Verband

«Cut! Nochmal, ohne diesen Depp, bitte», hätte ich am liebsten ausgerufen.

Stattdessen schoss mir Blut in den Kopf und nach (einundzwanzig, zweiundzwanzig) ein paar Sekunden aus den Fingern. Ich blickte nur stumm und ungläubig.

Wie es passiert ist, darf ich niemandem erzählen. Jeder würde mich für einen kompletten Idioten halten. Zu recht.

Nicht etwa, als ich vorhin eine kleine Schalotte zielsicher in allerfeinste Würfelchen geschnitten habe – geschnitten, nicht gehackt! (Oh, wäre das nicht ein cooler neuer Spruch für Mister Bond? Jetzt, wo es ihm scheissegal ist, ob der Vodka Martini geschüttelt oder gerührt ist. Muss morgen grad mal den Marc Foster anrufen.)

Nein, ich wollte meinem fünfjährigen Sohn eine neue Nocke in den kaputten Saugnapfpfeil (was für ein Wort) schneiden.

Das ist der Schlitz am Pfeilende, der auf die Bogensehne gesetzt wird. Linke Hand: Pfeil. Rechte Hand: Messer. Aufgestützt: nirgends.

Wir reden hier von einem billigen (und darüber hinaus sehr eigensinnigen) Plastikpfeil mit einem Durchmesser von knapp vier Millimetern.

Und wir reden hier von einem WMF-Chefmesser mit einer Klingenlänge von über zwanzig Zentimetern.

Das Messer ist scharf. Ich habe es gewissenhaft über den Stahl gezogen, bevor ich die Schalotte geschnitten habe. Und ich habe beim Schneiden keine einzige Träne vergossen (was einiges über die Schärfe des Messers aussagt, und auch über meine Schneidetechnik, aber ich glaube, das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um mich damit zu brüsten).

Wie auch immer: Es tut mir auch weh, wenn ich das jetzt lese. Nicht nur das Lesen.

Für CSI-Fans und Schadenfreudige: Nachdem mir auf Druck mit der Klinge der Pfeil wie durch Hexerei abschmierte, säbelte das Messer mittig auf die Daumenkuppe. Selbst der Fingernagel konnte den rasanten Fall nicht stoppen und teilte sich willig zu einer perfekten Nocke. Dazu kam, aber das bemerkte ich erst viel später, ein klaffender Schnitt auf dem Mittelglied meines Zeigefingers.

Keine Frage, es gibt interessantere Samstagabendbeschäftigungen als so was. Aber nachdem ich erst viele, viele Wundgazen später die Blutung einigermassen eindämmen konnte (poch, poch, poch) musste ich mich fragen, wie interessant ist ein Besuch in der Notaufnahme am Samstagabend?

Ich wollte das nicht auch noch herausfinden.

Man kann nicht Bill Buford‘s Hitze mögen und dann den Warmduscher raushängen.

Immerhin kann ich noch mit acht Fingern diesen Post hier schreiben. So schlimm wird es also nicht sein. Ich sehs ja dann morgen früh.

Warum nur gibt es im Leben keine Rewind-Taste?

Chefmesser

Es gibt hier nichts zu sehen, klicken Sie bitte weiter.


19 Kommentare zu Depp mit Kuechenmesser verletzt

  1. lamiacucina am 25. Mai 2008 at 06:14:

    Professionell verarztet, bis die Notfallaufnahme das hingekriegt hätte, wärest Du halb verblutet. Beine hochlagern und ein Glas Rotwein.

    -
  2. Amadeus am 25. Mai 2008 at 08:44:

    Ich weiss ja nicht, ob das hier der richtige Ort für so ein Geständnis ist. Ich habe mir am Freitag an einem Sandwhich der Manor (ja, ein jenes mit dem wirklich harten, trockenen Weissbrot!) den Nagel meines linken Zeigfingers abgehoben. Gerade als ich in die Tüte griff, um das gute Teil gen Mund zu ziehen, schoss ein Schmerz durch meinen Körper und ein kleiner Strahl Blut über das Brötchen. Ist fast noch peinlicher, oder? Sich an einem Brot den Fingernagel abzuspalten. Sagt glaube ich auch einiges über meine Arbeit und die dadurch resultierende Solidität meiner Hände aus.

    -
  3. Mike Seeger am 25. Mai 2008 at 09:43:

    Das kommt davon, wenn man edles Küchenwerkzeug zweckentfremdet.
    Ich hatte mich, als ich noch jung und unbedarft war, mal beim Schnittlauch schneiden verletzt. Schnittlauch mit links ganz klassisch gehalten, feine Röllchen geschnitten, indem ich das Messer mit den Fingern führte. Ich hätte nur den Daumen nicht stehen lassen sollen. Das Messer ging da durch, wie das Kamel durchs Nadelöhr; erst der Knochen hat der rasanten Fahrt Einhalt geboten. Pawlowscher Reflex: Immer wenn ich Schnittlauch sehe, pocht der Daumen.
    Du wirst zukünftig bei Nocken mitnichten ans essen, sondern an Plastikpfeile denken. Wer hat Deinem Sohn denn jetzt den Pfeil repariert? Deine Frau, oder?

    -
  4. katha am 25. Mai 2008 at 10:04:

    armer schwarzer kater! die sache hat mindestens drei positive aspekte: 1. du hast dich nicht beim kochen geschnitten (dann hätten wir es auch bestimmt nie erfahren…), 2. deine messer sind scharf und 3. du bist nicht in ohnmacht gefallen, sondern kannst sogar den tatverlauf genau rekonstruieren. was allerdings wirklich böse ist: gute messer zweckentfremden. hat ein ordentlicher mann nicht immer ein feitl im sack für sowas?

    -
  5. Bolli am 25. Mai 2008 at 10:06:

    Ja ja, passiert mir recht oft……

    Na ja, Augen zu und durch, es wird schon wieder…..Meine Finger weissen auch schon schöne nette Narben an den Kuppen auf.

    -
  6. Frenk am 25. Mai 2008 at 12:28:

    Oh yes! Ich höre noch das sonore „Trrrr“ des gewellten Brotmessers auf meinem Fingerknochen…
    Ich hoffe du hast die Gelegenheit wahrgenommen, deinen Söhnen gleich Winnetou und Old Shatterhand pädagogisch näher zu bringen.

    -
  7. Titi Laflora am 25. Mai 2008 at 14:24:

    Autsch! Das tut ja schon beim Hinsehen weh. Dein Sohn wird dich zum Held machen, und seinen Freunden die Geschichte „Mein Papa und der blutrünstige Kampf mit dem Saugnapfpeil“ erzählen. Wünsche gute Besserung, auf dass bald wieder geschnipselt werden kann.

    -
  8. jürg am 25. Mai 2008 at 16:49:

    claudio! mit deinen fotos von sauber verbundenen fingern und abgewaschenen messern willst du den leser dazu anregen seine eigenen „schnittgeschichten“ zu erzählen. dies ist dir ja offensichtlich sehr gut gelungen! ich möchte nun aber deine wunde sehen, sei so gut . . .

    -
  9. Claudio am 25. Mai 2008 at 20:57:

    Habe deinen Rat befolgt, Robert, danke, kommt gut. Ich würde Manor auf Schadenersatz einklagen, Amadeus, in Höhe eines siebenstelligen Betrages! Nein, Mike, mein Sohn hat jetzt eindrücklich verstanden, dass man billiges Plastik nicht repariert, sondern wegschmeisst. Wir haben uns heute im Wald ein paar schöne holzige Pfeile zusammengesucht. Etwas musst du bedenken, liebe Katha, ein ordentlicher Mann überschätzt permanent Fähigkeiten, Feitl hin oder her. Ja, Bolli, auf die Narbe freu ich mich auch schon, kann man immer schön damit prahlen. Das nicht, Frenk, dafür musste ich heute beiden einen „Gruselfinger“ basteln, mit rot eingefärbter Gaze zum über den Finger stülpen – morgen wird er im Kindsgi und in der Schule vorgeführt – buäääh! Heute hab ich am Mittag und am Abend schon wieder mit dem Messer hantiert (auch Schnittlauch, Mike!), glaub mir, Titi, noch nie habe ich das Messer langsamer geführt, regelrechte Zeitlupe war das! Gehörst du jetzt zu den CSI-Fans, den Schadenfrohen oder einfach zu den Blutgeilen, Jürg? Nur so viel: Sah heute morgen sehr sauber und harmlos aus. Noch ein Grund froh zu sein, sich mit einem scharfen Messer zu schneiden. Hätte ich so ein doofes Lasermesser gehabt, wäre die Wunde um ein Vielfaches hässlicher gewesen. Wenn du darauf bestehst und es dich sexuell erregt, maile ich dir gerne zwei Bilder von den Wunden.

    -
  10. patrick am 25. Mai 2008 at 22:09:

    ma per carità, claudio! cosa fai!

    -
  11. Daniel Bachmann am 25. Mai 2008 at 23:19:

    Das mit den scharfen Messern ist schon so ne Sache, da zerfallen Zwiebeln vor Angst ganz von selbst in kleine Würfel, Plastikpfeile hingegen scheinen keine Angst vor Messern zu haben. Gut zu wissen.
    Der Vorteil ist, dank gespaltenem Daumennagel kannst du in Zukunft beim Rüsten ganz cool das Gemüse an dem Nagel festzwacken und neue Schneiderfahrungen sammeln und vor Gästen damit prahlen.
    Falls Du zu allem noch rauchen solltest, einfach Zigarrette aufn Daumen und gleichzeitig Teig kneten. Musst es so sehen, dein Daumen hat grad ein Upgrade erfahren 😉

    Trotz allem wünsche ich gute Heilung.

    PS: Amadeus, autsch, das ist echt übel.

    -
  12. BerlinKitchen am 26. Mai 2008 at 11:44:

    Mamma mia……….GUTE BESSERUNG! 🙂

    -
  13. Nina Reddemann am 26. Mai 2008 at 12:04:

    Wenn es jetzt in der Küche passiert wäre, dann könnte man schreiben: Das passiert jedem Mal, wird meist nur nicht öffentlich erwähnt 🙂 Ist übrigens ein guter Grund, um beim Gewinnspiel zu Bill Bufords Hitze mitzumachen.

    -
  14. fressack am 26. Mai 2008 at 22:25:

    Dappes.

    -
  15. Nicky am 29. Mai 2008 at 08:21:

    Gute Besserung! Deine Beschreibung war so gut, dass ich beim Lesen gleich mal meine Hände schützend zu Fäusten geballt hab. Und hat mich an unseren Ausflug in die Notaufnahme erinnert, als mein Schatz ein ähnliches Schicksal erlitt. Nur dumm, dass wir uns ausgerechnet den Abend einen hitzigen Fußballspiels gegen eine englische Mannschaft aussuchten… So war die Notaufnahme gut gefüllt mit blutverschmierten Fußballtrikots. Aber unterhaltsam war’s allemal 😉

    -
  16. zorra am 5. Juni 2008 at 11:28:

    Ein Indiander äh Foodblogger kennt kein Schmerz. 😉 Ich hoffe du lebst noch, da seit dem Missgeschick kein Post mehr von dir kam???

    -
  17. Claudio am 6. Juni 2008 at 00:43:

    Alles bestens, danke. Nachschub folgt in Kürze.

    -
  18. Jutta am 8. Juni 2008 at 19:10:

    Mir ist jetzt gerade ein wenig schlecht – dabei bin ich gelernte Altenpflegerin und kann einen Stiefel vertragen. So wie Du das beschreibst hätte ich mich nicht gewundert, wenn Du auch noch selbst genäht hättest… Hast mein Mitgefühl – besser spät als nie.

    -
  19. sheik am 13. Dezember 2012 at 14:54:

    Ach wie amüsant zu lesen:) auch und speziell die Kommentare…aber jetzt ernsthaft: ich dauer dich und bewundere wie tough und tapfer du die Sache angegangen bist.:) jetzt Sitz ich im Zug und mein gegenüber fragt sich wieso ich so blöd grinse……

    -

Kommentieren

 


Handcrafted by kubus media.