Reines Gemuese einschenken.

Seit Neustem trinke ich lauwarmes, püriertes Gemüse – und bin total angefixt!

Ich mache ja schon lange eigene Brühen und Fonds. Könnte ich allesamt literweise austrinken, würde ich sie nicht so sehr als grundsolide Basis für Saucen, Suppen oder Risotto benötigen.

Ja, selbst für einen simplen Gemüse-Risotto koche ich eine Karotte, Stangensellerie, eine Zwiebel, ein paar Pfefferkörner, ein Lorbeerblatt und einen Löffel passierte Tomaten auf und verwende diesen natürlichen Sud hundert mal lieber als einen Bouillonwürfel.

Die New Yorker machen übrigens gerade einen Riesenzirkus um selbstgemachte Brühe und sehen schon den nächsten mega Health Trend. Weil es den meisten aber doch zu aufwendig ist, holen sie sich einen Pappbecher to go in Lokalen wie dem Brodo (italienisch für Brühe) …

Nun denn. Kürzlich nun hatte ich Magenbeschwerden. Mir war alles andere, als nach Essen. Ich wollte meinen Magen etwas besänftigen und die Sprints vom Sofa auf die Toilette etwas in Schach halten.

Das funktioniert bei mir immer hundertprozentig verlässlich mit gekochten, pürierten Karotten. Warum dieses altbewährte Hausmittel so gut wirkt ist, hat man untersucht und festgestellt, dass beim Kochen der Karotten kleinste Zuckermoleküle entstehen, so genannte Oligosaccharide. Sie sind den Darmrezeptoren zum Verwechseln ähnlich, so dass die Bakterien statt an der Darmwand an den Zuckermolekülen andocken und einfach ausgeschieden werden.

Nebst der lindernden Wirkung, hat mir die, lauwarm aus einem Trinkglas eingenommene, Karottensuppe auch ausgesprochen gut geschmeckt. Dabei waren es doch nur: Wasser, Salz und Karotten?

Auch beim Zucchini-Risotto, der hier kürzlich vorgestellt wurde, habe ich mich schlagartig in die intensiv-grüne Zucchinicreme verliebt.

Ein paar Punkte, durch die sich meine „neuen“ Suppen von herkömmlichen Gemüsesuppen (wie diese hier, die ich natürlich nach wie vor auch mag) unterscheiden:

  • Auf das Anschwitzen von Zwiebeln wird verzichtet
  • Genauso auf Butter, Rahm und Öl
  • Das Gemüse wird nur mit Wasser bedeckt und weichgekocht
  • Aromagebende Zutaten werden nicht mitpüriert

Das Wichtigste ist aber tatsächlich, dass man die Suppe aus einem Glas trinkt – und nicht etwa löffelt! Es ist ein ganz anderes Ess-Gefühl. Die Suppe ist samtig weich, luftig und extrem mundfüllend, die intensive Farbe, Frische und Geschmackstiefe machen richtig Freude beim Trinken. Weil das Gemüse gekocht ist, ist nicht nur die Konsistenz weich, auch der Geschmack ist weich und rund.

Ein weiterer simpler Clou, um den Genuss hoch zu katapultieren ist, ein paar Flocken Fleur de Sel auf die Suppe zu streuen, kurz  bevor man trinkt. Das erzeugt eine erstaunliche Spannung zwischen Salzigkeit und Süsse.

Nach ein paar Schlucken, will man automatisch weitere Salzflocken darüber streuen, weil es so gut schmeckt. So rein. Sogar Pfeffer oder ein paar Tropfen Öl sind schon zu viel. Sie würden die Sanftheit, die Ausgewogenheit stören. Man sollte dieser Versuchung wirklich widerstehen.

So ab und zu muss auch ich auf die Bremse treten, damit ich bei aller Liebe zum Essen nicht aufgehe wie ein Ofenküchlein. Mit solchen leichten, aber aromareichen Süppchen mach ich das noch so gerne.

Und von wegen gesund, vegan, clean und all den Etiketten, die mich so was von nicht interessieren: Es ist tatsächlich – vegan. Aber ohne die üblichen Verdächtigen wie Sojasahne, Kokosmilch, Mandelmilch und sonstigen zwanghaft eingesetzten Ersatz-und-must-have-Produkte, ohne die Veganer anscheinend aufgeschmissen sind. Gemüse, Wasser, Salz. Eat this!

Ich werde wohl noch einige Varianten ausprobieren, diese hier hat mir heute besonders geschmeckt:

Fünf Karotten, ein Stück Knollensellerie und eine Zucchini schälen, grob würfeln und in einen Topf geben. Das weisse vom Lauch, Persilienstängel und eine Zwiebel dazugeben. Für eine mysteriöse Note und sublime Frische ein Stück Ingwer, zwei Wacholderbeeren und ein Stück Zitronenschale dazugeben. Alles mit Wasser bedecken, einmal aufkochen und dann zugedeckt, ohne Salz, etwa 30 Minuten weichkochen.

Lauch, Petersilienstängel, Zwiebel, Ingwer, Zitronenschale und Wacholderbeeren entfernen. Gemüse im eigenen Sud mit dem Mixer pürieren. Mit Salz abschmecken. 5 Minuten auskühlen lassen.

In Trinkgläser abfüllen, nach Belieben mit einem Küchenkraut garnieren und vor jedem Schluck ein paar Flocken Fleur de Sel auf die Suppe streuen.

Wenn die New Yorker das lesen, ist der nächste Hype gebongt.


Pot-au-fond un peut fou

Als ich kürzlich wieder einmal einen Kalbsfond zubereitet habe und dabei zufällig den Pot-au-fond erfand, war mir sofort klar, dass ich diesen als meinen vierten und letzten Gang in Steffen Sinzingers Projekt in 4 Gängen präsentieren würde.

Der Vater des Gedankens ist natürlich der Pot-au-feu. Dieser tröstende, klassische Eintopf mit Rindfleisch und Gemüse der ländlichen Küche Nordfrankreichs, den es in unzähligen Varianten gibt.

Allen eigen ist der Umstand, dass nicht wenige Spitzenköche auf die Frage, was sie als Henkersmahlzeit am liebsten essen würden, Pot-au-feu als Antwort geben.

Das ist – wie ich finde – nicht die schlechteste Antwort.

Deshalb hier eine weitere Abwandlung des Themas mit Kalb als Hauptzutat und einem tiefgründigen Fond anstelle der Fleischbrühe.

Zutaten Kalbsfond

  • 1 Kalbshaxe (etwa 1 kg)
  • 1 Kalbszunge (etwa 600 g)
  • 2 Karotten
  • 1 Steckrübe
  • 2 Sellerierippen
  • 1 Stück Knollensellerie
  • 1 Lauchstange (nur das Weisse)
  • 2 Blätter Endiviensalat (Lavata)
  • 1 Zwiebel (mit einer Gewürznelke gespickt)
  • 1 Bouquet garni (Petersilienstängel, Thymian, Lorbeerblatt)
  • 10 schwarze Pfefferkörner
  • 1 EL Tomatenmark
  • 1 Steinpilz (getrocknet)
  • 1 Stück Ingwer
  • 1 dl Rotwein
  • 1 dl Portwein
  • 1 Schalotte

Zubereitung

Kalbshaxe auslösen, parieren, Knochen in 5 cm hohe Stücke zersägen. Zusammen mit der Kalbszunge in 3 Liter kaltem Wasser ansetzen. Aufkochen, abschäumen. 1 Karotte, 1 Sellerierippe, Knollensellerie und Zwiebel zu Mirepoix schneiden und in wenig Öl anrösten, Tomatenmark dazugeben und mitrösten. Röstgemüse und alle anderen Zutaten in den Topf geben. Simmern lassen. Markknochen nach 30 Minuten, Karotte und Steckrübe nach einer Stunden herausnehmen und bereitstellen. Zunge nach 2 Stunden herausnehmen, häuten und in feine Scheiben schneiden. Kalbfleisch nach 3 Stunden herausnehmen. Muskelstränge auseinanderteilen und in 2 cm hohe Scheiben schneiden.

Fond passieren. In einem Saucentopf Rot- und Portwein mit einer grob geschnittenen Schalotte auf die Hälfte reduzieren. Zum Fond giessen und diesen eine weitere Stunde simmern lassen. Danach erneut durch ein feines Tuch passieren. Salzen.

Anrichten

Zunge, Steckrübe, Karotten und Fleisch in Scheiben im Suppenteller anrichten. Mit Fond aufgiessen. Mit Endiviensalat ausgarnieren und frischem Meerrettich bestreuen. Markknochen unter der Grillschlange oder mit einem Brenner karamellisieren, mit Salzflocken würzen und mit einem französischen Holzofenbrot auf dem Tellerrand servieren.

Ein Rückblick auf die anderen drei Gerichte, die ich zum Projekt beigesteuert habe:

Lamm | Vorspeise

Kartoffel | Vorspeise

Hirsch | Vorspeise


Stille Wasser sind tief

Pot-au-feu peut-être un peu fou: Pot-au-fond.

Ich bin bestimmt nicht der Einzige. Wir alle, die wir unseren dunklen Fond selber machen, waren vermutlich schon an diesem Punkt. Wenn man die Nase über den betörenden Brodel hält und nahezu mit dem beinah unmerklich aufsteigenden Dunst abzuheben droht. Fasziniert, wie aus Wasser, Wein, Gemüse und Knochen über 10 Stunden simmernd quasi flüssiges Gold für Gourmets wird. Diesen Duft einatmet. Und dann ernsthaft denkt: «Ich könnt auf der Stelle den ganzen Pot austrinken!»

Aber dafür ist er uns dann doch zu wertvoll. Und das Gemüse irgendwie auch. Denn es ist trotz der langen Kochzeit nicht zerfallen, weil es konstant unterhalb des Siedepunktes garte.

Also habe ich es gestern aufgehoben. Das wenige Fleisch zwischen dem Bindegewebe der Knochenstücke vom Fuss, Schwanz und der Brust vom Kalb ausgelöst und mit dem Gemüse in Supperteller verteilt. Den Fond dreimal passiert und entfettet.

Dann etwas von dem Fond mit frischem Wasser gestreckt, aufgekocht und den Teller damit aufgegossen. Grosszügig mit Fleur de Sel gewürzt und ein paar frisch gezupfte Endivien- und Petersilienblätter dazugegeben.

Und dann bin ich abgetaucht, in den grand Pot-au-fond. Diesen hocharomatischen, abyssischen Sud. Nicht ohne mehrmals ungläubig nach Luft zu schnappen.

Als nächstes werde ich wohl ein Fondue aus Demiglace zubereiten. In das man Mocken von Fleisch tunken kann. Werdet schon sehn.


Lasst uns Wurzeln erschlagen

Und auf dem Spaltbock: Schlachtfrisches sowie bestens abgehangenes Gemüse!

Wurzelgemüse – wenn nicht im Winter, wann dann?

So reich, so gut und so leicht in flüssiges Gold verwandelt. Und zwar mit diesem archaischen Werkzeug. Ich nenne es gut schweizerisch Passevite.

Das verbittet sich der Franzose. Er nennt es passe-vite. Pardon. Eventuell noch moulinette. Der Italiener sagt passaverdure dazu. Oha! Frei übersetzt etwa Gemüsemühle, wie passend.

Welcher küchensprachlich frivole Teufel aber die Deutschen geritten hat, ist mir ein Rätsel: Flotte Lotte. Echt jetzt?

Zugegeben, es gibt hübschere Geräte als dieses abgewetzte Teil. Aber es ist ein Erbstück und mit besten kulinarischen Erinnerungen konnotiert. Und damit macht man richtig gute Gemüsesuppen.

Wann hat das eigentlich angefangen, dass anständige Gemüsesuppen nur noch Crème, Süppchen, Schäumchen, oder fucking Cappuccino(!) sein dürfen?

Meine liebsten habe ich oft im Elsass bekommen. Mit kräftigem Weisswein-Geschmack. Rahmig, und mit diesen unzähligen kleinen Fettäuglein auf der Oberfläche. Da schmeckst du jedes Gemüse raus. Und das wollen wir doch, wenn wir eine Gemüsesuppe essen. Wollen wir das nicht?

Ich jedenfalls hab keine Freude an Gemüsesuppen die nur nach Zitronengras, Ingwer und uhh-ist-da-ein-Hauch-von-Kardamon? schmecken.

Jedenfalls nicht in unseren Breitengraden. Wenn ich Exotik im Suppenteller will, reise ich in ferne Länder.

Schaut mal bei Robert vorbei – allein schon wie viele Karottensorten es gibt. Dazu würfelt man Knollensellerie, jede Menge Rüben, Lauch, Schwarzwurzeln, Pastinaken, Petersilienwurzeln und was ihr sonst noch so auf dem Markt findet. (Meine Geheimwaffe: Ein paar dicke weisse Rippen vom Mangold dazu).

Alles in Butter mit Zwiebeln anziehen ohne es zu bräunen. Mit ein bis zwei Gläsern Riesling ablöschen, reduzieren.

Jetzt kann man mit einer guten selbst gemachte Geflügel- oder Rindsbouillon aufgiessen, oder – wers vegetarisch mag – einfach mit Wasser. Das Gemüse entwickelt genug Aroma, wenn man es eine gute Stunde langsam köcheln lässt.

Ein Loorberblatt und zwei Wacholderbeeren liegen auch nicht ganz falsch darin.

Dann dreht man alles schön durch (wenn ich jetzt Flotte Lotte schreiben würde, merkt man, wie befremdlich das klingt) das Passevite. Mit Rahm aufgiessen und nochmals aufkochen.

Hat man die Suppe nur mit Wasser statt mit Boullion aufgegossen, fehlen die schönen Fettäuglein. Kein Problem, einfach einen Esslöffel klare Butter oder von eurem Lieblingsöl darüber träufeln.

Natürlich kann man auch einen anständigen Minestrone mit dem tollen Wintergemüse machen. Inspiration gibts hier.


Wurzelsepp meets Suppenkasper

Genau. Winter klopft an, frisches Gemüse geht langsam aus: Schwarzwurzeln!

Sowieso legt sich mit der allmählich hochkriechenden Kälte diese Sehnsucht nach cremigweichen Suppen nieder wie die Nebeldecke im November. Ach, und sowieso stellt sich da eine leichte Übersättigung gegen die allgegenwärtige Kürbissuppe ein?

Dann ist ein samtiges Schwarzwurzelschaumsüppchen eine sehr feine Alternative.

Denn, ehrlich gesagt, haben wir doch den volksmundlichen Schmarren von wegen Winterspargel oder Spargel des kleinen Mannes noch nie ernst genommen. Meistens schmecken Schwarzwurzeln nämlich recht bleich, wenn sie so als Gemüsebeilage daherkommen. So ein Süppchen aber nimmt man gerne zu sich – auch mal als Zwischengang in einer Menüfolge.

Für das Süppchen schrubben wir die Schwarzwurzeln gründlich unter fliessendem Wasser. Auf klebrige schwarze Hände beim Schälen kann man verzichten: Die Wurzeln einfach mit der Schale 15 Minuten im Salzwasser kochen. Danach kurz im eiskalten Wasser abschrecken und die Haut lässt sich problemlos abziehen.

Als Suppeneinlage schneiden wir zunächst eine Wurzel zu Würfelchen, die wir dann mit etwas Zucker und wenig Öl karamellisieren und beiseitestellen.

Für die Suppe Schalotten in üppig guter Butter weichschmoren. Weichgekochte Schwarzwurzeln dazugeben. Mit einer gehaltvollen, hausgemachten Brühe (zum Beispiel vom Huhn) aufgiessen, aufkochen, einen guten Gutsch Rahm dazugiessen, dann alles aufmixen.

Mit Salz und Pfeffer abschmecken und durch ein feines Sieb passieren. Vor dem Schöpfen nochmals schaumig mixen. Karamellisierte Schwarzwurzelwürfelchen in die Mitte geben und Suppe mit einem extra aufgemixten Sahnehäubchen adeln.

Also wenn Cleopatra je bei uns hätte überwintern müssen, die hätte sich das mit dem Milchbad noch einmal überlegt.



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