Das «Oh lala!»-Fleisch

Chateaubriand

Es muss nicht immer ein Festtag sein, um aus einem Tag ein Fest zu machen.

Ich liebe es, wenn sich die Dinge mehr oder weniger einfach so ergeben. Vor allem, wenn das Ergebnis ein formvollendetes, butterzartes Chateaubriand ist.

Wie wenn man nicht schon genug Essbares – selbst Gekauftes wie auch von der Verwandtschaft Geschenktes – in den Kombi gepackt hätte, halten wir auf der Rückreise aus Italien meistens noch in einem grösseren Centro Commerciale und erledigen den Wocheneinkauf vor Ort. Man will ja mit einem gut sortierten Kühlschrank in die Arbeitswoche starten.

Verlockend ist nicht nur die Qualität (coop zum Beispiel mit einem erfreulich wachsenden Angebot an lokalen und biologischen Produkten), sondern auch der teils gewaltige Preisunterschied zur Schweiz. Salame di Felino, Grana Padano, Mozzarella di Bufala, Aceto di Modena und tutti quanti sind gerade mal halb so teuer zu haben – mindestens.

Deshalb konnte ich auch bei einem Filet vom Vitellone (6 bis 8 Monate altes Kalb) nicht wiederstehen. Auch wenn ich noch gar nicht wusste, was mit dem 1,2 Kilo schweren Prügel genau geschehen sollte.

Daheim entwickelte sich dann tags darauf sehr schnell die unbändige Lust auf ein Chateaubriand. Vermutlich, weil nach 10 Tagen Cucina Italiana einfach wieder mal etwas Französisches zur Abwechslung auf den Teller musste.

Der Schwager und eine Nachbarin waren schnell eingeladen und ebensoschnell verbreitete sich die Vorfreude auf ein so unerwartetes wie ungewöhnliches Festessen an einem normalen Werktag.

Was mich bei den Franzosen schon immer beeindruckt hat, ist ihre Begabung (oder ist es gar ihre Berufung?), Fleisch perfekt zu braten. Darin sind sie die wahren Filous! Niemand bringt ein so dunkles, knuspriges Äusseres mit einem so saftig, blutigen Inneren besser auf den Punkt.

Um das hinzubekommen, habe ich etwas Neues ausprobiert: Das zweifache Anbraten! Das Fleisch muss vor dem Braten natürlich Raumtemperatur haben, keine Frage. Und ein Filetstück mit ein paar Spritzern Olivenöl einzureiben hat auch noch nie geschadet.

Für ein gleichmässiges, scharfes Anbraten – und etwas anderes wollen wir ja nicht – eignet sich eine gusseiserne Pfanne (die im besten Fall französischer Herkunft ist). Eine solche Pfanne wird immer leer erhitzt. Erst dann kommt das Fett und dann das Bratgut hinein. Müsst ihr nicht verstehn, ist einfach so.

Als Bratfett eignet sich eine Mischung aus Öl (Maiskeim) und Bratbutter (Butterschmalz). Wenn es anfängt zu qualmen ist es sehr heiss, sprich heiss genug. Erst jetzt bitte das Fleisch grosszügig mit Meersalz bestreuen und ab aufs Eisen!

Jede Seite (vier rundherum und dann die beiden Schnittenden) bekommt erst mal 2 Minuten ab. Dann die Temperatur auf Dreiviertel reduzieren und nochmals alle Seiten 1 bis 2 Minuten weiterbraten.

Das macht Summa summarum nicht weniger als 20 Minuten. Wichtiger als eine reine Zeitangabe ist aber ein waches Auge und Näslein zu haben. Es muss konstant gut riechen und keinesfalls verbrannt – besser einmal eher wenden als zu spät. Bei Erreichen eines schönen Haselnusstons ist man vorerst am Ziel.

Jetzt wird das Filet in eine Gratinform gelegt und mit Alufolie abgedeckt. Es kommt NICHT in den Ofen. (Das war meine erleuchtende Tugend aus der Not, denn der Ofen war mit schnöden Ofenfritten bei 220 Grad besetzt.)

Eine gute halbe Stunde lag mein Chateaubriand also da, ohne dass es von irgendwem molestiert wurde. So konnte es sich wunderbar entspannen und seine Säfte verteilen. (Achtung, bis jetzt haben wir das Fleisch nur gesalzen, jedes andere Gewürz wäre beim Braten verkohlt).

In der Zwischenzeit kann man die dazu obligate Sauce Béarnaise montieren: Dazu eine halbe Tasse weissen Essig, mit zwei fein geschnittenen Schalotten, einem Büschel frischem Estragon und einem Teelöffel geschrotetem schwarzen Pfeffer reduzieren bis fast keine Flüssigkeit mehr vorhanden ist.

Zusammen mit 4 Eigelb in einer Metallschüssel über einem nicht zu heissen Wasserbad schaumig schlagen. Dann nach und nach 250 Gramm geklärte Butter einrühren. Salzen und nach belieben nachpfeffern. (Die Butter klärt man ganz einfach indem man sie erhitzt und mit einem Löffel abschäumt. Dann etwas abkühlen lassen und man hat eine klare Flüssigkeit).

Butter klären

Sauce Béarnaise

Und auf zum zweiten Anbraten: Wiederum die Gusseisenpfanne stark erhitzen (das vorherige Bratfett natürlich ersetzen), das Fleisch abermals salzen und jetzt auch pfeffern und von allen Seiten braten. Ziemlich rasch bildet sich dann eine wirklich dunkle, superknusprige Kruste! Pfanne vom Herd ziehen und dem Fleisch vor dem Aufschneiden nochmals ein paar Minuten Ruhe gönnen.

Innen ist es im Idealfall blutig bis leicht rosa, je nach Vorliebe. Und im besten Fall tritt sehr wenig Saft beim Schneiden aus, schon gar nicht blutiger. Im schlechtesten Fall ist das Fleisch durch – dann treten bittere Tränen aus (es sei denn, man ist ein kompletter Ignorant).

Muss ich wirklich schreiben wie unglaublich zart und saftig das Fleisch war? Ja, es war unglaublich zart und aromatisch. Aber noch unglaublicher ist, dass das zweifache Braten so gut gelungen ist. Ich habe doch tatsächlich schon Kochanweisungen gelesen, die empfehlen, ein Chateaubriand 120 Sekunden (insgesamt!) anzubraten und dann bei 150 Grad im Ofen zu garen. Was soll das werden, Suppenfleisch?

Ein letzter Tipp noch: Teller unbedingt vorwärmen, sonst währt die Freude nicht lange genug. Auch die Béarnaise Sauce sollte rechtzeitig auf einem Rechaud (und für jeden am Tisch gut erreichbar) placiert werden. Ich habe in Restaurants schon Kleinkriege angezettelt, in denen sie es wagten, die Sauce nicht gleichzeitig zum Fleisch oder kalt zu servieren!

Chateaubriand geschnitten


24 Kommentare zu Das «Oh lala!»-Fleisch

  1. lamiacucina am 27. April 2009 at 06:09:

    ich hätte keinerlei Bedenken, das Fleisch zwiachendurch im Ofen bei 80 oder 100°C niederzugaren. Wichtig ist das zweite, scharfe Anbraten, das dem Fleisch die im Ofen vermittelte Schlappigkeit wieder nimmt. Niedergaren ist nichts anderes als beschleunigte, kontrollierte Verwesung, und diese macht das Fleisch zart.

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  2. Daniel Bachmann am 27. April 2009 at 09:52:

    Hach…der macht ja wieder richtig gluschtig, dein Artikel…Und die Fotos erst, danke!

    Ich hab letzthin Fleisch mit dem Staubsauger vakkuumiert, dann bei 65 Grad im Wasserbad gehabt, rausgenommen und mit der Lötlampe „von Hand“ grilliert, schmeckt hervorragend. Ich besorge mir mal eine professionelle „grosse“ Lötlampe und versuche mich an einem Filet.
    -> http://www.kamikazecookery.com/ -> http://www.kamikazecookery.com/films/2

    (Die kochen das Fleisch aber etwas zu lange finde ich…)

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  3. Claudio am 27. April 2009 at 10:08:

    Seh ich auch so, Robert, nur brauch ich dann entweder eine Fritteuse oder einen zweiten Backofen, um zeitgleich Kartoffeln und Fleisch zu bändigen. Oy! Die Kamikaze-Jungs kenn ich, Daniel – schräge Vögel, indeed, und so richtig britisch-unappetitlich 😉 Dann lieber auf die klassisch-französische Art.

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  4. Mike Seeger am 27. April 2009 at 11:23:

    Hunger! Ich plädiere zum zweiten Backofen! Vielleicht ein Kombigerät aus Mikrowelle und Heißluft. Denn ich hätte das Fleisch nach dem Anbraten auch bei 90°C in den Ofen gepackt. Zum Anbraten: heiß ja; Fett soll aber nicht rauchen. Dann bilden sich giftige Stoffe, und die tun dem boxtrainiggestählten Körper nicht gut. Zudem nähme ich Traubenkernöl, das kann bis 220°C locker vertragen. Da so eine Pfanne ohne Fett schon mal 400°C und mehr erreichen kann, gieße ich das Fett hinein und gebe sofort das Bratgut dazu. Glaub es: es ist heiß genug! Zum zweiten Anbraten dann das Butterschmalz, wegen des Aromas.
    Die Bearnaise mache ich ähnlich, nur passiere ich die Reduktion und gebe vor dem Servieren frischen, gehackten Estragon hinzu.
    Zu den gelesenen Kochanweisungen: Ich arbeitete mal für einen Sternekoch im Burghotel Hardenberg (hat schon lange keinen Stern mehr), der hätte mich mit der Pfanne erschlagen, dem Fleischmesser abgestochen und mich dann den Kellnern überlassen, um mir den Rest zu geben, hätte ich jemals ein Stück Rinderfilet so scharf angebraten, dass sich so eine feste Kruste bildet.

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  5. Claudio am 27. April 2009 at 11:56:

    Danke für die Hinweise, Mike. Das Traubenkernöl zum Anbraten ist mir auch bei den Anweisungen von Monsieur Ich-habe-drei-Dreisternelokale Alain Ducasse aufgefallen. Muss mir definitiv mal eines anschaffen. Frischen Estragon geb ich auch noch zur Sauce, stimmt. Aber passieren schaff ich fast nicht, die Reduktion ist so dick und zähfliessend, die bekomme ich durch kein Sieb mehr. Ist deine denn dünnflüssig? Tja, und dann das mit der Kruste: Lieber überlass ich mich erschlagen und erstochen den Kellnern, als darauf zu verzichten 😉

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  6. Mike Seeger am 27. April 2009 at 13:59:

    Claudio, ich nehme weniger (Estragon-)Essig, dafür eine halbe bis eine Tasse Weißwein zusätzlich. Wenn pro Eigelb ca. ein Esslöffel Reduktion übrig bleibt, dann passts und die Säure ist nicht zu dominant. Letztlich: jede/r nach ihrem/seinem Gusto. Wenn es allen schmeckt, sch….. auf meine Tipps 😉

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  7. katha am 27. April 2009 at 14:57:

    und bei mir steht eine minestra aus allerlei gemüse am herd. na super. wenn ich jetzt dieses fleisch hier will. du weisst aber schon, dass die profis das alle so machen mit dem zweimal anbraten? ich hab’s zum ersten mal bei johanna maier vor sechs, sieben jahren gesehen und dazwischen ist’s mir auch immer wieder aufgefallen. ist ja auch viel praktischer, weil man’s nur mehr fertigstellen muss und die eigentlich heikle anbraterei in ruhe vorab machen kann. niedrigtemperatur halte ich übrigens für überschätzt, sorry. ich stehe auch auf ordentlichen biss und ordentliche kruste. ah, noch was, fürs zweite anbraten geht auch butter pur! dann schmeckt’s irgendwie eleganter als nochmal mit butterschmalz (das ich sehr gerne verwende!) – meine erfahrung.

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  8. Barbara am 27. April 2009 at 16:25:

    und bei mir steht seit kurzem ein Profigaskocher auf der Terrasse. Da macht das rumfackeln noch mehr Spaß. Zweimal anbraten, das klingt so einleuchtend, aber das hätte ich mich nie getraut, aus Angst das Fleisch zu verhunzen, und selber eingefallen ist’s mir eh nicht.Und in Kochbüchern habe ich es auch nicht gelesen.
    Habe gestern die Schwester der Bearnaise gemacht. Das Wasserbad nen Hauch zu warm, schon gestöckelt. Zum ersten Mal das Zeug nicht weggekippt sondern mit einem frischen Eigelb nochmal angefangen und das Gestöckle einmontiert. Ich fand die Konsistenz der Hollandaise sogar besser, als wenn sie gleich beim ersten Versuch wird. Weiß jemand eine Erklärung hierfür? @katha: zustimmung bei der niedrigtemperatur, schmeckt fad.

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  9. Claudio am 27. April 2009 at 17:52:

    Probier ich gerne mal, Mike, danke. Ja, schon Katha, aber selber eben noch nie ausprobiert, weiss auch nicht warum. Minestra geht immer! Hollandaise gabs vorgestern zu Spargeln, Barbara, jetzt reichts dann wieder für eine Weile mit diesen Buttersaucen! Falls es wieder mal stockt: Mit zwei Eiswürfeln erneut aufmixen sollte theoretisch auch funktionieren, musste ich zum Glück aber noch nie anwenden.

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  10. Zoolicious am 27. April 2009 at 18:23:

    Ja, den Trick mit dem doppelten Anbraten hatte ich erst letzte Woche mit einer Entenbrust. Dennoch – ich brate das zweite Mal schön in Butter an, gibt einfach noch den Touch, wie ich finde.

    Dein Fleisch sieht dafür phänomenal aus.

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  11. Petra am 28. April 2009 at 18:49:

    Das sieht einfach nur genial aus. Genau so liebe ich es!

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  12. Leif am 4. Mai 2009 at 15:55:

    Lecker! Das zweimalige Anbraten muss ich auch mal ausprobieren. Bei mir laeuft das bei Fleisch normalerweise so ab: Ofen mit feuerfester Schale auf 100 Grad Umluft, das Fleisch zwei Stunden auf Raumtemperatur bringen. Dann mit fluessiger Butter einreiben und in den Ofen — kein Anbraten vorher! Nach einer halben Stunde (bei Steaks, je nach Dicke laenger) raus, in Alufolie wicklen und 5 Minuten ruhen lassen. Erst dann in Butter + Olivenoel scharf und kurz kurz kurz anbraten, Fleur de Sel drauf und pfeffern. Probiers mal aus 🙂

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  13. gourmetpilot am 6. Mai 2009 at 00:22:

    meine güte, es ist nach mitternacht und ich würde ein königreich geben für diesen braten da auf dem photo. claudio, was muss man machen, um bei dir auf der gästeliste zu stehen? in meinem nächsten leben werde ich wohl doch koch 🙂

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  14. Kirsten am 6. Mai 2009 at 08:16:

    Na, das ist Dir wirklich gelungen! Perfekt sozusagen. Das zweimalige Anbraten ist ein guter Tipp. Und noch etwas: ich brate seit längerem mein Fleisch auf Niedertemperatur. Das kann ich allerwärmstens empfehlen!!! Noch nie wurde mein Fleisch zarter und rosiger.

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  15. Claudio am 6. Mai 2009 at 10:19:

    Geht halt nix über Butter, Zoolicious, aber das Fleisch hat sie in Form der Béarnaise nicht zu knapp abbekommen, glaub mir 😉 Danke, Petra, und ich erst! Es gibt noch vieles auszuprobieren, danke, Leif, aber da war ich jetzt schon sehr zufrieden. Letzthin warst du ja im nahen Elsass, Joerg, warum hast du dich nicht gemeldet? Spontaner Besuch mag ich sehr gerne. Hab noch an dich gedacht, Kirsten, weil das Fleisch vom Vitellone stammt, immer noch zu jung für dich?

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  16. gourmetpilot am 6. Mai 2009 at 16:30:

    ja, nicht dran gedacht. aber ich weiss ja garnicht wo deine küche ist. muss man vorher reservieren? ich bin jedes jahr zur buchmesse in frankfurt, dann sollten wir mal einen braten oder einen fisch aufessen.
    beste grüsse aus ohlalaland

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  17. capitan am 6. Mai 2009 at 18:45:

    HUNGER!!!!!

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  18. Claudio am 6. Mai 2009 at 20:41:

    No reservations, Joerg, Frankfurt ist eine gute Idee, müssen wir machen! Marsch an den Herd, capitan! Also vorher natürlich noch zum Metzger …

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  19. gourmetpilot am 7. Mai 2009 at 15:40:

    hihi, das werden wir wohl schaffen. ich weiss garnicht wann die buchmesse ist. ansonsten bin ich vielleicht doch demnächst nochmal im elass. sdu wohnst ja in der schweiz (richtig?). dann könnte ich von dort mal rüber kommen (nachdem du beim schlachter warst natürlich). hast du meine posse über den dauerlutscher gelesen? wirklich sehr komisch die welt. grüzi, joerg

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  20. kitchenroach am 17. Mai 2009 at 22:37:

    Oh my, oh my, jetzt muss ich doch mal die Sauce Béarnaise angreifen. Habe mich immer davor gedrueckt, aber Dein Bild hat mich ueberzeugt.

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  21. gourmet am 11. Juni 2009 at 19:53:

    Wow, klasse Stückchen, leckerst. 🙂

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  22. Hannah am 24. Juli 2009 at 12:22:

    Die Fotos sind toll. Aber die Kruste sieht ein bisschen hart aus. Zu scharf angebraten?

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  23. Claudio am 25. Juli 2009 at 00:04:

    Zu scharf? Nicht wenn jemand auf den Kontrast von crispy Fleischaroma mit einem butterzarten Inneren steht, nein. Ich will ja nicht in den lauwarmen Innenschenkel einer Oma beissen.

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  24. Anonyme Köche » Blog Archive » GLAMOUR BREAKFAST am 11. April 2011 at 00:16:

    […] Eine frische Béarnaise-Sauce aufschlagen – Rezepte finden sich in guten Kochbüchern oder Foodblogs! […]

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