Unwiderstehlich fette Brummer
Meine Cousine Cathia hatte einst einen Kater. Als Haustier, nicht als Befindlichkeit. Mauz war sein Name. Und Oliven sein Kick. Grüne Oliven genauer gesagt. Wann immer er eine verabreicht bekam, drehte er katzenkulinarisch im roten Bereich. Er mochte grüne Oliven so verdammt gerne, dass er jedes Mal beinahe ausflippte (unkontrolliertes Umherrennen, ostentatives Betteln, permanentes Miauen) und vermutlich ein ganzes Glas davon hätte verputzen können.
Ich konnte Mauz ganz gut verstehen. Mir geht es genauso. Grüne Oliven sind auch meine Droge. Mehr noch als schwarze. Aber es müssen die richtigen sein. Denn 99% der grünen Oliven, die man so kaufen kann oder zum Aperitif aufgetischt bekommt, sind jedes Mal eine Enttäuschung. Sie sind zu hart, zu bitter, zu salzig und geschmacklich verfälscht. Sie haben diesen metallischen Fehlton, der vermutlich von der Natronlauge und anderen Chemikalien kommt, mit denen sie behandelt werden. Sie schmecken dann so überhaupt nicht pflanzlich, süsslich gereift und grünlich-grasig, wie eine perfekte grüne Olive schmecken sollte.
Ich wache nachts mit Heisshunger auf grüne Oliven auf. Ungelogen. Oder wenn ich Sport mache und mich lange quäle, dann sehne ich mich nicht, wie vielleicht andere, nach einem kühlen Getränk oder einer entspannenden Dusche sondern: Nach einem Bottich voller in Salzlake schwimmender grüner Oliven, wie sie auf italienischen Märkten angeboten werden. Ist so.
Oliven sind übrigens alle grün, bevor sie geerntet werden. Auch die schwarzen. Grüne werden unreif gepflückt und mit Salzlacke oder eben Natronlauge behandelt, bis sie geniessbar sind. Das Ziel ist, sie a) weich zu bekommen und ihnen b) die Bitterkeit auszuwaschen.
Für schwarze Oliven lässt man die grünen am Baum reifen, bis sie sich dunkel verfärben – in ein Dunkelgrün, Dunkelviolett oder fast Schwarz. Auch hier: Qualitativ mindere schwarzen Oliven werden zusätzlich mit Eisengluconat gefärbt.
Meine liebste Sorte grüne Oliven heisst Bella di Cerignola und kommt aus Apulien. Es gibt auch sehr gute Olive Ascolane oder Olive di Gaeta, aber keine ist so prall, fruchtig und weich wie eine Cerignola-Olive. Sie zu finden ist nicht leicht. Vor allem nicht in der richtigen, dickfleischigen Konsistenz, Süsse und dem genau richtigen Mass an Restbitternoten, die dem Geschmack Rückgrat verleiht.
In Italien kaufe ich immer so viel ich finden kann.
Es gibt unterschiedliche Produzenten und die preisliche und qualitative Spanne ist recht breit. Entscheidend für die Qualität ist die Lake, mit der die rohen Oliven entbittert und konserviert werden.
Im Idealfall ist die Lake so mild, dass Biss und Geschmack einen einzigartig ausbalancierten Genuss bieten. Handwerkliche, traditionelle Betriebe verwenden eine solche. Sie besteht nur aus Wasser und Salz. Dafür nimmt man in Kauf, dass der Prozess im Gegensatz zur Behandlung mit Natronlauge wie sie grössere, industrielle Hersteller einsetzen, um ein Vielfaches länger dauert. Ausserdem verfärbt sich die Olive in der natürlichen Salzlake dunkel und zuweilen etwas weniger appetitlich, als wenn sie mit chemischen Stabilisatoren grellgrün aufgemotzt wird.
Einer schönen Cerignola muss man gebührende Aufmerksamkeit einräumen. Bevor man sie geniesst, muss man sie aus der Salzlake schöpfen und etwa eine halbe Stunde wässern. Dann isst man sie zum Aperitivo. Zwischendurch oder zu Antipasti. Man sollte sie auf keinen Fall in irgendwelchen Gerichten verkochen. Das wäre schade. Sie schmeckt alleine für sich, ohne jegliche weitere Zubereitung, grossartig.
Und selbstverständlich immer nur mit Stein. Entsteinte Oliven sind für meinen Geschmack ohnehin ein Frevel. Man wird dem Spielvergnügen im Mund beraubt und dem sich veränderndem Geschmack, je näher man sich kauend dem Stein nähert. Entsteine und dann erst noch mit Paprika, Sardellen oder Mandeln gefüllte grüne Oliven soll essen wer will. Ich jedenfalls nicht. Blödsinn.
Ich vergnüge mich verträumt mit der Bella di Cerignola – den unwiderstehlich fetten Brummern aus Apulien.
Na gut, ich werde mich auf die Suche nach diesen Wunderoliven machen und ich bin gespannt, wie sie schmecken. Wahrscheinlich bekommen ich in Köln leichter Apulische Oliven als meine Lieblinge, die kleinen Niçoises.
-Ich kann den Kater auch verstehen…..und werde Ausschau halten nach den Oliven.
-Letztes Jahr habe ich versucht, Oliven selbst einzulegen – das war leider ein Fiasko. Ich fürchte, ich war zu ungeduldig. Auf ein Neues, dieses Jahr.
Meine Tante hatte weiland einen Kater, der verrückt war nach „Backsteinkäse“, also z.B. Romadur und anderes Rotschmieriges. Da war sein Verhalten das Deines Cousinenkaters.
-Und grüne Oliven mag ich auch nur pur. Wehe, ich finde sie in einem Essen…
Nun werde ich mich wie Nata auf die Suche nach „Deinen“ Oliven machen, aber in Berlin. Mal sehen, wer schneller fündig wird.
Ohne hier Schleichwerbung machen zu wollen: ich kaufe die Cerignola online bei artefakt – dort gibt es übrigens auch wunderbare Olivenöle
-Ciao Cugino, erstmal ganz herzlichen Dank – Du hast mich in Echt, in eine wunderbare Zeit zurück katapultiert – Mille grazie.
-Mauz ist zweifelos ein „Lebemann“-Kater gewesen und ein waschechter Italiener ( Abruzzese) noch dazu…
Es ist schön zu wissen, dass Ich mit Dir diese Leidenschaft was grüne Oliven betrifft teilen kann. Unsere Nonna hat immer so extrem gute Oliven vom Mercato mitgebracht und stell Dir vor, damals habe ich nie danach gefragt was für eine Sorte es war, eigentlich logisch als pubertierende. Niemand sonst versteht mich und ich selbst hatte schon lange keine solchen wunderbaren Oliven mehr, die deine schönen Worte hier rechtfertigen würden.
Du bist und bleibst ein wahrer Schreibvirtuose. Danke nochmals für deinen Text und den Tipp mit der , werde mich also auch auf die Suche begeben oder dem Hinweis von “ Ti saluto Ticino“ nachgehen.
Du hast meine noch nie probiert!! Alle schwärmen davon.
-Ach Gott, ist das ein schöner Beitrag! Der lässt sich so schön lesen! Ich persönlich mag dann doch lieber die schwarzen Oliven, aber ich muss ehrlich gestehen, dass Oliven nicht zu meinen „Lieblingsfrüchten“ gehören:-(
-Lieber Claudio,
ich mache hier mal Schleichwerbung: das ist der Link
http://www.artefakten.net/Olive-Co-/Antipasti/Olive-La-Bella-di-Cerignola::100325.html
Die Abruzzen grüße ich gerne von Dir ab der übernächsten Woche – wir sind 3,5 Wochen da! Hurra!!!!! Es gibt Würste auf dem Campo (Imperatore, Ristoro Mucciante), alles mögliche vom Markt in Sulmona, wir wollen vielleicht zum Reale (die haben den 3*) und freuen uns auf Sapori die Campagna bei Ofena, immer wieder yummieh!! Und unser Zauberhund darf auch mal wieder in seine Heimat – er darf nun anfangen, Trüffel zu suchen. Neidisch? Naaaaa…..
-Saluti!
Migros, sage ich!
Über die Grünen kann ich mich nicht auslassen, aber bei Oliven allgemein, muss ich gestehen, dass die Schwarzen, „trocken“ (also ohne Flüssigkeit, sondern nur ölig) mit Kräutern im billigsten Migros-Outfit, also einer simplen Plastikverpackung, die früher glaub einen Streifen Organge mit Schrift aufwies, für mich das Mass aller Dinge sind.
Beim nächsten Mal in der Schweiz decke ich mich mit denen wieder ein.
-Schon fündig geworden, Nata und Thea? Habs auch schon versucht, Susanne, mit mässigem Erfolg. Ti saluto Ticino, dann weisst du ja, von was wir hier reden. Cathia, kein Mercato-Besuch ohne dieses Mitbringsel. Musst halt wieder mal hin 😉 Glaub ich dir, Magdi! Welche Oliven-Sorte habt ihr? Schade, Anni. Ich mag allgemein Lebensmittel, die wenig verarbeitet und einfach so für sich allein eine Delikatesse sind. Hammer, Simone! War dieses Jahr auch wieder in Sulmona und hab bei Gino die Oliven gekauft (das Restaurant war leider geschlossen: grrr!) Geniesst es – und berichte bitte, wie es bei Niko Romito war. Gabor, nicht dein Ernst? Schau mal beim türkischen Lebensmittelhändler, die haben teilweise echt gute ofengetrocknete, musst du probieren.
-fein. endlich mal etwas wofür ich in österreich bloß in den nächstbesten merkur-markt oder besser sortierten billa gehen muss. da gibts die cerignolas von zuccato.
-Casaliva, die typische für den Gardasee.
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