Der Kohl-Koenner.

Tobias Zihlmann

Spitzenkoch Tobias Zihlmann macht mächtig Kohldampf auf Federkohl.

Anfangs Woche zeigte er virtuos wie versatil sich Grünkohl zubereiten lässt. Gleich sieben Gänge – vom Amuse bis zum Dessert – gab es zu degustieren, ohne dass sich auch nur ein My von Kohl-Koller breit machte.

Er verarbeitete den wunderschönen, palmblättrigen Nero di Toscana, dazu die Sorten Hoher Roter Krauser, Halbhoher Grüner, Westfälischer Winter, Ostfriesische Palme sowie die schmalblättrige Lärchenzunge. Alles Sorten mit unterschiedlichen Geschmacksnuancen und Eigenschaften, denen der kreative Koch mit innovativer Zubereitung erstaunliche Aromatik und Textur entlockte.

Federkohl gehört ja zu den ältesten verwendeten Kohlarten überhaupt. Und bei aller Liebe zu traditionellen Gerichten wie Ribollita oder Grünkohl mit Pinkel: Es gibt echt einige spannende Methoden ihn überraschend anders zu servieren. Vorreiter der neuen Kohlwelle sind zurzeit die Amerikaner, die den trendigen Kale ohne Ende rauf und runter rezeptieren und sogar zu healthy Smoothies verarbeiten.

Als Starter gab es frittierte Blätter. Das kann man gut finden. Wer steht nicht auf Frittiertes? Mir war es nach dem dritten Bissen einen Tick zu eindimensional. Begeistert war ich hingegen von der unscheinbaren Asche auf  Zitronen-Alpbutter zu vorzüglichem Sauerteigbrot. So einfach, so viel Geschmack. Klasse!

Bei den gedämpften Kohl-Wickeln mit geschmortem Entenschenkel versetzte die dazu gereichte Kohl-„Sojasauce“ einige Gäste in Verzückung. Tobias liess lange geschmorten Kohl mit Hefe über Nacht sous-vide fermentieren und gewann dadurch eine angenehme, süsslich-salzige Würzsauce mit Tiefgang. Bildet eine Gasse und wedelt mit euren Palmkohlblättern, dieses Elixier sollte als Standardsauce in die Küchen einziehen!

Beim nächsten Gang bildete fein geschnittener, kurz gebratener Schwarzkohl das Nest für ein in Nussbutter konfiertes Eigelb. Darünter Kürbispüree, darüber geröstete Kürbiskerne und – der Knaller: Bestes Kürbiskernöl vom Oelist, der mit seinen extrem hochwertigen Ölen gerade ziemlich für Furore bei Spitzenköchen wie Sven Wassmer sorgt.

Zum lauwarmen Saibling gab es unter einer hauchdünnen Scheibe schmelzenden Lardos einen knackigen Kohlstrunk vom Westfälischer Winter in einer milden Kohlbouillon. Tüpfchen im Töpfchen waren ein paar Tropfen bestes Haselnussöl – ihr wisst ja jetzt von wem.

Als Hauptgang geschmorte Brust von der alten Fleischrasse Evolèner Rind mit sauren Zwiebeln, gebratenem und gedämpften Kohl und einem Kartoffelschaum von den einzigartigen Bergkartoffeln aus dem Albulatal. Diese Kartoffeln sind übrigens eine Geschichte für sich. Sich einlesen und sie ausprobieren lohnt sich!

Beim Dessert schliesslich überraschte und überzeugte eine grandiose Kohlmelasse(!) mit konzentrierter Süsse und feiner Säure von Boskoop-Äpfeln. Dazu geschmorter Apfel, gepuffter Amaranth und mit Heu aromatisiertem Joghurt. Grosses Tennis.

Eingeladen zu diesem handverlesenen Federkohl-Dinner im Meyers Culinarium hatten ProSpecieRara und die Biogemüse-Erzeugergemeinschaft Terraviva.

Tobias Zihlmann, der lange Jahre in der Spitzengastronomie unterwegs war, macht sich als Berater selbstständig und ist unter anderem in Mission unterwegs: Er möchte Produzenten und Gastronomen zusammenbringen.

«Ich finde es sehr schade, dass beim Gemüse wenig Sortenbewusstsein vorhanden ist. Rüebli ist Rüebli oder eben Federkohl ist Federkohl. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, aus jeder Sorte die ganz spezifischen Vorzüge herauszuarbeiten, sie entsprechend zu verwenden und dieses Wissen auch weiterzugeben», sagt er.

Das Federkohl-Diner ist der erste Anlass in einer Reihe, mit der neue Zugänge zu alten Gemüsearten und -sorten einem Publikum aus Gastro-Kreisen näher gebracht werden sollen.

Gute Sache, viel Erfolg!

Wer bock hat, die Ärmel hochzukrempeln und etwas nachzukochen, kann sich an die beiden Rezepte wagen, die Tobias freundlicherweise zur Verfügung stellt.

Kale Dinner


Dramatisch: Othello Kichererbsen.

Pasta e ceci neri

Aus einem schlichten Etwas etwas schlicht Einzigartiges machen.

Ihr liebt Hülsenfrüchte und Pasta? Kann ich mir denken. Auch mir ist jeder Piatto povero mit LinsenBohnen oder Kichererbsen, wie diese Pasta e ceci, ein Fest!

Die Rezepte sind ja meist sehr simpel und die Zubereitung recht einfach. Verflixt nur, dass zwischen einem trivialen Essen mit wenigen Zutaten und einem wirklich aussergewöhnlichen Gericht Welten liegen.

Ich bin besessen davon, auch den Schlichtesten Mahlzeiten und Gerichten Charakter zu geben. Persönlichkeit. Eine Seele im besten Fall.

Ohne das traditionelle Grundrezept anzutasten. Ohne kulinarische Kapriolen. Ohne Tricks und teure Ingredienzen. Allein die Auswahl der Produkte und die Finesse der Zubereitung soll aus etwas Banalem etwas Besonderes machen.

Ceci neri otello Marco Camilli

Neben hellen Kichererbsen habe ich für diesen Hingucker die sehr schmackhaften schwarzen Otello Kichererbsen verwendet. Benannt nach dem dunkelhäutigen Shakesspearschen Protagonisten und Opernhauptfigur Othello, nehme ich mal an.

Zu finden in italienischen Feinkostläden oder bei Eataly.

Für 4 Personen nehme ich 200 g weisse und 100 g schwarze Ceci. Die beiden getrockneten Kichererbsen müssen über Nacht oder mindestens 8 Stunden in getrennten Schüsseln einweicht werden. Danach können sie zugedeckt bei kleiner Hitze weichgekocht werden (1 bis 2 Stunden).

Ceci neri

Dann erhitzt man bestes Olivenöl extra vergine in einem Topf und aromatisiert es geduldig bei milder Hitze mit fein geschnittenem Knoblauch, Peperoncino und einem Rosmarinzweig. Die Hälfte der hellen Kichererbsen abgießen und dazugeben. Pro Person einen Esslöffel passierte Tomaten dazugeben. Salzen, pfeffern, gut mit Wasser überdecken und offen 15 Minuten köcheln.

Meine liebste Pasta für Pasta e ceci sind Sagnarelli all’uovo vom abruzzesischen Pastahersteller Giuseppe Cocco. Sie schmecken mindestens so gut wie hausgemachte Pasta. Wir kochen sie in reichlich siedendem Salzwasser sehr bissfest.

Unterdessen die Sauce pürieren; vorher den Rosmarinzweig entfernen. Die verbleibenden hellen und schwarzen Kichererbsen dazugeben.

Pasta abgiessen, dabei etwas Pastawasser auffangen. Mit den Kichererbsen mischen, kräftig aufkochen und wenn nötig mit etwas Pastawasser strecken. Die Sauce sollte dickflüssig, geradezu cremig sein und herzhaft duften.

Perfetto. Parmesan braucht es für meinen Geschmack keinen dazu.

Pasta e ceci neri


Tomaten Battle: Frisch vs. Frischer

Sugo im Einmachglas_s

Kluger Rat: Tomaten-Vorrat.

Wer überfordert ist von der nun endlich simultan spätgereiften Tomatenlawine aus seinem eigenen Garten – ich erbarme mich und nehme sie euch ab. Danke!

Ich bekomme dieser Tage kiloweise davon. Und auch wenn die Hobbygärtner unzufrieden mit ihren Früchten sind, sie wässrig, fad oder matschig finden. Ich verwandle sie in Sommergold. Ich unterziehe sie einer alchemistischen Metamorphose, von der ich immer wieder in freudige Ekstase gerate, weil die Wandlung selbst mit vermeintlich armseligen Tomaten gelingt.

Es ist so einfach: Tomaten waschen und auf der Unterseite kreuzweise einschneiden. In einem Topf mit kochend heissem Wasser 2 Minuten überbrühen. Inzwischen in einem grossen Topf reichlich Olivenöl erhitzen und entsprechend der einzukochenden Tomatenmenge kleingeschnittene Zwiebeln sanft darin schmoren.

Dann Tomaten in einem Sieb kalt abspülen, schälen, Strunk herausschneiden und ganz (die Mühe mit kleinschneiden kann man sich sparen, sie zerfallen beim Einkochen von selbst) in den Topf zum Olivenöl geben.

Jetzt kommt das Mantra, das ich unermüdlich predige – im Bewusstsein, dass meine Worte bei den meisten unerhört verklingen – ihr müsst die Scheisse aus den Tomaten kochen!

Gebt Gas: Die ersten 5 Minuten soll der Deckel eures Topfes tanzen wie B-Boy Junior an einem Battle!

Dann Hitze zurückfahren und die Tomaten mindestens vier Stunden sanft köcheln lassen. Das Olivenöl wird sich am Ende der Prozedur wie ein güldner Mantel über die rote Pracht gelegt haben.

Jetzt darf man die Tomaten salzen, passieren (daher der italienische Ausdruck Passata di Pomodoro) und schliesslich in sterilisierten Einmachgläsern einkochen. Da gehören bis hierhin auch keine Gewürze oder Kräuter dazu. Das kommt dann erst später, wenn ihr entscheidet, was mit der Passata gekocht werden soll.

Ich wollte damit auch eine kleine Battle starten. Eingemachte Tomaten im Vergleich zu frischen Datterini-Tomaten, als Sugo zu den einzigartigen PPURA Fettuccine aus Bio-Maismehl, die mir Amico Cemal zum Test überlassen hat.

PPURA Mais Packshot_s

Warum Maispasta? Weil sie glutenfrei ist. Und deshalb eine richtig gute Wahl sind für Menschen, die an Zöliakie leiden. Die Ärmsten müssen sich teilweise mit Pasta herumschlagen, die eine richtige Plage für wahre Pastaliebhaber ist. Nicht so diese Maispasta. Sie hat Biss, sie hat Charakter, sie hat einen feinen Maisgeschmack!

Die Variante mit den selbst eingemachten Tomaten geht glatt als Sonntags-Festpasta durch. Bitte dafür auf mein anderes Mantra achten: Die Pasta mit dem Sugo verbinden bevor sie auf den Teller kommt.

Maispasta Pomodorini_s

Die zweite Variante räumt aber richtig fett ab: Sie gewinnt der Maispasta mit frischen Datterini-Tomaten alles ab.

Auch dieser Sugo geht ganz einfach: Kleine Rispen- oder Datterinitomaten der länge nach aufschneiden. Mit der Schnittfläche in eine Pfanne mit reichlich Olivenöl geben und bei mittlerer Hitze karamellisieren. Dauert so 10 bis 15 Minuten.

Die Tomaten in dieser Zeit nicht bewegen! Sie sollen intakt bleiben. An der Schnittfläche leicht angebraten und innen saftig und frisch. Kurz vor dem Mischen mit der gekochten, tropfnassen Maispasta gibt man fein geschnittenen Knoblauch, frischen Basilikum, Salz und schwarzen Pfeffer dazu.

Die Pasta sollte ordentlich al dente sein. Traut euch und der Pasta wirklich mal einen festen Biss zu. Sie schmeckt um Welten besser, als zu weich gekochte Pasta. Und damit das dritte Mantra auch klar ist: Da kommt kein Käse dran! Das ist ein öliger Sugo, das muss flutschen, nicht bremsen.



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