Noch einen Paulsen, bitte!

Soll jeder lesen, wie er will. Ich für meinen Teil habe mir die Geschichten von Stevan Paul wie exklusive Truffes zugeführt: Eine aufs Mal und höchstens eine pro Tag. So liess sich der Genuss aufs Angenehmste ausdehnen.

Und jeder soll lesen, wo er will. Aber wer seine Bücher gerne wie ein Plüschtier mit sich herumschleppt – ich kann dieses Buch sehr „für unterwegs“ empfehlen. Weil, nicht jedes Buch eignet sich ja, sagen wir, um in einem Café gelesen zu werden.

Mit diesem jedoch schafft man es spielend, sich von der Umwelt abzukapseln. Geradezu als stöpselte man sich seine Lieblingsmusik ins Ohr. Ich liebe es, in einer geräuschvollen Kulisse mit einem guten Buch abzutauchen.

Die Geschichten tragen einem im Nu davon. Und das schaffen sie ohne Kraftmeierei. Dafür ist Paul ein zu subtiler Erzähler. Seine Geschichten sind fragil und kraftvoll zugleich. Um es mit einer seiner bevorzugten Schreibweise zu formulieren: Man liest seine Geschichten nicht – man atmet sie ein!

Egal, ob er uns auf seine Klassenreise nach Ostberlin mitnimmt, wo er, kaum hinter dem antifaschistischen Schutzwall, durchbrennt, um sich eine authentische „Roster“-Bratwurst zu holen (Die Bratwurstpalme). Oder uns in eine menschenleere Bar in Berlin schleift, wo er sich neben Blixa Bargeld der Eleganz des Sonntagnachmittagstrinkens hingibt (Sonntagnachmittagstrinker).

Stevan Paul hat ein ganz grosses Gespür für die ganz kleinen Dramen im Alltag. Das mag man sehr an seinen Erzählungen.

Ganz besonders auch, wenn er Episoden aus seiner nicht ganz so ruhmreichen Zeit seiner Kochausbildung auf eine wohltuend intime Art ausbreitet (Dann sind wir Helden, nur diesen Tag oder Ich bin der Fischmensch).

Dazu kommt seine Eloquenz, sehr pointiert und selbstironisch zu erzählen. Menschen, die sich davor fürchten, im Café als «oh-Gott-wieder-einer-dieser-laut-aus-sich-heraus-lach-Leser!» abgestempelt zu werden, lesen das Buch wohl doch besser in den eigenen vier Wänden.

Ich weiss nicht, weshalb das englische Idiom «Don‘t judge a book by it‘s cover» so populär ist. Absoltuer Käse. Gerade der Umschlag eines Buches kann einen untrüglichen Eindruck auf den Inhalt vermitteln.

Bei «Monsieur, der Hummer und ich» stimmt einfach alles: Layout, Farbgestaltung, Bindung. Ich pflege jedes Buch mit Hardcover zu beklopfen, und der Klang dieses Buchs befriedigt mich sehr.

Auch der Inhalt ist gekonnt gesetzt. Jede Geschichte wird zudem mit einem soliden Rezept und filigranen Schwarzweiss-Bildern (Stevan Paul) flankiert.

Eine Rüge – die zwar in der Regel jeden Koch glücklich macht – muss er sich allerdings von mir gefallen lassen: Es hat vorzüglich geschmeckt, aber ich hab noch Hunger – Nachschlag bitte!

Neue Lesung: http://www.erlesen.tv/04-09-09-stevan-paul/
Alte Lesung: http://www.youtube.com/watch?v=4bSGgQRQLQQ
Kommende Lesungen und Blog: http://nutriculinary.com/


13 Kommentare zu Noch einen Paulsen, bitte!

  1. Mike am 24. September 2009 at 01:26:

    Das steht als nächstes auf meiner Liste. Eine Lesung habe ich als Video schon genießen können. Dass er aber auch die Mini-Kartoffel nicht gar bekommen hat … 😉
    Die Gartenlaubengeschichte hat mir auch gut gefallen, die gibt es als Leseprobe. Nicht nur für Kochhaffine ein Genuss.

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  2. Clemens am 24. September 2009 at 13:03:

    Danke für den Tip. Ich bezweifele allerdings, dass ich mir diese (sprachlichen)Köstlichkeiten portionsweise eine pro Tag zu Gemüte führen kann. Bei solchen Leckerbissen mutiere ich dann eher vom Gourmet zum Gourmand

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  3. Claudio am 24. September 2009 at 14:10:

    Kannst dich echt drauf freuen, Mike. Clemens, Clemens, Clemens – bin ja grad so was von hin und weg ab eurem Hörtisch! Genau so etwas wollte ich schon lange umsetzen: Mit dem Thema Kochen & Essen, versteht sich. UKW geht ja nun leider nicht bis in die Schweiz. Wie wärs mit Podcast?

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  4. Clemens am 24. September 2009 at 15:36:

    claudio: tolle idee. you got mail!

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  5. thunfischdurchbrater am 24. September 2009 at 16:02:

    Mensch Claudio, bei dir wird man ja sogar in den Kommentaren fündig – der Hörtisch, abgefahren…

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  6. Mike am 24. September 2009 at 17:32:

    Podcast hatte ich auch schon einmal probiert. Mit einer kleinen Olivenölgeschichte. Möchte ich unbedingt wieder machen. Ich habe hier ein Buch von Paolo Monelli, dessen Geschichten rund um das italienische Essen und den italienischen Wein so gut sind, dass man eine Lesung von machen müsste. Ich muss aber die Rechtefrage klären. Ist ja nicht immer so einfach, mit den Urhebrrechten …

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  7. multikulinaria am 24. September 2009 at 17:34:

    Wenn ich normalerweise ein gutes Buch in die Finger bekomme, lasse ich es vor der letzten Zeile kaum aus den Händen, geschweige aus den Augen.
    Aber bei Stevan’s Buch ist es anders. Wie eine Tafel besonderer Schokolade, die man zwar am liebsten auf einmal schnabulieren mchte, aber sich doch aufspart und in kleinen Happen genießt…

    Von mir folgt (wenn ich demnächst ganz durch bin mit der Lektüre) auch eine kleine Einschätzung…

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  8. Herr Paulsen am 25. September 2009 at 08:53:

    Hach!

    Danke!

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  9. concuore am 25. September 2009 at 11:57:

    „Ich liebe es, in einer geräuschvollen Kulisse mit einem guten Buch abzutauchen.“
    Ja genau! Auch wenn es viele nicht verstehen, das richtige Buch und es es kein Problem. Und mit dem von Herrn Paulsen geht es wirklich wunderbar.

    Und wie (nicht ob!) es mit den Anonymen Köchen geht werde ich gleich ausprobieren. Danke!

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  10. BerlinKitchen am 25. September 2009 at 13:39:

    Hi Claudio,

    quelle surprise, Dein Buch ist gerade bei mir in Berlin angekommen! 🙂

    Boa, chapeau….. hast Du gut gemacht!!!!

    Alles Gute,
    Martin „BerlinKitchen“

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  11. Rolf Zullig am 26. September 2009 at 10:29:

    Sali Claudio
    Jetzt kann ich’s innerhalb kurzer Zeit schon wieder nicht mehr unterlassen, meinen Komentar auch noch in die Suppe zu schmeissen; Dieser Artikel hat, wie mittlerweile von dir gewohnt, sehr „attraktiv“ angefangen, und/aber jetzt wo ich diesen comment schreibe, kann ich mich kaum noch an den Titel des Artikels erinnern. Das „Problem“ liegt daran, dass ich mich so an deiner wunderschoenen Schreibweise ergoetzt habe, dass ich jeden Satz, ja, jedes Wort wie eine edle Praline genossen habe. Ich war so hypnotisiert, dass ich mich jetzt nur noch an Crevetten oder Langusten, oder etwas in dieser Richtung erinnern kann. – Ich hoffe sehr, dass du eine licence hast, solch ueberwaeltigende Artikel zu publizieren… (Ich lese diesen Artikel jetzt nochmals, diesmal ganz „nuechtern“ durch…)
    Cheers, Rolf
    (PS: Habe soeben KFC Cayenne zum Nachtessen erhalten – Auch nicht schlecht….)
    PS: oder bekommst du etwa eine Kommission fuer diesen Bericht? -;

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  12. Claudio am 26. September 2009 at 21:38:

    Den nötigen Bariton hättest du dafür, Mike Ich schätze mal, deine Einschätzung wird das Buch vor allem von der Schokoladenseite zeigen, multikulinaria 😉 Ja, sicher, Herr Paulsen! Und wo: Café, concuore oder in einer voll besetzten Osteria? Danke, Martin, schön, bist du wieder da! Haha, hypnotisiert, der ist gut Rolf! Vielleicht sollte ich so Texte schreiben, wie diese ätzenden Geistheiler reden, um Leute (welche auch immer) am TV oder Telefon abzuzocken. Ich bekomme jedenfalls nichts für meine Schreiberei, kein Geld, keine Kommission – dafür aber auch keine Klagen von geprellten Menschen in Seelennot. KFC hatte ich noch nie, hab ich was verpasst?

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  13. concuore am 28. September 2009 at 17:16:

    Habe es jetzt größtenteils im Cafe gelesen, am Bahnhof und im Zug, sehr gut und nochmals danke.

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