Geht doch. Nicht.

Teuer essen kann jeder. Dazu braucht es nicht mal guten Geschmack, ein dickes Portemonnaie reicht. Knifflig wird es, wenn es nicht teuer, nicht kompliziert und erst noch schnell gehen soll. Oder anders gesagt, wenn man über Mittag mit Kind und Kegel in einer fremden Stadt was Anständiges essen will.

In Pisa war einmal mehr Verlass auf den Slow Food Guide. Mitten in der Fussgängerzone, an der etwas abseitigen, arkadenumsäumten Piazza delle Vettovaglie, gibt es die Trattoria «Vineria di Piazza».

Die Tische unter den Arkaden sind verlockend – leider auch für Horden von Strassenverkäufern, die sogar resoluten Toskanerinnen die Contenance abringen: «Nein, ich will deine verdammten Halsketten nicht! Ich will in Ruhe essen, hau ab! H-a-u   e-i-n-f-a-c-h   ab!!!»

Im Innern alles sehr unkompliziert, alle sehr freundlich. Die Bedienung deckt auf (Coperto, Wasser und frisches Brot sind umsonst) und rezitiert die Tagesaktualitäten von der Schiefertafel: 1 Suppe, 2 Pastagerichte, 2 Fleisch, 1 Fisch, 2 Desserts – basta.

Das Menu wechselt täglich, nur der Preis ist seit Jahren unverändert günstig. Mit rekordverdächtigen 12 bis 15 Euro kann man sich einen veritablen Dreigänger zusammenstellen.

Weine gibt es genau zwei. Einen roten und einen weissen vom Haus.

Die schlichte Pasta lohnt sich zum Nachkochen: Strozzapreti con Moscardini, Radicchio e Noci.

Pastawasser aufkochen. Gutes Olivenöl erhitzen und mit etwas Knoblauch und Peperoncino aromatisieren. Pro Person gute 100 Gramm geputzte Moscardini (kleine Tintenfische) kurz anbraten, mit Weisswein ablöschen. Salzen, pfeffern. So lange offen köcheln bis die Pasta bissfest gekocht ist.

Eine Handvoll Chiffonade (feine Streifen) von Radicchio oder Trevisano für 2 Minuten zu den Moscardini geben, halbierte Baumnüsse und fein geschnittene, glatte Petersilie dazu und alles mit den Strozzapreti und einem Schuss Olivenöl vermengen. Parmesan? Hochgradig verboten!

Der Seeteufel hätte von mir aus nicht paniert sein müssen. Aber er war trotzdem von aussergewöhlicher Qualität (und vor allem nicht zu Tode gegart) für so ein einfaches Etablissement.

Auch wenn wir im Innern von Strassenverkäufern verschont wurden, ein Strassenmusiker schaffte es dennoch ins Fenster zu schnacken und durch dieses auch noch die hohle Hand hinzuhalten. Ein Test? Wollten die Toskanerinnen sehen, ob ich auch meine Contenance verliere?

Ein diskretes Abwinken ignorierte der Profi. Ein zweites ebenso. Sein verbales Tackling konnte ich ebenfalls mit souveränem Kopfschütteln parieren. Das las der alte Antagonist wohl als fehlende Italienischkenntnisse und warf mir ein derbes «Faccia di merda!» (Scheissfresse) vor die Füsse.

Da musste ich ihn selbstverständlich zur Räson bringen. Mit einem gut 85 Dezibel starken «A-oooh! Fammi vedere un pò di rispetto!» (Zeig mir mal ein bisschen Respekt!) rüttelte ich seine Demut wach, worauf er bücklings tausend Entschuldigungen anbrachte.

Was ihn allerdings nicht vor genervten Beschimpfungen der anderen Gäste verschonte und schon gar nicht vor der nun herbeigeeilten, resoluten toskanischen Bedienung, die ihn mit einer Tirade, länger als eine Menukarte, davonjagte.

Wer wenig Geschmack, noch weniger Zeit und erst noch ein ausgedörrtes Portemonnaie hat, kann auch hier essen gehen:

Ein Raum, nicht grösser als eine Garagenbox, eingerichtet wie ein verdammter Waschsalon, mit dem Unterschied, dass anstelle der Waschmaschinen Essmaschinen dastehen. Geld rein – Pasta oder Pizza raus.

Ich hielt es für besser, meinen Kindern – wie ein bigotter Katholik vor einem Sex-Shop – die Augen zuzuhalten und sie schnell davon zu zerren. Geht doch nicht!

In Pisa kann man sich natürlich den schiefen Turm ansehen. Oder ein noch schieferes Hochzeitsszenario: Asiatische Trauungen. Einzeln oder im Doppelpack und vor allem im Akkord, mit Filmteam und Statisten und dem ganzen Trallala.

Oder aber sich die wirklich schrägen Postkarten vom Turn, äh, Turm kaufen (also die ungewollt schrägen, nicht die doofen mit einem furzenden Bart Simpson, der dadurch den Turm in Schieflage bringt, als Beispiel).

Was ich wohl Schräges während der Buchmesse in Frankfurt zu essen bekomme?

Slow Food-Tipps anyone?

Ich bin von Freitag bis Sonntag dort. Ab und zu werde ich am Stand von GU anzutreffen sein: Halle 3, D 104.

See you around!


23 Kommentare zu Geht doch. Nicht.

  1. Alex am 14. Oktober 2009 at 06:55:

    Spätestens beim A-hoooo hat’s mich umgehauen :-))
    Strozzapreti sind wohl überall anders. Bei uns in L’Aquila sind es lange, fingerdicke selbstgemachte Nudeln ohne Ei. Wenn man nicht aufpasst, kann man daran doch sehr leicht ersticken. Aber ich liebe sie.

    Ah,übrigens bekam ich schon die erste Rückmeldung zu deinem Apfelkuchen, der gleich gestern nachgebacken wurde (O-Ton: un sogno!)

    Also, see you am Freitag!

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  2. Claus am 14. Oktober 2009 at 09:29:

    Traurig, traurig, in ner fremden Stadt biste ohne Insider-Führer kulinarisch echt arm dran. Mir geht´s jedenfalls fast immer so, Touri-Nepp ohne Ende – da kann man froh sein, so´ne Persle zu finden…

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  3. Thea am 14. Oktober 2009 at 09:30:

    Wie immer wunderbar zu lesen. Besonders gefallen hat mir Ihre für den „Petenten“ sicher überraschende fluent Italian Reaktion…
    Frankfurt: Aus meinen Verlagszeiten weiß ich, daß man sich während der Messe eigentlich um keinen Futtertrog kümmern muß. Irgend jemand hat immer irgend einen Tipp oder gar eine Einladung. Für den Fall der Fälle und zur Bewahrung vor Ihrem Hungertod ein Link des Slow-Food-Conviviums Frankfurt: https://www.slowfood.de/slow_food_vor_ort/frankfurt_m/genussfuehrer/restaurant_empfehlungen/

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  4. anette am 14. Oktober 2009 at 10:22:

    schön die toskanischen berichte…

    nun zum thema essen in francoforte…..
    nicht leicht empfehlungen auszusprechen..ich koche meistens selbst….
    aus der obigen liste kann man schuchs , reehstaurant , schaumahl , maingau(etwas langweilig) probieren…
    ausserdem osteria enoteca (soll einer der besten italiener deutschlands sein)
    villa merton ( franz. sehr schön am palmengarten gelegen)
    silk (im liegen speisen, )
    tiger restaurant ( mit showeinlagen)
    grössenwahn (eine der ältesten frankfurter institutionen)
    oder auf eine kleinigkeit und guten wein ins : dichtung und wahrheit (hier kocht man klein und fast ohne küche )
    apfelwein trinken (rischtisch frankfodderisch….) beim solzer (nur wenn man einen platz in der wirtschaft findet!!!) oder fichtekränzi
    oder auch auf eine rindswurst in der kleinmarkthalle…(den richtigen wurststand erkennt man an der längsten schlange und den wunderbar gefalteten pergamentpapier um die wurst rum…)
    problematisch könnte es überall sein einen platz zu finden während der messe…also reservieren…
    dann wünsche ich dir eine erfolgreiche messe…
    leider bin ich fr sa so nicht in der stadt….

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  5. Andreas am 14. Oktober 2009 at 11:10:

    hach ja, das las sich ja wieder runter wie Olivenöl 🙂

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  6. anette am 14. Oktober 2009 at 11:20:

    noch ein ps…
    falls du lieber messemottomässig in china bleiben willst…
    4 restaurants : shanghai…yung…yan jing…entenhaus…

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  7. Alex am 14. Oktober 2009 at 11:56:

    Hi Claudio,

    Slowfood Tipps nun nicht, aber es gibt ein grosses, lautes italienisches Bistro-Restaurant namens Garibaldi an der „Freßgass“ (eine Seitenweg davon), dort kann man für meine Begriffe sehr gut und authentisch (die Stimmung) essen (auch vom PLV gut solange du nicht Gaja Weine bestellst-Hausweine sind übrigens auch zu empfehlen). Mein Favorit: Stubenküken al Diavolo mit Oliven, Chili, Zitrone und so… herrvoragend!

    Aber vielleicht willst du ja eher hessisch essen gehen. Grüne Sauce probieren ist Pflicht! Sie schmeckt unter anderen besonders gut im Apfelwein-Wagner auf der Schweizer Straße.

    Pizza Automaten kann ich dir hier keine empfehlen… zum Glück!

    Grüße, Alex

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  8. Claudio am 14. Oktober 2009 at 14:35:

    Danke für die vielen Tipps – grossartig!

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  9. Zoolicious am 14. Oktober 2009 at 14:44:

    Schöner Bericht.
    Leider ist mein Italienisch seit dem Abi so schlecht geworden, dass ich wohl keinen Spaß mehr hätte – italienisch radebrechende Deutsche sind auch bei den „Originalen“ zweifelhaft beliebt. 🙂

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  10. Alex am 14. Oktober 2009 at 16:20:

    Ein Besuch in der frankfurter Kleinmarkthalle (zwischen Zeil und Römer) wäre natürlich auch nicht ganz falsch! Gruß, Alex

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  11. Sebastian am 14. Oktober 2009 at 19:09:

    Die „Vineria“ war eine der schönsten Entdeckungen bei einem Sommerurlaub in Pisa vor sechs Jahren. Allerdings scheint der Besitzer gewechselt zu haben, denn laut ihrer Website existieren sie erst seit knapp drei Jahren unter diesem Namen? Die mittäglichen Menüs waren jedoch auch 2003 ebenso schlicht wie grandios. Vielleicht sogar noch ein bisschen günstiger, eher zwischen 10 und 12 EUR, aber da kann mich die Erinnerung täuschen. Um den Schock mit den Pizzamaschinen und Hochzeiten zu verwinden hätte sich übrigens eine Stadtflucht nach San Piero a Grado empfohlen, dort gibt es eine hübsche, kleine Pizzeria (jedenfalls hoffe ich, dass es sie noch da gibt).

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  12. thunfischdurchbrater am 14. Oktober 2009 at 21:54:

    ach ja, wenn du nix findst, Rheinaufwärts. ca. 100 km. ich koch dir was

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  13. Dirk am 15. Oktober 2009 at 08:34:

    Hallo Claudio, ich weiß mir, da zum Bloggen momentan keine Zeit, nicht anders zu helfen, als vorerst die Kommentarfunktion hier zu nutzen, um mich herzlich für das wunderbare Geschenk zu bedanken, das hier per Post eingetroffen ist; stand natürlich schon auf dem Wunschzettel, wurde aber wegen völlig abgebrannt nach 2-monatiger Reise erstmal etwas aufgeschoben. Das war eine echte Überraschung und Freude. Klassebuch!

    Moscardini gibt’s bei uns natürlich ziemlich oft, Meer und Fischhändler vor der Haustür und die Dinger kosten ja so gut wie nichts, nächstes mal also mit Radicchiostreifen und Baumnüssen.

    Alles Gute,
    Dirk

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  14. Kirsten am 15. Oktober 2009 at 13:35:

    Coole Postkarten! Und unglaublich witzig Dein Bericht (mal wieder!) 🙂
    Na, dann wünsche ich Dir viel Spaß und Erfolg auf der Buchmesse! Toi, toi, toi!!!

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  15. Magdi am 15. Oktober 2009 at 14:28:

    Ich würd mir doch einen panino con mortadella mitnehmen. Man weiß ja nie. Ich habe von Frankfurts Gastronomie nur die schlimmsten Erinnerungen. Der schiefe Turm wird dich interssiert haben, wegen der Ähnlichkeit zum Hut von deinem Logo. Im größten Touristenhaufen Italiens kannst du auch nicht alles verlangen. Da gibt es immer genug Menschen, die mitverdienen möchten. Aber die gibt es überall! Wenigstens hast du gut gegessen;)

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  16. eat am 15. Oktober 2009 at 22:30:

    Pizza-automaten? Da sind die Hochzeiten ja noch harmlos.

    Viel Spaß in FFM, und lass uns wissen wo du essen warst.

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  17. Claudio am 15. Oktober 2009 at 23:19:

    Ach, Sebastian, Italiener und ihre Webseiten, die sind wie Uhren aus Bangkok – unzuverlässig. Wie jetzt, Claus, ich dachte, du kommst am Wochenende (mit einer hausgemachten, dampfenden Suppe für mich) an die Buchmesse? Dirk, das ist eine schöne Überraschung! Ich meine nur, weil Italiener und ihre Post, die ist ja auch wie Uhren aus Bangkok – freut mich, dass es angekommen ist, viel Freude damit! Danke, Kirsten. Das wärs, Magdi nicht nur ein Panino, gleich eine 80 Kilo Mortadella anschleppen und alle mal mit einem „richtigen“ Wurstbrot verköstigen! I will eat and let you know.

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  18. Magdi am 16. Oktober 2009 at 10:27:

    Das ist ja schon Gedankenübertragung! Ich habe einen Teil meiner Kindheit in der Nähe Frankfurts verbracht (in den 60ern). Mein armer Vater hatte solche Gelüste auf diese saugute Wurst, dass er nach einem Urlaub zu Hause in Italien, eine mit nach Deutschland genommen hat. Auf den Grenzen, die es damals noch gab, hat er Angst um seine Wust bekommen, sie mit einer Decke verdeckt und mehrere seiner (damals) 6 Kinder daraufgesetzt. Wäre sicher ein schönes Foto geworden;)

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  19. Isi am 19. Oktober 2009 at 13:40:

    Sehr lustiger Bericht. Werde ich mir merken, wenn ich mal in Pisa bin. Bin schon gespannt auf Deinen Bericht von der Messe.

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  20. caren am 19. Oktober 2009 at 17:55:

    Toller Beitrag, hat absolut mein Interesse geweckt!Danke für alles 🙂

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  21. Mike am 20. Oktober 2009 at 12:00:

    Jaaa, da sind sie wieder unterwegs, die Auf-Draht-Lösungs-GmbH-Kommentarknechte, die die Blogs mit ihren belanglosen Kommentaren zumüllen. „Ausgezeichnete Fotos! Beide gefallen mir sehr gut. Perfekte Arbeit! Mach weiter so! LG“, oder „Interessanter Artikel!Ich weiß diese Information nicht!Danke für die ausführliche Infos!Toller Beitrag!“ stammen aus meinem Blog mit Werbung für einen Blog mit gerade mal drei Beiträgen im Standard-Wordpress-Layout. Der erste hat noch nicht einmal mit Geld, sondern mit Fett absaugen zu tun. Dabei wollen die doch sicher nur Backlinks sammeln und Geld absaugen 😉 …

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  22. Claudio am 21. Oktober 2009 at 00:57:

    Danke Mike, habe das Ziel „neutralisiert“ 😉

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  23. NUR DAS GUTE ZEUGS » Blog Archiv » Abgekupfert KW 9 am 9. März 2010 at 10:37:

    […] war auswärts essen. Und hat ne klasse Idee mitgebracht: Strozzapreti con Moscardini, Radicchio e Noci. Mit Penne geht´s […]

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