Female Future: Chef Alps 2017.

Gleich drei Spitzenköchinnen prägten die diesjährige Chef-Alps in Zürich. Die World’s Best Female Chef 2016, Dominique Crenn. Die aktuelle World’s Best Female Chef Ana Roš. Und die mehrfach ausgezeichnete Best Female Chef Antonia Klugmann.

Das grandiose Ladies-Lineup wird flankiert von den herausragenden Topchefs Peter Knogl, Oriol Castro, Heinz Reitbauer, Even Ramsvik, Eric Menchon und – man staune und vor allem höre: Spitzenkoch Nick Bril, der als Star-DJ gleich an der ersten Afterparty der Chef-Alps aufgelegt hat.

Auch dieses Jahr berichte ich als Medienpartner vom international Cooking Summit. Diesmal von den Shows am Sonntag. Den Montag kann man wie die letzten Jahre bei meinem geschätzten Kollegen David Schnapp auf Das Filet lesen.

Die Shows vom ersten Tag boten einen eindrücklichen Einblick in vier komplett verschiedene Koch-Philosophien und Persönlichkeiten, die sich stärker nicht kontrastieren könnten.

Dominique Crenn

Le Superstar: Dominique Crenn
Atelier Crenn, San Francisco

Auszeichnungen: 2 Michelin-Sterne, Nr. 83 – World’s Best Restaurants 2017, World’s Best Female Chef 2016, Finalrunde für Best Chef: West 2016 (James Beard Foundation Awards), Chef of the Year 2015 (Eater), Nr. 742 (La Liste 2015)

Tanzend, unter tosendem Applaus, erscheint Dominique Crenn auf der Bühne. Reisst die Arme hoch und schleudert ein «Hello Zürich!» in die Menge. Rock ’n’ Roll, Baby! Die zierliche Powerfrau wurde von allen mit grösster Vorfreude und Spannung erwartet. Ihre Kreativität, Eigenständigkeit und Poesie wirken sehr anziehend. Die Medien lieben sie. Wir lieben sie. Und sie selbst bestätigt: «Ich möchte am liebsten alle umarmen und abküssen.» Da springt der San Francisco Spirit förmlich über. Essen ist für sie Kommunikation. Sie möchte mit ihren die Kreationen Menschen zusammenbringen und verbinden.

Sie ist eine Künstlerin, die über ihr kulinarisches Schaffen auch den Blick auf Politisches und Gesellschaftliches schärfen will. «Ein guter Koch ist jemand der denkt, bevor er kocht. Man kann nicht einfach auf den Markt gehen und, tralala, einkaufen. Das ist kein guter Koch. Man muss Produktion, Gesellschaft und Politik hinterfragen. Essen ist Politik», stellt sie unmissverständlich klar. Und fordert ein Umdenken und die Fokussierung auf Wertschätzung und Respekt.

Diese Haltung habe sie von ihrem Vater mitbekommen. Ihm hat sie ihr erstes Gedicht gewidmet, das sie für ihr Restaurant geschrieben hat. Ihre Gerichte stehen im Atelier Crenn nicht nüchtern auf der Karte, sondern werden immer mit einem sehr persönlichen Gedicht umschrieben. Sie liest dem Publikum ihre poetische Hommage an den Papa vor und erzeugt einen intimen, zerbrechlichen Moment.

Kurz darauf sorgt die Moderatorin für den Brüller des Tages. Auf die Frage, warum Crenn von Frankreich in die USA ausgewandert sei, antwortet sie, Frankreich sei ihr zu bürokratisch. Darauf die Moderatorin: «Und ist Amerika tatsächlich weniger demokratisch?» Ein freudscher Versprecher erster Güte, der für heitere Zustimmung sorgt.

Sie stellt ihren Souschef Felix Santos vor: «Erzähl ihnen deine Geschichte». Er sagt, er wollte eigentlich nie bei Dominique Crenn essen. Seine Freundin habe aber so lange insistiert, bis er endlich nachgab. «Und dann hat es mich förmlich weggeblasen!». Und er wusste: Da, und nirgendwo sonst, will ich arbeiten.

Dominique Crenn

Gemeinsam bereiten sie zwei Gerichte aus dem aktuellen Menü zu. Besser gesagt, er bereitet sie zu und sie sorgt für beste Unterhaltung. «Wo ist der Weisswein?» will sie wissen. «Ich habe Weisswein bestellt. Es ist kein Weisswein da. Na, egal. Aber bestellt habe ich welchen. Was ist das hier?» Sie trinkt einen Schluck aus einer Flasche ohne Etikett: «Wow! Sake! Ich liebe Sake!», und setzt gleich nochmals an. She’s such a Rockstar.

Dominique Crenn

Fish and Chips

Fish and Chips

Das erste Gericht, das sie präsentiert, ist eine Hommage an ihre Liebe zu England. Es sei das einzige Gericht der englischen Küche, an das sie eine gute Erinnerung habe. Sie verwendet dafür Knochenmark vom Schwertfisch. Gegrillt und geräuchert. In einem frittierten Kartoffelnest mit Algen und Gold. Dazu ein Getränk in einem Gefäss, das an ein Parfumflakon erinnert. Mit mit Shizo, Passionsfrucht und diversen fermentierten Elementen wie Pfirsichtee. Sie würzt viel mit selbst gemachtem Essig aus Abschnitten wie Karotten-, Melonen- oder Obstschalen. «Wir verwenden einfach restlos alles von einem Lebensmittel.»

Im Salz gebackene Mairübe mit Kaviar.

Mairüben oder Navetten finden sich in Frankreich auf jeder Speisekarte. In USA eher selten. Sie kombiniert sie mit einer Beurre montée aus Weisswein und Dashi, geräuchertem Kaviar, einer Koji-Crème aus selbst fermentiertem Reis, Wakame-Algen und eingemachten Zitronen.

Im kurzen Interview mit Chef-Alps Botschafter Frank Giovannini, Küchenchef im Hôtel de Ville de Crissier, stellen beide fest, wie wertvoll ein internationaler Cooking Summit wie die Chef-Alps für sie ist. Es sei sehr bereichernd, Küchenchefs aus allen Ländern zu treffen, sich auszutauschen, zu lernen und Wissen zu teilen. «Unsere Welt rückt ein wenig näher zusammen und wir lernen andere Kulturen und Philosophien kennen», so Crenn.

Frank Giovannini

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Peter Knogl

Der Saucenkönig: Peter Knogl
Cheval Blanc by Peter Knogl, Grand Hotel Les Trois Rois, Basel

Auszeichnungen: 3 Michelin-Sterne, 19 GaultMillau, Koch des Jahres 2011 und 2015 (GaultMillau), Bestes Hotelrestaurant in Europa 2015 (Prix Villégiature Awards), Gewinner des Schweizer Kochbuch-Oscars 2012, Aufsteiger des Jahres 2009 (GaultMillau Schweiz)

Ebenfalls mit Spannung wurde «Der Saucenkönig» aus dem Hotel Drei Könige in Basel erwartet. Wie wirkt ein Spitzenkoch, der als Medienscheu gilt, auf der Bühne, fragten sich viele. Souverän lautet die eindeutige Antwort! Seine Gerichte gelten als Mass für Präzision. Und ebenso präzise und minuziös getaktet stellte er mit seinen beiden Souschefs einige Signature Dishes vor.

Saucen seien tatsächlich seine grosse Passion. «Andere haben andere Interessen, mich faszinieren Saucen. Am liebsten möchte ich alle meine Gerichte mit einem Löffel servieren.» Er selbst esse praktisch alles mit dem Löffel. «Der Löffel ist sozusagen mein Talisman» gesteht der grossgewachsene Bayer und, dass er in der Schweiz seine zweite Heimat gefunden habe.

Jalapeno Espuma mit Gurke und Carabinero

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Ich hatte kürzlich das Vergnügen, dieses Gericht im Cheval Blanc zu essen. Die Leichtigkeit, das frische, fruchtige Aroma vom Jalapeno Chili und der intensive, differenzierte Geschmack der anderen Komponenten sind verblüffend. Um der Chili die Schärfe zu zäumen, werden die Schoten gewässert.

Dann entsaftet und als Mayonnaise mit Traubenkernöl und Limettensaft hochgezogen. Dazu gibt es eine Gurken-Mayonaise die mit gekochtem Eiweiss(!) und Olivenöl aufgemixt wird. Die Carabineros werden 1-2 Minuten bei 45 Grad gegart und kommen als Einlage zusammen mit einem Tomatentatar unter das Espuma. Ausgarniert wird das gericht mit Kresse, Gurkenstiften und rotem Pfeffer.

Gehobelte Entenleber, Taschenkrebs und grüner Apfel

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Witzig: Die Idee zu diesem Gericht hatte Peter Knogl am Strand. Als er einen Krebs beobachtete, der sich im Sand verbuddelte. Soviel zur beliebten Standardfrage an Spitzenköche: «Woher kommt eigentlich Ihre Inspiration?» Die Idee hinter der gefrorenen und geraspelten Entenleber ist, dem Gericht eine Leichtigkeit zu geben. Ist diese Form doch wesentlich filigraner, als eine eher schwere Entenleberterrine. Das sanft gegarte Fleisch vom Taschenkrebs wird mit einer Mayonnaise mariniert. Darüber kommt die gefrostete, mit einer Microplane-Reib geraspelte Entenleber und als säuerlicher Kontrast eingelegte, eingefärbte Apfelstücke, Julienne vom grünen Apfel und Apfelblüten.

St. Petersfisch, Karotte, Senfgurkengel und Estragon

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Butter ist eines der wichtigsten Produkte für Peter Knogl. Was das in konkreten Zahlen bedeutet, macht er an einem Beispiel fest: 1 Liter Beurre blanc besteht bei ihm aus 750 g Butter. Man spürt förmlich das Herzrasen im Publikum. Darin und mit Estragon und Estragonessig aromatisiert, zieht der sous vide gegarte Fisch, bevor er angerichtet wird mit Karottenpüree, süss-sauren Karotten, Senfgurkengel und ein paar Tropfen Karottenöl mit leichter Tandoori-Würze.

Rotbarbenfilet mit knusprigen Schuppen, schwarzer Knoblauch, Safran und Tomaten-Vinaigrette.

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Dieses Gericht ist emblematisch und nicht mehr von der Karte des Cheval Blanc wegzudenken. Das Fischfilet wird mit auf einem Gitter langsam mit 200 Grad heissem Öl übergossen. Das geht keine 30 Sekunden. Dabei stellen sich die Schuppen igelartig auf. Sie sind dann extrem knusprig und sehr schmackhaft. Das Fleisch darunter geschmeidig glasig und weniger tranig, als wenn es in der Pfanne gebraten wird. Die Safransauce besitzt die Tiefe für die Knogl so bekannt ist. Gemüsesud, Fischfond und Noilly Prat reduzieren innerhalb von 20 Minuten auf ein Drittel. Dazu kommen Rahm und Beurre blanc und das präzise Moment, die Sauce vom Herd zu ziehen. «Jede Sauce hat ihren Höhepunkt. Man muss sie nehmen, wenn sie am besten schmeckt. Das braucht es halt ein bisschen Erfahrung» bringt er es lapidar auf den Punkt. So, jetzt wissen wirs! Als prickelnde Überraschung wartet unter der Safransauce eine Vinaigrette aus konfiertem Tomaten-Concassée. Garniert wird mit einer Mayonnaise aus fermentiertem Knoblauch.

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Der Neuerer: Oriol Castro
Disfrutar, Barcelona
Auszeichnungen: 1 Michelin-Stern, Nr. 55 – World’s Best Restaurants 2017, 2 Sonnen (Repsol Guide 2015 und 2016), Restaurant des Jahres 2015 (Acadèmia Catalana de Gastronomia i Nutrició), Best New European Restaurant 2016 (Opinionated About Dining), Barcelona Best Restaurant 2016 (Macarfi Guide)

Die Spanier wieder! Wie jedes Jahr an der Chef-Alps begeistern und polarisieren sie mit ihrer technisch avancierten Küche und avantgardistischen, verspielten Gerichten. Der Kontrast zur vorherigen Präsentation könnte grösser nicht sein. Erkennt man bei Peter Knogl noch fast jede Zutat und klassisches französisches Handwerk, ist beim kreativen Trio vom Disfrutar Barcelona nichts wie es scheint. In einem Feuerwerk aus Videoeinspielungen und katalanischem Stakkato eilt Oriol Castro durch faszinierende Zubereitungen, die Zuweilen aussehen wie tollkühne Laborexperimente.

Da gibt es einen Radieschen Snack, der in einer Schale aus schwarzem Sesam serviert wird. Schüttel man die Schale, ploppen die „Radieschen“ aus der „Erde“ als wären sie eben im Zeitraffer gesprossen. Natürlich handelt es sich nicht wirklich um Radieschen sondern um Baisers, die mit einer Radieschencrème gefüllt sind. Diese poetischen Elemente gehören ebenso zum Konzept wie die Verblüffung über ungewohnte Konsistenzen und Formen. Dazu gehören, nach wie vor, Sphärifizierungen, wie die auf Rosenblättern gereichten Rosenwasser-Lychee-Perlen die mit Ingweressenz besprayt werden. Wie die ikonischen „Oliven“ entstehen sieht man in diesem Video.

Bei aller Innvovation erklärt Oriol: «Alle in Spanien wollen werden wie Ferran Adrià, aber ohne Kenntnis der Tradition kann man nicht kreativ sein. Sie ist das Fundament und muss unbedingt erhalten bleiben.»

Baisers, Radieschencreme, Rosenblätter, Rosenwasser-Lychee-Perlen

Nocken aus geliertem Parmesangriess und Eigelb

Tütchen aus Obulato-Papier, Walnuss, Mango

Multisphärifizierung aus Mais, Schweineschwarte, Schweinesauce  

Kaninchenconsommé im Armagnac-Glas, Eis, Estragon, Orangenzesten

Gazpacho-Sandwich

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Der Forscher: Heinz Reitbauer
Steirereck, Wien
Auszeichnungen: Koch des Jahrzehnts (GaultMillau 2016), 2 Michelin-Sterne, 19 GaultMillau, 4 Hauben, Nr. 9 – World’s Best Restaurants 2016, Bestes Restaurant / 100 Punkte (Falstaff Restaurantguide Österreich 2016), Bundeslandsieg Wien 2016 (Falstaff Guide)

Heinz Reitbauer möchte bitte nicht unhöflich sein, ja? Aber er habe einiges vorbereitet, das er den Zuschauern zeigen möchte in der kurzen Zeit. So beendet er den Small Talk mit der Moderatorin, die gerne von ihm gewusst hätte, ob sein Vater, der ihm das Unternehmen quasi in die Wiege gelegt habe, noch aktiv sei. Aber nix da, sie huscht eilig von der Bühne und Reitbauer setzt zur spektakulär fundierten Fungologie an.

Er präsentiert in seinem geradezu wissenschaftlichen Exkurs den «aktuellen Wissensstand über Pilze». Es seien ganz spezielle Lebewesen. Kein Tier, keine Pflanze. Mit einer enormen Vielfalt und reizenden kulinarischen Möglichkeiten. Das Küchencrew von Reitbauer ist ein veritables Forschungsteam, das sehr nahe an der Natur ist und Produkte in enger Zusammenarbeit mit Produzenten und Erzeugern vorantreibt. Dazu entwickeln sie Zubereitungstechniken die neu aber nicht abgehoben sind, sondern oft das Handwerk neu erfinden oder weiterentwickeln.

Die faszinierenden Gerichte zum Thema «Der Geschmack des Waldes» die er mit seinem Team präsentiert, sind nicht nur alle auf der Webseite beschrieben sondern stehen auch als Rezept-Download zur Verfügung.

48-Stunden-Speck

Lungenseitlinge werden in einem Pilzfond mit Gewürzen eingelegt. Dann gedörrt und anschliessend mit Heu geräuchert. Über Nacht kühl gestellt, entwickelt der Pilz eine fleischige, ledrige Konsistenz und speckige Aromen. Sie werden mit einer Creme aus Chupetinos Chili bestrichen und mit Koriander, Anis und Hefe gewürzt.

Alpenlachs mit Samthäubchen, Gurke & Pfefferblatt

Der Alpenlachs in Sashimi-Qualität wird roh, aber gebrandet serviert. Dazu haben sie eigens ein spezielles Brandeisen entwickelt. Damit brennen sie Streifen in den Fisch, der dadurch einen delikaten Grillgeschmack bekommt. Mariniert wird er mit Pfefferblattöl. In einer Rettichschleife werden Pefferblätter und Fruchtstand angerichtet.

Lauch Frittaten Rehschulter, Igelstachelbart & schottischem Liebstöckel

Morcheln & Selleriekohl mit Bergamotte & Entenzunge

Der Versuch, Morcheln zu fermentieren hat zu erstaunlich guten Ergebnissen geführt. Mit Salz und Molkebakterien fermentieren die Morcheln zwischen 5 und 12 Tagen. Sie bekommen eine erstaunlich seidige Textur und einen intensiven Umami-Geschmack mit sehr weichen Karamelltönen. Sie werden kombiniert mit Selleriekohl der in Buttermilchgewürzmolke gegart und anschliessend im schweinenetz eingeschlagen gebacken wird. Dazu geschmorte Entenzungen, eine Bergamottpaste und eingelegte Bechermorcheln.

Rehherz mit Stockschwamm, wildem Lattich & Steinklee

In Nussbutter konfiertes Reh-Herz. Dazu Lattichsalat, in der Holzkohle gegrillt sowie fermentierte Rüben.

Mairitterling mit Meereskopfsalat, Walnussblatt & Ziegenkitz Nierenfett

Ziegenkitz-Nierenfett wird verwendet, um die Ritterlinge zu braten. Sie werden mit Pfarrgarten-Spinat, einer alten Sorte, in ein Algenblatt eingerollt. Dazu gibt es eine Vinaigrette aus dem Ziegenkitz-Nierenfett, klein geschnittenen Ritterlingen, Wallsnussöl, Wallnussblättern und Reisessig.

Schopftintling mit Cyclame, Kochsalat & Wiener Kaviar

Der Schopftintling wird gschmort und anstatt mit Salz mit Garum gewürzt. Dieses Garum (Fischsauce) stellen sie mit Fischabschnitten und Innereien sortenrein her. Ja, ich habe richtig gehört. Er hat eben sortenrein gesagt! Dazu gibt es Kochsalat, Knochenmark , Erdäpfelsauce und – eine Novität – Wiener Kaviar.

 

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Über die Shows vom zweiten Tag berichtet David Schnapp auf seinem Blog.


Pop-up in Pasta-Manufaktur.

Flyer Tavolata

Der grossartige Dominic Lambelet hat mich eingeladen, als Gastkoch mit ihm in seiner Pasta-Manufaktur zu kochen. Es gibt 12 Plätze an einer langen Tafel und ein fixes Menü:

ANTIPASTI
Mit Sardellen gefüllte, frittierte Salbeiblätter
Lauwarmer Mönchsbart
Thunfisch-Tatar
Pizza bianca

PRIMI
Mit Salsiccia gefüllte Tintenfische im Sughetto
Risotto mit Artischocken, Radicchio und Saba di mosto cotto
Ziegenkäse und Minze gefüllte Agnolotti mit Lammrippen-Ragù

SECONDO
Brasato vom Rind mit Petersilienwurzel-Kartoffelstampf

DOLCE
Spuma di Ricotta mit Saba di mosto cotto

Dominic serviert passend dazu erstklassige Weine aus Italien, die Rotweine alle aus der Magnumflasche. Menü inklusive Wein und Wasser 148 Franken pro Person. Freue mich über euer Pop in ins Pop-up!

Samstag, 13. Mai, 18:00 Uhr  
Paste Ines, Hegenheimerstrasse 128, Basel

Reservation: 079 320 71 75
claudio[at]anonymekoeche.net


Spargel Quiche

Ich mag meine spontanen Ideen: Quiche mit weissen Spargeln.

Wer kennt das? Man hat etwas im Kopf und kann sich so richtig gut vorstellen, wie es schmeckt, obwohl man es a) noch nie zubereitet hat, b) kein Rezept dafür kennt, aber c) sofort zur Tat schreitet, weil länger hält man es nicht aus, man will es jetzt sofort zubereiten und essen!

Da ich kaum zum Bloggen komme, verlieren wir auch nicht länger lange Worte, ihr wollt das schliesslich nachbauen, so lange es noch weissen Spargel gibt. Also, hier quick ’n‘ dirty:

Für den Teig (ergibt etwas mehr als nötig)

500 g Mehl
125 g Butter
200 g Wasser
2 Eier
12 g Salz

Mehl in eine Schüssel sieben. Alle Zutaten zügig vermengen (ich mach das von Hand, geht natürlich auch maschinell). Zu einer Kugel formen und in Folie gewickelt mindestens 2 Stunden kühlstellen.

Für den Guss

700 g weisse Spargeln
300 g gesalzener Rohspeck
1 Spritzer Weisswein
1 Zwiebel
100 g Gruyère
1 Ei
250 g Crème fraîche
500 g Vollrahm
Petersilie

Gesalzener Speck in Würfel schneiden, geduldig knusprig braten, mit einem Spritzer Weisswein deglacieren und auskühlen lassen. Zwiebel und Petersilie fein schneiden, Käse reiben. Alles mit dem Ei, Crème fraîche und Vollrahm verrühren. Leicht salzen und pfeffern. Spargeln schälen und in 5 cm lange Stücke schneiden.

Eine 28er Springform ausbuttern. Teig auf einer bemehlten Arbeitsfläche 1 cm dick ausrollen, Springform damit bis zum Rand hoch auskleiden. Spargelstücke einschichten und mit dem Guss bedecken. Bei 200 Grad 30 Minuten backen, Oberfläche mit Alufolie abdecken und weitere 15 Minuten fertig backen.

Genau so hab ich mir das vorgestellt: Schmeckt fantastique.


Privataudienz beim Foodpapst.

Richi Kägi Globus

Der Hohepriester des guten Geschmacks vollendet in Leder gewandet sein Werk.

Sensei Richi Kägi schmiedet nicht etwa ein Katana. Nein, er bereitet das beste Pata Negra Rack zu, das ich je hatte. Zuhause in seiner Küche. Ja, dort hat er eine offene Feuerstelle in der Herdzeile. Crazy Guy!

Seit 20 Jahren reist Richard Kägi als Foodscout für Globus rund um die Welt, besucht Produzenten, probiert, schmeckt, riecht – und entscheidet, ob die Delikatesse in der Delicatessa von Globus landet.

Sein Netzwerk: Wertvoller als die Festplatte von Snowden. Sein Job: Ein Traum. Er wird natürlich abwiegeln und behaupten, es sei harte Arbeit. Ich glaub ihm kein Wort. Er tut, was er liebt und liebt, was er tut. Und das ist das grosse Glück für alle, die mit ihm zu tun haben.

Schon längst ist er der beste Brand-Ambassador, den sich Globus wünschen kann. Denn er muss nicht wie ein doofer Promi so tun, als ob er die Produkte geil findet, die er mit seiner Persönlichkeit propagiert. Nein, he is the one who knocks! Er ist der geile Typ, der die geilen Produkte findet. Darum findet er sie geil, capisc‘?

Vor Kurzem durfte ich Gast in seinem eklektischen Haus sein. Ich könnte mir vorstellen, dass sich selbst Jason Statham alias The Transporter für die exquisite Immobilie erwärmen könnte. Ein moderner Kubus hoch über Zürich, mit Metallfassade, Sichtbeton im Innern und abgeschirmten Garten. Das Haus ist, wie es mein geschätzter Kollege David Schnapp in seinem Blog treffend formuliert, «um eine massgeschneiderte Küche im wohnlichen Industrielook» gebaut.

Für die Lancierung der sehr gelungenen und inspirierenden Globus-Platform Delicuisine, kochte er für eine kleine Gruppe Medienvertreter ein fulminantes Menü. Einige der Gerichte finden sich online mit Rezept, Anleitung und mundwässernden Videos.

Zum Beispiel der gegrillte Pulpo mit Röstgemüse und Korianderdressing.
Seine geniale Fenchel Conserva.
Dazwischen Frischer Kräutersalat mit gerösteten Mandeln.
Oder die schlichte, tief aromatische Pasta all Acqua Pazza.
Und als Dessert die fantastische Filo-Apfeltarte mit Pecan-Amaretti-Crunch.

Für alle, die jetzt vielleicht ein wenig neidisch sind, die gute Nachricht: Richi veranstaltet mehrmals im Jahr kulinarische Abende, für die man hier einen der begehrten Plätze buchen kann.

Ich empfehle auch einen Blick auf seine Website, unter Medien gibt es einige sehr schöne Portraits, die auch ein paar Bilder von seinem Haus preisgeben. Die Videoportraits, in denen man ihm bei seinen Foodtouren begleitet, müssten eigentlich längst als TV-Serie produziert werden. Und schliesslich kann man ihn auch lesen, in seiner Kolumne der NZZ.

Amen.


Das Thema Essen selbst in die Hand nehmen, möglichst in seiner Ganzheit.

«Wir wollen dieses wichtige Thema nicht den Marketingabteilungen von Grossverteilern überlassen, sondern unsere eigenen Geschichten vom Essen erzählen», schreiben die Menschen, die hinter dem Crowdfunding für ein neues Magazin vom Essen stehen.

Es heisst schlicht «gut» und verspricht im besten Sinne gut zu werden: ernsthaft, fundiert, facettenreich und vor allem – werbefrei. Die Chefredaktorin heisst Anna Pearson und ich mag alles, was sie tut, denn sie macht es: gut.

Gestern ist das Projekt auf der Platform wemakeit gestartet. Nicht zufällig gleichzeitig mit einem gleichgesinnten digitalen Medienprojekt, das ebenso konsequent einen hohen Anspruch an guten Journalismus und Unabhängigkeit stellt: Republik.

Ich empfehle, beide Formate zu unterstützen, weil sie auf Qualität statt Klicks setzen.

Wie viele Gleichgesinnte habe auch ich es satt, jeden Tag mit hohlen Food-Botschaften bombardiert zu werden. Man wird andauernd angelogen und für blöd verkauft. Es scheint medial nur zwei Positionen zu geben: Entweder werden Lebensmittel und Ernährungsformen total gehypt und geradezu hysterisch für super yummy und gesund erklärt, oder sie werden gebasht, verteufelt und in die dunkle Pfui-Ecke verbannt. Alles ohne einen Funken Reflexion. Jeder plappert jedem dasselbe Blabla nach.

Erst gestern habe ich wieder einen Artikel gelesen in dem Stand: «Wir alle wissen, dass Pasta ungesund ist.» «Einen Scheiss wisst ihr!», habe ich enerviert ausgerufen.

Es ist dasselbe Muster, das sich vermehrt in Gesellschaft und Politik manifestiert, wo zusammenhangslos zugespitzt, übertrieben und manipuliert wird und sich extrem gegensätzliche Lager anfeinden. Allen scheint das Mass der Vernunft zu entgleiten. Die Balance, die goldene Mitte, der gesunde Menschenverstand.

Auch wenn es ums Essen geht. Manchmal ist es wirklich unpackbar, wie sehr sich die Gesellschaft von der Normalität entfernt. Bloggerin Nicole erzählte mir, dass es in ihrem Bekanntenkreis Leute gibt, die Poulet nur essen, wenn keine Knochen dran sind (was bleibt da ausser Pouletbrüstli und zur Unkenntlichkeit panierte Nuggets?). «Wie bitte?», fragte ich unwissend. «Ja, sie ekeln sich davor!» Knochen erzeugen Ekel, weil ihnen dann bewusst wird, dass es ein totes Tier ist.

Und diese Leute mit ihrem angelesenen Halbwissen schwafeln dann in aller Naivität von gesunden Lebensmitteln. Lasst euch mal was sagen: Wer nur das isst, was gesund sein soll, ist krank.

Vier Mal im Jahr widmet sich «gut» einem Thema und bringt es in einen kulinarischen Kontext. Über drei Monate verteilt macht «gut» ein Thema wie «Ei», «Hand», «Tod» oder «Nacht» auf verschiedenen Ebenen erlebbar.

Während das Crowdfunding läuft, wird im Mai zum Beispiel das Ei gefeiert– in all seinen Facetten.

Deshalb habe ich zugesagt, hier einen passenden Beitrag zum Thema Ei zu teilen. Ich erinnerte mich an das einschneidende Erlebnis, als ich das erste Mal ein Huhn geschlachtet habe. Ich habe es vor etwas mehr als drei Jahren aufgeschrieben.

Hier gehts zur Geschichte aus dem Archiv: Am Sonntag sind Köpfe gerollt.

Welches denkwürdige Essen ich dann aus dem ganzen Tier zubereitet habe, lässt sich hier nachlesen: Respect the cock.


Meine Carbonara macht Schule.

Rigatoni Carbonara

Mein Sohn lernt in der Schule viele wertvolle Dinge. Zum Beispiel: Wie gut die Carbonara von seinem Papa schmeckt.

Das Schulfach Hauswirtschaft – bis gestern war es mit meinen Vorurteilen behaftet. Ich dachte, Lehrstoff und Lehrpersonen wären ebenso vorgestrig wie spassbefreit. Aber ich wurde eines Besseren belehrt.

Die Lehrerin von meinem Sohn ist äusserst aufgeschlossen. Sie hat sich das Rezept für Carbonara aus meinem Buch Ein Sommer wie damals rausgesucht und es die Schüler zubereiten lassen.

Grazie mille! Jetzt isst mein Sohn endlich meine Carbonara! Daheim hatte er sie verschmäht. Dieses Phänomen dürfte vielen Eltern bekannt sein: Es gibt Gerichte, die finden die eigenen Kinder zuhause bäh, auswärts yeah!

Ich fordere: Hauswirtschaft muss ein Pflichtfach werden! Es führt im besten Fall zu Horizonterweiterung, kulinarischer Kompetenz, Geschmacksbildung und in meinem Fall sogar zu – Abbau von Vorurteilen.

200 Gramm Guanciale in 1 cm breite, 2 cm lange Streifen schneiden und bei mittlerer Hitze in einer Bratpfanne ohne Fettzugabe langsam knusprig braten.

Das Fett wird zuerst glasig, dann verflüssigt es sich nach und nach. Darauf achten, dass noch genügend Fett am Fleisch bleibt, dann stimmt die Balance zwischen knusprig und saftig-weich.

Knoblauchzehe andrücken und mitrösten. Danach entfernen.

1 ganzes Ei und 3 Eigelb in einer kleinen Schüssel verquirlen. 50 Gramm geriebenen Pecorino romano (wers lieber mag, Parmesan) daruntermischen. Mit viel schwarzem Pfeffer würzen, zur Seite stellen.

Pasta in siedendem Salzwasser bissfest kochen. Spaghetti oder Rigatoni sind die beiden legitimen Klassiker für dieses Gericht.

Die knusprig gebratenen Guanciale-Streifen aus der Pfanne nehmen und beiseite stellen. Das Fett durch ein Sieb auffangen, auskühlen lassen und dann das hier damit machen.

Pasta abgiessen, dabei 100 ml Pastawasser auffangen. Röststoffe im Pfannenboden damit lösen, abgetropfte Pasta mit in die Pfanne geben und bei starker Hitze kurz durchschwenken, damit die Stärke bindet.

Pfanne vom Herd ziehen. Die Hälfte der Guanciale-Streifen und die Eier-Käse-Mischung darüber giessen. Energisch mischen (die Eier sollen cremig bleiben und nicht stocken). Der entscheidende Tipp dabei: Ist die Sauce zu dünn, Pfanne wieder auf den Herd setzen und bei niedriger Hitzen geduldig weiter rühren. Ist sie zu dick, einfach mit einem Schluck Wasser strecken.

Pasta in Teller verteilen und mit den restlichen Guanciale-Streifen garnieren. Käse zum Bestreuen dazu reichen.

Rigatoni Carbonara


Gratistickets: ChefAlps 2017.

Chef-Alps 2017

Auch dieses Jahr bin ich als offizieller Medienpartner an der ChefAlps in Zürich.

Ich verlose 6 Gratis-Tickets: Die ersten sechs, die hier einen Kommentar hinterlassen, kommen zum Handkuss! 

An der 6. Ausgabe des wichtigsten Schweizer Branchenanlass am 21. und 22. Mai 2017 geben neun aussergewöhnliche Spitzenköche verschiedener Länder auf der Showbühne Einblick in ihre Philosophie. Im Nebenprogramm gibt es in der Markthalle 34 Aussteller zu entdecken. Ein Speed-Dating bietet die Chance, Experten zu fragen, was man Experten schon immer fragen wollte. Und nicht zuletzt wird die neue ChefAlps Afterparty jede Menge Gelegenheit zum Networken bieten. Ob Profi, Nachwuchs, passionierter Amateur oder Foodjournalist – diesen horizonterweiternden Cooking Summit sollte man nicht verpassen.


Andreas Caminada Quique Dacosta

Könnten Brüder sein. Einander ähnlich, vertraut – und doch grundverschieden.

Quique Dacosta, der spanische Dreisternekoch aus Dénia, befindet sich mit seiner Küchencrew auf Europatournee. Jedes Jahr gehen sie gemeinsam auf Reisen, um ihren kulinarischen Horizont zu erweitern, neue Produzenten und befreundete Küchenchefs zu treffen.

Unter dem Slogan «Cooking up Friendship» kommt es dabei immer wieder zu einzigartigen Fourhands-Dinner. So auch mit Dreisternekoch Andreas Caminada auf seinem Schloss Schauenstein. Mit dem Thema «Mare e Monti» versuchen sie, ihre beiden Terroir-Küchen zusammenzubringen.

Dacosta hat sich vor Jahren entschlossen, nurmehr Produkte aus seinem unmittelbaren Umfeld zu verwenden. Eines Tages, als er auf der Dachterrasse seines Restaurants an der Costa Blanca stand, wo der Pulpo im Wind trocknet, sagte er sich, da vorne ist das Meer, hinter mir das Naturschutzgebiet Montgó. Wir haben alles, was wir brauchen. Er hat es als Autodidakt und als damals sechzehnjähriger Angestellter einer lokalen Pizzeria an die Weltspitze der Gastronomie geschafft.

Andreas Caminada, auf der anderen Seite, der sich schon mit 26 auf Schloss Schauenstein selbständig gemacht hat, ist heute ebenso erfolgreich und zählt, wie Dacosta auch, zu den besten 100 Restaurants auf der Liste World’s 50 Best Restaurants. Gleichzeitig ist er tief verwurzelt mit seiner Region und lokalen Produkten. Er sei ein bodenständiger Bergler, der gerne einfache statt luxuriöse Zutaten verwendet und dabei das Maximum an Geschmack herausholen möchte.

Der Meister der Reduktion und Präzision ist aber auch ein charmanter Gastgeber. Er gibt einem das Gefühl, bei einem guten Freund daheim zu sein. Nichts im Schauenstein erinnert an das Hochschwellige, das anderen Dreisterne-Restaurants schnell mal anhaftet. Dazu ist er die Ruhe selbst, geerdet, zuvorkommend und darüber hinaus der wohl sexiest Chef alive. Quasi der Gigi Buffon der Spitzengastronomie.

Ich lasse jedes Mal die Chamapgnerkorken knallen, wenn Caminada meine Fotos auf Instagram liked. Darum war es mir eine unbeschreibliche Ehre und Freude, als kürzlich seine Einladung zum Presselunch mit Dacosta kam.

Grazia fitg, Andreas!

Die unglaubliche kulinarische Reise und die damit verbundenen Emotionen kann ich hier leider nur sehr beschränkt wiedergeben. Ich hoffe dennoch, dass meine Bilder und Worte ein bisschen auf der Zunge zergehen und Freude bereiten.

Als erste «Appetizers» gibt es von Quique Dacosta zwei Arten von Reiscracker.

Sea Star Cracker

Einmal in Form eines fröhlichen Seesterns der uns zuzuwinken scheint. Er ist mit Tomatenpulver bestreut. Was mich an die legendären Tomato-Chips aus meiner Kindheit erinnert. Denen weine ich tatsächlich immer noch nach. Das hab ich hier mal beschrieben.

Zum anderen, quasi als verschlungenes Habitat des Seesterns, grüne Algencracker. Sympathisch und spassig, wenn auch geschmacklich nicht besonders bewegend.

Anders der Einstieg von Andreas Caminada. Von ihm gibt es zwei entzückende Mignardises, die geschmacklich Grosses ankünden. Erstens ein süsslicher Entenleberkubus zwischen zwei krokanten Ingwerbrotplättchen,

Entenleber

zweitens seine bekannten Lebermandeln. Samtig umhüllt mit Randenpulver, krustig und gefüllt mit cremiger Entenleber. Beides so beeindruckend gut, als wäre es der kostbarsten Pralinenschatulle der Welt entnommen.

Entenleber Mandeln

Dacosta folgt mit einem weiteren Cracker. Satay mit Königscrabbe ist ein leichter, frischer Fingerfood. Mit süssem Krabbenfleisch, Mayonnaise, Koriander und Erdnuss wird man in ein, zwei Bissen nach Südostasien katapultiert.

Satay King Crab

Caminada bleibt dagegen nahe und vertraut, überrascht aber mit der Form. Sein nächster Snack heisst schlicht Mais und Joghurt und besteht aus einer klaren, warmen Maisessenz. Eine kräftige Maisbouillon wenn man so will.

Dazu eine Bowl mit gefrorenen Maisperlen, Joghurtschaum, Mais-Eis und Mais-Chips. Eindrücklich, wie intensiv Süssmais in so facettenreichen Texturen schmecken kann. Einem einzelnen, beinahe banalem Produkt wie Mais eine solche Bühne zu bieten, zeigt die Genialität von Caminada. Er braucht keine Luxusprodukte oder exotische Kombinationen, um nachhaltig zu beeindrucken.

Mais

Das erste «Amuse» von Dacosta führt uns mit einem «Pisco» nach Südamerika. Das Destillat aus Traubenmost ist das Nationalgetränk von Peru und Chile. Dazu serviert er auf einem Stein ein Blatt Rompepiedra (Steinbrecher) mit einem fetten Bauchstück vom Thunfisch und daneben ein hauchdünnes Wasabi-Dumpling, das mit Tintenfisch gefüllt ist.

Dacosta liebt es, seine Gäste auf Entdeckungsreise zu nehmen und erklärt jedes seiner Gerichte ausführlich. In diesem Fall sollen wir zuerst das Blatt kosten. Es ist Pfefferkraut, auch Strand-Karse genannt. Eine scharfe, senfige Kresseart, die Dacosta wildwachsend auf dem sandigen Küstenboden seiner Heimat findet. Nimmt man nun einen Bissen vom exzellenten fetten Thunfisch, neutralisiert sich die Schärfe schlagartig.

Thunfisch

Caminadas Gang kommt ohne grosse Worte aus, knüpft aber geschmacklich überraschend gut an den vorherigen Gang an. Es ist wiederum erschreckend schlicht und nahbar. Eine reizende Variation vom Rotkohl.

Unter einem frittierten Rotkohlblatt findet sich eine gefrorene Rotkohl-Kugel, die mit einer Senfmousse gefüllt ist. Sie hat ein ähnliches Geschmacksbild wie das Pfefferkraut von vorhin. Als warmer Kontrast zur kalten Kugel eine Rotkraut-Schinken-Bouillon. Süss, salzig, elegant, urchig und wahnsinnig gut. Ich meine, es ist Rotkohl. Bitte, wir alle haben unsere Vorstellung von Rotkohl. Vermutlich ist es ein bleischwerer Wildteller im Herbst. Caminada öffnet das Fenster zu einem neuen Geschmackshorizont und zeigt virtuos, wie kreativ mit einem so bodenständigen Produkt gekocht werden kann, ohne dass es dafür lange Erklärungen braucht. Man sieht und schmeckt hundert Prozent, was man isst.

Rotkohl

Ich habe bereits wieder vergessen, was Dacosta alles zum folgenden Gang erzählt hat. Tatsache ist, es ist sein bester bisher. Rohe, fleischige Austern mit kraftvollem Aroma kombiniert er mit einem erfrischendem Tomatengelee, Stangensellerie, Dill und Senfsaat (da ist er wieder, der senfige rote Faden von vorhin!) in unterschiedlichen Texturen. Dazu, quasi als verbindendes alpines Element zur Meeresfrucht: Schnee vom Ziegenmilch-Kefir. Das ist nicht nur eine wahnsinnig schöne Idee in einer äusserst filigranen Präsentation, es ist auch geschmacklich extrem spannend und ausgewogen. Grosses Kino!

Auster

Caminada antwortet darauf mit dem besten Rindertatar, das je meinen Gaumen berührte. Meine Synapsen tanzen Pogo. Dill knüpft als Element an Dacostas Gericht an. Ebenso die gefrorenen Joghurtperlen und die luftige Sauerrahmmousse dazu. Bodenhaftung gewinnt die Komposition durch Rote Bete in Form von gefrorenen Perlen und reduziertem Jus. Frische Kräuter, eingelegte Zwiebeln und eine Kräutervinaigrette lassen Frühlingsgefühle aufkommen.

Tatar

Eine cremige Umami-Bombe serviert Dacosta mit dem nächsten Gang. Unter einer dicken Seeigel-Mousse überrascht ein kräftiges Aspik aus köstlichen Schwertmuscheln und süssen Krabben. Dazu geräucherte Erbsen. Ich löffle das enigmatische,  leicht feurige Gericht und habe danach das zauberhafte Gefühl, dass ich Poseidon im Armdrücken niederringen könnte.

Seeigel

Nach den «Amuses» folgen die «Dishes». Showtime für den Zitronenfisch von Quique Dacosta! Wobei man sagen muss: Ich hätte vom Spanier eigentlich avantgardistische Effekte, molekulare Mätzchen oder rauchende Colts erwartet und bin aufs Angenehmste überrascht, dass er gänzlich davon absieht.

Abgesehen von den etwas kopflastigen Erklärungen sind die Gerichte recht geerdet. Er selbst sieht sich denn auch nicht (mehr) als Avantgardist und schon gar nicht als designierter Erbe der molekularen Gastronomie für den er von Journalisten teilweise gehalten wird. Aber was verbirgt sich denn jetzt in diesem lustigen Fisch?

Zitronenfisch

Deckel ab und heraus duftet ein frischer Zitrusfrüchteschaum. Darunter verbergen sich festfleischige, schmackhafte Würfel vom Zitronenfisch (ein Cobia mit frechem gelbem GT-Streifen, auch bekannt als Offiziersbarsch oder Kingfish).

Durch das Marinieren erinnert das Gericht an ein Ceviche. Kombiniert ist es mit gewürfelten Kartoffeln, gelben Peperoni, Mango und Ingwer. Wieder so ein Postkartengericht. Ich sehe mich direkt dieses erfrischende Gericht in einer Hängematte unter Palmen zu schlürfen!

Zitronenfisch

Doch Caminada holt uns ganz schnell wieder zurück in die Berge. Mit einem seiner Signature Dishes: Saibling und Karotte. Der Süsswasserfisch ist konfiert und selbstredend von hervorragender Qualität.

Dazu gibt es säuerlich eingelegte violette Karotten sowie ein süsses Karottenpüree. Was aussieht wie ein Marshmallow, entpuppt sich als Räucherfischmousse. Dazu werden die Fischkarkassen frittiert, geräuchert und dann in einem Fond ausgekocht. Assoziationen zu einer Bündner Räucherei machen sich in der Arvenstube vom Schauenstein breit. Man ist wieder ganz zuhause.

Saibling

Der nächste Gang steht als «Suprise Dish» auf dem Menü. Dieses Gericht haben die beide Köche gemeinsam erdacht. Caminada kombiniert das Vorzeigeprodukt aus Denia, die rote Tiefsee-Garnele, kurz angegart mit dem letzten saisonalen Kürbis, sauer eingelegt und als süsses Püree, in einer mörderisch guten Krustentier-Essenz. Dazu Dörrbirne und Chicorée die spannende Bitteraromen beisteuern.

Crevette

Dacosta hingegen präsentiert den Kopf vom Tier und fordert uns auf, etwas Mut aufzubringen und dem Vieh beherzt das Hirn auszusaugen. Gesagt, getan! Belohnt wird man mit einem intensiven Krustentiergeschmack, der im Abgang einen leicht lebrigen Geschmack birgt. Sehr gut. Dazu ein frittiertes Exemplar. Davon kann man eh nie genug bekommen.

Crevette

Reis ist Dacostas grosse Passion. Er hat dazu ein umfangreiches Buch geschrieben.

Für sein Gericht mit Seeteufel kocht er spanischen Reis in Fischbrühe und schwärzt ihn mit Asche. Diese wird ebenfalls aus Reis gewonnen. Zuerst gekocht, dann frittiert und schliesslich gebacken und zerbröselt. Klingt abenteuerlich, aber geschmacklich kann ich dem Gericht wenig abgewinnen.

Da bin ich zu sehr Italiener. Im Gegensatz zu einem italienischen Risotto, der eine fliessende, cremige Konsistenz hat und mit Käse und Butter gebunden wird, ist dieser Reis trockener, etwas klebrig und eher eindimensional.

Reis Seeteufel

Caminada fährt danach einen weiteren bekannten Signature Dish auf: Geschmorter Bündner Lammbauch mit Sanddorn. Dafür würde ich jederzeit auf Knien zu ihm nach Fürstenau pilgern!

Es hat eine unwiderstehlich würzige Kruste. Dazwischen zartestes, schmelziges Fleisch. Durchaus fettig und mit einem strengen, aber angenehmen Lammgeschmack. Grandios! Dazu kombiniert er ein Medaillon vom Nierstück, Zwiebeln, Champignons und eine geniales Knoblauchpüree.

Lamm

Für das Dessert greift Dacosta zu Algen und kombiniert sie als Meringue mit Gurke, Yuzu und Sake. Das ist sehr luftig, aromatisch und leicht säuerlich, wie dieses Kinderschleckzeug oder Brausepulver. Dazu gibt es ein Algen-Mojito! Als Tonic-Getränk nicht gerade alltäglich und sehr spritzig. Toll!

Algen

Wir begeben uns für Caminadas Dessert auf die Terrasse, wo die schneebedeckten Berge in Griffnähe scheinen und uns die intensive Bündner Sonne vollends in die Arme nimmt.

Vor allem mit Caminadas bekanntem Quarksoufflé, das an Perfektion nicht zu überbieten ist. Dazu Variationen von Rhabarber und Joghurt in unterschiedlichen Texturen und Temperaturen.

Rhabarber

Das Meer und die Berge. Noch nie hat eine Marriage so gut harmoniert. Fantástico!

Nochmals herzlichen Dank für dieses einmalige Erlebnis, Andreas und Quique! Ob ich mir auch langsam so einen markanten Bart stehen lassen sollte?

Andreas Claudio Quique


Geballte Geschmacksbrandung.

Fregola Sarda Eticalimenta

Ex­zep­ti­o­nelle Pasta aus Sardinien: Fregula Sarda.

FregulaFregola oder auch Freula, ist eine traditionelle Hartweizenpasta aus Sardinien, die im besten Fall handwerklich hergestellt und im Steinofen getrocknet wird, wodurch ihr zarte Röstaromen mit auf den Weg gegeben werden.

Industriell hergestellte Fregola ist eine Frechheit und sollte ungeachtet im Ladenregal liegen bleiben.

Ich habe meine auf der Reise an die Taste12 nach Florenz bei Eataly gekauft. Sie stammt von Eticalimenta, Bergamo. Die gebürtige Sardin Antonella Pinna Masia hat erst vor einigen Jahren ein kleines Familienunternehmen gegründet und vermarktet wenige, hochwertige und aussergewöhnliche, handwerklich hergestellte Produkte aus ihrer Heimat.

Traditionell wird Fregula mit Telline zubereitet. Das sind die kleinen Vongole. Dazu werden die Muscheln kurz in einem Topf mit Deckel und sonst nichts gedämpft. Der austretende Muschelsud wird durch eine feines Sieb passiert und aufgefangen. Die Fregola wird in einem Soffritto aus Olivenöl, Knoblauch und Petersilie kurz angeröstet, mit Weisswein abgelöscht und dann mit dem Muschelsud und wenig Wasser wie ein Risotto eingekocht. Am Schluss kommen die Muscheln dazu, frische Petersilie und eine wenig Olivenöl. Sehr simpel, sehr schmackhaft.

Ich habe heute eine üppige Variante ai frutti di mare zubereitet. Für vier Personen braucht es 400 g Fregula und so viele unterschiedliche Meersfrüchte wie man mag, zum Beispiel:

  • 500 g Vongole Veraci
  • 500 g Cozze (Miesmuscheln)
  • 8 Calameretti (Tintenfische)
  • 12 Gamberetti (Crevetten)

Die Muscheln putzen, offene aussortieren. In einer Schwenkpfanne Olivenöl erhitzen und mit Knoblauch, Peperoncino und Petersilienstängeln aromatisieren. Muscheln und einen Spritzer Weisswein dazugeben, zudecken und bei hoher Hitze 2 Minuten dämpfen.

Sud durch eine feines Sieb passieren und beiseite stellen. Offene Muscheln aus der Schale lösen und bereitstellen. Ein paar Schalen zum Ausschmücken beiseite legen.

Die Gamberetti putzen und schälen. Die Köpfe und Schalen im Olivenöl kräftig anrösten. Danach Karkassen herausnehmen und entsorgen. Calamaretti putzen, kleinschneiden (Tentakeln ganz lassen, sieht hübscher aus) und mit klein gewürfeltem Peperoncino in derselben Pfanne kurz braten. Mit Weisswein ablöschen. Ein paar Löffel passierte Tomaten, oder im Sommer süsse, gewürfelte Kirschtomaten dazugeben. Den Muschelfond dazugiessen und zugedeckt 15 Minuten köcheln. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Fregola in einen Topf geben und nach und nach mit der Meeresbrühe übergiessen. Immer so viel, wie die Fregula aufsaugen kann. Wie bei einem Risotto. Nach etwa 15 Minuten die Crevetten und die ausgelösten Muscheln dazugeben. Nach weiteren 5 Minuten sollte die Fregula al dente fertig gegart sein, mit cremiger Stärke überzogen und vollgesogen mit der köstlichsten Meeresbrandung, die ihr euch vorstellen könnt!

Fregola Sarda Frutti di Mare

Frische Petersilie darüberstreuen, einen Schuss Olivenöl und in Tellern anrichten.

Wahrlich ein aussergewöhnliches, sehnsüchtiges Pastagericht.

Fregola Sarda


Firenze for Foodlovers.

Schon mal etwas von Trombolotto gehört? Oder von Spaccasassi? Jemals Ventricina probiert? Oder kandierte Chinotto-Bitterorangen gegessen? Diese und hunderte weitere Spezialitäten aus allen Regionen Italiens gab es an der 12. PITTI TASTE in Florenz zu entdecken und zu degustieren.

Ich habe mich durch die faszinierende Foodmesse geschlemmt und mich vom frühlingshaften Charme der Stadt verführen lassen. Selten erreicht der Mix aus Kunst, Kultur und Kulinarik eine so schwindelerregende Höhe.

Santa Maria del Fiore

Die italienische Trink- und Esskultur gehört zu den beliebtesten überhaupt. Auch bei uns stehen kulinarische Klassiker der italienischen Küche hoch im Kurs. Wer will schon auf all die deliziösen Spezialitäten und begehrten Produkte aus dem Süden verzichten? Aber neben der Lieblings-Pasta, Parmaschinken und Parmigiano gibt es eine enorme Vielfalt von kaum bekannten Delikatessen, die man unbedingt probiert haben muss.

An der «TASTE 12», wie die Messe im zwölften Jahr kurz heisst, zeigten 380 Produzenten, welche kulinarischen Schätze die Regionen Italiens zu bieten haben. Deren Geschmack und Exzellenz erhebt sich weit, sehr weit über die von bekannten Massenprodukten. Meistens stehen die Produzenten der familiengeführten Unternehmen gleich selbst am Stand und offerieren neben Degustationshappen einen Austausch auf Augenhöhe. Güte, Tradition und Handwerk stehen bei der Herstellung ihrer Lebensmitteln im Zentrum.

Pitti Taste

Die Messe richtet sich zwar in erster Linie an Einkäufer und Gastronomen, aber längst pilgern von Jahr zu Jahr mehr italophile Geniesser und getriebene Foodies aus aller Welt in das schöne Florenz. Folgt mir, ich gebe euch schon mal einen Einblick.

Nicht nur weil es an der TASTE einen Shop gibt, wo es die Messe-Delikatessen zu kaufen gibt, reise ich mit dem Auto an. Wenn ich nach Italien fahre, muss ich sowieso Unmengen Vorräte bunkern. Diesmal steht der erste Shopping-Stopp bereits auf der A1 von Bologna Richtung Florenz an – auf der Autogrill-Raststätte Secchia Ovest.

Ich präsentiere: Der erste Eataly auf einer Autobahn!

Eataly Autogrill

Wäre nur jede zweite Raststätte so ausgestattet, es wäre das Paradies auf Erden. Sauber, hell, grosszügig, freundliches Personal. Ich habe auf meinem Weg nach Florenz einen kräftigen Kimbo Caffè getrunken, Chinotto von Lurisia und bereits meinen Mehlbestand von Mulino Marino sowie Fregola Sarda aufgestockt. Dazu ein paar ausgewählte Slow Food Toscana Produkte. Fantastico!

Italien ist nicht nur Synonym für beste Weine, und einige ausgesuchte Winzer sind an der TASTE präsent, auch italienisches Craft Bier gehört seit Jahren zu den besten der Welt. Allen voran die hochgradig kreative Brauerei Baladin.

Pitti Taste

Ein Muss für Liebhaber von Blutorangen ist der elegante Bitter Amara. Pur, auf Eis oder in vielseitiger Mixology einsetzbar.

Es gibt wohl kein italienischeres Getränk als Chinotto. Es katapultiert dich, egal wo du bist direkt in den Sommer. Am liebsten trinke ich, klar, Chinotto von kleinen Manufakturen, wie Lurisia. Aber hat jemand schon mal Chinotto gegessen statt getrunken? Besio bietet ganze, kandierte Früchte oder auch Marmeladen dieser herrlich bitteren Pomeranzen namens Citrus myrtifolia

Lange gereifter Prosciutto, Italiens Signature Produkt, die Königsdisziplin in Sachen Trockenfleisch, wird an der TASTE ausgiebig gefeiert. Die Auswahl ist ebenso eindrücklich wie die Qualität. Schlicht phänomenal, wie aromatisch, zart und schmelzig die Rohschinken von autochtonen Freilandschweinen verschiedener Regionen schmecken.

Nachteil: Es verdirbt einem definitiv den Appetit auf die eingeschweissten Produkte, die uns hierzulande für unverschämt viel Geld unter die Nase gehalten werden. Frechheit.

Beim Käse sieht es leider ähnlich aus. Ich wüsste nicht, wo ich in meinem Umkreis italienische Käse dieser Intensität finden könnte, wie sie Luigi Guffanti anbietet. Hier ist der Transport besonders schwierig. Unter luftdichter Verpackung und Kühlung leidet jeder Käse. Aber gut, in der Schweiz darf ich mich nicht über die Qualität heimischer Kleinkäsereien beklagen. Italienischen Käse geniesse ich dann eben jeweils vor Ort.

Und dann bitteschön all die Pasta-Manufakturen. Ja, Manufakturen!

Zwischen dieser traditionellen, handwerklich hergestellter, langsam getrockneter Pasta und der milliardenfach in die Supermärkte gepresste Billig-Barilla liegen Welten. Subtile Geschmacks- und Texturwelten. Rau, kernig, mit einem deutlichen Weizengeschmack. Je mehr du in diese Welt eintauchst, desto schwieriger wird es, irgendwelche beliebigen Teigaffen zu kauen.

Einer meiner Liebsten ist auch an der Taste 12. Artigiano Pastaio Cav. Giuseppe Cocco. Aus Fara San Martino, Provinz Chieti, am Fiume Verde, dem grünen Fluss. Als Abruzzese halte ich nur schon aus Solidarität die Fahne hoch. Und dann die anderen, mit ihren klangvollen Namen. Aus dem Pastamekka Gragnano in Kampagnen, aus Norditalien, den Marken oder aus Apulien, der Kornkammer Italiens: Gentile, Mancini, Russo, Rummo, Benedetto, Caponi, Chelucci, Campofilone, Morelli. Welche die Beste ist? Falsche Frage. Warum wird immer noch an so vielen Orten so viel schlechte Pasta verkauft und aufgetischt?

Hier probiere ich einen einzigartigen Akazienhonig von Giorgio Poeta. Er reift in Barriquefässern! Wow. Fantastisches Aroma. Er macht auch den Idro Miele. Ein fermentiertes Honiggetränk mit 14,5 % vol. Alkohol. Sehr spannend.

Bei den Mozzarella-Profis aus Apulien bekomme ich bestätigt, was ich schon immer vermutet habe: Die Händler in der Schweiz haben mich immer schamlos belogen. Immer wenn ich nach cremiger Stracciatella oder saftiger Burrata frage, teilt man mir schnippisch mit: «Das ist jetzt nicht Saison! Die gibts nur im Sommer.»

Nein, die gibts nicht nur im Sommer, ihr Vollpfosten. Erzählt nicht so einen Schwachsinn. Ihr wollt sie einfach nur im Sommer verkaufen, weil ihr Schiss habt, dass ihr sie im Winter nicht los werdet. Weil Mozzarella, denkt ihr euch, gleich Insalata Caprese gleich Grillplausch, gleich Sommer. Ich möchte aber auch im Winter sehr gerne Burrata und Stracciatella essen. Zu Artischocken, mit Sardellen, zu Catalogna, Puntarelle, Radicchio Trevisano. Capisc‘?

Dieser Mortadella-Mann hier ist eine Art fröhlicher Candy man für Fettsüchtige. Die grosszügigen Probiererli die er von der riesigen Mortadella absäbelt, schmecken schweinisch gut.

Das Brät wird in der Schwarte gegart und ist sehr schnittfest. Oft wird eine solche herzhafte Mortadella nicht nur dünn als Aufschnitt serviert, sondern grob gewürfelt und gebraten unter Pastagerichte gemischt.

Die kleinen Olivenölproduzenten laden zum Beschnuppern und Degustieren ihres grünen Golds und nehmen sich Zeit für einen Einblick in ihr grosses, komplexes Universum.

Pitti Taste

Überhaupt muss besonders betont werden, wie angenehm die Messe und das Publikum sind. Die Messestände sind alle gleich gross. Das ist wahnsinnig entspannend und übersichtlich. Es ist, als ginge man einfach einer riesigen Theke entlang von Angebot zu Angebot.

Und die Leute sind echt alle echt höflich. Scusi da, scusi hier. Kein Gedränge und Geschubse. Keine aufdringlichen Hardseller. Keine laute Musik. Keine halbnackten Ladies, die nur rumstehen müssen, kein peinliches Standdesign. Einfach richtig gut und fokussiert aufs Wesentliche: Magiare bene!

Zwischendurch mal Panettone verkosten, bei dem dir Hören und Sehen vergeht.

Pitti Taste

Und dann dies: Pomodori. Das Rückgrat der italienischen Küche. Über 600 unterschiedliche Sorten diverser Regionen finden sich in Italien im Handel.

Eine davon, auf vulkanischer Erde am Fusse des Vesuvs gewachsen, heisst Pomodorino del Piennolo del Vesuvio D.O.P. Diese extrem aromatischen Tomaten werden nach der Ernte traubenartig gebunden und aufgehängt, damit sie nachreifen und über den Winter hindurch dank der festen Haut erstaunlich haltbar bleiben.

Wenig von der ohnehin schon geringen Menge die angebaut wird, kommt in Gläsern oder Dosen in den Handel. Wer immer sie erblickt: Kaufzwang! Etwas Besseres gibts nur im Paradies. Ich habe tatsächlich welche bei Eataly gefunden.

Natürlich gibt es zig andere Tomatensorten wie etwa die Pachino aus Sizilien oder Datterini aus Apulien oder Sardinien in herausragender Qualität.

Pitti Taste

Porchetta, der deftige Rostbraten vom Spanferkel, kräftig mit Kräutern und Fenchelsamen gewürzt, kennen wir aus der kulinarischen Tradition Roms, den Abruzzen und Umbrien. Dort wird das Jungschwein bei 200 Grad etwa sieben Stunden geröstet und meist als Streetfood in Tranchen in ein Panino geklemmt.

Ganz anders die Porchetta von Meggiolaro, dem kleinen, familiengeführten Unternehmen zwischen Padua und Venedig. Dort wird das Spanferkel bei niedriger Temperatur 25 Stunden lang gebacken. Das Geschmackserlebnis ist phänomenal. Zarter, geschmeidiger, aromatischer gehts nicht.

Dieses Gesicht und die Produkte dahinter muss man sich merken: Alessandro Meggiolaro. Grande classe.

Pitti Taste

Bei Nonno Andrea entdecke ich den geliebten Radicchio rosso – in Saor! In Saor, bitte. Das heisst, in Weisswein-Essig blanchiert, dann gegrillt und schliesslich im Öl eingemacht. Zum Durchdrehen gut!

Weiter geht es mit meterlangen Salamiverkostungen from Heaven oder dieser Soppressata von einer ansässigen Metzgerei in Firenze. Achtung, das ist keine gewöhnliche Soppressata wie die aus edlen Schweinestücken hergestellte scharfe Salami aus Basilicata, Apulien, Kalabrien, Abruzzo, Molise und Kampanien.

Die kolossale Presswurst der Toskana besteht aus den „minderen“ Schnitten des Schweins wie Kopf, Sehnen, Füsse und Bauch. Ist also eine „trendige Nose to Tail“ Wurst, nur dass dieser Trend hier vor ein paar hundert Jahren erfunden wurde und für aufrichtige, normale Esser, nie aus der Mode kam. Sie schmeckt: Göttlich!

Pitti Taste

Und jetzt werde ich richtig euphorisch: Spaccasassi!

Über den wilden Meerfenchel, der auf Felsen der Conero-Küste in den Marken wächst und geschmacklich an Algen, Kapern und grüne Oliven erinnert, habe ich hier schon mal geschrieben. Den Jungunternehmern von Rinci ist es nun gelungen, diese unter Artenschutz stehenden Pflanzen zu züchten und in Gläser abgefüllt anzubieten. Man isst sie kalt zu allerlei Antipasti vom Meer. Irrsinnig knackig, säuerlich-frisch und gut.

Noch einmal wird es deftig, aber sehr, sehr gut. Das hier ist eine scharfe Ventricina aus Abruzzo. Eine scharfe, streichfähige Salami, die deshalb Ventricina heisst, weil sie im Ventre, dem Schweinebauch gereift wird. Das ist Salami für Fortgeschrittene!

Pitti Taste

Aus Castelluccio, wo die mitunter besten Linsen Italiens herkommen, kommen auch diese wilden Erbsen. Ja, hab ich vorher auch nicht gekannt. Leider ist die Ernte so gering und aufwändig, dass sie praktisch nicht in den Handel gelangen und vorwiegend direkt an die lokale Gastronomie geliefert werden.

Zurück zum Anfang und der Frage: Schon mal etwas von Trombolotto gehört? Ich auch nicht. Es ist eine Zitrusfrucht. Citrus Limon Cajetani. Eine kleine, sehr aromatische, bittere, autochtone Sorte aus dem Pittoresken Ort Sermoneta in der Region Lazio.

Zusammen mit 14 Kräutern und bestem Olivenöl wird daraus eine Würzpaste die – Achtung, festhalten – so gegessen wird: Kalt unter heisse Spaghetti vermengt und dann mit Bottarga di Muggine (getrockneter Rogen von der Meeräsche) bestreut. Ich muss es noch ausprobieren, aber alleine der Duft am Glas betört mich, es muss der Wahnsinn sein!

Pitti Taste

Sodala! Richtig essen wollen wir ja auch noch! Unter dem Motto FUORI DI TASTE finden vor und während der dreitägigen Foodmesse in unzähligen Bars, Restaurants, kleinen Trattorien und grossen Palazzi der Stadt an die 100 Events statt. Vom exklusiven Dinner bis zu unkomplizierten Tastings ist für jeden Geschmack etwas dabei.

Wir entscheiden uns für einen Abend bei Eataly, wo Stefano Chiodi Latini (Chef di Villa Somis) aus dem Piemont und Domenico Cilenti (Executive Ehef, Chef Manager und Patron vom Ristorante Porta di Basso) aus Apulien ein Four Hands Dinner ausrichten. Alleine der Safran-Risotto mit den gerösteten Kakaobohnen und dem Spitzenreis der Riserva San Massimo war unvergleichlich. Dann das mit Sepiatinte gefärbte Tempura vom Steinbutt(!), die mit Stracciatella gefüllten Ravioli, ach!

Domenico Cilenti

dann schaust du zur Decke und siehst solche Affresken aus dem 16. Jahrhundert … Florenz und die PITTI TASTE machen es einem wirklich sehr, sehr leicht, sich kopfüber in die Stadt die Esskultur zu verlieben.

Eataly Firenze

Das verrückte ist ja auch, dass man alles zu Fuss machen kann. Von der Stazione Leopolda, diesem schönen Backsteingebäude, das die Messe beherbergt, geht man dem Arno entlang und steuert schnurstracks auf den Ponte Vecchio zu. Bäm!

Ponte Vecchio

Das Zentrum (ich war ja vorher noch nie in Florenz, aus Bammel vor den Massentouristen, aber um dieses Jahreszeit ist es ja total easy) ist eine Mischung aus Luxus-Shoppingmeile, Open-Air Kunstmuseum, lauschigen Weinbars, feinen Fachgeschäften für Lederwaren und – oh mein Gott! Ist das ein Trippaio? Verkauft der Kutteln und Lampredotto?

Ich muss sofort ein Lampredotto essen! Dieses original florentinische, Jahrhunderte alte Streetfood. Was es ist? Labmagen. Also nur der eine von den vier Kuhmägen. Stundenlang weich gekocht in einem Gemüsesud, zerschnitten und mit Salsa verde in ein Brötchen geklemmt. Hier das Video, mir läuft schon wieder das Wasser im Mund zusammen:

Lampredotto Panino

Mein orgasmic sandwich face sagt wohl mehr als tausend Worte.

Lampredotto

Ein paar kann ich trotzdem dazu sagen: Es schmeckt irrsinnig gut. Das Brötchen wird kurz in die Brühe getunkt und ist dadurch weich und sehr saftig. Das Fleisch schmeckt wie das beste Suppenfleisch, das man je gegessen hat. Extrem zart, mit einem hohen Grad an Schmelz, wie ein gut durchzogenes Federstück vom Rind und dazu der buttrige Geschmack von Rindermark. Wahnsinn. Die essigbasierte Salsa verde steuert ein paar frische Akzente bei.

Man kann natürlich auch anderswo essen gehen. Einfach ist es nicht in Florenz. Zugegeben. Es gibt doch eine Überzahl mittelmässiger Lokale mit einer, sagen wir mal, bilderbuchmässig touristisch orientierten Ausrichtung.

Firenze

Ein wenig besser war es da in der etwas versteckten Trattoria 13 Gobbi, wo es unter anderem ebenso bilderbuchmässige Bistecche Fiorentine gibt.

13 Gobbi

Ciao Firenze! Es war schön bei dir. Merkt euch jetzt schon die TASTE 13 vor!

San Frediano in Cestello



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