Mehr Fleisch am Knochen

Kalbskarree

Optisch ein Reihenfünfzylinder, vom Saft her ein sanft schnurrender V12-Genuss.

Fleisch am Stück und erst noch am Knochen zu braten, das ist die ganz grosse Essklasse. Erstaunlich, wie viel mehr Geschmackskraft so ein Gerippe entwickelt.

Die Parallele zwischen Fleischkonsum und Autobesitztum wird ja immer augenfälliger. Die Devise auf beiden Seiten lautet: lieber kleiner und lieber weniger.

Solche Trends mobilisieren natürlich immer eine Gegenbewegung. Kann es sein, dass die Zahl der Hobbyköche zunimmt, die es wieder mit grossen Kalibern aufnehmen möchten? Davon träumen, eine Wildsau zu metzgen oder ein ganzes Lamm am Bratspiess zu grillen? (Ich, ja. An Ostern wird das jetzt endlich einmal im Garten durchgezogen und wenn es Katzen hagelt!)

Vorerst aber die Empfehlung für einen eher selten gesehenen und noch seltener servierten Braten vom Feinsten: Arista di Vitello. Zu Deutsch Kalbskarree, Neudeutsch Kalbsrack.

Ich liebe es, wenn der Metzger extra für mich nach hinten muss. Und für diesen Braten ist das meistens der Fall. Gewöhnlich liegen Kalbskoteletts einzeln in der Auslage. Wir wollen sie aber am Stück.

Am besten lässt man sich vom Metzger so viele Knochen am Kalbsrücken abzählen wie man Gäste zu verwöhnen gedenkt. Darüberhinaus sollte der Metzger so nett sein, den Rückenkamm zu entfernen, damit das Tranchieren zuhause einfacher geht.

Kalbsrack

Das Herausschneiden und säubern der abstehenden Knochen erledigen wir jedoch selbst. Denn das Fleisch dazwischen eignet sich bestens zum Ansetzen einer gehaltvollen Sauce.

Dazu die Fleischstücke scharf anbraten und anschliessend beiseite stellen.

Kalbsstücke

Mirepoix und Tomatenmark rösten, mit Portwein ablöschen, reduzieren lassen, etwas Demiglace dazu und mit einem halben Liter Rotwein aufgiessen. Fleisch und wenig frischen Thymian dazugeben und eine Stunde simmern lassen. Danach absieben, mit kalter Butter montieren und mit Salz und Pfeffer justieren.

Mirepoix rösten

Vor der Zubereitung verbringt das gute Stück mit Rosmarin, Knoblauch und Olivenöl mariniert die Nacht im Kühlschrank. Und vor dem Braten mindestens eine, oder besser zwei Stunden, bei Raumtemperatur. Die herausragenden Knochen sollten mit Alufolie eingewickelt werden, damit sie hübsch sauber und hell bleiben.

Dann kräftig von allen Seiten salzen und in Bratbutter rundherum anbraten. Dafür darf man sich gute 15 Minuten Zeit nehmen. Die ersten zwei Minuten mit starker Hitze und danach moderat; dunkle Rauchwolken wollen wir keine sehen.

Kalbsrack gebraten

Im vorgeheizten Ofen bei 180 Grad 30 Minuten garen. Vor dem Tranchieren mindestens 10 Minuten abgedeckt ruhen lassen. Innen zart und rosa: perfekt.

Arista di Vitello

Als Beilage habe ich mich diesmal für Pommes Risolées und eine kleine Parmigiana mit Auberginen entschieden. Die kann man kompliziert machen oder, wie ich es nun mal mag, ohne gross Federlesen.

Die üblichen (komplizierten) Rezepte verlangen eine Drainage der Auberginen. Also Scheiben salzen, beschweren und über eine Stunde Wasser ziehen lassen. Dann soll man sie (abermals) ausdrücken und trockentupfen. Dann im Mehl wenden, dann durch verklopfte Eier ziehen und dann in Unmengen Öl knusprig frittieren. Die Unmengen Fett an den Auberginen muss man dann wiederum abtropfen lassen, damit sie auch schön knusprig bleiben.

Und das alles, obwohl ihre finale Bestimmung unter einer Tomatensauce in einer feuerfesten Form liegt? Wo sie dann logischerweise wieder latschig werden? Ich frage mich (zu recht, wie ich finde) wozu dann die ganze Prozedur?

Nein, nein. Den ganzen Entwässerungs-Panier-Frittier-Zirkus kann man sich sparen, indem man die frisch aufgeschnittenen Auberginenscheiben in einer beschichteten Pfanne röstet. Ohne einen einzigen Tropfen Öl (sie würden sich nur damit vollsaugen) dafür mit einer Prise Salz, das für eine hübsche Kruste sorgt.

Melanzane

Häufiges Wenden verhindert ein Anbrennen und ein leichter Druck mit dem Holzlöffel entlockt der Eierfrucht nicht nur quiekende Zischlaute sondern auch die unerwünschte bittere Flüssigkeit. Vor der Weiterverarbeitung auskühlen lassen.

Eine Gratinform dünn mit einem kurz vorgekochten Sugo aus Tomaten, Knoblauch und Petersilie ausstreichen und dann jeweils eine Schicht Auberginen, Parmesan und Sugo auslegen.

Keine Mozzarella. Die zieht immer so Fäden. Kann man beim Essen unmöglich souverän zum Mund führen. Zum Schluss jedoch mit etwas Paniermehl und ein paar Tropfen Olivenöl vollendet ergibt das eine herrlich krokante Schicht: Im Rohr mit 180 Grad um die 30 Minuten.

Parmigiana

Eine Parmigiana lässt sich übrigens auch mit Zucchini machen und schmeckt, gerade im Sommer auch kalt, unverschämt gut.

Sobald im Frühjahr frische Morcheln zu haben sind, wären die in einer sämigen Rahmsauce auch eine exzellente Variante zum Kalbskarree, am besten kombiniert mit selbst gemachten Bärlauchgnocchi.

Kalbsrack Risolees Parmiggiana

Da müssen wir ja schon bald wieder Gas geben. Was für eine Freude am Kochen.


28 Kommentare zu Mehr Fleisch am Knochen

  1. BerlinKitchen am 7. Februar 2009 at 08:52:

    „Schmackofatz“, würde Herr Siebeck dazu sagen. Ja, am Knochen bzw. an der Gräte schmecken die Sachen immer am Besten. Wenn es nach meiner Frau geht, dürfte ich so oder so jeden Tag nur Lammkarree machen.

    Parmigiana kommt sofort auf meine to do-Liste und auch Dein Kalbskarree werde ich mir zur Brust nehmen!

    Schönes Wochenende,
    Martin

    P.S. Flieg nächste Woche nach Kopenhagen und besuche das Rest. NOMA. Stay tuned…….

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  2. Alex am 7. Februar 2009 at 09:18:

    Ich wünschte es wär schon Ostern. Dann werd ich auch wieder Kalb oder Lamm in Angriff nehmen und wie Martin auch deine Parmigiana im Hinterkopf behalten. Entwässern werd ich die Auberginen aber wohl doch, nur das Öl werd ich mir dann auch sparen.
    Wow Martin, Noma, das steht auch auf meiner Lebens-to-do-Liste, viel Spaß dabei!
    ebenfalls nice Weekend!
    Alex

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  3. Mike Seeger am 7. Februar 2009 at 10:42:

    Da läuft einem das Wasser sonstwohin zusammen. Wird Zeit, dass Ludger wieder ein Salzwiesenkalb zerlegt. Ostern soll ich also in die Schweiz kommen ;-). Na, mal sehen …
    Frage zu Deinen Fotos: mit oder ohne Blitz?
    Schönes Wochenende!
    Mike

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  4. Hande am 7. Februar 2009 at 12:05:

    Ich gehe jetzt sofort zu Annibale, er musste noch auf haben und hoffentlich hat er noch ein arista di vitello für mich…. wo war ich so lange Zeit?

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  5. Claudio am 7. Februar 2009 at 13:49:

    No, Martin! Noma? Bin gespannt auf deinen Bericht! Wieso warten bis Ostern, Alex, bist du am Fasten? Ja, Mike, ich halt dir einen Platz frei, oder besser: Bring doch gleich ein professionelles Equipment mit, hab nämlich noch keinen Blassen, wie ich das bewerkstelligen soll. Ich immer ohne Blitz. Der kleine Scheisser an meiner Leica D3 bringt nix. Annibale, Hande? Der findet sich sogar auf youtube, kannte ich nicht. Kürzlich hab ich den Blog vom Magini-Youngster entdeckt, auch in Rom, auch ganz interessant: http://manzotin.blogspot.com/ viel Spass mit der Arista!

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  6. mipi am 7. Februar 2009 at 18:09:

    Den Entwässerungsklimbim fand ich bei Auberginen auch schon immer nervig. Danke für den Vereinfachungstipp. Ansonsten: Klasse Rezept! Werde meinen Metzger auch mal zwecks Besorgung von Kalbskarree anhauen.

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  7. Alex am 8. Februar 2009 at 01:49:

    Ja die Fastenzeit hätte ich dringend nötig, aber Kalbsfleisch ist eigentlich recht vorteilhaft im Genuß-Kalorien Verhältnis, könnte ich mal dazwischenschieben. Aber so ein Gratin dauphinois mit Creme Double gefüllt würde dann auch gut dazu passen…oje oje.

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  8. Boris Zatko am 8. Februar 2009 at 08:53:

    Bei so leckeren Aussichten kann ich nicht Lammfromm hintenan stehen. Wie war das mit dem Gartengrill?

    Viele liebe Grüße

    Boris

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  9. Bolli am 8. Februar 2009 at 10:43:

    Perfekt, was soll man da noch kommentieren?….

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  10. Alex am 8. Februar 2009 at 10:52:

    In der FAS las ich übrigens vor 2-3 Wochen ein Beitrag über Grillen im Schnee, und zwar Lammschulter. Lamm und Kalb wird sich jetzt wohl wie ein roter Faden durch den Spätwinter ziehen, bis ich es selbst koche. 🙂

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  11. Franz am 8. Februar 2009 at 12:16:

    Perfekt gegart. Weißt Du wie hoch die Innentemperatur dieses Prachtstücks nach den 30 min. war?

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  12. Hande am 8. Februar 2009 at 15:10:

    hah, ich wusste gar nicht, dass er auch auf youtube ist, hab mich jetzt amusiert. Im echt ist er aber bisserl alter. Guck, dieses Stück Fleisch am Knochen wird Dir bestimmt auch schmecken, ist auch von Annibale.

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  13. lamiacucina am 8. Februar 2009 at 15:41:

    schön, nahezu ferrarirot.

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  14. Zoolicious am 8. Februar 2009 at 19:58:

    Sieht toll aus.
    Auberginen mag ich leider immer noch nicht, aber das perfekte Fleisch reißt’s raus. 😉

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  15. Mario am 9. Februar 2009 at 09:35:

    Applaus (stehend).

    Wohlverdienter Kommentarregen und laufende Münder vor dem Bildschirm.

    Beste Grüße,
    Mario

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  16. Claudio am 9. Februar 2009 at 10:27:

    Nervig ist das Eine, mipi, aber speziell bei Parmigiana seh ich den Sinn nicht. Definitiv a good choice, Alex, Gratin dauphinois! Innentemperatur leider unbekannt, Franz. Ich habe zwar ein Fleischthermometer, aber ich benutz es nie; ich gehe von der naiven Vorstellung aus, dass ich einfach ein glückliches Händchen habe. Some serious shit, Hande, gefällt mir sehr! Bis zum Hirn bin ich noch nie vorgedrungen, aber lange kann ich es nicht mehr ausschliessen. Mir fällt da gerade ein, ein schönes Couscous ohne Lamm- oder Hammelfüsse ist ja auch undenkbar, oder? Du meinst meinen Kopf, Robert? Bis ich den ersten (überzeugenden) Bissen nehme, steigt die Kochnervosität zuweilen schon so stark an, dass ich eine Testarossa bekomme, ja. Check die Alternative mit Morcheln und Bärlauchgnocchi, demnächst in diesem Theater, Zoolicious. Bin doch hier kein Stehimbiss, Mario, setz dich bitte wieder und geniess es.

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  17. jürg am 9. Februar 2009 at 11:46:

    claudio, was hast du mit den scharf angebratenen fleischstücken von den rippen gemacht (bild 3)??? die sehen extrem gut aus! wetten du hast die hälfte «verputzt» bevor das butterzarte innere auf dem tisch stand!?

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  18. Claudio am 9. Februar 2009 at 12:14:

    Saugute Frage, Jürg. Ich will es dir verraten: Ich habe sie nicht angetastet! Das Rack gabs am Mittag. Abends dann wurden die angebratenen Fleischstücke nochmals sanft in der Sauce erwärmt und vom Koch – und nur vom Koch alleine – in aller Seelenruhe verputzt. Nur mit Brot. Und Rotwein. Ein Glas nach dem anderen. Ein Gedicht. Das Fleisch reagierte auf sanften Druck mit der Gabel wie es sich gehört: Es zerfiel sofort. Kommentare in der Art von: „Wie kannst du jetzt schon wieder Fleisch essen?“ oder „Ist das nicht alles Fett da?“ von den Salatessern um mich herum perlten an mir ab wie Morgentau auf einem Rosenblatt.

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  19. Mike Seeger am 10. Februar 2009 at 01:01:

    Du Hydrophob hast Salatesser um Dich herum? Brrrr, wie gruselig. Beim Karree, egal welchem, ist doch das Fleisch zwischen den Knochen das Allerbeste. Auch deswegen ziehe ich ein paniertes Kotelett jedem Schnitzel vor.

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  20. jürg am 10. Februar 2009 at 07:46:

    07.45 und ich würde alles für einen teller mit genau diesen fleischstücken geben!!!

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  21. Kirsten am 10. Februar 2009 at 08:12:

    Das hast Du wirklich gut hingekriegt! Kompliment! Sieht sehr gut aus! Ich esse allerdings keine Babytiere… Bei mir muss alles ausgewachsen sein und ein schönes und glückliches Leben gehabt haben :-))) Schön, wäre es noch, wenn besagtes Tier, das auf meinem Teller landet, an Altersschwäche gestorben wäre – ich weiß, ich weiß… das würde nicht mehr schmecken – wäre etwas zäh und gummiartig. Ich meine ja nur: es wäre schön, wenn das Fleisch eines an Alterschwäche gestorbenen Tieres zart und weich wäre, dann würde ich es allen anderen Fleischsorten vorziehen… Hab ich das jetzt verständlich erklärt oder gibt’s noch Fragen :-)))?

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  22. fressack am 11. Februar 2009 at 00:14:

    Mmmmmmh.

    Bin wieder da.

    Kommt Ihr alle?

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  23. Claudio am 11. Februar 2009 at 10:33:

    Aber, aber, Kirsten, was ist denn mit deinem schönen Rezept für zarten Kalbs-Ossobuco? Welcome back, Louie! Ich verspreche nichts, es sieht eher dünn aus.

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  24. Kirsten am 12. Februar 2009 at 12:21:

    Ja, da hast Du recht – wobei das Rezept nicht von mir ist, sondern in dem Wellnesshotel vorgestellt wurde und von mir persönlich nicht vertilgt wurde. Naaa, gilt die Erläuterung. Abgesehen davon – jedes Originalrezept lässt sich auch gut abändern. Wie zum Beispiel Vitello Tonnato – funktioniert auch bestens mit zartem Rindfleisch. Wie auch immer – Dein Lamm sieht, wie gesagt, auch klasse aus.

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  25. Winzerlicher Genuss: Kalbscarrée mit Trauben-Pilz-Ragout | Rezepte mit Bildern für die anspruchsvolle Hobbyküche am 25. Oktober 2009 at 12:00:

    […] lange habe ich auf eine Gelegenheit gewartet, Claudio's Kalbscarrée nachzukochen. Sie ergab sich endlich, als ich mit Weinnase einen Test deutscher Weißburgunder […]

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  26. Gartengrill am 15. Juni 2010 at 11:50:

    Sieht alles sehr lecker aus. Damit ist man ja schnell bei der WM im Public Viewing auf der vorderen Plätzen

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  27. Piemontese am 5. Juni 2011 at 13:26:

    Auberginen: noch einfacher gehts im Backofen.Blech mit Backpapier belegen, Auberginen-Rondellen drauf, beidseitig mit wenig Olivenoel beträuflen, etwas Basilikum-Salz drauf, Ofen vorheizen bei 200 C, Blech rein, dann auf Umluft umstellen. Ca. 20 minuten bei 200, dann alle Rondellen einzeln wenden, Hitze aus, und die Auberginen noch eine Weile im Ofen lassen.

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  28. Claudio am 5. Juni 2011 at 18:05:

    Einverstanden, Piemontese, so geht es sogar sehr gut.

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