Lasst uns Wurzeln erschlagen

Und auf dem Spaltbock: Schlachtfrisches sowie bestens abgehangenes Gemüse!

Wurzelgemüse – wenn nicht im Winter, wann dann?

So reich, so gut und so leicht in flüssiges Gold verwandelt. Und zwar mit diesem archaischen Werkzeug. Ich nenne es gut schweizerisch Passevite.

Das verbittet sich der Franzose. Er nennt es passe-vite. Pardon. Eventuell noch moulinette. Der Italiener sagt passaverdure dazu. Oha! Frei übersetzt etwa Gemüsemühle, wie passend.

Welcher küchensprachlich frivole Teufel aber die Deutschen geritten hat, ist mir ein Rätsel: Flotte Lotte. Echt jetzt?

Zugegeben, es gibt hübschere Geräte als dieses abgewetzte Teil. Aber es ist ein Erbstück und mit besten kulinarischen Erinnerungen konnotiert. Und damit macht man richtig gute Gemüsesuppen.

Wann hat das eigentlich angefangen, dass anständige Gemüsesuppen nur noch Crème, Süppchen, Schäumchen, oder fucking Cappuccino(!) sein dürfen?

Meine liebsten habe ich oft im Elsass bekommen. Mit kräftigem Weisswein-Geschmack. Rahmig, und mit diesen unzähligen kleinen Fettäuglein auf der Oberfläche. Da schmeckst du jedes Gemüse raus. Und das wollen wir doch, wenn wir eine Gemüsesuppe essen. Wollen wir das nicht?

Ich jedenfalls hab keine Freude an Gemüsesuppen die nur nach Zitronengras, Ingwer und uhh-ist-da-ein-Hauch-von-Kardamon? schmecken.

Jedenfalls nicht in unseren Breitengraden. Wenn ich Exotik im Suppenteller will, reise ich in ferne Länder.

Schaut mal bei Robert vorbei – allein schon wie viele Karottensorten es gibt. Dazu würfelt man Knollensellerie, jede Menge Rüben, Lauch, Schwarzwurzeln, Pastinaken, Petersilienwurzeln und was ihr sonst noch so auf dem Markt findet. (Meine Geheimwaffe: Ein paar dicke weisse Rippen vom Mangold dazu).

Alles in Butter mit Zwiebeln anziehen ohne es zu bräunen. Mit ein bis zwei Gläsern Riesling ablöschen, reduzieren.

Jetzt kann man mit einer guten selbst gemachte Geflügel- oder Rindsbouillon aufgiessen, oder – wers vegetarisch mag – einfach mit Wasser. Das Gemüse entwickelt genug Aroma, wenn man es eine gute Stunde langsam köcheln lässt.

Ein Loorberblatt und zwei Wacholderbeeren liegen auch nicht ganz falsch darin.

Dann dreht man alles schön durch (wenn ich jetzt Flotte Lotte schreiben würde, merkt man, wie befremdlich das klingt) das Passevite. Mit Rahm aufgiessen und nochmals aufkochen.

Hat man die Suppe nur mit Wasser statt mit Boullion aufgegossen, fehlen die schönen Fettäuglein. Kein Problem, einfach einen Esslöffel klare Butter oder von eurem Lieblingsöl darüber träufeln.

Natürlich kann man auch einen anständigen Minestrone mit dem tollen Wintergemüse machen. Inspiration gibts hier.


18 Kommentare zu Lasst uns Wurzeln erschlagen

  1. stefan w am 27. November 2012 at 23:25:

    Hallo Claudio
    nach dem Lesen dieses Beitrages MUSS ich einfach meinen Kommentar dazugeben.
    Denn so etwas wie „Wann hat das eigentlich angefangen, dass anständige Gemüsesuppen nur noch Crème, Süppchen, Schäumchen, oder fucking Cappuccino(!) sein dürfen?“ spricht mir aus der Seele. Und spätestens ab „Welcher küchensprachlich frivole Teufel aber die Deutschen geritten hat, ist mir ein Rätsel: Flotte Lotte. Echt jetzt?“ bin ich deiner Glaubensrichtung beigetreten 😉
    Die Suppe koch ich nach.

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  2. lieberlecker am 28. November 2012 at 09:04:

    Caro Claudio, darf man auch beides mögen? Ich liebe herzhafte Suppen wie Deine sehr, kann sie mir aber in einem schönen 4- und mehrgängigem Menü halt nicht so gut vorstellen. Da ziehe ich dann Süppchen, schäumchen oder Capuccinos vor.
    🙂
    Liebe Grüsse aus Zürich,
    Andy

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  3. magentratzerl am 28. November 2012 at 10:20:

    Das ist Gemüsesuppe, wie ich sie mag. Ab und zu ein Cappuchinöchen ist ja ganz nett, aber das ist wahre Suppe.

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  4. Klaf am 28. November 2012 at 15:34:

    „Flotto Lotte“-ich kenn es nicht anders.
    Wichtig ist, was unten rauskommt.

    Der musste einfach sein 🙂

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  5. Claudio am 28. November 2012 at 22:12:

    Willkommen im Club, Stefan. Man darf alles, Andy, auch die Dinge hinterfagen. Wie wahr, magentratzerl. Kennst du denn auch den Ursprung des Namens, Klaf?

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  6. sybille am 29. November 2012 at 19:49:

    …kannst du ruhig sagen…nur nicht…ich drehe die flotte Lotte schön durch…
    Deutsche Sprache..schöne Sprache!!

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  7. Ursula am 29. November 2012 at 22:21:

    Hallo Claudio,
    endlich mal ein Koch, der in eine Gemüsesuppe nicht zwingend eine Boullion hinein schüttet. Denn die Fettäuglein entstehen ganz von selbst: Ich röste das Gemüse immer – je nachdem was für eine Suppe es ist – in Ölivenöl oder Butterschmalz an.
    Tolle Ideen auf Deiner Seite – meine Freundin hat mich heute darauf aufmerksam gemacht!
    Wünsche ein schönes Wochenende!

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  8. Magdi am 30. November 2012 at 09:58:

    ich hab mich auch schon immer gefragt welche Lotte da wohl mitgewirkt hat.

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  9. Silvan am 30. November 2012 at 17:52:

    Laut Gefu, dem Hersteller der »Flotten Lotte«, der dieses Teil seit immerhin 65 Jahren so herstellt, stammt der von ihnen verwendete Entwurf angeblich von Charlotte Giebel, daher das Lotte. Wie flott sie war, darüber verrät das Internet leider nix, es scheint keine Bilder von der mittlerweile wohl recht alten Dame zu geben.

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  10. Claudio am 1. Dezember 2012 at 09:32:

    So, ich schreib denen jetzt eine Mail! Die sollen uns mal erklären, wie sie auf den Namen gekommen sind und warum sie es nicht einfach bei Passiergerät belassen wollten.

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  11. WildeHenne am 2. Dezember 2012 at 16:39:

    Als absoluter Suppenfan (und ich schreibe mit Absicht «Suppe» und nicht Süppchen), gebe ich Dir in allen Punkten recht. Ich mag währschafte Suppen, ob die nun passiert sind oder nicht. Früher wurde bei uns die Gemüsesuppe nie passiert. Da waren richtige Stücke drin. Heute wird ja nicht mal mehr passiert, alles ist immer gleich püriert. Ich mag gerne was zwischen den Zähnen. Und wenn ich irgendwann nicht mehr kauen kann, dann erst darf man mir pürierte Schonkost vorsetzen.
    Ich hab ja nichts gegen ein Schaumsüppchen in einer edlen Menüabfolge. Aber wenn ich friere und hungrig bin, dann hätte ich gerne eine Suppe.

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  12. ameliese am 3. Dezember 2012 at 16:31:

    Dankedankedanke! Echte Suppe! Aus echtem Suppen-Gemüse! Wenn ich noch einmal irgendwo ein kaltes sahnefreies Gurken-Schaum-Süpperlein (am besten noch mit alkoholfreiem Sekt – die Spinner?!)angedreht bekomme, muss ich leider aufstehen und gehen. Und dann werd ich laut sagen, dass ich echte fette Suppe will! Mit Butteraugen! 😀

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  13. Torsten Israel am 6. Dezember 2012 at 11:46:

    Toller Artikel, klasse geschrieben und spricht mir aus dem Herzen. Ich musste doch schmunzeln, beim Lesen und werde ganz sicher dem Thema Gemüsesuppen ab sofort eine größere Rolle zuordnen. Denn eines stimmt: Gemüsesuppen mit Rahm und Fettäuglein obendrauf sind eine Wucht.

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  14. Anonyme Köche » Blog Archive » Sterne fuer Sterbliche am 21. Dezember 2012 at 17:13:

    […] hatte die beste Tagessuppe, die man sich wünschen kann (wisst ihr noch, was ich letzthin über anständige Suppen geschrieben habe? […]

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  15. Le bonheur goûteux am 8. Januar 2013 at 11:53:

    Schlachtfrisches Gemüse auf dem Hackklotz finde ich als Vegetarierin natürlich spitze. Auch das Bekenntnis zur real soup statt zum fucking Cappuccino spricht mich an. Aber die Flotte Lotte empfinde ich im Vergleich zur eher prosaischen Gemüse-Mühle geradezu als Poesie ;-).

    Schöner Blog, nehme ich gern in meine Blogroll auf.

    Beste Grüße aus dem bonheur goûteux
    Claudia

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  16. Claudio am 8. Januar 2013 at 23:20:

    Flotte Claudia, merci!

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  17. Wurzeln, gegrillt | missboulette am 16. Februar 2013 at 16:00:

    […] haben. So sehr mag ich jegliches Wurzelwerk. Diesmal kein typisches (Wurzel)Gemüse, auch wenn ich flüssiges Gold immer schätze. Knorrige Wurzeln […]

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  18. Anonyme Köche » Blog Archive » Reines Gemuese einschenken. am 15. Juni 2016 at 09:04:

    […] paar Punkte, durch die sich meine „neuen“ Suppen von herkömmlichen Gemüsesuppen (wie diese hier, die ich natürlich nach wie vor auch mag) […]

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