Gnocchetti sardi Malloreddus

Malloreddus, geschmorte Lammschulter, Cicerchie. Zubereitungszeit: 36 Stunden.

Richtig gelesen. Die Zubereitung dieses Pasta-Gerichts hat nicht weniger als 36 Stunden in Anspruch genommen. Jede einzelne war es wert. Und bei jedem Bissen, für den man sich schön Zeit lässt und den man mit ungewöhnlich klarem Verstand kaut, wächst neben dem Gefühl der Sättigung auch jenes der Erfüllung.

Wer also Kochbücher und Rezeptseiten aus Arbeitsscheu, Drückebergerei oder was auch immer notorisch nach den kürzesten Zubereitungszeiten abklappert: Husch, husch! Weg hier! Geht und macht eure Blitznudeln und One-pot-Pasta woanders.

Was wir hier machen ist: Platterbsen 24 Stunden einweichen und danach 2 Stunden weichkochen. Eine Lammschulter 7 Stunden im Ofen schmoren, dem trotz akkurater Teigversiegelung des Bräters ein hypnotischer Duft entweicht der die ganze Bude betört. 2 Stunden für handgemachte Pasta aufwenden. 1 Stunde Zutaten aufbereiten, Sauce aufkochen und Teller anrichten. Gibt nach Adam Riese? 36 Stunden.

Cicerchie Platterbsen

Am Vortag werden die schönen, aber auch schön giftigen, Cicerchie eingeweicht. Und zwar nicht weniger als 24 Stunden. Wasser aufkochen, salzen, die Platterbsen damit übergiessen. Damit wird das toxische Alkaloid namens Lathyrin abgebaut. Ist wie mit dem Phasin in grünen Bohnen, die dürfen ja auch nicht roh verzehrt werden. Alles in bester Ordnung. Keine Sorge.

Am nächsten Tag Cicerchie abbrausen und in frischem Wasser etwa 2 Stunden weichkochen. Für 100 g Cicerchie braucht es 1 Liter Wasser. Ausserdem 1 Karotte, 1 Selleriestange, 1 Zwiebel, 1 Knoblauchzehe, 1 Lorbeerblatt, 1 Esslöffel passierte Tomaten und ein paar Tropfen Olivenöl. Alles kalt ansetzen, einmal aufkochen, dann zugedeckt bei kleiner Hitze schmoren und erst am Schluss mit Salz und Pfeffer abschmecken. Die Platterbsen sind wahnsinnig delikat. Sie schmecken süsslich, nach Erbsen, Kichererbsen und Lupinen. Die Textur ist kompakter als die von Kichererbsen oder Bohnen und die Haut ist leicht seifig und weniger brüchig.

Lammschulter

Ebenfalls am Vortag lässt sich das Sieben-Stunden-Lamm nach Anthony Bourdain zubereiten. Treue Leser dieser Seiten haben die Hausaufgaben natürlich längst gemacht. Für die Neulinge: Es ist einfach der Hammer! Sollte man echt öfters machen, es ist so eine Freude und das Fleisch ist so was von – wie sagt man „melt in your mouth“ auf Deutsch? – schmelzig und intensiv!

Anstelle einer Lammkeule habe ich diesmal eine Lammschulter von 2 kg verwendet. Der türkische Metzger (nein, nicht der hier, der gerade das Internet zerlegt) hat sie mir in vier Teile zersägt, damit sie in meinem Gusseisenbräter passt.

Das Wichtigste: Das Fleisch nicht anbraten! Wir geben es einfach so in den Topf. Roh. Bisschen Salz, bisschen Pfeffer. Dazu nach Belieben, ein paar Zwiebeln, Karotten, Sellerie, eine Knoblauchknolle (ja von mir aus auch zwei, du Wahnsinniger), ein Loorbeerblatt, ein paar Petersilienstängel, Thymianblüten – oder was immer ihr an Kräutern in eurem Bouqut garni mögt – und schliesslich, auch das ist sehr wichtig. Zwei bis drei Deziliter Flüssigkeit. Und zwar einen Teil Weiss- oder Rotwein und einen Teil Olivenöl.

Jetzt einen Teig aus etwa 500 g Mehl und 300 g Wasser kneten. Keine Angst, nicht zum Essen. Damit minutiös den Gusseisen-Bräter versiegeln.

Gusseisenbräter versiegelt

Dann kommt der Bräter für sieben Stunden in den 150 Grad heissen Ofen. Versteht jeder, dass in dieser Zeit keine Feuchtigkeit aus dem Bräter entweichen darf? Weil sonst haben wir am Schluss Briketts im Topf statt zartestem Fleisch, welches auf leisesten Druck vom Knochen fällt. Das Aufschlagen der Versiegelung ist ein wahrlicher Indiana Jones-Moment!

Siebenstundenlamm

Das Fleisch ist ein Festessen für sich, keine Frage. Und die Sauce, die wir mit etwas Wasser strecken und durch ein ein Sieb passieren eine Wucht.

Siebenstundenlamm Platte

Für unsere Pasta brauchen wir pro Person etwa 100 Gramm Lammfleisch. Von Hand vom Knochen lösen, etwas zerzupfen und mit der Sauce bereitstellen.

Für die Malloreddus, oder Gnocchetti Sardi, wie sie auch genannt werden, brauchen wir nichts als italienisches Hartweizengriess, bekannt als Semolina rimacinata di grano duro und Wasser. Toll, nicht? Ist also gar nicht so kompliziert, wie vermutet.

Für vier Personen 300 g Mehl mit 150 g lauwarmem Wasser mischen. Dann zu einem sehr glatten, kompakten Teig kneten. Geht gut und gerne 15 Minuten und ziemlich in die Arme. Der Teig sollte sich trocken und hart anfühlen. Abdecken und mindestens 30 Minuten ruhen lassen. Dann Teig portionsweise in fingerdicke Rollen formen und in 1 cm lange Stücke schneiden. Diese mit Daumendruck über ein bemehltes Gnocchiholz drücken. Das geht so:

Mit Mehl bestäuben und bereitstellen. Die Gnocchi können auch ein paar Stunden im Voraus zubereitet werden. Pasta im kochenden Salzwasser al dente kochen. Ganz einfach: Das ist der Moment, in welchem sie aufschwimmen. Abschöpfen und in eine breite Schwenkpfanne geben, wo sich bereits das Lammfleisch, die Lammsauce und eine Handvoll Cicerchie pro Person  befinden.

Gnocchetti sardi Malloreddus

Alles bei mittlerer Hitze vermengen, dabei etwas Pastawasser einrühren, damit die Sauce schön bindet und alles gleichmässig überzieht. Auf Tellern anrichten und dann stolz die Ahh! Ooh! und Mmh! einkassieren.

Gnocchetti sardi Lamm Cicerchie


20 Kommentare zu Kostbarste aller Zutaten: Zeit.

  1. Paula am 13. Januar 2017 at 00:34:

    Es ist so schön, dass einem die Tränen in die Augen schießen

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  2. lieberlecker am 13. Januar 2017 at 09:57:

    Ganz grosses Kino, lieber Claudio!
    Und Du insistierst, Teig weglassen und alle zwei Stunden etwas verdampfte Flüssigkeit ersetzen ist keine Option?
    Liebe Grüsse aus WinterWonderland 🙂
    Andy

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  3. Thea am 13. Januar 2017 at 13:19:

    Wieder großes Kino vom Kochregisseur.
    Lang, lang ist’s her, da war mein Zubereitungsfavorit für nette Gästerunden die 7-Stunden-Lammkeule von Meister Siebeck.
    Die Platterbsen gehen mir schon seit geraumer Zeit im Kopf herum…
    Gutes Neues noch und nur das Beste für 2017.

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  4. Ruth am 13. Januar 2017 at 15:47:

    Einfach himmlisch! Da würde sogar ich mich an hausgemachte Pasta wagen! Aber wo kriege ich das Hölzchen her?
    Vielen Dank für all die köstlichen Rezepte!

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  5. Claudio am 13. Januar 2017 at 16:53:

    Grazie, Paula! Danke, lieber Andy! Du darfst gerne eine Testreihe durchführen und berichten 🙂 Ich finde diese archaische Form schon sehr gelungen. Danke, Thea, dir ebenso! Lohnt sich, Ruth! Frag mal im gut sortierten Haushaltsgeschäft nach.

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  6. WildeHenne am 13. Januar 2017 at 23:28:

    Ou yeaaaaahhh…. ich gäbe mich schon mit dem Lamm alleine zufrieden. Das steht ganz oben auf meiner to-do-Liste, gehört quasi zu den Dingen, die ich vor dem (ich hoffe doch fernen) Abnippeln noch gemacht haben möchte. 😉

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  7. Claudio am 14. Januar 2017 at 01:26:

    Wirst es nicht bereuen, WildeHenne!

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  8. Käthy Raetz am 14. Januar 2017 at 11:58:

    Von den Platterbsen höre ich zum ersten Mal. Ich habe nachgeforscht und sie jetzt übers Internet im Tessin bestellt. Danke für die Inspiration!

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  9. richard am 15. Januar 2017 at 12:27:

    das essen sieht bombe aus, die kombi klingt, als ginge da alles wunderbar zusammen. aber 36 stunden? das entlockt einem wiener gulaschkoch (z.b. streng orthodox nach frau ziii) nicht einmal verwunderung.
    zuletzt an einem montag mittag serviert, daher am donnerstag abend begonnen – und das nur, weil ich am besser passenden mittwoch was anderes zu tun hatte. und die warterei lohnt sich jedes mal.
    was mir solche gerichte sagen: viel zeit und viel arbeit sind nicht gleichbedeutend. im gegenteil; wer zeit und einen plan hat, kann ruhig ein fauler strick sein.

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  10. Claudio am 18. Januar 2017 at 20:45:

    Oh, sind das dann Tessiner Platterbsen, Käthy? Auf den Punkt gebracht, Richard. Man muss ja nicht 36 Stunden in der Küche stehen, das verstehen viele falsch.

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  11. Peter am 19. Januar 2017 at 17:09:

    Hallo Claudio
    Ich kann den göttlichen Geschmack, der – gemeinerweise – in kleinster Dosierung servierten Sauce fast erahnen – du Wahnsinniger 🙂
    Was soll man sagen: Wer Großes Schaffen will muss bereit sein Grenzen zu überwinden.
    Nur 1 Frage zur Wahl des Fleisches: Lamm ist ja schon von Hause aus eher zart (und dann 7 Stunden Garzeit – meine Herren)- warum hast du kein Rind verwendet?
    (Übrigens das Buch von Anthony Bourdain – quasi seine Memoiren – ist schon sehr witzig geschrieben & einhaltlich erhellend – in Bezug auf den Blick hnter die Profi-Küchen-Kulissen.)

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  12. Claudio am 26. Januar 2017 at 10:21:

    Peter, das Rezept mit dem Lamm habe ich aus Anthony Bourdains Buch und jedes Mal, wenn ich es zubereite bin ich begeistert. Es geht weniger darum, dass es zart wird, sondern, dass es quasi in sich selbst verschmilzt. Aber: Ich habe es auch schon mit Kalbs- oder Rinderrippen gemacht: Wahnsinn!

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  13. Thomas am 9. Februar 2017 at 19:16:

    Sehr schönes Rezept. Pasta geht immer!! Ich bin begeistert.

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  14. Lotte am 26. April 2017 at 17:31:

    Hallo Claudio,

    denkst Du die Methode eignet sich auch für Ziegenschultern oder hast Du dafür einen besseren Vorschlag?

    Danke und Gruß, Lotte

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  15. Claudio am 26. April 2017 at 22:07:

    Kommt ein wenig auf die Grösse, respektive das Alter der Ziegen an, liebe Lotte. Wenn es ein junges Zicklein ist, fände ich die lange Garzeit ungeeignet. Deren Fleisch ist zart und wesentlich magerer als Lammfleisch. Anstatt sieben Stunden würde ich es mit 3 Stunden versuchen, damit es nicht zu trocken wird.

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  16. Lotte am 27. April 2017 at 08:31:

    Danke für die Rückmeldung. Es sind 3 Schultern von Zicklein mit je ca. 750g.
    Ich werd’s morgen mit der kürzeren Garzeit probieren.

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  17. Claudio am 27. April 2017 at 08:36:

    Mmh, das wird bestimmt fantastisch, gutes Gelingen!

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  18. 7-Stunden-Reh | NUR DAS GUTE ZEUGS am 24. Mai 2017 at 15:43:

    […] Hält aber astrein den Geschmack im Topf. Platterbsen, Geiles Zeugs. Lest das bei Claudio nach! Dazu Gnocchi. Deine Pasta-Friemelei ist mir heute zu anstrengend, Claudio. Fleisch vom […]

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  19. Matthias am 30. September 2018 at 22:12:

    Das war ein oberaffengeiler Fraß mit äußerst schmackhafter Sättigungsbeilage – um mal den „Kleenen Punker“ aus dem gleichnamigen Film zu zitieren!! Ein Fest!!
    Es gibt bei uns in der Familie das „Uneingeschränkte Lob“, als höchste Auszeichnung für Kulinarisches.
    Seit der 7 Std. Lammschulter von heute Abend (ohne Pasta mit Bohnenpürree und gebratenen Peperoni) wird über eine darüber hinausgehende Maximalauszeichnung nachgedacht!!

    Vielen Dank!!

    Matthias

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  20. Claudio am 1. Oktober 2018 at 10:08:

    Haha! So solls sein, Matthias.

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