Die Reifepruefung
Diese Früchtchen sind nicht nur grün und unreif, sondern so auch ungeniessbar.
Um sie unschädlich und hoffentlich zu einer Delikatesse zu machen, muss man ihnen die Bitterkeit austreiben und sie sehr lange und sehr behutsam einlegen.
Bin ich reif genug, um daraus höchsten Genuss zu ziehen?, dachte ich mir, als ich freudig je ein Kilo vom Marktstand des hiesigen Sizilianers nach Hause trug.
Gross war die Verlockung vor dem ersten Mal. Und die Erwartung und die Ungeduld und das Lampenfieber.Einen Rat oder gar ein Rezept für die Zubereitung gabs übrigens nicht vom Gemüsehändler.
Alles, was ich auf meine Frage bekam, war Omertà – das Schweigen der Männer: «Ich weiss nichts Genaues, ich bin nie dabei, wenn meine Frau das erledigt. Fragen sie ihn da, der ist Spezialist!», und er zeigte auf einen Kunden, auch er vermutlich Sizilianer – Schweigen und Schulterzucken.
Oliven sind ja alle grün. Auch die schwarzen. Erst mit zunehmender Reife werden sie immer dunkler und je nach Sorte bräunlich-violett bis schwarz. Wässern, salzen und reifen lassen muss man beide. Nur wie und wie lange?
Ich rief einen Freund aus der Region Molise an, der Schwieg mich zum Glück nicht an, aber dafür warnte er mich: «Lass bloss die Finger davon. Grüne Oliven sind giftig! Da gehört eine bestimmte „Medicina“ dran. Warte, ich frag meine Schwiegermutter und mail dir das Rezept.»
Ich warte heute noch auf seine Mail.Also wässerte ich die Oliven schon mal. Wobei ich das Wasser dreimal täglich ersetzt habe. Ich hätte es wie Peppinella machen können, aber ich möchte die Oliven nicht aufgeschlagen sondern ganz haben. So wie sie in den Abruzzen auf dem Marktstand in Salzlake-Bottichen verkauft werden. Also rief ich meine Tanten an.
Wässern ist gut, sagten die. Drei Tage lang. Dann trocknen, in ein irdenes Gefäss legen und reichlich mit Meersalz bedecken. Immer wieder wenden und, falls sie Wasser ziehen, das Wasser abschütten. Etwa zehn Tage, oder bis die Oliven nicht mehr bitter schmecken.
Was soll ich sagen? Die Oliven sind mir halb gelungen und halb verreckt. Beide wurden schrumplig. Den schwarzen steht das hervorragend und sie schmeckten überhaupt nicht mehr bitter.
Die grünen hingegen mussten einen Abflug machen.Niemand will schrumplige, braune statt grüne Oliven. Bitter waren sie auch noch wie am ersten Tag. Das nächste Mal versuche ich es mit einer kräftigen Salzlake und etwa vier Wochen Geduld.
Vom Salz gereinigt und getrocknet gingen die schwarzen Oliven dann für etwa zwei Stunden bei 100 Grad in den Ofen, wo sie noch schrumpliger wurden. Sieht super aus.
Anschliessend habe ich sie traditionell mit Lorbeer, Knoblauch, Peperoncino und Orangenschale gewürzt.
Was als Vorrat gedacht war, ging schneller weg, als eine Schale Erdnüsse in einer Single-Bar – Mann, waren die gut!Ich hatte schon fast vergessen, dass ich mich schon einmal mit so einem Heisshunger über schwarze Oliven „à la Grecque“ gemacht hatte.
Die gibts ja vielerorts in diesen Selbstbedienungsschalen, wo man im Vorbeigehen rasch darüberhusten oder -niesen kann. Nie mehr!Ich sass vor dem Fernseher. Vor Spannung schaute ich nur auf den Bildschirm, nicht in die Schale mit den Oliven drin.
Erst bei der Werbeunterbrechung wollte ich wissen, wie viele Oliven mir noch blieben – und dann sah ich Schlimmes, Schlimmeres als ich je in einem Horrorfilm gesehen hatte (denn das ist ja Fiktion): Neben den drei verbleibenden Oliven wanden sich dutzende kleine weisse Maden!Ich hätte gerne sofort losgekotzt, aber ich kann das nicht auf Befehl. Also goss ich mir ein Zahnputzglas voll Grappa ein und kippte es auf ex.
Abgesehen vom mittleren Hirnschaden, den ich mir innert 5 Minuten zugefügt hatte, trug ich keine gesundheitlichen Folgen davon. An den Film kann ich mich allerdings auch bei grösster Anstrengung nicht erinnern. Aber das nehme ich gerne in Kauf.
Also, an alle grosse und kleine Hypochonder: Offene Brutstätten meiden, Oliven selber einmachen oder hermetisch abgepackt kaufen und das Beste hoffen.
Wir hatten uns kürzlich auch mal unterhalten und festgestellt, dass wir keine Ahnung haben, wie aus den Oliven am Baum dann die werden, die wir so gerne essen…
Interessant.
Maden machen nichts, ist doch alles bio. Im Sommer isst jeder Gartenbesitzer welche, in Erdbeeren, Kirschen, Himbeeren usw. Eiweißhaltig und so, Chips wären wahrscheinlich ungesünder gewesen. Aber der Grappa war bestimmt trotzdem eine gute Idee. 😉
-Wo man hinhört, das Olivengeheimnis ist bleibt wohl für lange Zeit ein Mysterium für private Genießer. Du bist sicher schon der fünfte (und in dich legte ich jetzt die größten Hoffnungen!), der mit eingezogener Kochschürze vor den Oliven kapituliert hat – wobei ich mir denke, dass dich irgendwann doch wieder der Ehrgeiz packt.
Viele liebe Grüße
Boris
-schwarze sind eh besser. und da gehe ich immer fremd: kalamata sind einfach grossartig. den tv-dinner-teil hätte ich nicht mehr lesen sollen. komisch, dass man nicht mal dann speiben kann.
-Ich hab Blut geleckt, Barbara, Boris, nächstes Jahr bekomm ich das hin – schwöre! Ich mag die wirklich guten grünen ebenso sehr wie die schwarzen Katha. Kalamata ist ein sehr guter Ersatz in unseren Breitengraden. Aber wenn du mal „Dritta“, „Gentile del Chieti“, „Morella“, „Raja“, „Leccina“, „Coratina“ oder „Taggiasche“ gekostet hast, wirst du wählerisch …
-Das „Geheimnis“ der Grünen ist lessive de soude, kann man in der Apotheke oder Drogerie kaufen, natürlich verdünnt verwenden. Die traditionelle Methode ist das Einlegen in Holzasche (was ja dann ähnliche chemische Stoffe enthält), das zieht nach ein paar Tagen das Wasser raus und „kocht“ die Oliven weich, dabei gehen die Bitterstoffe verloren. Man kann sie vor dem Einlegen mit einem Zahnstocher oder einer Gabel einstechen, dann gut mit der Asche vermischt und bedeckt in einem Steinguttopf geben. Um die „Reife“ zu prüfen, immer mal wieder eine rausnehmen und einschneiden, wenn die etwas hellere Farbe des Fleisches fast bis zum Kern vorgedrungen ist, dann rausnehmen und abspülen, sonst werden sie zu weich. Jetzt erst in Salzlake mit beliebigen Gewürzen haltbar einlegen – oder in Olivenöl – je nach Geschmack.
Die Schwarzen, also vor der Ernte gereiften, kann man, wie Du es wohl auch gemacht hast, in Salz einlegen, das Wasser sammelt sich dann auch nach einiger Zeit in der entstehenden Lake. Ebenfalls anschließend abspülen und trocken tupfen und nach belieben weiter konservieren – in Salzwasser oder in Öl…
Beim Pflücken (oder beim Kauf) darauf achten, dass die Oliven keine Wurmlöcher aufweisen – die kommen bei der anschließenden Behandlung dann zwar raus und wohl auch um, sind aber wirklich nicht sehr appetitlich… Allerdings kann man sich dann auch sagen, das diese Oliven am Baum nicht mit den arsenhaltigen oder sonstwie giftigen Spritzmitteln des konventionellen Anbaus gegen die Olivenfliege behandelt wurden…
Ich hoffe, das hilft Dir für den nächsten Versuch – für mehr Details schaue ich gerne auch noch mal in mein persönliches Rezeptbuch.
Guten Rutsch
Iris
-Merci, Iris! Das spornt an. Die Lessive de soude ist wohl Natronlauge, in welchem Verhältnis oder welcher Konzentration verwendest du sie? Das mit der Asche hat mir meine Tante genau so beschrieben, ich muss mir wohl ein Cheminée oder einen Holzofen anschaffen 😉 Die besten Wünsche für 2009!
-Ja, Claudio, das heißt auf Deutsch wohl Natronlauge. Aber jetzt nicht den Abflussreiniger verwenden:-).
Ich benutze selber lieber die Holzasche (davon haben wir immer genug im Ofen), das dauert länger, ist mir aber sympathischer.
Bei der Natronlauge sollte wohl eine 10%ige genügen, also je nach gekaufter Konzentration verdünnen. In einigen Rezepten, die ich gelesen habe, steht auch was von z.B. 1 L 30%iger auf 9 L Wasser, das ist dann eben schon für größere Erntemengen. Dann aber schon nach einer halben oder einer Stunde anfangen, die „Reife“ zu überprüfen, denn wenn die Oliven ganz bis zum Kern durchdrungen sind, werden sie eben matschig…
Mein verstorbener Schwiegervater machte das mit seinen Luques immer im großen Stil, die Oliven kamen in Plastikkomporten, wie man sie für die Weinernte verwendet (fassen so 80 L) und wurden streng überwacht – das Ergebnis war köstlich.
-Leider gibt es hier bei uns keine frischen Oliven zu kaufen, die wären dann auch zu alt. Die Olive ist eine sehr empfindliche Frucht, und beginnt schon wenige Stunden nach der Ernte zu verderben. Nun habe ich hier zwar genug Holzasche (Buche, Kirsche und Birke) aber keine frischen Oliven zum Ausprobieren. Da nehme ich die schon eingelegten Kalamata der Familie Genth, die schmecken prima. Auch die Leccino von Ursini, entsteint und in Olivenöl eingelegt sind klasse. Ich mag allerdings auch die dicken, grünen und entkernten, mit einer eingelegten Knoblauchzehe oder einer ganzen Mandel gefüllt.
-Um die Oliven einzulegen, gibt es verschiedene Methoden: die „griechische“, die „kalifornische“ und die „spanische“. Zumindest bei den professionellen Herstellern wird nach einer der drei Methoden gearbeitet.
Ich wünsche allen einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Danke, Mike, wir sind gut angekommen, dir und euch allen ebenfalls nur die allerbesten Wünsche für 2009!
-Felice Anno Nuovo, Caro! Ich musste mir wirklich das Lachen verkneifen beim Lesen. Auch wenn sich das bekloppt anhört: Ich lege Oliven selbst ein (selbst wenn mich das auf die Gedúldsprobe stellt) oder: Ich kaufe vakuumverschweißte Pakete. Entweder nostraline oder verdi giganti. Lecker sind auch die schwarzen Oliven „al forno“, also die schrumpeligen. Carry on…prova a farle da te..senza robe chimiche!!!!
-Ecco, hai ragione, non bisogna mollare. Carissimi saluti e buon anno anche a voi!
-Ah, Oh, Ah, Ihhhh!
#Bierübernkopfschüttenundweitertanzen
-Danke für die Tipps, ich bin gespannt, wie es meinen grünen Oliven ergeht, die schon seit einer Woche gewässert werden, täglich in einem neuen Bad … kann das eigentlich bei Raumtemperatur erfolgen, bis jetzt habe ich die Dinger im Kühlschrank?
-Kühlschrank ist bestimmt nicht verkehrt. Ich habe sie allerdings bei Raumtemperatur in der Küche ziehen lassen. Viel Erfolg!
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