the italian job

Beato

«Beato is a favourite dining spot for many of the world’s elite, from prominent political figures to movie stars.»

Aha, dachte ich mir. Dann kanns ja so falsch nicht sein. Vor ein paar Minuten habe ich eine SMS von meinem Freund Comenius erhalten: «Bello, bin in Paris. Sag mir in fünf Minuten, wo ich italienisch essen kann. Bin mit Robert unterwegs.»

Nun, ein Freund ist ein Freund, auch wenn er kein Gastroführer ist. Und wozu hat man das Internet erfunden, wenn nicht, um bei solch einer Gelegenheit einem Freund mit einem Tipp auszuhelfen.

Robert, Bassist bei Metallica, und seine Jungs aus der Metalszene von L.A. ­hatten Lust auf some nice italian food.­­­ ­Also ­klicke ich mich rasch durch ein paar unappetitlich gestaltete pariser Restaurantseiten.

Im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer und mir ist klar, dass ich hätte schwierig tun müssen und ihm sagen, Paris und italienisch essen, das geht so wenig wie Brigitte Bardots Hände in einem Babyrobbenmuff. Aber ich wollte lieb sein.

Viele denken ja: Paris gleich Metropole, gleich bestes Essen aus allen Herren Länder und so weiter. Aber ich warne euch: Man kann eine Küche nicht einfach so mir nichts dir nichts in ein anderes Land verfrachten. Da geht einiges verloren.

Auch meine Zia Lilia in Toronto sagte mir immer, bevor ich essen ging: «Claudio,
iu ken go iit werewer iu laik. Iu ken go frensch, italian, griik, tschainiis, portiugiis – bat stei ewei from meksiken fuud!!!»

Weshalb es ausgerechnet die Chicanos in Toronto nicht packen sollen mit dem Kochen, ist mir unklar. Aber so sieht es Zia Lilia nun mal.

In London isst man vielleicht hervorragend indisch. Aber ich würds nicht mit spanisch versuchen. Believe me, mate!

Das alles kann natürlich ignorieren, wer damit umgehen kann, ein bisschen verarscht zu werden, oder eh auf seinen Saumagen vertraut.

Jedenfalls schicke ich meine Jungs in dieses Beato. Wie abgemacht, richtet Comenius dort einen Gruss von Claudio (also mir unbekanntem Würstchen) aus, worauf er einen anständigen Tisch bekommt und vom Chef neugierig begrüsst wird (Italos sind manchmal wirklich sehr simpel gestrickt).

Dafür bekommen Robert und die anderen Metal-Mega-Superstars die Beachtung von Molotow-Cocktail werfenden Banlieu-Jungs, obschon sich ja laut Webtext bei Beato die Weltelite der Stars die Klinke in die Hand drückt. Die anderen Gäste sind Businessleute der Kategorie «Intercontinentale Klinken­putzer».

Die Einrichtung? Eine einzige Katastrophe. Gefakte Marmorsäulen, kitschige Louis-was-weiss-ich-für-Stuhlreplikas und allerlei unnötige Nippes.

Die Pflanzen sind so echt wie das Blond der Hausherrin, der Frau vom Chef.
Sie managt den Service, zusammen mit einem Portugiesen (Manuel aus Fawlty Towers nicht unähnlich) und parliert ein bisschen mit den angeheiterten Businessmen.

Auf der Toilette kann man sich duschen oder den Satz einer dort abgestellten?Wein­flasche austrinken.

Die Scampi schmecken, als hätten sie die Reise vom Meer auf den Teller selbst unternommen. Alle bekommen dasselbe fade Gemüse, egal, ob Fleisch oder Fisch bestellt wurde. Jeder die gleiche Sauce. Sie schmeckt nach nichts. Doch, salzig.

Kein lustiger Abend.

Robert ist jetzt glaub etwas sauer auf den friend who told you to go eat here.
Und ich denk mir, ruf doch den Besitzer mal an und frag ihn, was er von seinem Restaurant hält:

Ciao Ivano, Claudio hier, ich rufe aus der Schweiz an. Hören Sie, letzte Woche war ein Fotograf bei Ihnen.

Ah, ja. Ich erinnere mich. Er war hier zum Essen, Cordelius? Con…, an den Namen kann ich mich nicht erinnern.

Comenius. Ich hab ihm den Tipp gegeben, bei Ihnen zu essen. Ich habe Ihr Restaurant im Internet gefunden. Ich wollte ein kurzes Interview am Telefon mit Ihnen machen.

Ein Interview? Mit mir?

Ja. Wenn Sie möchten, kann ich auch später anrufen.

Nein, nein. Kommt drauf an, wie viele Fragen sind es?

Etwa zehn. Soll ich morgen anrufen?

Nein, morgen geht es nicht. Mir ist es jetzt lieber. Jetzt habe ich Zeit.

Gut. Also, welche Art Küche bieten Sie?

Wie, welche Art? Wir sind ein italienisches Restaurant. Wir machen italienische Küche. Wenn Sie mich jetzt Fragen, was für Gerichte wir kochen, ich weiss es nicht. Was meinen Sie damit?

Mich interessiert der Stil. Traditionell, einfach, Haute Cuisine?

Ja, klar. Ich versteh schon, was Sie meinen. Wir sind ein italienisches Restaurant mit traditionellen Gerichten. Aber, was soll ich Ihnen sagen, wir sind hier in Paris, eine internationale Metropole. Wir haben eine internationale Kundschaft. Also müssen wir uns anpassen. Es ist nicht so, dass ich eine Küche machen kann, wie in Italien. «Past‘ e faggioli» zum Beispiel – ein typisches italienisches Gericht – kann ich nicht machen.

Weshalb nicht?

Niemand isst es. Die Franzosen hier essen keine «Past‘ e faggioli».

Also ist es keine echte italienische Küche?

Schauen Sie, hier in Paris haben wir internationale Gäste. Wir müssen eine Vielfalt von Gästen zufrieden stellen. Es kann sein, dass ich heute Abend ein Restaurant voller Japaner habe, morgen sind es womöglich Schweden, Engländer, Amerikaner. Aber wir kochen authentische Gerichte. Gut, vielleicht ändern wir das Rezept ein wenig ab, die Saucen mit etwas mehr Rahm, die Zutaten ein wenig – eh, internationaler?

Woher beziehen Sie Ihre Ware? Finden Sie alles, was Sie suchen?

Nochmal: Wir sind in Paris. Deswegen gibt es hier überhaupt keine Probleme. Es gibt hier einfach alles, in bester Qualität, alles ist frisch, die Auswahl ist gigantisch.

Der Fisch, woher kommt der?

Nein, also den Fisch hol ich hier bei St.Germain, in hervorragender Qualität.

Immer frisch?

Jaja, bestens, ohne Probleme. Es gibt hier alles, was es braucht.

Anthony Bourdain schreibt in seinem Buch, noch immer gilt: Wenn die Toilette sauber ist, ist auch die Küche sauber. Richtig oder falsch?

Richtig oder falsch, ich weiss es nicht. Diesen Anthony kenn ich jetzt nicht, ich hab sein Buch nicht gelesen. Aber, mein Gott, es ist wahr, dass es ein Problem mit den Toiletten geben kann. Wenn das Restaurant voll besetzt ist und alle beschäftigt sind, kann es vorkommen, dass nicht jede Stunde kontrolliert wird. Aber wir halten immer alles sauber. In der Küche ist es das Gleiche, wo gearbeitet wird, ist es immer etwas verschmutzt, aber dann wird geputzt und alles kommt wieder an seinen Ort, das ist normal.

Wenn Sie nochmals anfangen könnten, würden Sie dasselbe tun oder würden Sie etwas ändern?

Wenn ich meinen Beruf wieder ausüben müsste, würde ich es sofort wieder tun, das ist sicher. Aber ein Restaurant hier in Paris eröffnen, wenn es das ist, was Sie wissen möchten, nein! Nein, in Paris würde ich es nicht mehr tun.

Warum, zu viele Kompromisse?

Nein, sehen Sie, die Franzosen sind hier die Hausherren. Sie gehen davon aus aus, die beste Küche der Welt zu haben. Sie glauben, sie seien die einzigen auf der Welt, die gut kochen können. Nehmen Sie zum Beispiel den Guide Michelin, die vergeben nur Punkte an italienische Restaurants, die im Besitz von Franzosen sind, und die servieren wohl kaum original italienische Küche!

Sie doch auch nicht, obwohl sie Italiener sind.

Wie ich Ihnen schon sagte, weil es unmöglich wäre. Wir haben nicht die gleiche Kundschaft wie in Italien, wir sind in Frankreich, so einfach ist das.

Wenn man jemandem ein Restaurant empfiehlt, sagt man meistens auch, weshalb es sich lohnt, dort zu essen. Was ist Ihre Stärke?

Stärke?

Warum sollte ich ausgerechnet bei Ihnen essen?

Weil unser Restaurant ein authentisches Ambiente bietet, ein Stück Italianità so zu sagen. Nicht im folkloristischen Sinne, aber was den Service anbelangt und die gepflegten italienischen Speisen.

Haben Sie denn alles italienische Angestellte?

Ja, nein, das Personal. Klar, wir sind drei Italiener. Zwei in der Küche, der Chef und ein Koch, und einer im Speiseraum. Einen Tellerwäscher, also einen italienischen Casserolier finden Sie nicht. Aber im Speisesaal zum Beispiel sprechen alle italienisch. Nicht alle sind Italiener, aber alle reden italienisch. Nein, also vom Personal her haben wir jede Couleur.

Okay das wars, danke. Faxen Sie mir Ihre Menukarte?

Aber ja doch. Kein Problem.

Gibt es etwas Spezielles zu entdecken?

Ja, natürlich. Nebst den klassischen Pasta- und Fleischgerichten, gibt es Ausgefallenes wie den Risotto al Chianti mit Foie Gras. Bon, Sie werden jetzt sagen, Foie Gras, das ist ja schon wieder französisch! Tatsache aber ist, dass schon die Römer Stopfleber auf ihrem Speisezettel hatten. Nur wollen uns die Franzosen natürlich wieder weismachen, das Sie die Erfinder sind: Alles Quatsch!


7 Kommentare zu the italian job

  1. LarsB am 30. November 2007 at 13:37:

    Das traurigste in dieser Beziehung sind wohl Chinarestaurants in Deutschland. Nichts hat bei mir den Ruf Chinas mehr ruiniert als die Glutamat-Orgien in Plastikambiente mit gluckernden Aquarien. Was suchen die Menschen hier? Kindheitserinnerungen an Maggi-Geschmack und Fünf-Minuten-Terrine? Mir ist das unerklärlich.

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  2. Claudio am 30. November 2007 at 15:20:

    My words, Lars!

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  3. patrick am 30. November 2007 at 15:38:

    claudio in hochform!
    ich hab mich ja weggeschmissen!

    patrick

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  4. jürg am 30. November 2007 at 16:00:

    claudio! mega-schappo, dieser artikel ist spitze, hahahahaaa! go-on . . .

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  5. Boris Zatko am 30. November 2007 at 17:09:

    Allerdings! Einer deiner besten Beiträge. Der Comenius hat mir aber wieder mal nix erzählt. Dabei ist die Story echt gut. Wobei, es könnte aber auch sein, dass der Robert nun behauptet, das Restaurant sei „The best italian restaurant in the world“, wäre typisch. Aber das macht auch seine Liebenswürdigkeit aus.

    Viele liebe Grüße

    Boris

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  6. comenius am 2. Dezember 2007 at 03:58:

    ja. ich kann mich noch gut und genau erinnern. ich hab den geruch der kriechenden und seuchenden scampis noch jetzt im gaumen. ein wunder, dass ich sie heute noch esse. it was a pain in the ass.
    auf den fotos erkennt mann nicht zuviel, ist auch besser so. ich glaube ohne den dreifachen grappa am schluss wären wir wahrscheinlich gestorben. die hard für anfänger!
    das schönste an der geschichte ist doch claudios einfühlungsvermögen! er war ja gar nie in diesem restaurant. er hatte nicht die halbe nacht auf der toilette verbracht. er hatte dieses essen, ein gemisch aus italienisch und ich möchte den parisern auch noch gefallen, nicht probiert.
    gut, ich habe das trauma dieses restaurants hinter mir und kann wieder lachen.
    ich hoffe robert hat mittlerweilen kein deutsch gelernt und zia lilia zitat gelesen. er ist ja schliesslich „un baja california“ und eben, para siempre los mexicanos.

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  7. Alex am 15. August 2008 at 16:12:

    Hallo,

    also hab ja ein bisserl in Frankreich gelebt, NOCH NIE hab ich dort wirkich gut italienisch gegessen. Gute italienische Küche wie man sie zB(nebst Italien natürlich) in Deutschland finden kann gibt es dort einfach nicht. Klar hab ich schon hier und da ne ordentliche Pizza gegessen, aber leckere involtini mit salbei zB, ist einfach non-existent.

    Grüsse,

    Alex

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