Zweite Chance zum Beeindrucken

Wer öfters Fond zubereitet, und das werden viele sein, die diese Zeilen lesen, sollte sich einmal mit diesem Gedicht belohnen: Ravioli mit Kalbfleischfüllung.

Mehr aus Zufall denn als Absicht, ergab es sich eines schönen Tages, dass mein Metzger mir für einen Fond nebst blanken Knochen und Füsschen vom Kalb auch Kalbs-Brustknochen mit etwas Fleisch dran einpackte.

Natürlich kann man auch extra Kalbshaxen oder Ochsenschwanz zubereiten, um damit ganz wunderbare Füllungen für Ravioli herzustellen.

Aber so ganz belanglos mit – zu unrecht – als wertloser Abschnitt bezeichnetem Kalbfleisch nach der Herstellung eines Fonds ein so elegantes Essen hinzuzaubern ist, im besten Sinne, erfüllend!

Es folgen leider keine präzisen Angaben, denn hier ging mir alles so irgendwie von der Hand und dieser Umstand macht das Gericht gerade nochmal so selbstbewusst.

Ist das Fleisch erst Mal von seinem Zweck befreit, sein wunderbares Aroma an den Fond abzugeben, bekommt es seine zweite Chance.

Fleisch vom Knochen lösen und in eine Schüssel geben. Nicht zu zimperlich, die gelatinösen Teile dürfen ruhig dran bleiben.

Dazu kam, in einem für mich stimmigen Verhältnis, Mirepoix aus Sellerie, Karotten, Knoblauch und Schalotten. Frisch mit etwas Tomatenmark in Butter geröstet und in einem Schuss Weisswein weichgedünstet.

Weiter ein Ei, glatte Petersilie, Paniermehl, Parmesan, Salz, Pfeffer, Thymian. Alles gut miteinander vermengen, jedoch auf keinen Fall cuttern, pürieren oder was auch immer komisches damit anstellen, was daraus eine unkenntliche Spachtelmasse fabrizieren würde.

Gerade das Faserige macht die Füllung aus. Man will doch keinen undefinierbaren Klumpen in seinen Ravioli. Das überlassen wir schön der Nahrungsmittel-Industrie.

Für den Teig 4 Eier mit so viel Mehl vermengen, wie sie aufnehmen können (schätze so 250 bis 300 Gramm). Den Teig gut bearbeiten und mit der Pastamaschine auf der kleinsten Einstellung so dünn wie möglich ausziehen.

Mit einem Kaffeelöffel kleine Häufchen auf einer Teigbahn placieren, Ränder mit einem Pinsel leicht befeuchten, Bahn umklappen, Ränder andrücken und mit einem Teigrad Ravioli daraus schneiden.

Eine Anmerkung zum Charme von handgeformten Ravioli: unförmig gleich sexy, uniform gleich spiessig!

Sollte man mehr davon herstellen, als man zu essen gedenkt (und das sollte man), kann man die Ravioli auch als geheimen Vorratsschatz einfrieren.

Dünn sollten sie sein, hauchdünn, so dünn, dass die Füllung durchscheint.

Diese Ravioli schwenkt man am besten nur in «Burro e Salvia», geschmolzener Butter mit ein paar Salbeiblättchen drin oder, besser noch (!), im köstlichen Fond, den man hergestellt hat, mit etwas kalter Butter gebunden e basta.


32 Kommentare zu Zweite Chance zum Beeindrucken

  1. Alex am 16. Februar 2010 at 06:53:

    Ich sollte anfangen, öfter mal Fond zu kochen. Bzw. überhaupt Fond zu kochen.
    Burro e salvia war sicherlich die beste Wahl.
    Saluti

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  2. Schnick Schnack Schnuck am 16. Februar 2010 at 07:31:

    Mjam, nehm ich. Sofort!

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  3. katha am 16. Februar 2010 at 07:55:

    danke für die „spachtelmasse“ – bei solchen ravioli wie den deinigen braucht sich die fülle nicht hinter einer grauen uniform aus konsistenz und kugel verstecken.

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  4. susanne am 16. Februar 2010 at 08:04:

    homemade pasta- safest sex ever!!!

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  5. artifischl am 16. Februar 2010 at 09:35:

    Ich WILL das JETZT haben. MIAM ! Man kann den Duft der Füllung fast riechen 🙂

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  6. Claus am 16. Februar 2010 at 10:02:

    „unförmig gleich sexy“ GENAU, SO ISSES! Endlich die richtige Erklärung für mein Gemurkse 😉

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  7. Ellja am 16. Februar 2010 at 11:19:

    machst du gar kein Öl in den Ravioli-Teig? Wie wird der dann geschmeidig?

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  8. Eline am 16. Februar 2010 at 11:34:

    Beeindruckt! Sowohl von Dünnheit des Teiges, Rezeptur und Konsistenz der Fülle als auch der „handgeschnitzen“ Form der Ravioli. Ich hasse Raviolibretter, -Stempel, -Maschinen oder sonstige Gleichmacher!
    Solche Ravioli mit Kalbsfülle mag ich mit einem guten! Lambrusco oder jungen Dolcetto.

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  9. ekrem am 16. Februar 2010 at 11:42:

    das ist foodPORNO pur!

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  10. Zoolicious am 16. Februar 2010 at 17:29:

    Für mich nur Butter, ohne Salbei, ohne Fond. 🙂

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  11. fressack am 16. Februar 2010 at 18:02:

    Ist das die Kurbel der guten alten Ampia Marcato im Hintergrund?

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  12. Cookinette am 16. Februar 2010 at 20:22:

    Wenn mein Metzger nicht schon zu hätte, würde ich glatt nochmal loslaufen. Vielen Dank für die Inspiration!

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  13. Claudio am 16. Februar 2010 at 23:58:

    Nicht der schlechteste Vorsatz, Alex. Schon klar, Schnick Schnack Schnuck, es gibt schlechteres Frühstück. Bitte, gerne, Katha, aber so was von. Einigen wir uns auf reizendes foreplay, susanne. Morgens halb Zehn in Deutschland, ne, Polen? und artifischl will Ravioli, ts! Müsstn wa uns direkt uffn T-Shirt drucken, wa, Claus? Nein, nie, Ellja, wie meine Mutter und Grossmutter schon, und übrigens auch kein Salz. Ha! Eine Gleichgesinnte gegen Gleichmacher, danke für den Rückhalt, Eline. Oh ya! Oh ya! Oh ya! ekrem. Auch okay, Zoolicious. Leider nein, fressack, eine gute alte Replika vom Mercato! Aber morgen früh gleich als Erstes, ja, Cookinette?

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  14. donpedro am 17. Februar 2010 at 14:17:

    warumwarumwarum immer diese glatte petersilie? eigentlich in jedem rezept. hast Du aktien bei einem produzenten?

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  15. Claudio am 17. Februar 2010 at 19:23:

    Aber, aber, donpedro. Warum schmückst du deinen Namen mit „Don“, wenn dich die simple Frage nach einem einfachen Kraut so verzweifeln lässt, als wärest du ein Jungspund? Entweder gibst du diesen Titel wieder beim Kostümverleih ab, oder du trägst ihn fortan mit Nonchalance und um das Wissen bereichert, dass glatte Petersilie – und nicht die gekrauste – in der italienischen Küche nun mal zum geschmacksbildenden Einmaleins gehört.

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  16. fressack am 17. Februar 2010 at 19:39:

    Die krause Petersilie hat ihre Daseinsberechtigung nur als klassische deutsche Tellerdeko mit Tomatenschnitz und Salatblatt, evtl. noch mit Zitronenscheibe.

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  17. Claudio am 17. Februar 2010 at 19:48:

    Wahre Worte, fressack – ah, und natürlich auch noch als Hauptmahlzeit für Veganer/innen und aussen (oh, nein! Hab ich das wirklich geschrieben?)

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  18. peppinella am 17. Februar 2010 at 21:28:

    grrr….ich habe heute ravioli mit ziegenricotta gemacht. natürlich kommst du mir wieder zuvor..wie immer…..außerdem: der fond ist alle.die demi glace auch (seufz) morgen kauf ich einen eimer kalbsknochen (schwelg)

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  19. Magdi am 18. Februar 2010 at 08:13:

    Wenn man mal selbstgemachte Ravioli gewohnt ist, mag man gekaufte nicht mehr. Irgendwann kriegt man auch den Dreh raus und es ist keine Plagerei mehr. Ich sehe schon, dir geht das so richtig gut von der Hand. Die Fülle ist mental gespeichert!

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  20. Toni am 18. Februar 2010 at 15:01:

    Kalbfleisch das für einen guten Fond sorgt hat absolut noch eine zweite Chance verdient :)! Und so eine feine wie als Füllung Ravioli alle mal. Wichtiger als unförmig sexy finde ich die Eigelbmenge im Teig. Deutlich mehr Eigelb als Eiweiß schmeckt besser und der Teig quilt beim Kochen auch nicht so auf.

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  21. Kirsten am 18. Februar 2010 at 22:08:

    Wie aus dem Bilderbuch, lieber Claudio. Wirklich wunderschön!

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  22. Magdi am 22. Februar 2010 at 15:26:

    Und das Wort ist Fleisch geworden, heute Mittag, in unseren Tellern. Mir läuft jetzt noch das Wasser im Mund zusammen, wenn ich daran denke.

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  23. Filuzi am 22. Februar 2010 at 16:47:

    Du bist der erste, der die Technik zur Ravioliproduktion verwendet, von der ich dachte ich hätte sie erfunden: eine Bahn belegen und überklappen. Ich finde, das macht Ravioli je nach Füllung geradezu zum Schnellgericht 😉
    Ich mach so auch Maultaschen- mit einer Füllung aus Schinkenspeck, Schalotten, Kalbsbrät, glatter Petersilie, Ei – und wenn ich keine Semmel für Brösel habe, krümele ich ein Weetabix rein- geht prima 🙂

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  24. artifischl am 23. Februar 2010 at 21:00:

    Gutes Essen kennt keine Urzeit 😀

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  25. Wildschwein-Ravioli ! « Von einem der nach Polen geht und ein Restaurant eröffnet am 23. Februar 2010 at 21:46:

    […] own Bottle, Dinner for Friends, Dinnerparty, Wildschwein Ravioli Ich war sehr angetan vom diesem Beitrag auf  “anonyme Köche” hatte aber gerade keine Reste von der Demi-Glas Herstellung und in Ermangelung an der seltenen […]

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  26. Ellja am 1. März 2010 at 10:02:

    gabs bei mir am samstag, als nebenprodukt meines kalbsfond, war aber große klasse. Die übrigen Ravioli haben wir dann Sonntag nochmal in der Suppe gegessen, so wie Maultaschen.

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  27. Claudio am 4. März 2010 at 20:49:

    War ein paar Tage im Piemont, die können nicht nur Risotto, die können auch ganz schön Ravioli! Kein Fond und keine Demiglace ist Horror, peppinella, aber Ziegenricotta-Ravioli trösten da ganz gut, nicht wahr? Die Mengenzugabe von Eiern/Eigelb variert enorm von Nord- bis Süditalien, Toni, da hat jeder so sein Geheimnis. Danke, Kirsten, essen ist grad noch Mal so schön. Toll, Magdi, das freut mich! Weetabix?! Da jagst du mir ganz schön ein Flashback ein, Filuzi, die gabs immer im Skilager – allerdings nie für mich, die erinnerten mich immer an die Futterstängel meiner WELLENSITTICHE. Das wären dann drei Chancen zum Beeindrucken gewesen, Ellja, wird ja immer besser!

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  28. Flüge am 10. März 2010 at 16:20:

    Was für ein tolles Rezept! Es geht doch nichts über selbstgemachte Ravioli 🙂
    Ich mache immer eine große Menge und friere sie dann Portionsweise ein. Dann kann ich noch tagelang davon essen…

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  29. Roland am 9. April 2010 at 13:50:

    Lieber Claudio, wann kochst Du wieder mal was? Oder gehst Du jetzt nur noch auf Degustationseinladungen und Büchermessen 😉 Avanti, back to the roots!

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  30. Claudio am 12. April 2010 at 00:08:

    Gehet hin und schwelget.

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  31. Dominique am 7. Mai 2021 at 22:17:

    DIESMAL NICHT
    Gestern bei der Wildfond-Zubereitung (ad hoc, unter Zeitdruck – Jägerfreund hat, ups, zwei Wildschweine erlegt) über diese Seite gestolpert und fasziniert-verstört hängen geblieben. So oft erkennt man sich in anderen nicht wieder, insbesondere was die Kocherei betrifft.
    Weitere Lektüre sowie Einkochen zu Demi-Glace zu später Stunde auf heute vertagt. Vorauszuschicken folgendes: Dieses Mal würde ich NICHT bis zu den Ellenbögen in Knochen, Fleisch & Röstgemüse stecken, um die prachtvollsten Stücke Fleisch doch noch vor dem Entsorgen zu retten.
    Während dem ersten und zweiten Absieben, so zum Zeitvertreib, ein paar weitere Blicke auf diese Seite geworfen und auf exakt dieses Rezept gestossen. Argh. Eine Minute später bis zu den Ellenbögen in… Jo… den Rest kann ich mir sparen, ey?
    Wunderbar ist, dass ich in Zukunft nicht mehr klammheimlich-verschämt sondern genüsslich, stolz und hochoffiziell die schönsten, saftigsten, fettesten, gschlüdrigsten Fleischstückchen von den Knochen pflücken werde.
    Und heut Abend gibt’s? Ravioli! Yumm!!! Grazie tanto, Claudio!

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  32. Claudio am 8. Mai 2021 at 11:31:

    Fantastico, Dominique, weiterhin viel Freude beim Lesen und Nachkochen!

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