Glasieren anvisieren!

Glazed Chicken Heston Blumenthal_s

Fleisch am Knochen, überzogen mit einer klebrig-würzigen, süss-sauren Sauce. Wer leckt sich da nicht schon gedanklich die Finger?

Auf diese verlockend glasierten Hühnerschenkel bin ich dank Heston Blumenthals Barbecue Chicken Wings gekommen. Mit Keulen geht das auch. Und den Grill anwerfen braucht man auch nicht: Funktioniert auch im Ofen bestens.

Zwei Dinge daran sind genial. Erstens: Das Karamell! Ich weiss nicht, ob ich je wieder eine BBQ-Sauce ohne Karamell zubereiten kann: Es schmeckt einfach fantastisch. Zweitens: Das Fleisch zuerst ohne Marinade oder Sauce grillieren und erst dann glasieren. Ist extrem gelingsicher (weil die Sauce dadurch nicht anbrennt) und kann gut vorbereitet und warm gehalten werden (praktisch bei Mehrgangmenüs).

Mein abgewandeltes Rezept für 4 Personen geht so:

12 Pouletschenkel mit Salz, Pfeffer und Paprika einreiben und im Ofen auf einem Gitter bei 220 Grad 30 Minuten grillieren. (Darunter ein Blech mit Backpapier auslegen, um das heruntertropfende Fett aufzufangen). Ein Mal wenden und weitere 20 Minuten rösten.

Für die Sauce einen halben Liter Hühnerbouillon auf die Hälfte reduzieren und bereitstellen. In einer Saucenpfanne 100 g Zucker langsam haselnussbraun karamellisieren. Hühnerbouillon und 1 dl Reisweinessig dazugeben und zugedeckt köcheln, bis sich das Karamell auflöst.

Dann 2 Frühlingszwiebeln und 2 Shii-Take Pilze fein würfeln und mitköcheln. 1 TL frischen Ingwer hineinreiben. 1 Knoblauchzehe pressen und zufügen. Würzen mit 3 EL Tomatenketchup, 3 EL Austernsauce, 1 EL Worchestersauce, 1 EL Sojasauce, 1 TL Tabasco, 1 TL Cayennepfeffer und 2 EL Sesamöl. Alles 5 Minuten offen sirupartig einköcheln und auskühlen lassen.

Pouletschenkel nach dem grillen einzeln durch die Sauce ziehen und nebeneinander in eine feuerfeste Form legen. Mit der restlichen Sauce übergiessen und 10 Minuten bei 180 Grad glasieren. Dabei zwei-, dreimal wenden. Zum Schluss 2 EL Sesamkörner rösten und vor dem Servieren über die Pouletstücke geben – gnam!

Das mit dem Karamell hat mich beflügelt. Nach demselben Prinzip (und etwas anderen Gewürzen wie Lorbeer oder geräuchertem Pimentòn de la vera) habe ich Schweinsbrustspitzen zubereitet. Anstatt Hühnerbouillon habe ich ein spritziges Qowaz Weizenbier mit Cola und Lemongras verwendet: Das prickelt!

Dazu gegrillte Spitzpaprika, weisse Bohnen und Catalogna. Ein Fest.

Sunday Roast Spare Ribs_s

Mein Jüngster liebt ja Spare Ribs, die ich ihm gerne auch ganz exklusiv zubereite wie diese hier:

Spare Ribs

Als Geburtstagsessen hat er sich letzthin wieder sein Lieblingsessen gewünscht. Diesmal habe ich die Sauce ebenfalls mit dem Karamell als Basis zubereitet und statt dem Hühnerfond Fritz Kola Kaffee verwendet. Resultat: Fingerlecken ohne Ende! Dazu gab es seinen Lieblings-Kartoffelsalat mit Tropeazwiebelwürfeln «die schmecken so süss!».

Spare Ribs mit Kartoffelsalat Fotor_s

Ach ja, wo wir gerade dabei sind: Darf ich in Erinnerung rufen, wie ich die perfekt glasierte Kalbshaxe zubereite? Bitte.

Kalbshaxe


Am Sonntag sind Koepfe gerollt

Daniel hatte mich angerufen und gefragt: «Möchtest du meine Güggel schlachten? Du hast doch gesagt, du möchtest das mal selber machen.»

Es kam überraschend. Und es klang irgendwie so, als hätte er gefragt: «Weisst du noch, wie wir darüber gesprochen hatten, meine Frau umzubringen? Es ist soweit, kann ich auf dich zählen?»

«Also, du musst nicht!» warf er gleich als Rettungsring hinterher. «Ich kann sie auch einem Lohnschlachter bringen. Der macht das piccobello, der ist Biobauer und so. Nur, ich kann es nicht tun. Das geht mir zu nahe, du verstehst. Aber es muss sein, ich kann nur einen Hahn behalten. Die werden nächstens geschlechtsreif und dann gehts los mit Stress im Stall!»

Die Frage musste ich eine Sekunde lang für mich beantworten, bevor ich ihm antworten konnte: «Ja, klar. Ich mache es.»

Ich bin schliesslich der anonyme Koch. Ich muss wissen, wovon ich schreibe. Aus eigener Erfahrung. Weil ich es noch nie gemacht habe. Und weil ich genau weiss, was für ein wohlstandsverweichlichtes Individuum ich bin. Und dass das hier eine Chance ist, eine Lektion fürs Leben zu lernen.

Weil ich es pervers und degeneriert finde, dass das Schlachten eines Tieres heute für viele etwas Aussergewöhnliches ist. Dass das Gewöhnliche hingegen für die meisten heute der Verzehr von Industriehühnern ist, denen es im Leben und bei der Schlachtung eine Million mal mieser gegangen ist, als den Hähnen von Daniel.

Ich bin jedoch nicht der Meinung, dass jeder der Fleisch isst, auch selber ein Tier schlachten muss. Das ist so eine gängige Floskel, deren Logik sich mir nicht erschliesst. Da könnte ich genau so gut fordern, wer ein Buch lesen will, soll gefälligst erst selbst einen Roman schreiben!

Mir blieben zwei Wochen. Bis dahin musste ich mich schlau machen, wie man ein Huhn umbringt. So umbringt, das es mich nicht um den Verstand und das Tier nicht um seine Würde bringt.

Ich habe mit Leuten gesprochen, die eine Ahnung davon haben. Andreas, der Ukrainer, zuckte nur die Schultern. Schon zig mal gemacht, was ist schon dabei? Andere waren gesprächiger und gaben mir den Rat, das Tier mit einem Schlag auf den Kopf zu betäuben, bevor man ihn abschlägt: «Du willst nicht, dass sich das Vieh auf dem Hauklotz bewegt und du ihm den halben Schnabel wegschlägst!»

Und dann gibt es ja heute nichts, was man nicht als Clip auf dem Web findet. Nach ein paar Klicks hatte ich meinen Plan gefasst:

Den Gockel eingewickelt in einem Tuch im Arm halten und zur Ruhe bringen. Ihm etwas lustiges erzählen (hat der Bauer Hühneraugen, trägt er Schuhe die nichts taugen), ihm dann zur Betäubung eins über die Rübe ziehen und dann auf dem Spaltbock mit dem Beil den Kopf abhauen.

Als Kind hatte ich es schon erlebt. In den Sommerferien, im Dorf meiner Grosseltern in Italien, gehörte das einfach dazu. Ungeschminkt und manchmal auch ganz schön Unschön. Zum Beispiel wenn meine Nonna dem Huhn in der Küche(!) mit einer Schere(!) den Hals aufschnitt und es über einem Eimer ausbluten liess.

Jeder dort hatte irgendwie Hühner. Jede Zia einen Hühnerfuss in der Suppe. Und auch, dass mein Cousin einem seiner Kaninchen, das ich eben noch gestreichelt hatte, vor dem Haus das Fell über die Ohren zog, weckte höchstens Futterneid: «Ah, Lorenzo, den kannst du mir gleich mitgeben, ich möchte auch mal wieder einen guten Kaninchenbraten!»

Von der Episode mit dem gespaltenen Schweinekopf, das ich als Ferienkind auf einem Bauernhof erlebte, habe ich hier einmal erzählt.

Daniel hatte uns alle total beeindruckt diesen Sommer. Sein Garten ist ein stattliches Fleckchen Erde mit toller Aussicht. Mit vielen Obstbäumen, Gemüsebeeten, Gewächshäuschen mit Tomaten, einem Gartenhaus mit einer lauschigen Tessiner Pergola und vor allem Arbeit ohne Ende. Eine Arbeit, die als Lohn für die Mühe aber ganz schön erdet. Den selbständigen Unternehmer auf den Boden holt und Ausgleich zum Agenturalltag bringt. Und dann legte er sich diese Hühnerküken zu und wir alle so: «Boah, Chickendenny: Respekt!»

Denny hat ihnen natürlich Namen gegeben. Roy Black, James Brown, Göckhahn oder Olga (die ein bisschen autistisch ist). Und auch den beiden, die am Sonntag für das Schafott bestimmt waren: Barry White und Chignon (wegen der komischen Föhnfrisur am Hintern).

Die Viecher folgen ihm auf Schritt und Tritt und bestürmen ihn freudig, wenn er täglich zu ihnen schaut.

Logisch, dass er ihr Schicksal nicht in die eigenen Hände nehmen wollte, und er mir auch klar machte, dass er dann nicht dabei zuschauen könne.

Komisch, dass ich jetzt an unsere Hausgeburt denken muss. Ich habe meinen Sohn in meinen Armen aufgefangen, weil die Hebamme damit beschäftigt war, die Handschuhe anzuziehen, als er kam. Ich denke, ich habe Leben empfangen, und bald werde ich zwei Leben durch meine Hand verabschieden.

Für meine Kinder war es ein Thema. Aber irgendwie auf einer anderen Ebene. Sie wollten unbedingt dabei sein. Haben zugeschaut und sogar fotografiert. Und es «okay» gefunden. Gar nicht so schlimm, also, das hat ja nicht mal richtig geblutet.

Die machen halb so viel Aufstand, wie wir Erwachsenen. Sie wollen es spüren. Anfangs trauten sie sich kaum, sich einem Huhn zu nähern. Abends lagen wir zusammen im Gras und der Kleine hielt die längste Zeit ein Huhn im Arm, das sich zufrieden streicheln liess.

Er möchte auch die Füsse haben. Und den Kopf präparieren. Das mit dem Kaninchenkopf letzten Winter hat ja nicht geklappt. Und er hat mir in Erinnerung gerufen, dass ich in seinem Alter eine Hasenpfote hatte, die ich oft im Hosensack mithatte. So eine will er jetzt natürlich auch. Wie so viele Jungs. Wieso wollen die das?

Was für ein Gefühl es war beim Zuschlagen? Kein Gefühl. Nur Konzentration. Wie ein Wettkämpfer vor dem Sprung vielleicht? Ich kann es. Ich werde es tun. Ich bin ruhig. Das Tier ist ruhig. Dann zählt man auf drei. Und dann muss der Schlag kommen, und der muss sitzen.

Die familiäre Stimmung, das herbstliche Traumwetter, die Ruhe und Erfahrung von Daniels Mutter, die mit ihm die Hähne eingefangen und mir Anweisungen gegeben hat, wie ich es anpacken soll, haben dazu beigetragen, dass sich alles richtig angefühlt hat. Aufrichtig, würde ich fast sagen. Aufrichtig und gut.

Das grosse Wir-haben-es-geschafft-Gefühl und das Gefühl von „das ist die normalste Sache der Welt“ kam erst später. Als wir in der Herbstsonne gemeinsam die Tiere gerupft haben. Miteinander geredet haben, wie man eben redet, wenn man zusammen Küchenarbeiten verrichtet.

Als die Kinder uns zusahen und nicht auf ihre Smartphones, die Nachbarn kamen und sich erkundigten, ob alles gut gegangen sei.

Als die Hühner, die während des Schlachtens im Stall warten durften wieder zu uns kamen, weil sie immer gern dort sind, wo was los ist.

Und erst recht später, als wir die Flasche Wein aufgemacht hatten. Und alle von den Crostini mit der frischen Leber und den klein geschnittenen Herzen gekostet haben (Zwiebeln, Butter, Marsala).

Und unvermittelt sogar ein besonders neugieriges Huhn (ich glaube, es war Olga) auf Daniels Bein hüpfte. Schräg in die Pfanne mit den Innereien seines Artgenossen äugte, mit einem Gesicht, auf dem Stand: «Nanu, was esst ihr denn da, ohne mir was davon abzugeben? Unerhört!“

Die Hühner hat Daniel mir überlassen. Er muss das nicht haben. Noch nicht. Die Leber-Crostini hingegen hat er gegessen. «Aber ich hab gemeint, du magst keine Leber?» «Hey, wann bekomme ich je wieder so frische Leber und dann erst noch von dir zubereitet?» Und ich so: «Boah, Chickendenny: Respekt!»

Darauf haben wir angestossen, mit dem weltweit einzig richtigen Bier für den Anlass, das Daniel extra noch besorgt hatte: CHOPFAB.


Le Cook Sportif

Oh là là! Beim Flambieren von Coq au Vin kanns ganz schön sportlich werden.

Das ruft nach einem Concours! (Nein, gefragt sind nicht Geschichten, wie ihr fast die Hütte abgefackelt hättet, und ihr müsst auch nicht eure geheimsten Geheimrezepte für Coq au Vin ausgackern.)

Ich verlose bei diesem Gewinnspiel 5 Mal ein Jahresabonnement für eine gepflegte Zeitschrift für Ess- und Trinkkultur. Und meine hochgradig perfide Frage lautet: Um welche Zeitschrift handelt es sich?

Das müsst ihr erraten und euren Lösungsvorschlag als Kommentar hinterlassen. Die ersten fünf Richtigen gewinnen ein Jahresabonnement. Bonne chance!

Tipp für scharfe Beobachter. Der Name der Zeitschrift lehnt sich irgendwo an diesen Beitrag über Coq au Vin an.

Man sollte vermehrt Coq au Vin kochen. Es führt kein Weg daran vorbei. Was sollen wir denn mit all diesen bleichen Hähnchenteilen, die so verlogen auf kalorienarmen Tellern rumliegen?

Wir wollen die ganze Kreatur kochen. Denn nur das ergibt eine anständige Sauce. Und die wollen wir am liebsten mit einem 300 Meter langen Baguette auftunken!

Wisst ihr noch, wie Al Pacino als Lefty Ruggiero, dieser low level Wiseguy aus Donnie Brasco, Coq au Vin zubereitet?

Er brüstet sich damit, besser als diese Mobster aus Brooklin zu kochen: «You think I cook like them Goombas in Brooklin? All they know is Manicotti! Manicotti! A hundred years they gonna be eat Manicotti!» Aber als die Pfanne Feuer fängt, muss seine Frau Feuerwehr spielen.

Zum Totlachen, ab 0:30

Ein einfaches Rezept geht so: Einen Hahn (okay, den bekommt man heut fast nirgends mehr) oder ein Huhn in acht Stücke teilen, salzen, pfeffern, bemehlen und in Bratbutter knusprig braun rösten. Herausnehmen und warm stellen.

Fett weggiessen. Im selben Bräter ganze Schalotten oder kleine Zwiebeln und gewürfelten Speck anbraten. Mit einem Glas Cognac ablöschen und – jetzt kommts – flambieren (Vorsicht mit dem Dampfabzug obendran!).

Aufsteigenden Vapeur bis aufs letzte Molekühl genussvoll einatmen.

Hühnerstücke wieder in die Pfanne geben, Bouquet garni und eine Pulle Burgunder dazu. Meine Schwiegermutter sagte auf Baseldeutsch immer: «Burgunder – und andere drunter …»

Wenn ihr also grad keinen Burgunder habt (so wie ich), dann könnt ihr auch die vier offenen Flaschen italienischen Rotwein aufbrauchen (so wie ich). Das ging vom Piemont über die Toskana bis runter nach Apulien.

Klar geht das. Von der Sauce blieb kein Tupfen übrig (wir haben sie mit den ganzen 300 Metern Baguette weggeputzt!)

Ein, zwei Tassen Hühnerbrühe darf man ruhig auch dazugeben. Dann eine Stunde sanft schmoren. Komplett auskühlen lassen (darin sehen die Franzosen das grösste Geheimnis: Im Wiederaufwärmen. Das lernen die schon im Kindergarten. Ouais! Franzosen kochen im Durchschnitt 3 Mal am Tag Coq au Vin. Aus dem Effeff).

Also, entweder am nächsten Tag oder nach etwa sechs Stunden nochmals erwärmen. Hühnerstücke herausnehmen und warm stellen. Bouquet garni entfernen. Die Sauce aufkochen und um einen Viertel oder bis sie dick wird reduzieren. Mit eiskalter Butter binden.

Während des Reduzierens der Sauce ein paar kleine oder grob zerteilte Champignons in Butter schwenken und dann in die Sauce geben. Alles über die Hühnerstücke giessen, mit Petersilie bestreuen und servieren.

Un régal!



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