkenntnis, mit welchen Methoden Tiere aufgezogen werden und mit welchen Mitteln Fleisch behandelt und konserviert wird, bremste meinen Appetit erheblich.
Mein Umfeld litt ein bisschen mit mir – und auch an mir. Weil sich Einladungen mangels valablen Alternativen als Herausforderung erwiesen. Nach ein paar Jahren musste auch ich eingestehen, dass der Verzicht auf Fleisch für mich einen grösseren Stress darstellte, als sich einem moderaten und bewussten Konsum hinzugeben.
Und so wurde ich vom überzeugten Vegetarier wieder zu dem, was der Mensch per se nun mal ist: Ein opportunistischer Allesfresser.
Das schliesst selbstverständlich nicht aus, dass man sich vor dem Einkauf seiner Lebensmittel Gedanken über die Herkunft und deren Produktion macht und Vernunft walten lässt.
Schlussendlich muss aber jeder seinen eigenen Weg finden – je weniger Erde er dabei verbrennt, desto besser für alle Beteiligten.
Auf ihrer veganen Expedition hat sich Katha – brillante Netzwerkerin, die sie ist – abends dann eine illustre Runde Kulinariker für ein veganes Menü in ihr liebstes Wiener Lokal bestellt, um allem voran die sensorische Erfahrung mit anderen zu teilen. Auch da durfte ich mich dazusetzen und mich an der Gesellschaft wie am Gebotenen sehr erfreuen.
Meinrad Neunkirchner macht aus dem «wos i hoit grad do hab» wie er lässig sagt, sehr souverän und handwerklich sehr aufwändig richtig gutes Essen. Damit meint er natürlich, was jetzt gerade aus der Umgebung Frisches zu bekommen ist.
Und das ist nicht wenig. Ein Produzent unweit der Stadt erntet für ihn um diese Jahreszeit sogar Brenn- und Taubnessel.
Da muss man sich schon richtig anstrengen, wenn man den veganen Faden nicht verlieren will. Da gibt es nichts, was auch nur im Ansatz etwas ersetzen oder imitieren will. Das hat Geschmack, das hat Biss, das hat Sättigendes.
Und «an Schalk» hat er auch: Er gönnt der Katha nämlich sogar den Honig. Bloss, dass es halt kein Bienenhonig ist, sondern ein Löwenzahnhonig!
Rote Rüben mit Pumpernickel, Kren und Vogelmiere. Gefüllte Zwiebel mit Navetten und – da ist er – Löwenzahnhonig.
«Des gehd si scho aus.» Mein neuster liebster Austriazismus. Auch wenn er a bisserl inflationär eingesetzt wird.
Fast schon mit schlechtem Gewissen, habe ich mir dann noch einen Besuch ohne Katha beim angesagten Konstantin Filippou gegönnt.
Ich hab mindestens eine der drei marinierten Sardinen – die du ja so magst – auf dein Wohl verschlungen, liebe Katha!
Neugriechisch ist die angesagte Küchensprache bei Konstantin Filippou.
Wie bei einem traditionellen Stifado fehlt der Zimt in der Sauce auch bei der modernen Interpretation nicht.
Also wie gesagt – mit solchen Lokalen ist es schon recht gut auszuhalten in Wien.
Ach so. Mein persönliches Resümee in Sachen veganes Essen? Passt eh. Was Unsinn ist: Missionieren, Fisch oder Fleisch imitieren wollen (vegane Würste und Burger) und die Idee, vegane „Produkte“ seien per se gesund.
Alles an einem Tag? Nicht schlecht…
Ich habe mich entschieden, ab Sonntag den Staffelstab zu übernehmen von Katha und ebenfalls eine zeitlang vegan zu essen. 14 Tage wahrscheinlich. Und zu berichten. Frei nach Kästner: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
-(Warum? Weil ich lange schon koche und esse wie Du, wenig Flesich, meist vegetarisch, oft unbewusst rein pflanzlich. Und es jetzt halt an der Zeit ist, an die Grenzen des Genusses zu gehen. Um weiterzukommen.)
Tian am Mittag, Freyenstein am Abend und (ohne zu frühstücken; das geht, da bin ich ganz Italiener) Filippou am Mittag danach. Viel Vergnügen und hoffentlich erhellende Erkenntnisse bei deiner Reise nach Vega!
-Wir Wiener müssen nicht nur über unsere Stadt jammern und raunzen, sondern das müssen wir allgemein. Das brauchen wir für unser seelisches Wohlbefinden. 😉
Allerdings habe ich noch nie jemanden über den Filipou raunzen gehört. Hm … da kann was nicht stimmen!
-Vegan auswärts essen und da nicht auf das Gelbörserl schauen müssen, oder zu Hause eine Familie vegan zu bekochen, sind zwei Paar Schuhe.
-Ich beneide dich um diese wunderschönen Mahlzeiten. In diesem Frühjahr besuche ich meine Tochter in Wien, dann werde ich vielleicht auch in den einen oder anderen Gnuss der wiener Spezialitäten kommen.
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-[…] sieben jahren bruder (im geiste) claudio, seines zeichens anonymer schweizer koch, hat über den vegan superwednesday in wien geschrieben (und im übrigen die besseren fotos im freyenstein […]
-Lustig, liebe Turbohausfrau, ich hatte mir schon ein paar wenige Kritikpunkte bei Filippou notiert (zu Musik, Gewürze, Konsistenz, Beilagen) – wäre ich Wiener, wäre ich wohl damit hausieren gegangen. Auswärts essen oder zuhause kochen sind doch grundsätzlich zwei paar Stiefel, liebe Magdi – ich finde es z.B. als Familie bei uns in der Schweiz nahezu unerschwinglich auswärts zu essen. Und gerade heute habe ich (bei Hande Kutlar auf FB) eine fantastische Speisekarte aus Italien gesehen: Scarpetta 3 Euro – du wählst eine Sauce und bekommst diese auf einem Tellerchen mit Brot zum auftunken – genial, meine Kinder würden es lieben! Viel Spass in Wien!
-Gut geschriebener, schön fotografierter Beitrag, lieber Claudio. Da bekommt man Lust auf veganes Essen. Allerdings bekenne auch ich mich zu den bewussten Allesfressern.
-Liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
danke, bruder <3
-(es sei denn, du zählst mich seit meinem gestrigen abtrünnig geworden sein nicht mehr zur familie ;-))
Merci, Andy! No worries, liebe Katha, damit hattest du mich: «… ich bin ja weder allergisch noch esse ich aus religiösen gründen kein viech.»
-Wieder ein schöner Artikel der mir an meinen sonntäglichen Ausflug in die foodblogl-Landschaft das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt.
-Deinem Fazit, lieber Claudio, kann ich 100%tig beifplichten. Dieses ständige schwarz-weiss-Denken bezüglich veganer Küche ist vollkommen absurd.
Oh? Hätte ich nicht gedacht: Wusste gar nicht, dass Du auch mal auf Vegi gemacht hast.
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