Schulter zum anlehnen

LammschulterFür gesunde Zähne gibt es fast nichts besseres, als Fleisch vom Knochen nagen.

«Merhaba Arkada?!», (Hallo, mein Freund!) sage ich, wenn ich mich in meiner türkischen Stamm-Metzgerei aufspiele. Immerhin akzentfrei – nicht holprig und anbiedernd (wie Sarah Wiener in Italien).

Vom Aussehen her geh ich ja ebenfalls als Türke durch. Das weiss ich, seit ich Tante Hedi vom Löwen in Staufen vorgestellt wurde. Als man ihr sagte, das ist Claudio, der Freund von Miriam, er ist Italiener, erwiderte sie mit schiefem Blick: «S kennt awer au e Tirk sei!».

Aber nach dem «Nas?ls?n?», (Wie geht es dir?) «sa?ol, iyi yim», (danke, mir geht es gut) ist dann auch schon Schluss mit der Oberflächlichkeit. Meistens ist er es, der dann geradeaus auf den Punkt kommt: «Brauchscht-do Flajsch?».

Einmal wollte ich eine kleine Lammkeule, unter zwei Kilo. Er hatte aber nur grosse. «Kannst mir auch nur ein Stück davon abschneiden.» Kopfschütteln. «Sicher nidt!» Die Bandsäge wirft er anscheinend nur an, wenn ihm seine Koteletts ausgegangen sind und er mir mit Steaks aus der Keule die bestellte Menge streckt, «das besser als Kotlet!». Ja,  sicher, Arkada?.

Er gab mir dafür eine Lammschulter von gut 1,5 Kilo. Für die Zubereitung im Ofen sei die perfekt. Jugoslawen würden viel Lammschulter essen! Er schneide sie mir ein, damit die Gewürze besser eindringen können. «Bist du verrückt?!», fahre ich ihn an, «leg sofort das Messer weg!» «Doch, das besser!» und setzt an. «Messer weg!», herrsche zurück.

Uh, das mag er gar nicht, wenn jemand bockt. Ich auch nicht! Er packt dann das Fleisch ein, übergibt es mir wortlos und wendet sich beleidigt dem nächsten Kunden zu. Aber wenn ich dann fast schon draussen bin, ruft er mir durch den halben Laden die dicksten Danke und besten Wünsche hinterher.

Letzthin habe ich also wieder einmal eine Lammschulter gekauft und, wie beim ersten Mal, wieder fast nichts damit gemacht – aber wie!

Ofen mit Umluft- plus Grillfunktion auf 220 Grad setzen. Marinade aus Olivenöl, Knoblauch, Salz, Pfeffer, Rosmarin, Salbei und – einem Drittel Weisswein (doch, das besser!) mörsern.

Lammschulter damit bepinseln und für eine gute Stunde ins Rohr legen. Der Clou: Alle zehn Minuten erneut mit der Marinade bepinseln. Wenn man zufrieden mit der Kruste ist, Ofen ausschalten und das Fleisch 15 Minuten ruhen lassen.

Dazu kann ich frisches Fladenbrot empfehlen und rote Spitzpeperoni, die sich im Ofen so lange neben die Schulter kuscheln dürfen, bis sie schwarz werden.

Dann nimmt man sie heraus, setzt sie auf einen Teller und wartet, bis sie in sich zusammensacken. Das ist der ideale Zeitpunkt, um die Haut abzuziehen (die sich dann ganz von alleine löst, ohne dass man sie vorher in ein Plastikssäcklein stecken muss, pfui!).

Mit Salz, Pfeffer, Knoblauch und bestem Olivenöl anrichten. So einfach geht das.

«Afiyet olsun!» (Guten Appetit!). Ich kann zwar fast kein Türkisch – aber wie!

Lammschulter mit Peperoni


13 Kommentare zu Schulter zum anlehnen

  1. katha am 24. Dezember 2008 at 11:59:

    danke für die weihnachtskitschfreiheit hier – aber wie!

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  2. Mike Seeger am 24. Dezember 2008 at 16:10:

    Ich hatte neulich ein ganzes Vorderviertel im Ofen. Fünf Stunden bei 120°C. Dazu gab es eine Rotweinsauce, Rosenkohl und Rosmarinkartoffeln. Das Fleisch war wunderbar zart und saftig. Deine Version gefällt mir allerdings auch. Gab es was davor? Oder danach?

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  3. Zoolicious am 24. Dezember 2008 at 16:30:

    Sieht gut aus – ich nehme an, das geht mit Lammkeule genauso – da fristet noch eine ihr Dasein in meinem Kühlschrank und sollte geschmort werden, Deine Art der Zubereitung gefällt mir aber auch.
    Mich würde allerdings noch eine kleine Sauce dazu reizen (oder vielleicht doch selbstgemachter Tzatziki?)

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  4. Claudio am 27. Dezember 2008 at 16:06:

    Nicht nur zu Weihnachten, aber da besonders, soll man den Kitsch wohl dosieren oder die Finger davon lassen – küss die Hand, Katha. Explizit zu dieser Schulter gabs nichts zuvor oder danach, weil es als „leichtes“ Sonntagabendessen herhalten musste, Mike. Sicher geht das auch mit Keule, Zoolicious. Sauce gibts bei dieser Zubereitung allerdings bewusst keine, weil der archaische Fleischgenuss ohne alles im Vordergrund steht, aber Beilagen eignen sich natürlich viele, bestimmt auch Tzatziki.

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  5. gastgecko am 3. März 2009 at 21:05:

    Das war köstlich! Ich habe inzwischen mehrere Deiner Rezepte ausprobiert und nie einen Reinfall erlebt und mehr nachgekocht als aus einem meiner diversen Kochbücher. Deine Rezepte hauen immer hin.
    Alleine schon die Abwesenheit von Sahne macht mir Deine Rezepte so sympathisch. Das simple, pure mit Olivenöl abgeschmeckte Gericht ist selten. Ich hatte etwas Sorge, dass die Schulter bei der hohen Temperatur nicht zart und saftig werden würde, unbegründet. Das Fleisch war butterzart und durch das bepinseln mit der Marinade war der Geschmack fantastisch. Die Paprika dazu – mmmmh.
    Jetzt warte ich auf was „Chinesisches“ – die Flädlesuppe soll jetzt mal verschwinden.

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  6. Claudio am 4. März 2009 at 17:30:

    Danke, das liest sich toll. Machen wir einen Deal: Ich liefere weitere schöne Rezepte und du überschüttest mich weiterhin mit so viel Lob, ja?

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  7. susanne am 18. Februar 2010 at 09:37:

    merhaba arkadas, habe das rezept gestern nachgekocht, cok güsel,vala..
    will sagen: wenig aufwand, grosse wirkung!

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  8. Anonyme Köche » Blog Archive » Die Schweinescholle am 11. April 2010 at 23:56:

    […] ja drauf: Schweins-Braten. Und: Stotzen. Ach so! Von der Lammkeule schneidet mir mein liebster türkischer Metzger doch manchmal auch mit der Bandsäge solche Steaks, wenn er keine Koteletts mehr […]

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  9. Cinzia am 12. August 2010 at 15:10:

    che goduria!! bin aus mangel an schultern zum anlehnen auf stramme schenkel umgestiegen… gute 1 1/2 stunden im ofen, perfekt! die ladies-night war gerettet! dein buch hat mir schon viele schöne stunden beschert, merci!

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  10. Claudio am 13. August 2010 at 22:13:

    Ich danke dir, Cinzia. Morgen gibts auch wieder mal eine Lammkeule – und als primo: past‘ e fagioli!

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  11. Utecht am 17. September 2010 at 12:47:

    Zu spät gesehen, diese Idee. Habe gerade eine Schulter klassisch provencalisch in den Ofen gepackt:
    Salzen, pfeffern, anbraten. Möhre, Zwiebel, Knoblauch dazu. Rotwein. In den Ofen, bei 160° für 90 Min. Ab und an mit erwärmter Brühe begießen.
    Dazu habe ich große weiße Bohnen mit Tomaten und viel frischem Lorbeer aufgesetzt.
    Aber beim nächsten Mal mach ich’s wie Du, Claudio…

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  12. Claudio am 21. September 2010 at 13:08:

    Mit grossen weissen Bohnen in Tomatensauce hast du mich am Schlafittchen, Utecht! Bei den Kräutern habe ich gerne Abwechslung, mal Lorbeer, mal Salbei, mal Rosmarin, aber nie alles zusammen.

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  13. Utecht am 21. September 2010 at 15:16:

    Tja Claudio,
    die Griechen nennen das ja passend „gigantes plaki“.
    Und ich liebe Hülsenfrüchte jeglicher Ausformung und in fast allen Zubereitungsformen…

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