Wie immer, aber anders.

Gnocchi alla carbonara

Es gibt Dinge, die liegen eigentlich auf der Hand. Aber du realisierst sie nicht. Vielleicht, weil man sie nicht sieht. So wie den Wald vor lauter Bäumen.

Vielleicht auch, weil italienische Rezepte sehr oft in Marmor gemeisselt und scheinbar unantastbar sind. Klar, ist die Kombination Bucatini alla carbnonara faktisch Weltkulturerbe. Aber eine Carbonara funktioniert auch mal anders. Mit Kartoffelgnocchi zum Beispiel. Kaum habe ich die zu ersten Mal gemacht, habe ich es bitter bereut, dass ich diese seidige Seeligkeit nicht schon längst zubereitet habe! Hier meine Anleitung zum geschmeidigen Glück.

Göttlich, wenn sie zart und fluffig wie Daunenkissen sind. Grottenschlecht, wenn sie misslingen. Damit die Zubereitung von Kartoffelgnocchi nicht zum Drama wird, halten wir uns am besten an die goldenen sieben Regeln, die jede italienische Nonna eisern befolgt:

  1. Die richtige Kartoffel wählen. Am besten eignen sich mehligkochende Lagerkartoffeln. Wenn möglich gelbfleischige, die bekommt man jedoch selten, dann greift man zu weissfleischigen. Neue Kartoffeln eignen sich nicht, sie haben zu viel Wasser und zu wenig bindende Stärke.
  2. Die Kartoffeln sollten alle etwa gleich gross sein, damit sie gleichmäßig durchgaren. Gekocht werden sie immer mit Schale, geschält würden sie zu viel Wasser aufnehmen. Traditionell setzt man sie in kaltem Wasser an und kocht sie so lange, bis sie weich sind. Eine gute Methode ist auch, sie im Ofen bei 150 Grad zu backen oder im Steamer zu dämpfen.
  3. Zum Verarbeiten müssen die Kartoffeln warm sein. Deshalb nur kurz ausdampfen lassen, zügig schälen und durch eine Kartoffelpresse drücken. Niemals mit dem Mixer oder Handrührgerät zerkleinern; mit dem Kleber, der dabei entsteht, könnte man glatt die Wände tapezieren.
  4. Die durchgepressten, noch warmen Kartoffeln sogleich mit Mehl zu einem Teig formen. Aber wie viel Mehl? Hier greift mehr denn je die Formel quanto basta! Will heissen, so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Kommt ganz darauf an, wie viel Mehl die Kartoffeln aufnehmen. Als Richtwert gilt: nicht mehr als 250 Gramm auf 1 Kilogramm Kartoffeln. Die Kunst besteht darin, den Teig ohne Zugabe von Eiern oder zu viel Mehl zu formen. Nur so gelingen luftige Gnocchi.
  5. Fertig gerollte Gnocchi wollen so schnell wie möglich ins siedende Salzwasser hüpfen. Länger als 1 Stunde sollte man nicht warten. Sie werden sonst pappig. Einmal gekocht und mit etwas Sugo vermischt, lassen sie sich dafür gut 1 Stunde bei 50 Grad im Ofen warm halten.
  6. Gekocht werden Gnocchi in siedendem (nicht sprudelndem) Salzwasser. Damit sie nicht am Topfboden kleben bleiben, vorsichtig mit einem Holzlöffel umrühren. Sobald die Gnocchi nach wenigen Minuten an die Oberfläche kommen, kann man sie mit einer Schaumkelle abschöpfen. Am besten gibt man sie dann mit etwas Sauce in eine Auflaufform und hält sie im Ofen warm.
  7. Ob man Gnocchi rillt oder nicht, ist Ansichtssache. Gerillt haftet die Sauce etwas besser. Mir persönlich gefallen ungerillte, kleine, fast runde Gnocchi. Zu groß sollten sie auch nicht sein. So golfballgrosse Dinger sind schrecklich. Man will ja nicht daran ersticken. Die schlimmste Unsitte außerhalb Italiens ist aber, sie nach dem Kochen zu braten. Bitte nicht, das sind Gnocchi, keine Schupfnudeln!

Zutaten
1 kg mehligkochende Kartoffeln (z. B. Typ Agria)
250g italienisches Weizenmehl tipo 00 (alternativ Type 405) feines Meersalz
Mehl zum Verarbeiten

Zubereitung
Die Kartoffeln in der Schale weich kochen, dämpfen oder backen. Kurz ausdampfen lassen und dann noch warm schälen (mit einer Gabel halten, damit man sich nicht die Finger verbrennt). Sogleich durch eine Kartoffelpresse auf die Arbeitsfläche drücken.

Die Kartoffelmasse mit einer Gabel locker zu einer gleichmäßigen Fläche ausbreiten. Die Hälfte des Mehls darübersieben, mit einer Teigkarte die Masse von beiden Seiten in die Mitte falten, das restliche Mehl darübersieben und die Masse sorgfältig mit den Händen zu einem kompakten, weichen Teig drücken. Es ist nicht nötig, den Teig zu kneten. Den Gnocchiteig 10 Minuten ruhen lassen.

Auf der gut bemehlten Arbeitsfläche Rollen von 1 cm Durchmesser formen. Mehrere Rollen nebeneinanderlegen, gut bemehlen und dann mit der Teigkarte kleine Stücke von etwa 1,5 cm abstechen. Das ist die effizienteste Methode und auf jeden Fall die schnellere, als von jeder Rolle mit einem Messer einzelne Gnocchi herunterzuschneiden. Die Gnocchi bemehlen, damit sie nicht aneinanderkleben, und auf dem bemehlten Pastabrett oder Küchentuch absetzen, bis man sie kocht.

Gnocchi lassen sich auch einfrieren. Dazu auf einem Brett auslegen, 30 Minuten anfrieren und dann in eine Vorratsdose oder einen Gefrierbeutel füllen. Zum Kochen die gefrorenen Gnocchi direkt ins siedende Salzwasser geben.

Zutaten für die Carbonara
200g Guanciale (italienischer Speck von der Schweinebacke)
2 Eier
2 Eigelb
100 g Pecorino Romano, gerieben

feines Meersalz,
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
weiterer Pecorino zum darüber streuen

Zubereitung
Den Guanciale in Stifte schneiden, etwa 2 cm lang und 1 cm breit. In einer Schwenkpfanne bei kleiner Hitze auslassen und langsam knusprig braten, herausnehmen. Das Fett in der Pfanne in ein kleines Gefäss abfüllen und beispielsweise für schmalzige Bratkartoffeln verwenden.

Die Eier und die Eigelbe in einer Schüssel verquirlen, den geriebenen Pecorino daruntermischen, kräftig pfeffern.

Die Gnocchi in siedendem Salzwasser garen bis sie aufschwimmen, tropfnass in die Pfanne heben, ein paar Löffel Pastawasser dazugeben und bei hoher Hitze durchschwenken, bis sich die Stärke löst.

Pfanne vom Herd nehmen. Den Guanciale dazugeben, die Eier-Käse-Mischung darübergiessen und die Gnocchi behutsam vermengen (die Eier sollen cremig bleiben und dürfen nicht stocken), falls nötig mehr Pastawasser dazugeben, damit die Eiermischung geschmeidig bleibt und die Pasta seidig überzieht.

Auf Teller verteilen, nach Belieben weiteren Pfeffer und Pecorino darüber streuen.

Gnocchi alla carbonara


11 Kommentare zu Wie immer, aber anders.

  1. Richard am 21. Januar 2020 at 09:59:

    Das Klingt total schlüssig und wird probiert.
    Eine keine logistische Herausforderung bleibt:
    Gnocchi aus einem Kilo Kartoffeln – und das brauchts, den guten Stoff essen die Kinder weg wie die Schneefräsen – lassen sich in haushaltsüblichen Töpfen nicht in einem Schwung kochen.
    Mit Tomaten- oder Käsesauce ist das egal, da verkraftet die Sauce eine Menge Wartezeit. Aber für eine Carbonara? Was tun? Lassen sich die Gnocchi in der Speckpfanne warm halten?

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  2. Claudio am 21. Januar 2020 at 10:21:

    Kinder einbeziehen, wenn sie alt genug sind, lieber Richard! Bei uns lief die Produktionsstrasse so: Einer hat gerollt, einer geschnitten, einer gekocht. Lief wie am Schnürchen. Die abgeschöpften Gnocchi kommen dann tropfnass auf ein Backblech mit wenig Butter und warten im Ofen bei 50 Grad aufs Finish. Diese Methode funktioniert natürlich auch, wenn du alle Gnocchi alleine herstellst, im Ofen können die problemlos eine längere Zeit verweilen. Dann die Ei-Käsemischung in eine grosse Salatschüssel geben, Gnocchi dazugeben und sanft vermengen, eventuell mit einem Schluck warmem Wasser strecken, damit sie geschmeidig bleiben. Gutes Gelingen!

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  3. Richard am 21. Januar 2020 at 11:19:

    Ein bisserl Fett reicht also zum Warmhalten, danke!
    Kinder einbeziehen ist sowieso Programm. Ich kann kaum abschätzen, wie viele unverzichtbare „Arbeitsschritte“ jahrelang daraus entstanden sind, dass die Kinder helfen wollten bevor sie es tatsächlich konnten. Mittlerweile schaffen wir zwei bis drei Sorten Weihnachtskekse an einem Nachmittag und die Brut verlässt die Küche danach in der Gewissheit, dass das ohne sie nicht möglich gewesen wäre.
    Mit der Zeit wird diese Gewissheit dann zur Wahrheit. Tortellini oder Fataya beispielsweise macht die 8jährige mittlerweile um nichts ungenauer oder langsamer als der Herr Papa.

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  4. Claudio am 21. Januar 2020 at 11:34:

    Fantastico! Weiterhin viel Freude beim gemeinsamen Kochen und Geniessen.

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  5. Almuth Starke_Duncker am 29. Februar 2020 at 11:15:

    Lieber Claudio,
    warum klappt das Rezept bei mir wohl (jetzt zum zweiten mal)nicht ? Hast Du einen Tip?
    ich habe
    – mehligkochende Kartoffeln genommen (deutsche, ich lebe in Deutschland)
    – gleich große genommen
    – sie in der Schale gekocht
    -sie gleich nach dem abdampfen zügig geschält und durch die Presse gedrückt
    – a mano 😉 mit dem Mehl vermischt, gerollt und geschnitten
    – anschließend in Salzwasser nicht kochen, sondern nur simmern lassen und nach einigen Minuten, als sie an die Oberfläche kamen mit dem Schöpflöffel aus dem Topf geholt.

    Leider waren sie völlig oder fast ohne Bindung, klebten sehr leicht zusammen und zerfielen bei Berührung.
    Wenn das einmal passiert, denkt man, man hat einen Fehler gemacht. Beim zweiten mal weiß man, man hat einen Fehler gemacht.
    Wo liegt er ?
    Herzliche Grüsse aus Rheinsberg in Brandenburg
    Almuth

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  6. Claudio am 29. Februar 2020 at 14:18:

    Das ist gemein, tut mir leid, liebe Almuth. Klingt nach zu wenig Stärke in den Kartoffeln. Vielleicht auch ein Mehl, das zuwenig bindet, was für eines hast du verwendet? Mit ein wenig Übung spürst du schon beim Ausrollen, ob der Teig genug kompakt ist. Als Tipp: Gib doch mal ein Ei dazu, das bindet auf jeden Fall. Musste ich auch schon machen, als ich bemerkte, dass die Kartoffeln zu wenig Bindung hatten. Probiers nochmal. Daumen sind gedrückt!

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  7. Rieping Britta am 29. März 2020 at 10:22:

    Hallo Claudio,
    Danke für die tolle Inspiration! So werde ich die Familie sicher von Gnocchi überzeugen können!
    Meinst Du, man könnte Manitoba Mehl benutzen, um die Bindung sicher zu stellen? Und macht Ei die Gnocchi eher weicher oder fester?
    Grüße aus Hamburg,
    Britta

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  8. Claudio am 29. März 2020 at 10:50:

    Ja, Britta, Manitobamehl ist besonders kleberstark. Alternativ kann man auch 1 EL Mais- oder Kartoffelstärke dazugeben. Ein Ei bindet schon sehr gut bei einer Menge für vier Personen. Es macht die Gnocchi ein klein wenig kompakter und fester. Gutes Gelingen!

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  9. Rosa Rothmann am 30. Juli 2020 at 14:09:

    Hallo Claudio,
    endlich mal so richtig italienische Rezepte! Ich krieg Gnocchi und Pasta nie so hin wie in Bella Italia! Ich bin mir manchmal nicht sicher, ob es tatsächlich an der Mehlsorte liegt. Wieviel Einfluss hat diese tatsächlich? Werde die Gnocchi auf jeden Fall gleich probieren und bin schon gespannt!!!
    Liebe Grüße

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  10. Jana am 13. Mai 2021 at 21:50:

    Lieber Claudio, so dringend, nämlich mit vollem Bauch direkt vom Esstisch, musste ich noch nie einen Kommentar verfassen: Dieses Rezept war mir Erkenntnis, Erleuchtung und höchster Genuss in einem. Kein Wunder, dass frühere Gnocchi-Versuche mir nie gelangen – und solche hatte ich wirklich noch nie gegessen: schöne Form, fluffig wie Kissen, im Mund einfach wegschmelzend … ganz ganz wunderbar. Und dabei war es nicht mal viel Arbeit. Nach erfolgreichem Lievito Madre-Ansatz, köstlichem Sugo und jetzt den Gnocchi gravier ich es mir fest ein: italienische Gerichte ab jetzt nur noch nach deinen Rezepten! Danke fürs Teilen!

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  11. Claudio am 20. Mai 2021 at 09:19:

    Fantastico! Freut mich, liebe Jana. Weiterhin viel Freude und gutes Gelingen!

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