Cappelletti Spinaci Fave

Man sollte nie unterschätzen, was man alles drauf hat, wenn man sich selbst nicht im Weg steht. Und: Improvisationskunst beim Kochen ist sehr, sehr befriedigend.

Nehmen wir als Beispiel die kausale Verkettung der heutigen Küchenarbeiten.
Nachdem ich diese schöne Tarte aux myrtilles meringuée bewerkstelligt hatte,

Tarte aux myrtilles

(nach genau diesem Rezept, mit Ausnahme des Rhabarbers, den man einfach mit 500 g Blaubeeren ersetzt), ergab es sich, dass ich sieben Eigelb übrig hatte. Also tat ich, was man in Italien schon seit Generationen in so einem Fall tut: Man konserviert die Eigelbe in Form von frisch gemachter Pasta.

Ohne weitere Gedanken daran, was wann aus dieser Pasta werden sollte, habe ich sie geknetet, in Folie gewickelt und einfach mal als Vorrat im Kühlschrank geparkt.

Stunden später machte sich schüchterner Appetit bemerkbar. Auf die Frage, ob sich bei ihm auch schon ein gewisser Appetit gemeldet hätte, antwortete mein älterer Sohn, ja, gewissermassen schon. Er sei aber noch unschlüssig, ob er noch zuhause essen oder aufbrechen und das Wochenende mit Freunden entkorken wolle. Was es denn gäbe.

Nun, ich habe frische Pasta gemacht, sagte ich, aber noch keine Idee, für welches Gericht. Es hat jungen Spinat, aber keine Ricotta. Frische Favabohnen. Aber keine Salsiccia. Aber ich möchte eigentlich gefüllte Pasta. Hm. Aber womit gefüllt?

Es gibt noch Reste vom Kartoffelsalat. Aber das ist wohl keine gute Idee. Oh! Warf mein Sohn ein. Es hat doch noch Polpette vom Mittag, taugen die als Füllung? Und wie, lenkte ich begeistert ein: Wir essen in 15 Minuten!

Der Teig ist schnell ausgerollt und mit einem Glas in Rondellen gestochen.

Um hübsche Cappelletti (mittelalterliche Hütchen) zu formen, belegt man sie mit einem Stückchen einer Polpetta (von kalten, gebratene Frikadellen bricht man einfach ein Stückchen ab; sie schmeckt herrlich würzig und hat die perfekte Konsistenz), drückt sie zum Halbmond zusammen und verschliesst die Enden, wobei man den Rand wie eine Hutkrempe hochstellt.

Cappelletti

Die Fave werden gepult, 5 Minuten blanchiert, abgeschreckt und dann geschält.

Den Spinat gibt man in eine Pfanne, in der zuvor Schalotten in Butter angeschwitzt wurden. Man lässt die Blätter nur eben in sich zusammenfallen, salzt und wendet sie und wenn sie vom kräftigen Grün in dieses ozeanisch tiefe Grün welken sind sie auch schon fertig zum Anrichten.

Bis es soweit ist, hält man sie in der Pfanne warm. Zusammen mit den geschälten Fave. Nachdem die Capelletti in Salzwasser gargezogen sind schöpft man sie in eine Schwenkpfanne mit Butter, gibt ein paar Löffel Pastawasser dazu und schaut zufrieden zu, wie sich langsam eine buttrige Emulsion um sie schmiegt.

Wer, so wie ich, noch etwas notvorrätige Demiglace im Tiefkühlfach hat, wärmt davon zwei Esslöffel, weil das gibt dem Ganzen noch eine grotesk spitzengastronomische Dimension.

Spinat und Fave auf dem Teller verteilen, Capelletti darauf setzen, mit der Butteremulsion nappieren. Etwas Demiglace auf dem Teller verteilen und – das ist eine extrem reizvolle Ergänzung – ein paar Späne Pecorino Fiore Sardo.

Zu recht fragt mein Sohn: «Wenn ein Pastagericht wie dieses so schnell zubereitet ist und so unverschämt gut schmeckt, warum servieren sie dann im Restaurant immer so langweilige Pastagerichte?»

Zu recht.


Fucking favourite Fave.

Fave

Das lange Warten hat ein Ende: Endlich frische Fave!

Bis jetzt war mein Lieblingsgericht mit getrockneten Fave der apulische Klassiker Fave e cicorie.

Nun gibt es bei italienischen oder türkischen Gemüsehändlern die ersten frischen Fave – und ein neues Lieblingsgericht damit: Fave alla poverella – Dicke Bohnen nach Bettlerinnen Art. Ebenfalls aus Apulien.

Dazu 500 Gramm frische Fave schälen und die Kerne 10 Minuten im Salzwasser weichkochen (Wasser einmal aufkochen, dann die Fave auf kleinster Hitze zugedeckt ziehen lassen). Danach abgiessen und auskühlen lassen.

Inzwischen in einer kleinen Schüssel mischen:

  • 2 EL Paniermehl (Semmelbrösel)
  • 2 EL geriebener Pecorino (oder Parmesan)
  • 1 kleines Bund frische, kleingeschnittene Minze
  • 1/2 geriebene Knoblauchzehe
  • 1 kleine, gewürfelte Peperoncinoschote
  • den Saft einer Zitrone
  • Salz

Schliesslich so viel bestes kaltgepresstes Olivenöl dazu giessen, bis die Masse feucht und geschmeidig ist. Mit den Fave mischen und am besten 2 Stunden gekühlt durchziehen lassen.

Grandioso! So viel Frische dank der Zitrone und der Minze. Eine geballte Ladung Umami dank dem Käse, den Semmelbröseln und dem Knoblauch. Ein wenig Schärfe dazu und dann dieser grasige, cremige Geschmack der Fave.

Fave alla poverella

Wie konnte ich das nur so lange verpassen? Das müsst ihr probieren!

Fave alla poverella


Merken: Fave e cicoria.

Fave e cicoria

Eines (von vielen) klassischen Gerichten der cucina povera, der ärmlichen italienischen Bauernküche, das Kenner vor Glück in die Knie zwingt.

Das Süsslich-Milde der Favabohnen passt perfekt zum bitteren Ton der Catalogna.

Und das Bereichernde an diesem „Arme-Leute-Essen“ heutzutage: Es ist vegetarisch – oh, hoppla! – es ist sogar vegan, es ist clean, es ist nahrhaft, es ist nachhaltig, es ist detox (obwohl dieser Begriff Schwachsinn ist), es ist erschreckend simpel, es ist unkompliziert in der Zubereitung (okay, ein trendiges, fettarmes Fertiggericht aufzureissen geht schneller) und es schmeckt darüber hinaus noch komplex und verdammt gut. Nur, dass das die mehrheitlich doch recht verhaltensauffälligen Lifestyle-Gutmenschen-Esser noch nicht mal auf dem Radar haben und stattdessen lieber industriell gefertigte Fleischersatzprodukte zweifelhafter Herkunft liken. Ach, es ist so ermüdend gerade.

Letzten Sommer habe ich das Gericht mehrmals in seiner Ursprungsregion gegessen: Im atemberaubend schönen Apulien. Müsst ihr hin. Und wenn es nur fürs Essen ist. Was ja eigentlich immer das primäre Ziel sein sollte, nicht wahr? Aber gut, Landschaft, Meer und Kulturdenkmale nähren die Sehnsucht auch ziemlich üppig.

In meinem Buch «Italien vegetarisch» findet sich das Rezept im Frühjahrskapitel. Dann wird es mit frischen Fave (dicke Bohnen) und der Schnittzichorie Cicoriella zubereitet.

Wer Glück hat, findet hierzulande Catalogna als Wintersorte. Was meistens doppeltes Glück bedeutet: Denn im Inneren – wer hier regelmässig mitliest, weiss es – befinden sich die dicken Puntarelle Sprossen, was mir der liebste Wintersalat ist.

Catalogna

Solange es noch keine frischen Fave (Saubohnen) gibt, kann man sehr gut auf getrockneten Fave zurückgreifen. Die gibt es (bereits geschält) in italienischen Feinkostläden oder bei türkischen Gemüsehändlern.

Fave

Für vier Personen weicht man 300 g getrocknete Favabohnen mindestens 12 Stunden in kaltem Wasser ein. Dann kocht man sie mit einer in 5 mm dünne Scheiben geschnittene Kartoffel und einem Lorbeerblatt auf und lässt sie zugedeckt bei kleiner Hitze 2 Stunden weichgaren.

Inzwischen Catalognablätter abzupfen, putzen und in siedendem Salzwasser 10 Minuten blanchieren. In einem Sieb abtropfen und auskühlen lassen.

Wie gesagt, mit den dicken inneren Trieben macht ihr bitte den weltbesten Puntarellesalat.

Für das Favepüree den Lorbeer entfernen. Alles mit einem Kartoffelstampfer zerdrücken, salzen und dann mit reichlich gutem Olivenöl extra vergine und zu einem cremig Püree schlagen.

Die abgetropfte Catalogna im Olivenöl schwenken – was auf Italienisch ripassare all olio genannt wird: Dazu 1 Knoblauchzehe schälen und in feine Scheiben schneiden, Peperoncino in Ringe schneiden. In einer Schwenkpfanne Olivenöl erhitzen, kurz mit Knoblauch und Peperoncino aromatisieren. Cicoria dazugeben, durchschwenken und mit Salz abschmecken.

Auf einem vorgewärmten Teller anrichten, Cicoria rundherum platzieren und alles mit bestem Olivenöl beträufeln.

Besonders intensiv wird es mit einem jungen Olivenöl aus Erstpressung, so wie dem Novello, das ich von meinen liebsten Freunden von Ppura erhalten habe.

Brutal gut.

Ppura Novello


Hasta la Fiesta, Baby!

Iberico Baeckchen Favecreme_s

Zu welchem Fest auch immer – ein Festessen: Bäckchen vom Ibérico-Schwein.

Totale Entspannung. Das ist die Losung und zugleich die Belohnung für diese Delikatesse. Die Zubereitung erfordert Zeit, schon klar. Aber im Grunde ist es ein Spaziergang, wenn man sich nicht unter Druck setzt. Und es lässt sich wunderbar im Voraus zubereiten, damit man den Gästen ohne Hexerei einen zauberhaften Gang auftischen kann.

Was neben dem schmelzenden, zarten Fleisch und der tiefen, druckvollen Sauce Freude bereitet, ist eine nicht alltägliche Crema di Fave. Ein Püree von Fava-Bohnen. Auch bekannt als dicke Bohne, Ackerbohne, PferdebohnePuffbohne oder Saubohne. Wie auch immer, passt saugut zu der spanischen Sau.

Bäckchen 1 Stunde vor dem Anbraten aus dem Kühlschrank nehmen.

Iberico Baeckchen_s

Olivenöl in einem Eisenschmortopf erhitzen, Butter dazugeben, warten bis sie nicht mehr schäumt, dann Bäckchen salzen und bei mittlerer Hitze geduldig braten, bis sie rundherum Farbe genommen haben. Kann gut und gerne 10 Minuten dauern.

Ibérico Bäckchen

Fleisch grosszügig pfeffern, herausnehmen und warm stellen. Fett verwerfen. Ein frisches Stück Butter hineingeben und darin 1 fein gewürfelte Karotte, Zwiebel und Knoblauchzehe mit der gleichen Menge gewürfeltem Sellerie rösten.

Gemüse mit Staubzucker überpudern und 1 Esslöffel Tomatenmark mischen. Alles sanft karamellisieren. Schluckweise mit 2 dl Portwein löschen und immer wieder sirupartig reduzieren.

3 dl Rotwein angiessen, aufkochen und etwas verdampfen lassen. Dann 5 dl Kalbsfond dazukippen, Fleisch in den Topf geben und gut 3 Stunden mit Deckel bei etwa 80 Grad simmern (die Sauce darf nicht blubbern!)

Baeckchen im Sud_s

Stichprobe: Das Fleisch ist perfekt gegart, wenn man einen Zahnstocher hineinstechen und mühelos wieder herausziehen kann.

Nun das Fleisch herausnehmen und in Alufolie einwickeln. Jetzt könnte man das Fleisch im Kühlschrank bereithalten und Stunden später oder auch am nächsten Tag mit der Sauce fertig stellen.

Diese Sauce braucht indes nochmals unsere vollständige Hingabe und Liebe, damit sie sich entwickeln kann und Rückgrat bekommt.

Dazu erhitzen wir sie und aromatisieren sie mit einem Zweiglein Thymian. Dann schöpfen wir vom Topf jeweils nur eine Kelle in ein Saucenpfännchen und köcheln sie sirupartig ein. Dann kommt die nächste Kelle und so fort. Zum Schluss drücken wir das Röstgemüse aus bis der letzte Rest ins Saucenpfännchen tropft.

Jetzt erst salzen, pfeffern und ihr mit einem Schluck Aceto tradizionale eine feine Säure geben. Schliesslich mit eiskalten Butterstückchen montieren.

Hätten wir frische Fave, würden wir diese zu einer geschmeidigen Crema verarbeiten. Dann bekäme man auch eine intensive grüne Farbe hin. Ausserhalb der Saison, wie jetzt, kann man auch getrocknete Fave verwenden.

Entweder über Nacht einweichen und in ungesalzenem Wasser weich kochen oder uneingeweicht 18 Minuten im Dampfkochtopf garen. Von der harten Schale befreien und bereitstellen.

In der Zwischenzeit, ein Stück Lauch mit ein bis zwei Kartoffeln und einigen Blättern Endiviensalat im Salzwasser weich kochen. Abseihen und zu den Fave in den Topf geben. Mit Milch und grossem Stück Butter bedecken. Salzen, pfeffern und mit Muskatnuss und einigen Zweigen Petersilie würzen. Aufkochen und pürieren. Falls es zu dick ist, etwas Milch nachgiessen.

Crema di Fave auf den Teller geben, etwas Olivenöl darüber träufeln. Fleisch in der Sauce wenden und auf dem Teller placieren. Weitere Sauce und in Butter glasierte Romanesco-Röschen darauf verteilen, die zuvor in Brühe bissfest gekocht wurden.

Fröhlichen Festschmaus allerseits!

Baeckchen Favecreme_s



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