Pizza mit Schnauz

Lahmacun ist manchmal die bessere Pizza.

Vor über zwanzig Jahren habe ich mich in diesen knusprigsten und dünnsten aller mir bekannten belegten Fladen verliebt.

Das war in Alanya. In einer Imbissbude von erschreckender Bescheidenheit. Mit mehr Fliegen als Gäste an den drei Tischen. Am Bestelltresen gab es nichts zu sehen als einen Backofen und Teiglinge die unter einem Leintuch Mittagsschlaf hielten.

Wir deuteten auf einen der schnauzbärtigen Männer mit durchgehenden Augenbrauen, der in etwas biss, das er zwischen seinen Händen hielt. Ich sagte nur: „Iki tane, lütfen“. Der beflaumte Milchbubi hebte nur kurz sein Kinn und machte sich ans Werk.

Im Nu hatte er zwei Teiglinge zu hauchdünnen Fladen ausgewellt und diese knapp mit einer Hackfleischsauce bestrichen.

Einen Augenblick später holte er die dampfende, mit dicken dunklen Blasen übersäte Lahmacun aus dem Ofen. Er streute ungefragt Pul Biber darüber, setzte einen Zitronenschnitz darauf und liess uns essen.

Einkassieren interessierte ihn vorerst nicht. Er wusste, dass wir nach der ersten Portion noch weitere bestellen würden!

Zu meinem grossen Glück gibt es in Basel schon fast so lange das Restaurant Pinar. Mein liebstes für Anatolische Spezialitäten.

Alles dort ist gut. Die Familie, die es betreibt und das was sie auf der Karte führen.

Die Lahmacun gehört selbstredend zu den besten, die man nördlich von Ankara serviert bekommt.

Eines der Geheimnisse besteht darin, den Teig nicht zu überladen. Dönerbuden, die ein gefühltes Kilo Rinderhack auf wagenradgrosse Fladen klatschen, sollten vom Amt für kulinarischen Anstand geschlossen werden.

Ich gebe zu, für die Zubereitung der Sauce liebe ich die europäisierte Version mit Kalbfleisch. Original wäre wohl Lamm, oft wird auch Rindshackfleisch verwendet. (Und original wird vermutlich noch nicht einmal eine Sauce gekocht, sondern alle Zutaten mit dem Hack gemischt und dann roh auf den Teig gegeben.)

Ich habe mir vom Metzger durchwachsene Kalbsbrust am Knochen geben lassen. Wer Freude am Schneiden mit scharfen Kochmessern hat, den wirds gehörig jucken: Das Fleisch wird minutiös von Hand klein geschnitten und nicht etwa durch den Wolf gedreht.

Der Teig ist simpel: Frischhefe (15 g auf ein Kilo Mehl), Weissmehl, Salz, Wasser. Drei Stunden zugedeckt gehen lassen.

Faustgrosse Teiglinge formen, bemehlen, zugedeckt 30 Minuten gehen lassen. Dann ultradünn auswellen und zum besteichen bereitstellen.

Sauce: Klein gewürfelte Zwiebeln und rote türkische Spitzpaprika glasig braten (herausnehmen und später zum Fleisch geben). Fleisch in derselben Pfanne Farbe nehmen lassen.

Passierte oder frische Tomaten dazugeben, mit Wasser bedecken, eine Stunde einköcheln lassen. Würzen mit Paprikapaste (Paprikapulver geht auch), Pfeffer, Salz. Zum Schluss glatte Petersilie dazugeben oder alternativ direkt über die dampfende Lahmacun streuen.

Die Lahmacun bei 250 Grad backen. Geht ganz schnell. Ein wachsames Auge und etwas Übung machen den Unterschied! Und noch was: Wer am Ofentürchen steht, muss wohl oder übel im Stehen essen. In einem normalen Haushaltsofen geht nur eine aufs Mal.

Ein paar Spritzer Zitrone und etwas Pul Biber zum Nachschärfen gehört dazu.

Afiyet olsun!

A propos Afiyet olsun – guten Appetit! heisst es auch im Istanbul Kochbuch von Gabi Kopp mit jeder Menge authentischer Rezepte.


13 Kommentare zu Pizza mit Schnauz

  1. Johannes am 13. November 2012 at 09:59:

    Tamam, ich mach den Job an der Ofentür!
    Für all diejenigen, die keinen ganz perfekten Ofen haben lohnt sich so eine Schamottplatte, die landläufig als Pizzastein verkauft wird. Meine hat einen Zehner inclusive rudimentärem Pizzaschieber gekostet. Die macht aus einem Backofen zwar noch keinen Pizzaofen, aber gerade so knusprig dünne Dinge wie Flammkuchen oder eben Lahmac?un profitieren enorm von so einem Tuning.

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  2. patrick am 13. November 2012 at 10:08:

    Merhaba Claudio!
    Sonne, ein Lahmacun auf die Hand und im Hintergrund ruft der Muezzin. Herrlich!
    An Sylvester geht es wieder nach Istanbul!
    Vielleicht dann Lahmacun mit Schnee?

    Die Gabi hat jetzt ein persisches Kochbuch in Arbeit.

    A presto!

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  3. HansJürgen am 13. November 2012 at 11:39:

    Hallo Claudio! Tolles Rezept!
    Allerdings habe ich mal irgendwo gelesen, der knusprige Krümelkram auf der Lahmacun wäre gar kein Hackfleisch, sondern Tofu?!

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  4. Ylva am 13. November 2012 at 12:06:

    Hi,

    wow, wieder ein klasse Rezept, das unprobiert Appetit macht.
    Somit ist es klar, was es diese Woche dringend zum Abendessen geben muss. 😉

    Viele Grüße,
    Ylva

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  5. Johannes am 14. November 2012 at 02:50:

    Tofu?
    Also nichts gegen Tofu, z.B. zum Beispiel rot geschmorter Seiden Tofu ist phantastisch, aber auf Lahmaçun?
    Ich weiß ja nich…

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  6. Claudio am 14. November 2012 at 15:27:

    Çok güzel, Johannes! Und danke für den Tuning-Tipp, wollt ich mir schon lange besorgen. Bring Skizzen mit, Patty! HansJürgen, pass auf, ich hör schon die Krummsäbel rasseln. Gutes Gelingen, Ylva!

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  7. Claus am 15. November 2012 at 20:50:

    die mach ich am Samstag für die Jungs!

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  8. Unglaublich lecker: Lahmacun « Der Klang von Zuckerwatte am 23. November 2012 at 20:16:

    […] Das klasse Originalrezept von Claudio gibt es hier. Ich habe es etwas anders gemacht: etwas mehr Hefe im Teig und wahrscheinlich schmeckte meine Sauce auch ein wenig anders. Und da ich ihn zu Hackfleisch abgöttisch liebe, musste bei mir etwas Kreuzkümmel in die Pampe rein. Zudem fehlte bei meiner Version mal wieder die Petersilie, da ich diese schon seit meiner Kindheit nicht sonderlich mag. Dennoch ein wahrer Genuss und nun – sozusagen noch heiß, knusprig und frisch aus dem Ofen – das Rezept für „Lahmacun à la Ylva“. […]

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  9. Ylva am 23. November 2012 at 20:25:

    Gestern endlich nachgemacht und für so lecker befunden, dass es heute gleich eine Wiederholung davon gab. Ganz lieben Dank für das Rezept! 🙂
    Falls Du mal reinschauen magst; so sah’s bei uns aus: http://derklangvonzuckerwatte.wordpress.com/2012/11/23/unglaublich-lecker-lahmacun/

    Viele Grüße und ein schönes – und vor allem leckeres! – Wochenende,
    Ylva

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  10. Jack the Ribber am 2. Dezember 2012 at 13:40:

    Was für ein toller Blog! Und dann noch ein Rezept zu Lahmacun, meinem liebsten Fastfood. 😉

    Ich mag die „Hackfleischsauce“ allerdings würziger (Cumin gehört einfach dran) und mache diese zudem auf kaltem Wege: http://oldmountainbbq.wordpress.com/2010/12/18/lahmacun-turkische-pizza/

    Ich freue mich, auf die anonymen Köche gestoßen worden zu sein und nehme mir in Bälde mal Lamm, Bohnen und Risotto sowie als Wurzelgemüsefan (http://oldmountainbbq.wordpress.com/2010/11/04/herbstteller/) die Gemüsesuppe vor.

    Viele Grüße,
    Jack

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  11. Claudio am 2. Dezember 2012 at 13:54:

    Willkommen an Bord, Captain Jack, auf gutes Gelingen, trinkt aus Piraten yo-ho!,

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  12. Ein ideales Sommeressen… | missboulette am 27. August 2013 at 22:14:

    […] und saftig aromatischen Tomaten, die es derzeit in Hülle und Fülle gibt, und inspiriert von diesen Bildern, die ich seit ihrer Entdeckung nicht mehr aus dem Kopf bekomme, wurde es langsam Zeit für […]

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  13. Malte am 14. August 2018 at 22:01:

    hab das in einem pizzamaker nachgeocht, gelingt echt super:
    –> https://pizza-maker.net/pizzaofen/g3ferrari-g10006-pizza-express-delizia-pizzamaker/

    so ein Teil bekommt man richtig heiß dann wirds gut knusprig. Echt lecker, kann garnicht genug davon bekommen

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