Sorry, Alain Ducasse

FocacciaBei allem Respekt, Monsieur, Ihre Focaccia ist lamentabel. Das Rezept dafür befindet sich auf Seite 1019 (Pâte à focaccia) im «Grand livre de Cuisine d’Alain Ducasse». Ein grosses Buch, in jeder Hinsicht. Es wiegt satte 4,5 Kilogramm. Das ist wirklich sehr schwer. Ich habe kein anderes Buch, das nur annähernd an diese Gewichtsklasse herankommt.

Und dann die Füllung – mon dieu! Es ist einfach alles Formel 1. Wann immer ich versuche, ein Rezept nachzukochen, passiert das, was geschehen würde, wenn ich für Ferrari einen Grand Prix pilotieren würde: alle Beteiligten drehen im roten Bereich und am Ende ist alles Schrott.

Zurück zur Focaccia. Das war anders. Die Rezeptur ist erstaunlich. Noch nie hatte ich dieses Gefühl in den Händen: Die höchst präzis angegeben Komponenten vermengen sich sofort zu einer perfekten Masse! Mein lieber Ducasse, Sie haben «E=mc2» neu definiert! Hat Sie je ein Foodredaktor als Einstein der Kochkunst betitelt? Nicht!? Dann bin ich der Erste: Alain Ducasse ist der Einstein der Kochkunst!

Focaccia 2Was dann im Backofen geschah, war ergreifend. Ich musste mich hinsetzen. Gute zwanzig Minuten klebte mein Blick am Ofen-Fenster, damit ich keine Sekunde dieses physikalischen Wunders verpasste: Das Ding auf dem Backblech ging auf, als hätte es einen Atomreaktor verschluckt. Mein Hirn quittierte das Schauspiel mit völlig übertriebener Adrenalinausschüttung.

Aber nun muss ich leider auf den Boden der bitteren Tatsachen zurück kommen.
Sie schmeckt nicht halb so gut, wie sie aussieht.

Der hohe Olivenöl-Anteil gibt dem Kauerlebniss einen Einschlag nach Blätterteig-Croissants: aussen splitternde Knusprigkeit und innen buttrig-zarte Luftigkeit. So darf keine Focaccia schmecken.

Andererseits, wer so unsterblich weit oben ist, wie Sie es sind, und ein Kochbuch herausgibt, das einer Bibel gleichkommt, kann es sich leisten, den Geschmack für Focaccia selber festzulegen. Kochen Sie in Frieden weiter. Amen.

Grand livre de Cuisine


5 Kommentare zu Sorry, Alain Ducasse

  1. Boris Zatko am 19. August 2007 at 14:53:

    Lange hat’s gedauert. Aber wie eine gute Sauce ist das Ganze nun wirklich auf das wesentliche runtergeköchelt und reduziert worden. Einen neuen Mitesser habt ihr damit sicher! Nur auf euren beiden Fotos, lieber Claudio und lieber Widmi, da ist nur der Claudio so richtig scharf. Gleichwohl, es geht nicht darum, euch zu vernaschen, sondern die kulinarischen Köstlichkeiten.

    En Guete!

    Boris

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  2. Claudio am 20. August 2007 at 15:58:

    Danke, Boris. Freu mich jetzt schon auf deine regelmässigen Stammtischkommentare!

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  3. Anonyme Köche » Archiv » Die Welt isst eine Scheibe am 11. September 2007 at 23:10:

    […] geschmackloser sind die Variantionen davon, so scheint es. Alle Welt isst Pizza. Jeder scheint ein Pizzaexperte zu sein und nimmt für sich in Anspruch, die Beste zu […]

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  4. Ursula am 16. Januar 2013 at 22:38:

    Servus Claudio,
    gerade bin ich dabei, mich langsam durch Deine „Geschichten“ zu lesen.

    Ja, ja – es gibt unendlich viele Rezepte zum Thema Pizza! Viele Rezepte habe ich schon ausprobiert. Am Anfang mit mässigem Erfolg. Jetzt bin ich aber ganz zufrieden mit dem Ergebnis.
    Ein wunderbares Rezept für Pide habe ich von einem Türken, das ich mir im Original aufbewahrt habe. Es ist zu lustig. Vor allem die Zeichnung mit den „Fingerspuren“

    Werde weiterhin in Deinem Blog wühlen – er ist sehr unterhaltsam und erinnert mich an das Buch „Die letzte Delikatesse“.

    Grüße Dich aus dem tiefverschneiten Chiemgau!
    Ursula

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  5. Claudio am 20. Januar 2013 at 22:25:

    Schön, danke!

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