a casa, al forno und jetzt: a mano.

Finito! Druckfreigabe für mein nächstes Kochbuch »a mano«.

Ich bin super erleichtert, dass ich das Baby endlich aus der Hand gegeben habe und zugleich schon wieder sowas von extrem gespannt, wie es gedruckt aussieht und bei euch ankommt! Pure Pasta-Vorfreude. Erscheint demnächst im AT Verlag wo es natürlich auch vorbestellt werden kann.

Zugegeben – wenn ich von Italien schwärme, male ich besonders die schönen Seiten aus, weil ich Land, Leute und Kulinarik meistens durch die rosarote Brille betrachte. Die Realität fällt ab und zu nüchterner aus. Wie die eine Begegnung mit einer meiner Cousinen in Italien. Auch sie schwärmte: »Claudio, die Fotos deiner Pasta auf Instagram sind der Wahnsinn, wunderschön!« »Danke« entgegnete ich, »du machst bestimmt genauso schöne Pasta!« »Ich? Ich mache doch keine Pasta. Ich habe noch nie selbst zu Hause Pasta gemacht.«

Ich war schockiert. Ihre Mutter machte wie alle meiner Tanten jede Woche mehrmals selbst Pasta. Und jetzt? Das ganze Wissen um Handwerk und Tradition futsch? Das Band der Weitergabe zerrissen? Niemand mehr da, um der nächsten Generation diese besondere Gabe zu schenken? Das kann ich nicht schlucken. Ich muss pasta fatta a mano retten! Das war die größte Motivation, nach »a casa« und »al forno« das monothematische Pastabuch »a mano« zu schreiben. Ich finde, wir dürfen die Zubereitung unseres Essens nicht der Industrie überlassen. Ganz allgemein nicht und erst recht nicht bei so etwas Sinnlichem wie pasta fresca.

Zum Glück stehe ich mit meiner Haltung nicht allein da. Nach der globalen Welle der Rückbesinnung auf gutes, selbst gemachtes Brot und eigenen Sauerteig gibt es von Los Angeles bis Tokio auch ein großes Comeback handgemachter Pasta. Es zählt ja heute allgemein mehr, was man kann, als was man besitzt. Pasta fatta a mano avanciert wie Sauerteigbrotbacken zu einem Lifestyle. Dank Social Media verbreitet sich die Sehnsucht danach rasant.

Die britische Foodautorin Vicky Bennison zum Beispiel hat sich aufgemacht, Großmütter in ganz Italien beim Pastamachen zu filmen. Ihre Pasta Grannies erobern gerade die Herzen der Global Foodies auf Instagram und YouTube. Die traditionellen Regionalrezepte der rüstigen Rentnerinnen, die sie dabei ans Licht hievt, sind ein unermesslicher kulinarischer Schatz. Bennison hat diesen in ein grandioses Kochbuch gepackt. Die neu entdeckte Passion für strikt von Hand geknetete und von Hand ausgerollte Pasta steigt – wie bei vielen Trends – vor allem in den USA gerade zur Hochblüte auf. Köche wie der bärtige Brummbär Evan Funke treiben die klassische Pasta-Kultur auf die Spitze, nachdem sie in Italien als sfoglini in traditionellen Pasta-Schulen das Handwerk von der Pike auf gelernt haben. Auch sein Buch erscheint dieser Tage. Funkes liebster Hashtag auf Instagram? #fuckyourpastamachine.

Auch in Italien entstehen vermehrt neue Pasta-Ateliers mit angegliedertem Esslokal. Ein neues Gastrokonzept, das vor allem junge Köche mit Verve umsetzen. Sie besinnen sich auf die Tradition, übersetzen diese aber in zeitgemäße, elektrisierende Gerichte. Der Blick auf die handwerkliche Herstellung der Pasta in einem offenen laboratorio flößt Respekt ein und macht Appetit. Gegessen wird nebenan. Oder zu Hause, weil es die frische Pasta auch zu kaufen und mitzunehmen gibt. Auch die Frauen der Emilia-Romagna, die immer schon im Auftrag von Trattorien und Feinkostgeschäften Pasta herstellten – sfogline genannt –, treten heute vermehrt in den Vordergrund und eröffnen eigene Ateliers und Pasta-Schulen.

Getrieben von so viel Neo-Pasta-Enthusiasmus, habe auch ich mein Pastabrett und das lange mattarello hervorgeholt und jede Menge Pasta geknetet, gerollt, gefaltet, gewickelt und gefüllt. Wie immer mit Achtsamkeit für hochwertige Zutaten, Sorgfalt im Handwerk und der unabdingbaren italienischen Leichtigkeit, mit der alles ein wenig einfacher gelingt.

Pastamachen ist definitiv erfüllend und befriedigend. Pro Kopf reicht ein Ei auf 100 Gramm Mehl, und schon beginnt die unendliche Liebesgeschichte hausgemachter Pasta. Allein die Namen schon zergehen auf der Zunge: Pappardelle, Quadrucci, Cappellacci, Garganelli, Campanelle, Tortellini, Agnolotti, Fagottini – und das sind nur einige der Pastaformen aus Eierteig.

Daneben gibt es Dutzende weiterer klangvoller und köstlicher Pastaformate, von Cavatelli über Trofie bis Orecchiette, die nur aus Hartweizen und Wasser bestehen. Jedes wird mit den passenden klassischen condimenti, ragù und sughi kombiniert. Als Zugabe gibt es einige unbekannte, betörend schöne Kreationen, die bestimmt den eigenen Ehrgeiz wecken, selbst ein kreativer Pasta-Maestro zu werden.

Meine Liebe für pasta fatta a mano in Worte zu fassen, ist manchmal schwer. Darum lasse ich gerne auch einfach mal meine Fotos sprechen. Denn beim Anblick mehlbestäubter, gelb leuchtender Pasta verlieben wir uns doch alle ein wenig.


Handwerk mit Biss.

Tonnarelli

Das kommt dabei heraus, wenn man liebt, was man tut und tut, was man liebt.

Dann möchte man nicht einfach Pasta machen. Man will perfekte Pasta machen. Jeden einzelnen Schritt meistern. Einen Handgriff nach dem anderen besser beherrschen als den davor. Sicher sein, was man tut und warum man es so macht und nicht anders. Das Handwerk lieben und ganz darin aufgehen.

Und immer besser darin werden. Zufriedener zumindest.

Heute nenne ich meine Spaghetti alla chitarra zur Abwechslung mal Tonnarelli. So nennt man sie in Rom. In den Marken und Molise nennt man sie auch Maccheroni oder Maccheroncini . Und in Apulien Troccoli.

Tonnarelli werden in Rom klassisch mit cacio e pepe serviert. Auch alla carbonara oder all amatriciana.

Tonnarelli haben Biss. Charakter. Sind kantig und rau. Aber wenn man sie zu zähmen weiss, mit der richtigen Sauce, werden sie sanft und geschmeidig. Aber im Kern, da haben sie immer noch diesen eigenwilligen, unverwechselbaren Biss!

Ich habe sie mit Aubergine kombiniert. Als Variante der ofengerösteten Aubergine, mit der ich die Cappellacci gefüllt habe.

Dazu Auberginen einstechen und bei 250 Grad im Ofen rösten. Sobald die Haut schwarz ist, wenden. Nach etwa 30 Minuten herausnehmen und auf dem Blech auskühlen lassen. Der Länge nach halbieren, das Fleisch mit einem Löffel abstreifen und dabei die braunen Stellen an der Schaleninnenseite auskratzen: Da steckt das rauchige Aroma drin! Mit Salz, Peperoncino und etwas fein geriebenem Knoblauch abschmecken.

Das Rezept für die Tonnarelli ist identisch mit dem der Spaghetti alla chitarra.

In einer Schwenkpfanne Butter schmelzen. Geriebenen pecorino romano und ein paar Löffel Pastawasser dazugeben. Bei mittlerer Hitze energisch zu einer cremigen Sauce verrühren.

Vom Herd ziehen, Auberginen und bissfest gegarte Pasta dazugeben, gut vermengen.

Tonnarelli Melanzane

Es ist der Blick auf das Wesentliche. Die Liebe zum Detail. Und die Fokussierung auf den Geschmack, die einen so glücklich macht.


Cappelletti Spinaci Fave

Man sollte nie unterschätzen, was man alles drauf hat, wenn man sich selbst nicht im Weg steht. Und: Improvisationskunst beim Kochen ist sehr, sehr befriedigend.

Nehmen wir als Beispiel die kausale Verkettung der heutigen Küchenarbeiten.
Nachdem ich diese schöne Tarte aux myrtilles meringuée bewerkstelligt hatte,

Tarte aux myrtilles

(nach genau diesem Rezept, mit Ausnahme des Rhabarbers, den man einfach mit 500 g Blaubeeren ersetzt), ergab es sich, dass ich sieben Eigelb übrig hatte. Also tat ich, was man in Italien schon seit Generationen in so einem Fall tut: Man konserviert die Eigelbe in Form von frisch gemachter Pasta.

Ohne weitere Gedanken daran, was wann aus dieser Pasta werden sollte, habe ich sie geknetet, in Folie gewickelt und einfach mal als Vorrat im Kühlschrank geparkt.

Stunden später machte sich schüchterner Appetit bemerkbar. Auf die Frage, ob sich bei ihm auch schon ein gewisser Appetit gemeldet hätte, antwortete mein älterer Sohn, ja, gewissermassen schon. Er sei aber noch unschlüssig, ob er noch zuhause essen oder aufbrechen und das Wochenende mit Freunden entkorken wolle. Was es denn gäbe.

Nun, ich habe frische Pasta gemacht, sagte ich, aber noch keine Idee, für welches Gericht. Es hat jungen Spinat, aber keine Ricotta. Frische Favabohnen. Aber keine Salsiccia. Aber ich möchte eigentlich gefüllte Pasta. Hm. Aber womit gefüllt?

Es gibt noch Reste vom Kartoffelsalat. Aber das ist wohl keine gute Idee. Oh! Warf mein Sohn ein. Es hat doch noch Polpette vom Mittag, taugen die als Füllung? Und wie, lenkte ich begeistert ein: Wir essen in 15 Minuten!

Der Teig ist schnell ausgerollt und mit einem Glas in Rondellen gestochen.

Um hübsche Cappelletti (mittelalterliche Hütchen) zu formen, belegt man sie mit einem Stückchen einer Polpetta (von kalten, gebratene Frikadellen bricht man einfach ein Stückchen ab; sie schmeckt herrlich würzig und hat die perfekte Konsistenz), drückt sie zum Halbmond zusammen und verschliesst die Enden, wobei man den Rand wie eine Hutkrempe hochstellt.

Cappelletti

Die Fave werden gepult, 5 Minuten blanchiert, abgeschreckt und dann geschält.

Den Spinat gibt man in eine Pfanne, in der zuvor Schalotten in Butter angeschwitzt wurden. Man lässt die Blätter nur eben in sich zusammenfallen, salzt und wendet sie und wenn sie vom kräftigen Grün in dieses ozeanisch tiefe Grün welken sind sie auch schon fertig zum Anrichten.

Bis es soweit ist, hält man sie in der Pfanne warm. Zusammen mit den geschälten Fave. Nachdem die Capelletti in Salzwasser gargezogen sind schöpft man sie in eine Schwenkpfanne mit Butter, gibt ein paar Löffel Pastawasser dazu und schaut zufrieden zu, wie sich langsam eine buttrige Emulsion um sie schmiegt.

Wer, so wie ich, noch etwas notvorrätige Demiglace im Tiefkühlfach hat, wärmt davon zwei Esslöffel, weil das gibt dem Ganzen noch eine grotesk spitzengastronomische Dimension.

Spinat und Fave auf dem Teller verteilen, Capelletti darauf setzen, mit der Butteremulsion nappieren. Etwas Demiglace auf dem Teller verteilen und – das ist eine extrem reizvolle Ergänzung – ein paar Späne Pecorino Fiore Sardo.

Zu recht fragt mein Sohn: «Wenn ein Pastagericht wie dieses so schnell zubereitet ist und so unverschämt gut schmeckt, warum servieren sie dann im Restaurant immer so langweilige Pastagerichte?»

Zu recht.



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