Kneten Sie Pastateig.

Das Magazin Kneten Sie Pastateig_s

Wer hätte gedacht, dass der Titel meines beliebten Kochbuchs «a casa» einmal Programm würde! Jetzt zwingt uns die Pandemie durch das Coronavirus, daheim zu bleiben. Und wir kochen – besser wohl als übel – mehr denn je a casa.

Meine Philosophie des Weniger-ist-Mehr, Reduce to the Max, Zeit als wichtigste Zutat, Entschleunigung, Dankbarkeit, Demut, achtsame Haltung und so fort. Das alles macht jetzt umso mehr Sinn. Alles wird gut, wenn wir zusammenhalten. Aber hey, danach muss es besser werden. Für alle!

Für die aktuelle Ausgabe von Das Magazin wurden kompetente Leute gefragt, was man in dieser Krise zu Hause tun kann, um die Freude am Leben nicht zu verlieren. Mein Freund, der feingeistige und brillante Journalist Christian Seiler, hat mich gefragt, wie man den perfekten Pastateig knetet.

Das ist unser ungekürzter Chatverlauf.

Lieber Claudio, schon am Schirm? Ich für meinen Teil bin da. Von mir aus können wir jederzeit starten. Gleich die erste Frage: Wie greift sich ein perfekter Pastateig an? Bitte sag jetzt nicht samtig oder seidig, wir wollen ja keine Hemden einkaufen.
Buongiorno, Carissimo! Am Schirm aber gleichzeitig noch am Telefonieren.

Easyeasy
Ein perfekter Pastateig fühlt sich an wie Spielknete: Genauso elastisch, leicht klebrig und natürlich seidig! Aber nicht wie ein Hemd, sondern wie ein Babyhintern.

Das ist endlich eine brauchbare Beschreibung. Fangen wir trotzdem ganz von vorn an. Warum haben so viele Menschen Respekt davor, selbst einen Pastateig zu kneten?
Vielleicht, weil uns die Routine fehlt? Dann sehen wir die italienische Nonna in einem Höllentempo kleine Kunstwerke zaubern und sind eingeschüchtert.

Ich persönlich bin ja auch eingeschüchtert, wenn ich Dir zusehe.
Gut, bei mir ist das natürlich auch Marketing. Auf Instagram zeige ich ja nur die brauchbaren Resultate, haha!

Zurück zum Start, zu den Problemen kommen wir noch. Wir beginnen mit Mehl und Eiern, richtig? Aber nicht einmal die besten italienischen Kochbücher wollen uns die genaue Relation verraten.
Das stimmt. Die italienischen Frauen, die ja die wahren Heldinnen und Hüterinnen der beliebtesten Küche der Welt sind, haben eine geheime Mengenangabe. Sie heisst: Quanto basta. Das bedeutet, so viel wie es braucht. Nicht jedes Ei ist gleich gross. Nicht jedes Mehl nimmt gleich viel Feuchtigkeit auf. Man startet mit der Grundformel 1 Vollei auf 100 g Weichweizenmehl pro Person. Aber wir entscheiden während dem Kneten, ob wirklich das ganze Mehl verarbeitet wird. Wir nehmen nur „quanto basta“ bis sich der Teig richtig anfühlt.

Damit sind wir genau an dem Punkt, vor dem sich Amateure fürchten. Wann genau fühlt sich denn der Teig richtig an? Man hat ja nicht immer einen Babyhintern zum Vergleichen in der Küche.
Ich glaube, der Vergleich mit der Spielknete trifft es ziemlich genau. Ist der Teig noch zu feucht, klebt er an den Händen und lässt sich nicht zu einer glatten Kugel formen. Ist er zu trocken, bekommt er Risse und hält nicht kompakt zusammen. Man muss die Konsistenz dazwischen treffen.

Okay. Ich habe jetzt das Mehl vor mir auf der Arbeitsfläche. Ich bastle einen Hügel, drücke an der Spitze eine Delle hinein und schlage die Eier hinein. Was jetzt?
Die Eier mit einer Gabel langsam verquirlen. Der Mehlkrater muss dabei gross genug sein, dass die Eier nicht über den Damm brechen. Dann wird man etwas mutiger und schneller, bis die Eier leicht schaumig werden und perfekt verquirlt sind. Langsam holt man dann mit der Gabel Mehl vom inneren Rand und arbeitet dieses mit kreisen Bewegungen in die Eier. Nach und nach wird der Brei immer dicker. Sobald man mit der Gabel nicht mehr weiter rühren kann, darf man die Hände benutzen. Ein bisschen Mehl schiebt man zur Seite und spart es sich auf, falls der Teig es braucht. Den Rest gibt man auf den Teig und fängt an, mit den Handballen zu kneten: Einen Zug nach vorne, Teig auf sich selbst zurückfalten, Zug nach vorne und so fort.

Schauen wir auf die Uhr. Wieviele Minuten sind vergangen, seit Du begonnen hast, die Eier zu verquirlen?
Einen Eierteig von Hand herzustellen dauert 10 bis 15 Minuten, je nachdem, wie viele gross die Teigmenge ist. Man darf dafür ja theoretisch auch seine Küchenmaschine benutzen. Aber wir haben ja jetzt Zeit. Zeit für Sinnlichkeit, Zeit sich in der Handarbeit zu verlieren. Das Drumherum zu vergessen. Es ist wie Yoga. Und natürlich dürfen wir Evan Funke, dem amerikanischen Shootingstar der neuen Pastabewegung nicht sagen, dass wir nicht von Hand kneten. Den sein Motto lautet #fuckyourpastamachine

Also ein Glück, wenn wir gar keine Maschine haben. Zwischenfrage: Was passiert, wenn der Damm bricht und die Eier über den Krater hinausrinnen?
Nicht schlimm. Am besten legt man sich eine Teigkarte zurecht, dann schiebt man die Eier einfach wieder zurück und schliesst den Damm. An dieser Stelle möchte ich auch etwas Wichtiges sagen: Relax. Bitte die Ansprüche beim ersten Mal nicht zu hoch setzen. Selbst gemachte Pasta schmeckt auch hundert Mal besser als gekaufte, wenn sie nicht instagramtauglich aussieht.

Ich erinnere mich daran, dass meine Hände beim Pastakneten manchmal ausgesehen haben wie Max und Moritz, die gerade aus dem Teigkübel fliehen. Wie vermeiden wir das?
Weniger Druck ausüben, wenn der Teig noch feucht ist. Und nicht mit den Fingern in den Teig tauchen, sondern immer mit den Handballen arbeiten. Auch da eignet sich übrigens eine Teigkarte super. Währen der Teig noch feucht ist, kann man mit der Teigkarte die Arbeitsfläche sauber schaben und das Mehl auf den Teig heben. Manche arbeiten gerne mit der Teigkarte, andere haben es mit den Händen besser im Griff.

Du bist Team Teigkarte?
Ja, zumindest für diesen Zwischenschritt von noch ziemlich klebrigem Teig zu oh, jetzt greift das Gluten, und jetzt mache ich dem Teig mit meinen Handballen die Hölle heiss. Denn tatsächlich ergibt energisches Kneten, bei dem auch Wärme erzeugt wird, einen viel elastischeren Teig. Man darf da wirklich mit dem vollen Gewicht aus der Schulter reingehen. Man sieht den Unterarmen einer Nonna ja auch an, wie kräftig sie Teig kneten kann. Da hält man sich als Kind mit frechen Sprüchen zurück, sonst bekommt man eine gefedert!

Ab dem Moment, wenn der Teig nicht mehr feucht ist, sondern sich richtig anfühlt: Wie lange noch kneten? Kann man zu kurz kneten? Oder auch zu lang?
Zu kurz ja. Wenn er nicht homogen und elastisch ist, lässt er sich nicht so gut ausrollen und wird brüchig. Die Pasta hat auch weniger Struktur und ist schlapp. Zu lange kann man Pastateig nicht kneten.

Immerhin ein Fehler, den man gar nicht erst machen kann.
Esatto!

Nehmen wir an, wir sind jetzt an dieser Stelle angekommen und sehen vor uns einen Teigklumpen, der unseren (und vielleicht sogar Deinen) Ansprüchen genügt. Was jetzt – und bitte ohne die Pirouetten, die uns auf Deiner Instagram-Seite immer so einschüchtern.
Jetzt muss der Teig ruhen, damit das Mehl weiter quellen kann und sich die Spannung löst. Geht am einfachsten, wenn man den Teig mit einer Schüssel für 30 Minuten abdeckt. Man kann ihn auch in Frischhaltefolie wickeln oder in eine Tupperdose geben. Mein Tipp: Man kann sehr gut gleich die dreifache Menge Teig als gerade benötigt machen und den Teig satt in Folie gewickelt oder vakuumiert bis zu drei Tage im Kühlschrank aufbewahren. So kann man völlig entspannt an einem Tag Tagliatelle machen, am nächsten Quadrettini und am dritten Pappardelle, oder worauf man gerade Lust hat.

Was zum Teufel sind Quadrettini?
Ahh! Meine Lieblingseinlage für Brodo (eine Brühe aus Gemüse, Geflügel oder Rind) oder mit Linsen, zu meinem liebsten Hülsenfrüchtegericht Pasta e Lenticchie. Die Form ist ganz einfach, zuerst schneidet man Tagliatelle und diese dann zu Quadraten.

Alles klar. Aber noch haben wir gar nicht die Pastamaschine ausgepackt. Welche Maschine? Per Hand? Oder mit Ferrari-Motor?
Please! Alles von Hand. Wenn schon, denn schon. Ausgerollt wird die Pasta mit dem Mattarello. Das ist ein 60 bis 120 cm langes Nudelholz mit einem Durchmesser von rund 5 cm. Das gute alte Rollholz geht zur Not auch, ist aber mit 30 cm Länge eigentlich zu kurz. Der Teig wird kreisrund und nicht zu dünn ausgerollt. Für alle gefüllten Formate wie Ravioli oder Tortellini, müsste der Teig so transparent sein, dass man die Holzmaserung vom Pastabrett darunter sehen kann. Für alle Nudeln, von Tagliarini über Tagliatelle, Fettuccine oder Pappardelle, darf der Teig ruhig 2 bis 3 mm dick sein.

Also muss ich meine Imperia-Walzenmaschine einmotten? Was macht denn den Unterschied?
Die ist schon auch praktisch, wenn man lange, gleichmässige Bahnen machen möchte für gefüllte Pasta. Zum Beispiel für Agnolotti dal Plin. Diese umwerfend schönen Teigkissen aus dem Piemont, die mit gezupftem Brasato gefüllt sind. Aber der Vorteil von auf Holz ausgerollter Pasta ist, dass sie rauer ist und somit die Sauce besser aufnimmt. Tagliatelle, die durch die kalten, glatten Stahlwalzen einer Imperia oder Marcato laufen, sind zu glatt. Das Ragù alla Bolognese haftet weniger gut an der eher glitschigen Nudel. Aber hey, nochmal: Bei Pasta muss man sich langsam nach oben arbeiten. Die Nonna, die das so lässig hinschmeisst, macht das seit 60 Jahren. Also kein schlechtes Gewissen haben, wenn man die schöne, teure Pastamaschine benutzen möchte.

Ich bin beruhigt. Denken wir einen Moment an Menschen, die das heute zum ersten Mal in Angriff nehmen. Welche Pasta sollen sie zubereiten? Und was dazu? Etwas Einfaches bitte, die Herstellung der Pasta war schon aufregend genug.
Bevor ich einen viel, viel einfacheren Teig verrate, empfehle ich als erstes, Tagliatelle aus dem Eierteig zu schneiden. Die schmecken mit Butter und Parmesan schon spitze. Immer daran denken, etwas Pastawasser aufzufangen und die Pasta darin zu schwenken, bevor man sie serviert. Die Stärke macht das ganze geschmeidig und cremig. Dann passt da natürlich ein ganz einfacher Tomatensugo dazu. Zwiebel in viel Olivenöl weichschmoren, gute passierte Tomaten aus dem Glas dazu, mindestens halb so viel Wasser wie Tomaten dazugeben(!) und mindestens eine Stunde einkochen. Salzen, pfeffern, finito. Von Fleisch- und Fischsaucen ganz zu schweigen, da kann man unendlich viele dazu kombinieren. Soll ich jetzt die noch einfachere Pasta verraten? Als Einstiegsdroge quasi?

Zum Glück hast Du nicht schon am Anfang davon gesprochen. Aber ja, natürlich, bitte:
Italien ist ja geografisch und klimatisch recht unterschiedlich aufgestellt in Sachen Pasta. 1 Vollei auf 100 g Mehl ist eine klassische Pastaformel aus der Emilia Romagna. Die Spinner im Piemont, die immer schon wohlhabender waren, knallen ja unverschämterweise 32 Eigelb auf 1 kg Mehl und machen daraus ihre feinen, goldgelben Tajarin (ja, die mit weissem Trüffel, die dich ganz schnell, dem Himmel ganz nahe katapultieren). In Süditalien hingegen, machen sie Pasta ohne Eier. Klar, wer hatte schon Eier? Und sie machen sie auch nicht mit Weichweizen, weil im trockenen, heissen Süden Hartweizen besser gedeiht. Das Grundrezepot geht so: Auf 100 g Hartweizenmehl (auch Semola rimacinata genannt oder Semolina) gibt man 45 g Wasser, fertig. Dieser Teig ist ungelogen in 5 Minuten zu einer hübschen, glatten Kugel geknetet. Nach 15 Minuten Ruhezeit kann man dann alle die wunderbaren Hartweizenformate daraus formen: Pici, Bigoli, Carratelli, Gnocchetti sardi, Cavatelli, Orecchiette, Trofie, Malloreddus, usw. Die passen zu Cime di rapa oder selbst gepflückten Wildkräutern wie Brennnesseln, Löwenzahn oder Bärlauch und natürlich fantastisch mit Hülsenfrüchten wie Erbsen, Kichererbsen, Bohnen und Linsen.

Warum hast Du das nicht gleich gesagt?
Bin vielleicht schon deformiert und gebe die Infos nur quanto basta raus.

In diesem Sinne: Basta così. Ich melde mich dann mit den Beschwerden unserer Leserinnen und Leser bei Dir.
Schick sie gerne auch auf meinen Blog. Über das Suchfeld finden sich jede Menge Pastarezepte!

Ja, den schreib ich unten dazu Ich danke Dir sehr. Das war sehr super.
Ich danke dir! Du bist so ein grandioser Freund!

Im Archiv dieses Blogs finden sich über die «Suchen»-Funktion jede Menge Rezepte mit selbstgemachter oder gekaufter Pasta. Natürlich mit allen passenden klassischen und neu erdachten Saucen dazu.

Hier schon mal eine Auswahl von zehn Rezepten, die ich besonders empfehlen kann. Gutes Gelingen und bleibt bitte gesund und gefrässig!

Schwarze Tortellini mit Oktopus

Spaghetti alla chitarra mit Artischocken und Erbsen

Gnocchi alla carbonara

Bucatini all’Amatriciana

Rigatoni mit Ragù alla Bolognese

Auberginen-Cappellacci mit Peperonicreme

Trofie al Pesto

Pappardelle al Ragù di manzo

Super einfache und schnelle Ricottagnocchi

Paradiesische Paccheri al pomodoro


Kurse für Pasta und Lievito Madre

Claudio Del Principe

Es gibt frische Termine für Pasta- und Back-Workshops mit mir.

Ich freue mich, nächstes Jahr neue Workshops für handgemachte Pasta und backen mit Lievito Madre anbieten zu können. Die Kurse in kleinen Gruppen finden wieder wie dieses Jahr im Mühlerama in der wunderschönen Mühle Tiefenbrunnen in Zürich statt.

Wer dabei sein möchte, sollte nicht zu lange zögern. Die Plätze sind erfahrungsgemäss schnell ausgebucht. Wäre vielleicht auch ein schönes Weihnachtsgeschenk für die eine oder den anderen?

Pasta Workshop
Sonntag, 16. Februar 2020
10:00 – 14:00 Uhr
CHF 145.00 inkl. Verpflegung und 1 Getränk
Info & Anmeldung

Lievito Madre Workshop
Samstag, 14. März 2020
10:00–14:00 Uhr
CHF 145.00 inkl. Verpflegung und 1 Getränk
Info & Anmeldung

Pasta Workshop
Sonntag, 26. April 2020
10:00–14:00 Uhr
CHF 145.00 inkl. Verpflegung und 1 Getränk
Info & Anmeldung

Pasta Workshop
Samstag, 06. Juni 2020
10:00–14:00 Uhr
CHF 145.00 inkl. Verpflegung und 1 Getränk
Info & Anmeldung


Veranstaltungen im Herbst

Der Herbst ist da, mein neues Pasta-Kochbuch erscheint und das stelle ich an auserwählten Orten vor. Ich freue mich sehr, wenn wir uns da oder dort sehen! Bitte frühzeitig reservieren, die Plätze sind limitiert.

15.10. | 19 – 21:30 | Kochkontor | Hamburg
Buchvorstellung, Talk und Degustation | 24 Euro pro Person
Anmeldung: info@koch-kontor.de

16. – 18.10. | Meet & Greet | Buchmesse | Frankfurt
Am 17.10. darf ich die GAD Silbermedaille für «al forno» entgegennehmen.
Vielleicht sehen wir uns auf der Messe? Ich bin meistens hier anzutreffen:
AT Verlag | artfolio Stand | Halle 3.0 | Stand E66

19.10. | 19 – 21:30| Fräulein Schneefeld & Herr Hund | Berlin
Lustiger literarisch-kulinarischer Abend mit Degustation
Vorverkauf : 17,50 Euro (gültig bis 18.10.) | Abendkasse : 22,50 Euro
Anmeldung: 030/773 25205 | schneefeld.hund@gmx.de

21.10. | 19 – 22 Uhr | Goldhahn & Sampson | Berlin Charlottenburg
Buchvorstellung, Pastaworkshop, Talk, Degustation | 39 Euro pro Person
Tickets: Goldhahn & Sampson

29.10. | 19:30 | Kulturhaus Bider & Tanner | Basel
Buchvorstellung, Talk, Signieren | CHF 15.-, mit Kundenkarte CHF 10.-
CHF 5.- können am Veranstaltungsabend an Einkäufe angerechnet werden
Tickets: T +41 (0)61 206 99 96 | ticket@biderundtanner.ch

6.11. | 19:00 |  Hotel Ansitz Plantitscherhof | Meran 
„Kulinarische Kreativität“ | Buchvorstellung & außergewöhnliches Dinner
5 Gang-Menü inklusive Aperitivo | 150 Euro pro Person
Anmeldung: info@plantitscherhof.com

15.11. | 19:00 | Neue Räume | Zürich
Design-Ausstellung in den alten ABB Hallen
Kulinarische Kreationen und Inspiration
Mit Kolumnist, Autor und Verleger Christian Seiler
Anmeldung: news@neueraeume.ch

18.11. | 19 – 21:30 | Haupt Buchhandlung | Bern
Buchvorstellung, Talk und Degustation
Reservation: Haupt Buchhandlung

21.11. | 19 – 20:30 | Orell Füssli Kramhof | Zürich
Buchvorstellung, Talk und Degustation
Reservation: kundenservice@orellfuessli.ch


a casa, al forno und jetzt: a mano.

Finito! Druckfreigabe für mein nächstes Kochbuch »a mano«.

Ich bin super erleichtert, dass ich das Baby endlich aus der Hand gegeben habe und zugleich schon wieder sowas von extrem gespannt, wie es gedruckt aussieht und bei euch ankommt! Pure Pasta-Vorfreude. Erscheint demnächst im AT Verlag wo es natürlich auch vorbestellt werden kann.

Zugegeben – wenn ich von Italien schwärme, male ich besonders die schönen Seiten aus, weil ich Land, Leute und Kulinarik meistens durch die rosarote Brille betrachte. Die Realität fällt ab und zu nüchterner aus. Wie die eine Begegnung mit einer meiner Cousinen in Italien. Auch sie schwärmte: »Claudio, die Fotos deiner Pasta auf Instagram sind der Wahnsinn, wunderschön!« »Danke« entgegnete ich, »du machst bestimmt genauso schöne Pasta!« »Ich? Ich mache doch keine Pasta. Ich habe noch nie selbst zu Hause Pasta gemacht.«

Ich war schockiert. Ihre Mutter machte wie alle meiner Tanten jede Woche mehrmals selbst Pasta. Und jetzt? Das ganze Wissen um Handwerk und Tradition futsch? Das Band der Weitergabe zerrissen? Niemand mehr da, um der nächsten Generation diese besondere Gabe zu schenken? Das kann ich nicht schlucken. Ich muss pasta fatta a mano retten! Das war die größte Motivation, nach »a casa« und »al forno« das monothematische Pastabuch »a mano« zu schreiben. Ich finde, wir dürfen die Zubereitung unseres Essens nicht der Industrie überlassen. Ganz allgemein nicht und erst recht nicht bei so etwas Sinnlichem wie pasta fresca.

Zum Glück stehe ich mit meiner Haltung nicht allein da. Nach der globalen Welle der Rückbesinnung auf gutes, selbst gemachtes Brot und eigenen Sauerteig gibt es von Los Angeles bis Tokio auch ein großes Comeback handgemachter Pasta. Es zählt ja heute allgemein mehr, was man kann, als was man besitzt. Pasta fatta a mano avanciert wie Sauerteigbrotbacken zu einem Lifestyle. Dank Social Media verbreitet sich die Sehnsucht danach rasant.

Die britische Foodautorin Vicky Bennison zum Beispiel hat sich aufgemacht, Großmütter in ganz Italien beim Pastamachen zu filmen. Ihre Pasta Grannies erobern gerade die Herzen der Global Foodies auf Instagram und YouTube. Die traditionellen Regionalrezepte der rüstigen Rentnerinnen, die sie dabei ans Licht hievt, sind ein unermesslicher kulinarischer Schatz. Bennison hat diesen in ein grandioses Kochbuch gepackt. Die neu entdeckte Passion für strikt von Hand geknetete und von Hand ausgerollte Pasta steigt – wie bei vielen Trends – vor allem in den USA gerade zur Hochblüte auf. Köche wie der bärtige Brummbär Evan Funke treiben die klassische Pasta-Kultur auf die Spitze, nachdem sie in Italien als sfoglini in traditionellen Pasta-Schulen das Handwerk von der Pike auf gelernt haben. Auch sein Buch erscheint dieser Tage. Funkes liebster Hashtag auf Instagram? #fuckyourpastamachine.

Auch in Italien entstehen vermehrt neue Pasta-Ateliers mit angegliedertem Esslokal. Ein neues Gastrokonzept, das vor allem junge Köche mit Verve umsetzen. Sie besinnen sich auf die Tradition, übersetzen diese aber in zeitgemäße, elektrisierende Gerichte. Der Blick auf die handwerkliche Herstellung der Pasta in einem offenen laboratorio flößt Respekt ein und macht Appetit. Gegessen wird nebenan. Oder zu Hause, weil es die frische Pasta auch zu kaufen und mitzunehmen gibt. Auch die Frauen der Emilia-Romagna, die immer schon im Auftrag von Trattorien und Feinkostgeschäften Pasta herstellten – sfogline genannt –, treten heute vermehrt in den Vordergrund und eröffnen eigene Ateliers und Pasta-Schulen.

Getrieben von so viel Neo-Pasta-Enthusiasmus, habe auch ich mein Pastabrett und das lange mattarello hervorgeholt und jede Menge Pasta geknetet, gerollt, gefaltet, gewickelt und gefüllt. Wie immer mit Achtsamkeit für hochwertige Zutaten, Sorgfalt im Handwerk und der unabdingbaren italienischen Leichtigkeit, mit der alles ein wenig einfacher gelingt.

Pastamachen ist definitiv erfüllend und befriedigend. Pro Kopf reicht ein Ei auf 100 Gramm Mehl, und schon beginnt die unendliche Liebesgeschichte hausgemachter Pasta. Allein die Namen schon zergehen auf der Zunge: Pappardelle, Quadrucci, Cappellacci, Garganelli, Campanelle, Tortellini, Agnolotti, Fagottini – und das sind nur einige der Pastaformen aus Eierteig.

Daneben gibt es Dutzende weiterer klangvoller und köstlicher Pastaformate, von Cavatelli über Trofie bis Orecchiette, die nur aus Hartweizen und Wasser bestehen. Jedes wird mit den passenden klassischen condimenti, ragù und sughi kombiniert. Als Zugabe gibt es einige unbekannte, betörend schöne Kreationen, die bestimmt den eigenen Ehrgeiz wecken, selbst ein kreativer Pasta-Maestro zu werden.

Meine Liebe für pasta fatta a mano in Worte zu fassen, ist manchmal schwer. Darum lasse ich gerne auch einfach mal meine Fotos sprechen. Denn beim Anblick mehlbestäubter, gelb leuchtender Pasta verlieben wir uns doch alle ein wenig.



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