Sommerausklang
Kalt erwischt, der Herbst hockt uns auf den Fersen.
Der Sommer, der klingt doch schon ganz anders. Immer. Jedes Jahr verlangt er nach einer eigenen Begleitmusik. Der Sommer ist auch die einzige Jahreszeit, mit eigenen Hits. Noch nie hat ein „Herbsthit“ die Charts gestürmt. Nur so als Vergleich. Wer hört sich schon Sommerschlager an.
Für meinen Geschmack verstärkt Filmmusik der Sechzigerjahre die berauschende Wirkung des Sommers besonders hoch. Schon immer.
Überhaupt ist die Aura der Sixties denkbar perfekt und vollkommen als Kulisse für expressive Sommersehnsüchte – durch die Mode, die Architektur, das Design, den Jet Set, die Attitüde.
Zwei Frauen haben diese beflügelnden Fantasien einer stilsicheren Kultfigur übergestülpt. Die Schwestern Angela e Luciana Giussani aus Milano erfinden 1962 «Diabolik». Und begründen damit die erste und erfolgreichste Comicserie des Neo-Genres «fumetto nero».
Die diabolischen Geschichten des Gentleman-Gangsters und seiner kongenialen Lebensgefährtin Eva Kant zogen mich seit frühester Kindheit in ihren Bann. Diabolik hat sich in meinen Sommererinnerungen eingebrannt. Ich verschlang die schmalen Comicbändchen geradezu. Vor allem in den Strandferien in Italien.
Die Zutaten für den betörenden Lese-Cocktail waren Diaboliks Coolness, sein legendärer Jaguar E-Type (tatsächlich besitzt er mehrere, allesamt mit unfassbaren Gadgets ausgerüstet, die sogar Bond bleich aussehen lassen würden) und die abgöttische Liebe mit Eva.
Nun wieder zur Musik: Ennio Morricone schrieb 1968 die Musik zum Film Diabolik. Der Song «Deep Deep Down» sollte mein Soundtrack für den Sommer 2010 werden:
Bis ich die Cover-Version des brachial-genialen Stimmwunders Mike Patton fand:
Ja, wer spielt denn da vorne im Orchester Trompete? Unser Freund (und gemäss Stevan Paul mein Doppelgänger) Roy Paci.
Anscheinend reichten Patton seine Spielwiesen Faith No More, Mr. Bungle, Fantômas, Tomahawk und Peeping Tom nicht aus.
Anscheinend wurde er ebenso in den Bann von Diabolik und den italienischen anni sessanta gezogen, wie er sagt, denn er veröffentlichte dieses Jahr Mondo Cane. Ein Album voller italienischer Covers. Auf seiner Mondo Cane-Tour schmettert er die Songs vor einem 60-köpfigen Orchester.
Mondo Cane? Genau, das war dieser erste kuriose Dokumentarfilm von 1962. Besonders bizarr sind diese Szenen betrunkener Hamburger:
Wenn wir schon beim Trinken sind – und hier schliesst sich der Kreis wieder – dann gibt es einen aus stilistischer Sicht adäquaten Cocktail zum Sommersound 2010: Bellini. Ebenfalls eine Wiederentdeckung und nun zum Abklang ein letztes mal angehoben: «Adesso è il momento giusto, adesso è il momento vero!»
5 cl eiskaltes Püree von geschälten weissen Pfirsichen, 10 cl gut gekühlter Prosecco. Pfirsichpüree und Prosecco vorsichtig in ein gekühltes Champagnerkelch geben und umrühren. Auch der Champagnerkelch gehört zur Retroästhetik, bitte keine Flûtes.
Das Rezept stammt aus dem umwerfend schönen Buch Kronenhalle Bar, Drinks & Stories. Nicht nur der schwarze Leineneinband und der extravagante grüne Buchschnitt gefällt.
Auch die kultivierte Sprache, die erstklassige typografische Gestaltung und vor allem – was für ein Segen – das Weglassen jeglicher Fotos der Mixgetränke hebt dieses kleine Meisterwerk weit über die Masse vieler „pfiffigen“ Cocktailbücher.
Ach, Claudio, musst Du Salz in meine Wunden streuen und mich an den Ausklang des Sommers erinnern? Und dann noch mit dieser wunderschönen Musik und diesem leckeren (der Bayer sagt „guadn“) Sommercocktail? Ich weiß gar nicht, wie ich den Herbst und erst recht die dunklen Wintermonate überstehen soll. Naja, vielleicht verbarrikadiere ich mich einfach in meiner Küche und teste neue Rezepte. Oder ich setze mich an meinen Computer und lese Deinen Blog, der mich immer wieder erheitert.
-Verdammt, isses echt schon wieder soweit!?
-scheinbar geht es nicht nur mir so, dass die sommer der kindheit ewig dauerten und scheinbar nie zu ende gingen. besonders wenn in diesen sommern noch mit einem familienurlaub gekrönt wurden.monatelang gutes wetter, alle freunde und kumpels waren den ganzen tag zusammen und man genoss (fast) grenzenlose freiheit. heute scheints als sei das wetter durchweg bescheiden und die freunde und kupels sitzen nur noch zuhause und warten auf den einen tag der woche an dem man sich wieder trifft.
-aber wahrscheinlich ist das nur nostalgie……
trotzdem ein schöner Beitrag Claudio! und @ Kirsten: wir bekommen doch noch einen tollen altweibersommer (hoffentlich)
Hi Claudio, das war halt schon wieder ein super Artikel; obwohl der Sommer bei uns langsam aber sicher einzieht, werde ich diesen Drink probieren und versuchen, den Film „Diabolik“ aufzutreiben. Die Vorschau ist so genial – ich kann mir nicht erklaeren, warum ich das nicht schon vor langem gesehen habe??? Vielen Dank! Du hast mir einen bisher aeusserst langweiligen Tag mit viel Freude beschert…. Cheers…
-Geteiltes Leid ist halbes Leid, nicht wahr, Kirsten. Claus, wir sollten die Koffer packen und bei Rolf in Australien überwintern. Rolf, für zwei Betten und Freibier kochen für dich, aight? True, Sheik, true.
-Hallo Claudio, sehr schöner Beitrag, der Lust auf viele schöne Tätigkeiten macht: Lesen, gucken, trinken, mit Frauen Geld zählen…
-Frage: Gibt es die Diabolik-Comics auch auf Deutsch?
australien ist auch keine lösung, zumindest ist das wetter ähnlich wie bei uns,,,,,,,,,,,,
-sorry !! das wetter in Perth ist ähnlich 😉
-Hier, Moritz: http://amzn.to/cMPOMw und natürlich die DVD: http://bit.ly/aaJIXT, allerdings ohne Gewähr, ich hab sie immer auf Italienisch gelesen. Abflug verschoben, Sheik, war heute noch Mal topless an der Sonne – ein Hochgenuss!
-Heißt der Cocktail nicht „Bellini-Cocktail“? Das erste Video ist toll, obwohl bei der Fahrzeugwahl wohl Jerry Cotton Pate stand. Dein „Stimmwunder“ finde ich eher blass, was aber auch an der Aufnahme liegen kann. Die Sommerhits – ich erinnere mich da an so Katastrophen wie „Vamos ala Playa“ – brrr. Die Melancholie des zu Ende gehenden Sommers kann ich gut nachvollziehen, da wir hier (bis auf drei bis vier Wochen) keinen gehabt haben – wie jedes Jahr halt. Doch wie sagte schon Napoleon: „Deutschland – sechs Monate Winter, und sechs Monate keinen Sommer!“ Macht immer wieder Spaß, Deine Artikel zu lesen; auch wenn Du nicht kochst.
-Gruß
Mike
Ich kaufe ein „m“
-Ich spendiere dir das „m“ noch so gerne, Mike, dafür nehme ich dankend den „Bellini“ entgegen. Hatte ich doch glatt vergessen, das Kind beim Namen zu nennen! Die Stimme Pattons klingt in diesem Clip tatsächlich nicht sehr überzeugend, aber als „Stimmwunder“ gilt er vorwiegend wegen seiner schrillen Experimentierfreudigkeit und der Bandbreite, die er mit seinem Gesang in den verschiedensten Genres und Formationen auslotet. Ja, Sommer. Letztes Jahr hast du mir ja indirekt eine schöne Verlängerung ermöglicht: Montescudaio! Bleibt unvergessen. Ich hoffe, du kannst es auch wieder einmal einrichten.
-Diabolik!
-Also, ich träume von einem Haus in der Toscana in den Weinbergen, einem Strandhaus in der Karibik, einer Skihütte in den verschneiten Bergen in der Nähe eines wunderschönen Skigebietes in Österreich, einer Hütte irgendwo in Dschungelnähe in Costa Rica, einem Bloghaus in Kanada, einem Penthouse mit Dachterrasse in New York, einem Hausboot in Norwegen, einer Ranch in den USA und einem hübschen Häuschen in Südafrika. Dann ist mir das Wetter hier total wurscht, egal, schnuppe…. Und kochen kann ich überall. 🙂
-Sheik, Du kannst mich dann gerne besuchen! 🙂
Genial Claudio, danke, dieser neue, andere Patton war hier bislang ungehört. Viva Musica & Mangiare!
-Kannte ich auch nicht, danke.
Für mich ist der Jahreszeitenwechsel (obwohl hier am Niederrhein schon sehr lange der Herbst eingekehrt ist) eindeutig die Zeit für Akkordeon-lastige Musik. Besonders freue ich mich auf das neue Album des Arturo Fiesta Circo. Einen ersten Eindruck vermittelt die Single Le Royal hier:
http://www.myspace.com/arturofiestacirco
Als kostenloser Download hier:
http://www.viaaudio.it/media/fiesta/royal.mp3
Dazu trinke ich – wie fast immer – Riesling. Einen feinherben, das Wetter stößt mir sauer genug auf:
-http://utecht.wordpress.com/2010/09/14/gelbe-tomaten-gruner-wein/
hallo Kirsten
eine freundin mit dschungelhütte in „Sierpe“ Costa Rica habe ich schon, aber wenn die anderen träume bei dir wahrgeworden sind komme ich seeeeehr gerne, versprochen 😉
-ich finde es faszinierend was ihr alle für tolle foodblogs habt !!!!
-kompliment und respekt, die sind wirklich klasse!
@ Utecht, versuch doch mal eine köstliche Scheurebe aus unserem schönen an die toscana erinnernden Zellertals in der Pfalz statt riesling…..
@sheik
Scheurebe ist kritisch – habe durchaus schon angenehme getrunken, aber auch viel Mist. Empfiehlst du einen speziellen Winzer?
-@ Utecht
ich hatte die gleichen bedenken wie die ,,, scheurebe ????????. lass mich heute abend mal den winzer in erfahrung bringen und ich poste es dann umgehend;-)
-Die Bildsprache in Diabolik ist ja umwerfend „hintergründig“. Wer ist eigentlich der gutaussehende Counterpart?
-@ Utecht
Weingut Römerhof, Uwe Römer,67308 Zellertal
-Scheurebe trocken: 5,80 €
@ sheik
-Danke, ist notiert.
Du meinst die Frau, Andreas? Eben, seine Geliebte: Eva Kant (im Film gespielt von der hübschen Grazerin Marisa Mell)
-Genau, Utecht, und wenn der Herbst ganz trüb ist, muss ich ihn mir immer wieder mal vom guten alten Arno oder dann von Tom Waits schön singen lassen.
-Meine eigentlich John Phillip Law… der auch in Barbarella mitgespielt hat.
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