Z’Basel an mym Rhy.

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Postkartenaussicht auf Mittlere Brücke und Grossbasel von der «Rhywyera» aus.

Das Kleinbasler Rheinufer könnte die attraktivste Ausgehmeile der City sein. Wasser, Promenade, historische Kulisse. Alles da. Nur die Gastronomie will (oder kann) nicht so recht. Wo andere Städte eine pulsierende Gastroszene (Betonung auf Szene) bieten, kann man die Restaurants hier an einer Hand abzählen. Wirklich ernst nehmen kann man nur das «Krafft» (zeitgmäss, bisschen kreativ, bisschen teuer), der «Schmale Wurf» (unkompliziert, bisschen mediterran, bisschen belanglos) und eben das «Rhywyera» (mit der zweifellos heimeligsten Terrasse).

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Auch innen ist das «Rhywyera» gemütlich eingerichtet. So halb chic, halb casual. Das wirklich unübersehbare ist der extrem freundliche Service durch die beiden Pächterinnen. Jetzt, in der kalten Jahreszeit, werde ich in den ersten Stock gebeten. Ich darf im romantischen Erker sitzen, wo es nur drei Tischchen hat. Der Ausblick von da ist schon mal die halbe Miete!

Und das Mittagsmenü katapultiert mich weit zurück in meine Lehrzeit, die ich an der nahen Greifengasse absolvierte. Als angehender Berater für Herrenmode gehörte es zum guten Ton, mittags im Restaurant zu speisen. Im Nachhinein ist mir schleierhaft, wie ich mir das mit dem mickrigen Lehrlingslohn leisten konnte, aber ich wollte es mir nun mal um jeden Preis leisten. Wohl ein zarter Wink, dass ich dereinst mehr mit Gastronomie als mit Mode zu tun haben sollte.

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Für faire vierundzwanzig Franken wähle ich das Menü und statt der Tagessuppe den Salat. Und es kommt: Ein Teller der diese Bezeichnung verdient. Knackige, frische, saisonale Salatblätter mit einer ausgewogen angerührten Vinaigrette.

Auch die Hauptspeise macht Freude. Zartes Hirschragout, hausgemachte Spätzli, cremiges Rotkraut, Rosenkohl und buntes Wurzelgemüse. Einzig auf neumodische Sprossen auf so einem klassischen Seelenwärmer könnte der Koch verzichten.

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Wer z’Basel am Rhy grundehrliche Gastronomie sucht, wird im «Rhywyera» happy.


Das Wild und sein wildes Kraut

Vielleicht ist es das, was einen erstklassigen Küchenchef ausmacht: Antrieb.

Maestro Steffen Sinzinger jedenfalls hat es geschafft, dass ich mich hoch motiviert auf die Suche nach Neuland machte. Für mein drittes Rezept in seinem Projekt In 4 Gängen durfte ich mir die Hörner am Hirsch abstossen.

Für die Vorbereitung auf die Vorspeise habe ich auch auf Facebook ein Lasso ausgeworfen: «Wer küsst meine kulinarische Muse? Was fällt euch ein zu Hirsch als Vorspeise?»

Super, was da an Inspiration kam.

Wilder heisser Ziegenkäse auf Wildsalat | Linsencurry mit Hirschsalsiz | Winterportulak | Foie gras d’Oie | Steinpilze | rote, süss marinierte Beete | Maroni Birne | frittierter Rucola | Risotto | Lakritze | eingelegte Schalotten | dünn gehobelte Topinambur | Birnen-Julienne mit weissem Port mariniert | Kohlgemüse | Kürbis | Gurken-Relish | Wacholder-Wildsauce | Quitte | Baumnüsse Mangold | Preiselbeeren und Pistaziencreme | Löwenzahn.

Danke nochmals für euren Input an dieser Stelle!

Langsam lichtete sich der Nebel und ich wusste, was ich will:

Carpaccio vom Hirsch, eingelegt in Gin und geräuchert mit Apfelholz.

Dazu, so die Idee, etwas, das auf dem Speisezettel des geweihtragenden Paarhufers stehen könnte, sprich Wildkräuter.

Ich habe mich aufgemacht und die Bio-Gärtnerei am Hirtenweg besucht. Sensationell, was die alles im Angebot haben! Und so viel mir Unbekanntes. Ich hätte mal besser das Buch So schmecken Wildpflanzen meiner lieben Kollegin Katharina Seiser konsultiert!

Die Auswahl war saisonbedingt arg eingeschränkt, aber ich habe dennoch tolle Kräuter mitgenommen:

Hirschhornwegerich

Nomen est Omen. Schmeckt säuerlich-bitter und im besten Sinn salatig, also salzig.

Eberraute

Ja, „Eber“, hab ich auch gedacht. Vergessenes Würzkraut, das früher zum aromatisieren von fettigem Fleisch verwendet wurde, schmeckt bitter-zitronig.

Römische Kamille

Ein bitteres, blumig-ätherisches Kraut.

Bergamottenminze

Wow, ein extravagantes Aroma – Minze und Earl Grey!

Meerfenchel

Tolle Entdeckung. Griechen und Mallorquiner verwenden ihn als Salat oder in Essig eingelegt. Fleischige, saftige Blätter mit einem herben Aroma, das allerdings keineswegs nach Fenchel schmeckt.

Roter Gewürzfenchel

Wunderschönes, filigranes Laub, schmeckt angenehm süsslich mit einer Anis/Fenchelnote.

Portulak

Eigentlich als Garten-Unkraut bezichtigt, angenehm nussig schmeckender Salat.

Süssdolde

Diese hübschen Blätter schmecken, wie der Name verrät, wunderbar süss.

Brunnenkresse

Frischer, leicht scharfer und typischer Kresse-Geschmack.

Rote Brunnenkresse

Intensive, dunkle Farbe und geschmacklich noch einen Tick intensiver als Brunnenkresse.

Löwenzahn

Man muss ihn lieben, herrlich bitter im Geschmack, ich mag das.

 

Die Kräuter zupfen und vor dem Anrichten 30 Minuten ins Eiswasser tauchen.

Für das Hirsch-Carpaccio, 1 kg schön pariertes Entrecôte einlegen

Lake herstellen aus:

1 dl                          Schwarzwald Dry Gin Monkey 47

20 g                        Salz

5 g                           Zucker

3 g                           Pfeffer weiss, gemahlen

1 Zweig                  Thymian

1 Zweig                  Rosmarin

3 Stk.                      Wacholderbeeren, angedrückt

Entrecôte vom Hirsch mit den Zutaten in einem Gefrierbeutel 1 Stunde im Kühlschrank ziehen lassen. Danach mit der Smoking-Gun und Apfelholz räuchern. Auf den Kräutersalat setzen und mit Flocken von Murray River Salz würzen.

Vinaigrette für den Wildkräutersalat:

1 reife Kaki-Frucht schälen und Fruchtfleisch vorsichtig zerkleinern. Mit Olivenöl und Apfelessig mischen, salzen, pfeffern (bunter Pfeffer; schwarz, weiss, rosa, grün) Vorsicht: alles nur leicht untereinanderheben, sonst zerfällt das Fruchtfleisch und die Vinaigrette wird trübe!

Zu den Kräutern einen Schnitz pickled Apple auf einer Selleriecrème (Sellerie weichkochen, pürieren, abschmecken) platzieren:

Apfel in dünne Schnitze schneiden und 1 Stunde einlegen in

40 g Apfelessig

40 g Wasser

8 g Zucker

2 g Salz

1 g Schwarzer Pfeffer

1 g Koriandersamen

 

Neben den Apfelschnitz einen rohen Steinpilz platzieren:

Hut vom Steinpilz in dünne Scheiben schneiden, mit PPURA Rosa Grapefruit Olivenöl einpinseln und auf Kürbiscrème (Kürbis weichkochen, pürieren, abschmecken) setzen.

Macht Freude – auch fürs Auge.

Was ich mit dem restlichen Hirsch-Entrecôte gemacht habe?

Angebraten natürlich, ganz klassisch.

Hirsch Entrecôte 600p



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