Oh sole mio!

Pool

Von wegen Mediterrane Diät und purzelnde Pfunde an der Sonne.

Nach drei Wochen pendelt es sich zielsicher zwischen den grossen Zehen im bombierten Fenster der Personenwaage fest: Schwere Überdosis. Drei Millionen Milligramm, um genau zu sein. Erstaunlich.

Dabei habe ich beim Frühstück rigoros auf frische Früchte gesetzt: Feigen, Nektarinen, Wassermelone, Ananas (frisch und vorgeschnitten!), Susine, Pesche Saturnine, Aprikosen.

Gut, vielleicht hätte ich vorher auf die knusprigen Brötchen, den Prosciutto crudo und cotto und den Salami verzichten sollen? Oder auf die Pizza? Ach was, doch nicht in den Ferien!

Das bisschen Nebenwirkung in Form eines kleinen Schwimmrings, eine Lappalie. Kann man mit einer gewissen Milde zur Kenntniss nehmen, wenn im Gegenzug Leib und Seele endlich wieder mit dem reinen Geschmack der Dinge kuriert werden.

Zwischendurch gab es die lang ersehnte Leibspeise. Keine leichte Kost. Aber in einer Leichtigkeit mit Sätzen und Gedanken serviert, bei denen man sich einerseits freut, andererseits vor Neid auf die Lippen beisst, weil sie einem nicht selbst eingefallen sind. (Ein spätes Danke, Mike!)

Zum Glück bin ich nicht Däne. Oder – schlimmer vermutlich – Finne. Ich hätte mir die Überdosis wahrscheinlich nicht angefressen sondern angesoffen.

So aber habe ich mein sonniges Gemüt nach ein paar bedrückenden Seiten einfach um den menschenleeren Pool der Villa Giulia getragen. Was heisst getragen? Mit einer Brise Bossa Nova aus dem iPod habe ich regelrechte Regentänze aufgeführt. Und nach einem kühlenden Sprung einen meiner diesjährigen Sommerfavoriten auf der Playlist angesteuert:

1. Metti una sera a cena – Ennio Morricone
2. Un homme et une femme – Francis Lai
3. Happiness – Shawn Lee
4. The whole point of no return – The Style Council (Café Bleu)
5. My ever changing moods – The Style Council (Café Bleu)
6. Water get no enemy – Fela Kuti

Weit enthemmter ging es am selten besuchten Strand zu. Ich bin immer wieder fasziniert von diesem Phänomen. Man stelle sich nur all die entblössten Leute in einem anderen Umfeld vor: An der Kaufhauskasse, im Restaurant, an der Bushaltestelle.

Man merkt sofort, die Mehrheit sollte sich nicht öffentlich ausziehen. Aber sie tun es natürlich trotzdem. Und legen, wenn sie schon dabei sind, jeden Rest an Hemmung ab. Gerade die Prüdesten tun so, als seien sie mutterseelenallein. Dabei geht es nicht um Körper. Es geht um Haltung.

Das Bild der Mutter, die ihrer pubertierenden Tochter hoch konzentriert die Pickel im Gesicht ausdrückt, während der Rest der Familie mit offenen Mund davorhockt und starrt, als wären sie Zeugen eines Vulkanausbruchs, wird wohl für immer auf meiner  Festplatte eingebrannt bleiben.

Da ist eine andere Mutter direkt burlesk: Sie referiert stehend und lautstark über ihre Stillzeit. Ihre Ausführungen über die ideale BH-Beschaffenheit, wachsenden Brustumfang oder Saug- und Pumptechnik begleitet sie mit ebenso ausladenden wie akkuraten Handbewegungen.

Aber auch dies kann man mit Gelassenheit nehmen und als fellineske Inspiration an der Adria abbuchen.

Härter trifft einen das Phänomen bei der Rückreise in die Schweiz. Dem Klischee entsprechend werden Heimkehrende exakt nach dem Grenzübergang in Chiasso mit Kälte und Regen empfangen.

Man fragt sich tatsächlich, ob so was meteorologisch überhaupt möglich ist. Como sonnig bei 34 Grad, Chiasso Regen bei 22 Grad. Dazwischen keine 10 Kilometer!

Die ganze Auffahrt Richtung Gotthard wird dann so garstig, dass man glaubt, ertrinken zu müssen. Und das im Auto, bei vorgeschriebenem Zeitlupentempo 80. Vor allem, weil man weiss: Es kommt noch dicker!

Sobald man aus dem Loch kommt. Kanton Uri. Dessen Einwohner jedoch nicht als Uriner, sondern als Urner bezeichnet werden wollen. So wie es da immer pisst, würde Uriner allerdings besser passen.

Sogar bei der Ankunft in Basel sollten wir die Sonne lediglich aus dem nahen Elsass hämisch grinsen sehen, während der Scheibenwischer heulend weiterschuftet.

Wenigstens gibt es schöne Erinnerungen an Gegessenes und Gekochtes als Wegzehrung. Ich werde davon erzählen.

Good night, and good luck!

Pool by night


9 Kommentare zu Oh sole mio!

  1. Alex am 21. Juli 2009 at 06:28:

    Una sana porzione di invidia! Warte gespannt auf weitere Erzählungen

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  2. Bolliskitchen am 21. Juli 2009 at 06:53:

    so what, man lebt nur einmal!!!!

    Ja ja, ist hier im Baskenland ähnlich, die liegen wie fette, feiste Ölsardinen am Strand, wenn man in’s Meer will, muss man über die steigen und sieht dann alles genauer ( die Dicken sind am hemmungslosesten…)…..ich bleib im eigenen Pool und sperre dann den Besuch in den Weinkeller…..

    Viel Spass beim Abnehmen, fahre Mitte August auch nach Italien, wird mir ähnlich ergehen….

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  3. Boris Zatko am 21. Juli 2009 at 09:02:

    Na, dann bin ich ja gespannt, wie der kleine Italiener von nebenan aufgegangen ist. Und falls es wirklich tragisch ist (mein Blick verfinstert sich beim Blick in den Spiegel ebenfalls immer mehr), dann bleibt uns ja der Gang ins Schwimmbecken ;-).

    Viele liebe Grüße

    Boris

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  4. Finkus Bripp am 21. Juli 2009 at 21:20:

    Ssssiiiiiiiiiiiiiiii!!!!

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  5. Claudio am 22. Juli 2009 at 20:55:

    Persino sul lago di Barrea nell Parco d’Abruzzo si soffr … anzi, godeva il caldo, Alex, una rara meraviglia! Gehst du wieder zu Moreno, Bolli, oder zu Maria? Letztere habe ich dieses Jahr geschafft, oder vielmehr sie mich – ich werde darüber berichten. Definitiv Schwimmbecken, Boris, und wenn wir hinschwimmen müssen, bei diesem Pisswetter. Uè, Cumpà, found any truffles, Finkus?

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  6. Mike am 23. Juli 2009 at 09:05:

    Freut mich, dass Dir das Buch gefallen hat. Du erinnerst Dich sicher wasserimmundzusammenlaufend an die Stelle mit dem Schinken?
    Um „Rettungsringe“ mache ich mir keine Gedanken mehr, da halte ich es wie Churchill: Man muss dem Leib etwas Gutes bieten, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen.
    Willkommen zurück!

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  7. Bolliskitchen am 24. Juli 2009 at 07:32:

    ich denke, weder zu der einen, noch der anderen, ist mir im August zu voll an der Adria, ich bleibe auf meinem Hügel im Piemont…..

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  8. capitan am 26. Juli 2009 at 13:10:

    hübsche playlist!

    vielleicht kann ich dir da auch nochw as gutes tun
    http://www.soundcloud.com/capitan

    viel spass am pool. mein neid sei dir sicher 😉
    best
    capitan*

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  9. Ellja am 28. Juli 2009 at 12:08:

    Das mit dem Heimkommen bei Regen dürfte aber kein Schweizer Phänomen sein, mir gehts fast immer so 😉

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