Irish Beef auf gut Schweizerisch

Feuer und Flamme für richtig gutes Fleisch?

Auf die Frage, welche Schweizer Restaurants ein anständiges Stück Fleisch servieren, habe ich heute drei gute Antworten.

Kürzlich hatte ich nämlich das Vergnügen, mich gleich bei drei von zehn Member Chefs des Chefs‘ Irish Beef Club Schweiz an den gedeckten Tisch zu setzen:

Restaurant OX in Interlaken, Zum Adler in Hurden und Restaurant Ackermannshof in Basel.

So unterschiedlich die Restaurants sind – alle Küchenchefs verbindet die gemeinsame Leidenschaft für qualitativ hochstehende Produkte, handwerkliche Sorgfalt bei der Zubereitung und kulinarische Kreativität.

Sie alle stehen Regionalität, Saisonalität und Nachhaltigkeit sehr nahe. Das manifestiert sich in der gepflegten Fleischauswahl lokaler Produzenten.

Auserlesenes irisches Rindfleisch schafft es aber – zum Genussglück der Gäste – auch auf die Karte. Dank natürlicher Aufzucht auf Grasweiden, optimaler Reifung und zartem, einzigartigem Geschmack.

Roman Meyer brät seine perfekt dry aged gereiften irischen Entrecôtes oder Rib Eyes im OX klassisch auf einem offenen Steakhouse Grill. Gibt ihnen ein Finish mit flüssiger Butter und würzt mit dezent geräuchertem, grossflockigem Fleur de Sel.

Besser kann man es sich nicht wünschen. Wäre da nicht die teuflisch gute Demiglace, die dazu gereicht wird – unwiderstehlich!

Bei Markus Gass, dessen Küche im Adler Hurden mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist, kommt das Entrecôte vom irischen Hereford Rind auf den Punkt gebraten mit butterzarten Artischocken auf den Teller.

Das klassische Haus steht direkt am See und die Sicht ist nicht das Einzige, was einem den Atem nimmt.

Begleitet wird der Gang mit einer himmlischen Polentacrème, die im Innern einen delikaten Schatz birgt: Ein zart schmelzendes Ochsenschwanz-Ragout an einer markigen Reduktion.

Weiter geht es zu Dominic Lambelet nach Basel. Er serviert in seinem Restaurant Ackermannshof eine seltene Schönheit:

Ein perfekt gebratenes Tomahawk vom Irish Beef. Das imposante Kotelett von der hohen Rippe mit extra langem Knochen wird am Tisch tranchiert.

Was bei einer männlichen Tischrunde unweigerlich zu einer akuten Bildung von Augen- und Mundwasser führen kann.

Die butterzarten Tranchen werden auf Spinat und Brokkolicrème gebettet. Begleitet von Kartoffelgnocchi, einer geschmeidigen Frikadelle vom Bressehuhn und einem karamelldicken Jus, den man glatt mit Gold aufwiegen könnte.

Dazu – das schätzen viele Weinliebhaber und das bietet Lambelet aus Überzeugung an – darf man in seinem Haus den eigenen Wein mitbringen und dazu geniessen.

Gross – das passt zu diesem Wohlfühl-Lokal mit dem warmherzigen Service.

Es wird beinharte Arbeit, aber meine Rekognoszierung der weiteren Chefs‘ Irisch Beef Club Members wird natürlich pflichtbewusst fortgesetzt, da muss ich durch.

Ich werde meine Erfahrungen – trunken vor Genuss – gerne mit meiner geneigten Leserschaft teilen.


Heute ein König

Drei Mahlzeiten. Ein Snack. Fünf am Tag. Morgens wie ein Kaiser oder abends wie ein Bettler. Mein Credo für dieses Jahr ist: Egal was von was oder wie viel davon – Hauptsache einmal am Tag König.

Einmal am Tag die ganze Aufmerksamkeit auf die eine Mahlzeit richten. Auf die eine Zutat. Auf die eine Methode. Die Produkte mit Bedacht wählen. Mit Leidenschaft und Verstand zubereiten. Sich darauf freuen. Es bewusst geniessen.

Damit, glaube ich, würde man sich selbst ein ganz gutes Geschenk machen.

Danke für die vielen Wünsche und Grüsse zum Jahreswechsel. Und ganz besonders, danke für die netten Komplimente für diesen Blog per E- und konventioneller Post. Freut mich, dass diese Seiten für viele so inspirierend sind.

Kurbeln wir also die kulinarischen Ideen mit einer losen Bilderfolge der vergangenen Tage an und freuen uns auf ein genussvolles Jahr.

Man könnte wieder einmal ein Feuer im Freien machen. Für dieses extra Knistern in der kalten Jahreszeit. Einen Stecken schnitzen.

Und einen einfachen Klöpfer, die schweizerischste aller Cervelatwürste, braten.

Mehr braucht es manchmal nicht, damit sich Glücksgefühle im Bauch breit machen. Klar, ein rechtes Stück Brot gehört dazu. Meine Entdeckung war ein Weisskohlsalat oder Coleslaw, wenn ihr wollt. Weisskabis, fein gehobelt. Mit Öl, Weissweinessig, Kümmel und Jogurt gewürzt  und mit Granatapfelkernen aufgehübscht.

Der beste Kartoffelsalat gelingt mit einer Hochmoor-Sieglinde. Ich mache ihn am liebsten mit viel selbst gemachter Mayonnaise und Rindsbrühe an.

Überhaupt: Tut euch einen gefallen und macht eure Mayonnaise bitte selbst, wenn das nicht schon die Regel ist. Spanische Patata Bravas Bratkartoffeln mit einer selbst gerührten Pimentón-Mayonnaise machen süchtig!

Oder meine neuste Kreation (als Anbeter der Sauce Béarnaise längst fällig!) eine Mayonnaise à la Béarnaise. Geht so: Halbe Tasse Weisswein, halbe Tasse Weissweinessig mit einer gewürfelten Schalotte, viel grob gemahlenem schwarzen Pfeffer und einem Bund Estragon aufkochen und so lange reduzieren, bis fast keine Flüssigleit mehr übrig ist. Inszwischen eine Mayo aufrühren und dann die Estragon-Reduktion unterziehen. Mon dieu, quel régal!

Wenn man nach Vieux-Ferrette zu Maître Fromager Antony fährt, kann man sich gut sortierte Stückchen vom Paradies einpacken lassen.

Auf dem Weg liegt das Restaurant du Chaudron, das seit August einen neuen Wirt hat. Hopla ina!

Anscheinend geht selbst der Maître mehrmals pro Woche dort essen. Kann ich verstehen. Hier ist ein Steak frites noch ein Steak frites. Do gits nit z chicaniera!

Mein Renner als Vorspeise im Winter bleibt weiterhin: Puntarelle-Salat von der Catalogna. Vinaigrette aus Sardellen, Honig, Peperoncino Zitrone, Olivenöl. Die bitter-süssen Noten passen gut zu geräucherter Forelle und geräucherten Crevetten.

Mein Jüngster liebt das Amuse fleischlos, aber keinesfalls lieblos und am liebsten ein scharfes Messer dazu, zwecks mundgerechter Gurken-Schnitzerei. „Die Konfi-Würfeli und den Salat kannst du haben, Papa.“

Für die grossen dann eben mit Fleisch. Entenbrust, Gänseleberterrine, Pata Negra, Aïoli, Marmeladen von Roter Bete und Schalotten.

Diese Päckchen kommen besonders zum Apéritif gut an. Prosciutto San Daniele, Füllung aus getrüffelter Ricotta mit einem Schnittlauchhalm zum genüsslichen Fingerfood geschnürt.

Diese Schollen-Rollen rocken! Kommt definitiv öfters auf den Tisch (aber nur aus MSC-Fang). Auf geschmortem Fenchel im Safran-Pernod-Sud, mit knackfrischen Salatblättern, Kapern und konfierten Tomaten.

Hübscher Fang auch das hier. Fisch aus der Dose von José in dieser voll schönen, weil voll schön illustrierten Schachtel.

Bisque de Hommard – geht das eigentlich auch als Sauce, anstatt als Hummersuppe? Ich finde, ja! Darf sogar im Glas vom Commestibles-Händler kommen. Zuhause dann mit Jakobsmuscheln und fluffigen Kartoffelgnocchi anrichten. Dann wirds ganz still am Tisch.

Wenn dann der Plat de résistance vom Irischen Rind kommt, sowieso. Die äusseren Blätter der Catalogna kommen mit Knoblauch und Peperoncino im Olivenöl sautiert sehr schön dazu.

Die inneren Blätter haben wir ja als Puntarelle-Salat zubereitet, remember?

Am nächsten Tag gleich nochmal so gut. Kalt aufgeschnitten und mit einer selbst geschleuderten Sauce Rémoulade (schon wieder Mayo!)

Hängt ihr übrigens auch eure Menüfolge in der Küche auf, wenn ihr für Gäste kocht? Hilft mir sehr, wenn ich im Verlauf des Abends immer betrunkener werde und sich all die kühnen Anrichtungsideen in ein schwammiges Ach-komm-das kann-auch so-raus zu verwandeln drohen.

Seit Neustem klebe ich meine Skizzen mit dem sehr angesagten, japanischen Washi Masking Tape im passendem Küchenutensilien-Print an meine Durchreiche (merci Fabienne!)

Diese Entenleber-Feigen-Macarons von Vollenweider waren ein Volltreffer zum Apéro-Champagner.

Das hier nennt sich Tonno di Coniglio, ist eingelegtes Kaninchenfleisch und wird hoffentlich auch ein Volltreffer. Mehr davon mit Rezept demnächst.

So, und dann wirds auch schon wieder Zeit, sich Zeit zu nehmen, um wieder einen Vorrat an dunklem Kalbsfond einzukochen. 

Reduzieren von 5 auf 0,5 Liter. Und dabei die Erkenntnis gewinnen: Je weniger man davon hat, desto mehr hat man davon: Blöd, dass das nicht für alles im Leben gilt. Geld zum Beispiel.

Haut rein!


Reif für die Fleisch-Insel

Es ist wie mit dem halb leeren oder halb vollen Glas. Man kann Irland so oder so sehen – als immer graue oder immergrüne Insel. Je nachdem, ob der Blick nach oben oder nach unten geht.

Aber eines ist sicher – der Regen ist ein Segen. So sehr die Iren mit ihrem Regenwetter hadern, so froh sind sie im Grunde darum. Viel Regen bedeutet nämlich viel Gras. Richtig gutes, saftiges Gras.

Stellt man da Rinder und Schafe drauf, hat man schon vieles richtig gemacht, um richtig gutes Fleisch zu produzieren. Denn füttern braucht man die frei weidenden Tiere nicht. Abgesehen von den paar Winterwochen, wenn das Wetter gar zu garstig wird und man sie reinnehmen muss.

Die Angus-Boys lieben den Auftritt vor Publikum.

Ansonsten sind die Tiere dank mildem Golfstrom und gemässigtem Klima praktisch das ganze Jahr hindurch draussen. Und fressen nichts als dieses natürlich gewachsene Gras. Kost und Logis kosten den Farmer somit nahezu null.

Das ist nicht nur praktisch, das ist auch nachhaltig. Weil die Tiere nicht mit Getreide gefüttert werden, das man zuvor mit entsprechendem Energieaufwand anbauen muss. Mit anderen Worten: Dieses Vieh frisst niemandem das Essen weg. Die natürliche Weidekost führt dazu noch zu einem hoch aromatischen Fleisch.

Es ist eindrücklich. Dieses von einer Krise zur nächsten gebeutelte Land lebt zu einem grossen Teil vom Fleischexport. Rund 90% der Produktion geht ins Ausland. Und wir reden hier von einem Family-Business. 50% der Farmen sind Familienbetriebe mit durchschnittlich gerade mal 150 Tieren.

Die Gummistiefel borgen wir uns vom Farmer (der mit dem Houndstooth Cap). An die Krawatte für den Gang auf die Weide hätten wir selbst denken müssen.

Und ich? Ich darf mir das alles vor Ort anschauen. Ein Stubenhocker auf Studienreise quasi. Inmitten von Fleischprofis, vom Importeur Delicarna (den ich kommunikativ betreue) zum Grosshändler bis zum Feinkostmetzger, sind wir als Gruppe unterwegs zu Produzenten und Verarbeiter. Was bin ich für ein Glückspilz!

Das Programm ist allerdings nichts für Warmduscher. Wir landen spät abends in Dublin, kippen im Flughafenhotel ein paar Pints Kilkenny und stellen den Wecker auf Nullsechshundert. Am frühen Morgen geht es nach Waterford  in den Schlacht- und Zerlegebetrieb des führenden Fleischproduzenten abp.

Übrigens, Kilkenny Bier heisst eigentlich nur für den Export Kilkenny. In Irland heisst das Bier Smithwicks. Aber sprich das mal auf Deutsch aus. Eben.

Nach einer kurzen Firmenpräsentation folgt eine peinlich genaue Prozedur mit dem Ausfüllen von Gesundheitsfragen. Gefolgt von akribischen Sicherheits- und Sauberkeitsmassnahmen, bevor man uns weiss bekittelt, behelmt und gummibestiefelt in die gekühlten Hallen schleust. Ich fühle mich wie Jesse Pinkman auf dem Weg in die Welt der wirklich echten Profis.

Der Zerlegebetrieb ist ein perfekt strukturierter Ameisenbau. Das Tempo der hoch konzentriert arbeitenden Männer, die im Kettenschurz entbeinen und zuschneiden, ist respekteinflössend.

Dann beobachte ich einen, der sein Messer abzieht. Er stellt seinen Wetzstahl senkrecht auf die Arbeitsplatte und geht so nahe heran, als wolle er es auf Beschädigungen inspizieren. Aber dann setzt er das Messer an und zieht die säbelartig gekrümmte Schneide ab. Ganz, ganz langsam. Links, rechts. Links, rechts. Andächtig. Ein Samurai? Da kommt ihm das nächste Fleischstück auf dem Band entgegen und schni-schna-schnipp! ist das Ding pariert.

Ich hätte gerne ein paar Bilder veröffentlicht. Von den Karkassen. Von dem Typen auf dem Lift mit der verblendeten Riesensäge (einer der Wichtigsten, weil er die Karkasse exakt der Länge nach teilen muss). Oder der bösen, überdimensionierten Schere, mit denen man die Rinderhälften in Vorder- und Hinterviertel teilt.

Ich halte mich aber zurück. Nicht jeder mag, wie ich, darin die rohe Ästhetik sehen, wie sie andere in, sagen wir mal, Stahlwerken sehen. Hier werden schon mal Assoziationen an blutige Operninszenierungen von Skandalregisseur Calixto Bieito geweckt. Bloss, das hier ist keine Show. Und obwohl es zu unserer Kultur gehört, will es praktisch niemand sehen.

Ein wenig ziehe ich innerlich auch über die die Menschen her, deretwegen ich die Bilder zurückhalte. Ich meine diese heuchlerischen Susies, die schon beim Anblick von Tatar oder Markbein hysterisch kreischen. Die aber zu blöd oder zu blind sind zu fragen, woher ihr eingeschweisstes Schnitzel in der Selbstbedienung kommt. So viel sei verraten: Es wächst nicht auf Bäumen.

Die Iren haben die Hausaufgaben gemacht. Und sie haben eine Mission: Sie wollen eine Fleischerzeugung mit höchstmöglichen Standards in Punkto Nachhaltigkeit und Qualität.

Rib Eye – ein Hohrücken für höchstes Entzücken – ziehe ich jedem Entrecôte vor.

Dass sie auf gutem Weg sind, bezeugen zahlreiche internationale Auszeichnungen und Prämierungen oder das Nachhaltigkeitsprogramm Origin Green vom Lebensmittelverband Bord Bia, Irish Food Board. Auch die Spitzengastronomie schwört auf Irish Beef, wie man auf der Chef Sache gesehen hat, beim Bocuse d’Or 2013 noch sehen wird, oder beim Chefs‘ Irish Beef Club, der demnächst auch in der Schweiz gegründet wird.

Eine Besonderheit hat das Fleisch von abp, die andere nicht haben. Ihr Ultra Tender Beef hängt nach einem eigens entwickelten Verfahren ab: Der Stretching-Methode. Dabei wird die Rinderhälfte nicht am Fersbein, sondern am Schlossbein aufgehängt und gestreckt. Dadurch werden die Muskelfasern gedehnt und das Fleisch wird nachweislich zarter.

Leider konnten wir diese Zartheit in den wenigen Restaurants und Pubs in denen wir essen gingen, nicht geniessen. Diese Barbaren braten das Fleisch schlicht zu Tode. Denen wünsche ich einen übel gelaunten, bös verkaterten Gordon Ramsay an den Hals!

In Camolin gab es Einblick in den erstklassigen Betrieb von Irish Country Meats. Ein Spezialist für bestes Irisches Lamm. Darunter auch Bio-Zertifiziertes.

Die meisten Farmer haben übrigens weniger als eine Stunde Fahrtweg zu ihrem Schlachtbetrieb. Und es gibt auch so manche Familie mit etwas Land, die sich einfach so nebenher Rinder oder Schafe halten.

Im ländlichen Strassenbild sind deshalb immer wieder gewöhnliche Personenwagen zu sehen, die in einem kleinen Anhänger zwei bis drei Tiere zum Schlachthof fahren.

Wenn der Nordwind um die Ohren pfeifft, wärmt man sich am besten mit einem kühlen Guinness.

Die Reise war intensiv und lehrreich. Die irischen Erzeuger machen einen extrem reifen, verantwortungsvollen Eindruck. Man kann verstehen, dass sie stolz auf ihre Erzeugnisse sind. Und wer einmal in ein perfektes Dry Aged Côte de Boeuf beisst, weiss was ich meine.

Ich stehe ja schon seit Jahren darauf. Jetzt weiss ich auch, warum.

Hätte nicht gedacht, dass ich als erwachsener Mann noch Mal ein Gesicht machen würde wie ein Junge, der soeben ein feuerrotes Feuerwehrauto zu Weihnachten geschenkt bekommen hat.



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