Moscardini

Mal schauen, was der Fischhändler so hergibt und dann was Schönes damit machen.

Von so einer sonnig-mediterranen Vorstellung träumen vermutlich nicht wenige urbane Landratten beim Einkauf: Ich zum Beispiel.

(Andere gehen nach Grönland, um in die Untiefen der Fischkultur abzutauchen.)

Man ignoriert einfach stoisch, dass man nicht mehr in den Ferien ist. Dort, wo der Händler auch selbst gefischt hat und dann mit dem Tagesfang im Laden steht.

Dort, wo kochen und einkaufen Dolce Vita war. Hier mündet Fisch kaufen ja leider oft in bitterer Enttäuschung.

Die Leichtigkeit und das Meer scheinen unendlich weit weg. Und die Inspiration ist so unterkühlt wie die Zuchtware, die auf dem Eisbett liegt. Und trotzdem, wir kriegen das schon hin!

Ich stelle meinen Shoppingradar auf supersensibel und peile das vernünftigste Preis-/Leistungs-/Frische-Verhältnis an. Dann entscheide ich mich für Spaghetti alla Marinara mit folgenden Zutaten:

2 Moscardini (kleine Kraken, Italien)
1/2 Kilo Vongole Veraci (Italien)
2 kleine Steaks vom Seeteufel (Mittelmeer)
300 g Dorschfilet (Norwegen)
12 Crevetten (Wildfang, Dänemark)

Sieht eigentlich gar nicht schlecht aus, denke ich, und mach mich ans Werk.

Frutti di Mare

Den Fisch abspülen und trocken tupfen. Die Moscardini sind bereits geputzt und ausgenommen. Die Vongole gebe ich eine Stunde in kaltes Salzwasser und spüle sie dann gründlich durch.

Pastawasser aufsetzen und Spaghetti oder noch besser, Linguine, aufkochen (ich habe „Spaghetti alla Chitarra“ ausprobiert und es dann bereut: sie sind zu dick!).

Soviel Olivenöl in eine weite Pfanne geben, dass die 3-4 längs aufgeschnittenen Knoblauchzehen bedeckt sind. Sehr gemächlich während 5 Minuten blondieren, danach Knoblauch entfernen.

Als Erste kommen die Moscardini ins Öl und werden bei mittlerer Hitze frittiert. Dann, gestaffelt im 2-Minuten-Takt: Seeteufel, Dorsch (beide in mundgerechten Stücken), Crevetten (vom Darm befreit), eine Prise Safranfäden.

Mit Weisswein löschen, reduzieren. Zwei Esslöffel passierte Tomaten dazu, salzen, pfeffern und eine Chiffonade aus glatter Petersilie darübergeben.

Dazwischen die Vongole abgetropft in einen Topf ohne irgendetwas auf höchste Hitzestufe geben. Nach 3 Minuten tanzt der Deckel und die Vongole sind ready.

Ab in die Sauce damit (Muscheln, die sich nicht geöffnet haben, vorher entsorgen).

Die knapp al dente gekochten Spaghetti mit einer Pastazange direkt in die Sauce hieven (wichtig, nicht abschütten, das ist pfui!) und eine gute Minute unter leichter Hitze mit der Sauce vermengen.

Doch, für einen kurzen Moment hat sich sogar die Sonne vom Duft berauschen lassen und die Nase über den Teller gestreckt.

Geht doch.

Spaghetti alla Marinara


11 Kommentare zu Darf man hier etwas Meer erwarten?

  1. Bolli am 22. April 2008 at 07:45:

    Europäisches Fischessen!

    Wo der Fisch nicht überall bei Euch herkommt!!!
    Beneide Dich um die Moscardini, die gibt’s hier nicht.

    Teller sieht klasse aus!

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  2. Boris Zatko am 22. April 2008 at 08:01:

    Also, bei uns gibt’s ja nur einen Fischladen, Claudio, und ich nehme an, dort warst du auch, oder? … Und wenn nicht, wo dann? DIE Info hat gefehlt.

    Aber Junge, es ist zwar erst 8 Uhr früh, und trotzdem habe ich bereits Lust auf Fisch. Eine großartige Leistung. Merci! 🙂

    Viele liebe Grüße

    Boris

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  3. Mike Seeger am 22. April 2008 at 09:36:

    Bedauerlicherweise mag ich ja nichts, was aus dem Wasser kommt (außer 20 – 30-jährigen Badenixen und besonders Halle Berry in „Stirb an einem anderen Tag“),aber würde ich Fisch mögen (vertragen), wäre das sicherlich eine meiner Lieblingszubereitungen. Ich glaube, ich lasse mich mal hypnotisieren (und konditionieren); so geht das nicht weiter!

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  4. katha am 22. April 2008 at 09:53:

    verehrter claudio, ich kenne tagesfangfrischen fisch jetzt im direkten vergleich (innerhalb von zwei monaten) aus thailand, sardinien und grönland. die krabben und shrimps haben mir eindeutig in grönland am besten geschmeckt (geräucherter polarsaibling auch, aber das ist ja hier nicht das thema, wenn’s um frischen fisch geht), oktopus und andere tintenfische in thailand, aber: beim fisch hängt es meiner erfahrung nach noch mehr von der zubereitung ab, ob er schmeckt. und das können die italiener ganz besonders gut. deine crevetten könnten übrigens aus grönland kommen (grönland gehört ja – noch – zu dänemark). die royal greenland „fabrik“ in ilulissat ist einer jener lebensmittelbetriebe mit dem höchsten hygienischen standard, die ich bisher gesehen habe. eine portion alla marinara bitte, gerne jetzt gleich zum frühstück!

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  5. Claudio am 22. April 2008 at 11:44:

    Bolli: Kleinere Auswahl, dafür tagesfrisch, wäre mir lieber, glaub mir!
    Boris: Dörig sollte sich verdammt noch mal einen anderen Standort suchen. Pratteln-Ghetto-Hood ist definitiv unpraktisch. Ich hab bei Manor eingekauft, ich hab dort ein gutes Gefühl. Globus ist way to expensive.
    Mike: Hey, besser eine Fischintoleranz als eine Fleischallergie. Dann hättest du ein echtes Problem! Aber ernsthaft, ich musste an dich denken beim Schreiben. Ist schon gemein. Hypnose, Vincent Raven anrufen, nackt bei Vollmond eine lebendige Kröte schlucken – mach was, irgendwas, das deinen Körper wieder zur Vernunft bringt!
    Katha: Hey, Miss Jet-Set! Ist ja spannend, wo du überall rumkurvst. Wenn du wieder daheim bist, möcht ich mehr davon lesen, ja? Und bereite dich auf die ultimative Linzerbattle vor!

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  6. katha am 22. April 2008 at 12:06:

    miss jet-set ist tatsächlich und wahrhaftig nach 14 flügen und noch viel mehr mahlzeiten innerhalb von 12 tagen daheim! und bleibt dort voraussichtlich auch für ein paar…wochen. lesen wirst du über grönland, bis du dir ein air greenland-ticket kaufst! denn nach thailand kommt man ja mittlerweile so einfach wie nach tschaorle! an die linzerse habe ich in den letzten wochen öfter gedacht (vor allem in grönland, da gab’s zu wenig kuchen). lass uns einen guten backtermin ausmachen, weil: das muss am selben tag sein! ob sie dann noch ganz oder schon vorportioniert ankommen, ist eine ganz andere frage. ideen?

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  7. Bolli am 22. April 2008 at 13:00:

    Okay, das verstehe ich!

    Zu Katha, man sollte übrigens nie fangfrischen Fisch essen, jetzt hängt natürlich davon ab, was man als fangfrisch bezeichnet, gerade aus dem Netz oder schon ein paar Stunden hin und her auf dem Meer geschaukelt….
    Ich habe immer Thunfisch à la ligne im Mittelmeer gefangen und wollte die, Laie!, damals auch sofort anschneiden und essen, aber, dann schrie der Koch immer auf und sagte: bloss nicht, erst ein paar Stunden kaltlegen…..
    Den Fisch, den man in Island oder auf der Ïle de Ré, Oléron in Quiberon oder Marseille bekommt, der ist eh ein paar Stunden ( bestenfalls!), Tage oder Wochen alt…….
    Vielleicht kaufst Du dann besser tiefgekühlten?
    Oder, isst ihn lieber am Meer, aber nichts destotrotz, dein Rezept war super!

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  8. Mike Seeger am 22. April 2008 at 13:01:

    „Hypnose“ oder „nackt bei Vollmond eine lebendige Kröte schlucken“ sind meine Favoriten. Bei Vincent Raven befüchte ich, in Kontakt mit schon viel zu lange verstorbenen Fischen zu kommen: Was will ich mit virtuellem, altem, verstorbenem Fisch?

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  9. jürg am 22. April 2008 at 22:45:

    danke claudio für diesen kurzen ausflug an das meer, ich konnte es wirklich riechen, unglaublich . . . als kleinen trost knabbere ich ein halbes pfund pistazienkerne zum CL-halbfinale (die ganz billigen aus dem denner, 1/2 kilo sack, nix bio oder integrierte produktion). auch ich liebe linguine zu einem solchen meeresboquet, die form ist einfach viel interresanter im mund. du kaufst den fisch bei manor, da frage ich mich ob im st. jakob-park oder im kleinbasel? achtung, jetzt kommt sicher die antwort: „st. jakob-park ist ein no-go“. oder?

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  10. Boris Zatko am 23. April 2008 at 08:33:

    Es gibt nur einen Ort in unserer Umgebung für Fisch, und zwar hier.
    Ich hoffe jetzt nur, ich liege bei meiner obigen Vermutung deines Fischkaufs richtig, Claudio!

    Viele liebe Grüße
    Boris

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  11. Claudio am 23. April 2008 at 11:51:

    Jürg: Es gibt ein Dutzend Gründe den St. Jakob-Park zu meiden (und ich sollte das auch konsequent tun), aber er hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Manor im Kleinbasel: Das Parkhaus!
    Boris: Wie gesagt, Qualität und Angebot sind im Fisch-Mercato 1a, aber die Pratteler Industriezone liegt halt nicht gerade auf meinem Einkaufsweg (was nicht heisst, dass ich auch gerne mal eine Ausnahme mache).

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