Neue Backkurse im Atelier Foif

Lievito Madre

Wer möchte meine Bianca kennenlernen und sich der Liebe zum Backen mit Lievito Madre hingeben? Neue Kurse im Atelier Foif in Winterthur, am 10. März und 5. Mai. Jetzt buchen. Freu mich auf euch!

Kurs Dienstag, 10. März, 18 – 21 Uhr: Info & Anmeldung
Kurs Dienstag, 5. Mai, 10 – 13 Uhr: Info & Anmeldung


Erde aus Steinpilzen.

Erde aus Steinpilzen

Ich habe geträumt. Ich hatte etwas wahnsinnig köstliches, tiefwürziges im Mund.

«Was ist das?», habe ich mich selbst im Traum gefragt.
Mein anderes Ich antwortete: «Ist geil was?»
«Total! Schmeckt nach Steinpilzen und ist irgendwie körnig, knusprig, salzig …»
«Wach auf» sagte das wache Ich zu mir. Aber ich wollte weiterschlafen.
«Ich möchte aber noch schlafen, ich bin so müde.»
«Steh auf! Du musst das jetzt machen. Es ist „Erde“ aus getrockneten Steinpilzen.»
«Geil. Dachte mir sowas. Hast du Brot geröstet und dann fein gemixt?»
«Ja, und karamellisierte Schalotten sind auch drin. Hopp jetzt! Steh auf, du Penner.»
«Ja, ich machs ja. Lass mich jetzt noch schlafen», antwortete ich meinem Traum-Ich.
«Nein, tu das nicht. Nicht weiterschlafen! Du weisst, wie schnell man seine Träume vergisst. Steh auf, sonst erwachst du und weisst von nichts mehr.»
«Schon okay, mach dir keine Sorgen. Dieser Geschmack ist zu genial. Ich werd mich schon daran erinnern, wenn ich aufwache, versprochen. Steinpilze, Brot, Schalotten. Alles klar, bis später.»
Dann schlief ich tatsächlich weiter ohne vom Traum aufzuwachen. Heute Morgen dann, war klar, was ich als Erstes tun würde:

1 Brotscheibe im Ofen rösten. Daneben 1 fein gehackte Schalotte mit etwas Olivenöl beträufeln. Nach 10 Minuten bei 180 Grad Brotscheibe wenden. Nach weiteren 5 Minuten ist das Brot schön gebräunt und die Schalotten duften betörend goldgelb.

Zusammen mit 2 Esslöffel sehr guten getrockneten Steinpilzen, einem halben Kaffeelöffel Salz, einem halben Kaffeelöffel Olivenöl und frisch gemahlenem Kampotpfeffer habe ich dann alles fein gemixt.

Boah. Sprachlos. So eine tolle Textur! Und dieser Geschmack!

Hab noch keine Ahnung, was ich damit anstellen werde, von Butterbrot bestreuen, zu würzen von Gemüse- und Fleischgerichten kann ich mir alles vorstellen.

Sogar dünne Apfelscheiben damit bestreuen und aufschichten, keine Ahnung.
Probiert es mal. Vielleicht fällt euch was Geniales ein.

Eine Frage hab ich noch: Warum träumen wir so konkret von einem Geschmack, einer Konsistenz? Und dann stehen wir auf und setzen es zwanghaft um? Ich wusste ja nicht, ob meine Zutaten wirklich funktionieren würden. Aber sie tun es. Wenn ich jetzt im Nachhinein Rezepte nach „Erde“ oder „Soil“ suche, sind alle ganz anders zusammengesetzt als mein Rezept.

Finde das faszinierend, was unser Hirn nachts so produziert. Das ist voll gut!


Laib und Seele.

Ciabatta

Das hier, das ist nicht einfach ein Brot. Es ist der Beweis, dass ich dafür etwas zum Leben erweckt habe, das mein Leben überdauern könnte und danach womöglich an die nächste Generation übergeht: Mein eigener Lievito Madre.

Lievito Madre heisst übersetzt Mutterhefe. Ein Weizensauerteig nach italienischem Vorbild. Damit kann ich mit blossen Händen – wann immer ich es möchte – ein kleines Wunder vollbringen. Nämlich mit nichts als Wasser, Mehl und Salz richtig gutes Brot, Pizza oder Focaccia backen, die es in solcher Ursprünglichkeit und mit so einer komplexen, feinsäuerlicher Aromatik nirgendwo zu kaufen gibt.

Dinkelbrot

Und damit wir uns gleich richtig verstehen, wir sprechen hier von echtem Brot. Aus einem Teig, der es in sich hat. Nämlich dutzende Arbeitsschritte, geübte Handgriffe, Beobachtungsgabe, Erfahrung und Zeit. Sehr viel Zeit. Manchmal 48 Stunden. Dabei entwickelt er einen unvergleichlichen Geschmack, eine besondere Textur und eine bessere Verträglichkeit. Kein Vergleich zum flachen Geschmack von Brot, das husch-husch mit gekaufter Frischhefe gebacken wird. Von Industrie- und Supermarktbroten reden wir schon gar nicht. Mit all den haarsträubenden Zusätzen, ihrer schwammigen Konsistenz und ihrer geschmacklichen Leere.

Pizza bianca Teig

Meine Vorstellung von Brotbacken geht so: Ich will es verinnerlichen. Im Schlaf können. Etwa so wie man Rad fährt. Ohne gross zu überlegen, einfach aufsitzen, intuitiv die Balance halten und so lange in die Pedale treten wie es nötig ist, um ans Ziel zu kommen. Ich will keine komplizierten Rezepte abarbeiten. Keine Knetmaschinen anwerfen. Kein Chemiestudium absolvieren. Niemand, der aus der Tradition zu hause Brot bäckt tut das. Es ist wie mit der Herstellung von frischer Pasta. Eine italienische Nonna braucht keine Anleitung dazu. Sie tut es aus Erfahrung, aus dem Handgelenk. Und sie bekommt sie grandios hin. Immer.

Weizen Dinkel Brot

Zur Erinnerung: Das erste Mal habe ich vor neun Jahren in dieser Geschichte über Pinocchio von Lievito Madre geschrieben. Der Bäcker im Dorf meiner Eltern, Cesidio, der die beste Pizza bianca der Welt bäckt, hatte mir erzählt, dass seine Hefe von seinem Vater mit einer überreifen Birne angesetzt wurde. Damit war für mich eigentlich klar, dass ich nie im Leben etwas ähnliches zustande bringen könnte.

2011 erzählte mir eine Schwedin am Foodphoto Festival in Tarragona, dass jeder in ihrer Familie selber Brot bäckt. Und zwar mit dem eigenen Sauerteig, der an alle Familienmitglieder weitergegeben wird. Sie verriet mir weiter, dass in Schweden viele Hotels die mitgebrachten Sauerteige der Gäste gerne in dafür vorgesehene Kühlschranke einquartieren. «Haha! Ihr verreist mit einem Sauerteig im Gepäck?» spöttelte ich. «Natürlich, wenn man den nicht füttert, stirbt er!» Füttern? Ich verstand nur Bahnhof. Es fesselte mich zwar, aber es war zu weit weg. Ich hatte nichts mit schwedischer Brotkultur am Hut.

Ein paar Jahre später – es liess mich nicht los – setzte ich dann eine erste Mutterhefe an, deren Rezept in meinem Buch Italien vegetarisch von 2014 zu finden ist. Eine Pasta Madre eigentlich. Es gibt in Italien zwei Arten, den Sauerteig zu führen. Die Pasta Madre wird jeweils im Verhältnis 2:1 Mehl und Wasser aufgefrischt, was ihr die Konsistenz eines Teiges verleiht. Ein eindrückliches Exemplar dieser Art  zeigte mir Thomas Morazzini in Umbrien, der mir seine Eleonor vorstellte, eine Mutterhefe von 65 Jahren! Die Liebe, mit der er über das Backen und seine Eleonor sprach, beflügelten mich erneut.

Auch meine österreichische Nachbarin, Käthi, hat mir ein wunderschönes Brotbild eingebrannt. Sie erzählte mir, dass sie in ihrer Grossfamilie auf dem Bauernhof nur einmal im Monat Brot gemacht haben. Die Mutterhefe habe man zwei Tage wässern müssen, um sie wieder zu aktivieren. Sie wurde offen aufbewahrt und trocknete langsam ein, bis sie nach drei Wochen zum Leben erweckt wurde. Geformt wurden jeweils 12 Laibe. Ausgebacken wurden sie beim Bäcker. Und dann – jetzt kommts: Packte man das Brot in Leinensäcke und bewahrte sie im Keller auf. Käthi blickte mir tief in die Augen und meinte: «Du, ich sag dir, das letzte Brot aus dem Keller, das schon seit drei Wochen da hing, das war das beste Brot überhaupt! Ich habe nie wieder irgendwo ein so gutes Brot gegessen, ehrlich.»

Halbweissbrot

Nach ein paar Monaten hatte ich mit meiner bestehenden Mutterhefe etwas Mühe. Immer mehr empfand ich das Auffrischen als lästig. Die paar Minuten für die wenigen Handgriffe mit abwägen, mischen und kneten waren mir zuviel Aufwand, für die eher dürftigen Backresultate, die ich im Gegenzug zustande brachte. Ich wollte nochmals von vorne beginnen. Mit einer überreifen Birne, wie Cesidio’s Vater!

In dieser Zeit sah ich mir unzählige italienische Tutorials auf youtube an, las italienische Foodblogs mit brutal beeindruckenden Amateur-Bäckern und liess mich von der neuen Kalifornischen Welle der Artisanal Bakers wie Chad Robertson von der Tartine Bakery mitreissen. Dabei stiess ich auf die andere Art der italienischen Sauerteigführung: Li.co.li – lievito madre in coltura liquida. Der ist flüssig und einem Roggensauerteig ähnlich. Das Mischverhältnis zum Auffrischen ist 1:1 Mehl und Wasser und wesentlich pflegeleichter.

Den Ansatz mit der Birne hatte ich allerdings verworfen, nachdem ich irgendwo aufgeschnappt hatte, dass man als Starter (eine zuckerhaltige Lösung) am besten etwas aus der unmittelbaren Umgebung (zum Beispiel eine Frucht aus dem eigenen Garten) verwendet, weil dann die Hefen in der Luft aus derselben Umgebung besonders aktiv sind. Und so ging ich vorletzten Oktober fest entschlossen zu unserem Sauergrauech-Apfelbaum, pflückte ein besonders reifes Exemplar und beschloss, das Rezept (falls es denn gelingen würde) eines Tages hier mit euch zu teilen! Das ist es:

Rezept für Lievito Madre
Li.co.li – lievito madre in coltura liquida

  • Apfel in der Küche 1-2 Wochen reifen lassen, bis er süsslich duftet und die Haut etwas ledrig wird.
  • Apfel grob in Würfel schneiden, mit Wasser bedecken und 48h mit einem Netz abgedeckt fermentieren lassen.
  • Apfelwasser abgiessen und 100 g davon mit 100 g Vollkornmehl in einem Glas vermischen.
  • Mit perforierter Klarsichtfolie abdecken und bei 26 Grad reifen lassen, bis sich das Volumen verdoppelt hat (etwa 12h)
  • 1 Woche lang alle 12 Stunden wie folgt auffrischen: Jeweils 100 g entnehmen und mit 50 g Mehl und 50 g Wasser füttern.
  • Die Hefe sollte Aktivität in Form von Bläschen zeigen und angenehm riechen (leicht alkoholisch).
  • Ab da kann man mit ihr backen. Die benötigte Menge ist 20% vom Mehlgewicht.
  • In einem Weckglas im Kühlschrank lagern und mindestens 1x pro Woche mit 50 g Mehl und 50 g Wasser füttern.
    (Statt Vollkornmehl kann man ab dann auch helles Mehl verwenden)

Apfelwasser

Mein Apfelwasser roch angenehm süss nach Apfelsaft und leicht alkoholisch.

Lievito Madre

Schon nach den ersten 12 Stunden hatte sich das Volumen vom Ansatz verdreifacht! Mich durchströmte die höhere Spannung Glücksgefühl als der Blitz der Frankenstein zum Leben erweckte. «It’s alive!» verkündete ich mit geschwellter Brust. Ich roch daran. Es war noch nicht der Geruch von fein säuerlichen Hefe, sondern nach Erde, Mehl und ja – neugeborenem Leben.

Wichtig ist, dass man einen geeigneten Ort findet, der konstant 24 bis 26 Grad hat. Bei mir war das der Heizkörper mit einem dicken Brett drauf, das die Hitze etwas abschirmt. Ich musste etwas tüfteln und mit einem Thermometer messen, bis es passte. Temperaturen über 28 Grad lassen die Hefebakterien absterben. Ist es zu kühl, brauchen sie zu lange oder werden gar nie aktiv.

Falls sich Schimmel bildet, ist der Versuch misslungen. Verwerfen und nochmals beginnen. Tut sich nach 12 Stunden nichts, kann man versuchen, in kürzeren Abständen aufzufrischen.

Ich bewahre meinen Lievito Madre (etwa 250 g) in einem Weckglas auf und lagere ihn im Kühlschrank. Zur Kontrolle notiere ich das Datum der letzten Fütterung auf einer Etikette auf dem Deckel. Spätestens nach fünf Tagen frische ich ihn jeweils auf.  Diese Routine zwingt einen, mindestens einmal pro Woche etwas damit zu backen. Das Ritual, das sich dabei einstellt, ist befriedigend, erdend – und unbezahlbar.

Lievito Madre

Bei Raumtemperatur blubbert er schon bald los und nach etwa 2 Stunden quillt er förmlich aus dem fest verschlossenen Deckel.

lievito madre minibar

Ich muss schmunzeln, wenn ich an die Schwedin zurückdenke. Selbstverständlich kommt meine Hefe mit ins Gepäck wenn ich verreise. Sie übernachtet dann schon mal in der Minibar des Hotelzimmers und wird alle paar Tage aufgefrischt. Ich würde sie nie zuhause ihrem Schicksal überlassen und riskieren, dass sie eingeht, während dem wir faul am Strand liegen.

Doch der Weg zu einem wirklich guten Brot, das glücklich macht, knusprig ist, mit einer weichen, saftigen, grossporigen Krume, dabei geschmackvoll, ausgewogen und formvollendet – dieser Weg, ist der härteste und steinigste, den ich je gegangen bin.

Pfuenderli

Wirklich, ich habe in der Küche schon alles halbwegs so hinbekommen, wie ich es mir gewünscht hatte. Aber Brotbacken hat mich Demut gelehrt. Dieses so alltägliche, vermeintlich banale Lebensmittel ist das perfekte Beispiel dafür, wie man an etwas Einfachem kläglich scheitern kann – oder ein Meisterwerk daraus macht. Oh, ich habe viele Rohrkrepierer produziert. Fladen, die so hart und appetitlich waren wie eine verstaubte Asbestplatte. Übersäuerte Laibe mit einer klebrigen Krume oder kiloschwere Brocken ohne Seele. Einmal hatte ich einen Tausch vereinbart: Selbst gemachten Wein gegen selbst gemachtes Sauerteigbrot. Ausgerechnet mit einem befreundeten Food- und Wein-Journalist!  Ich hatte mich so darauf gefreut. Hatte den Teig sorgfältig 24 Stunden lang geführt. Er hatte eine tolle Konsistenz, die richtige Spannung, ein feines Aroma. Und kurz vor dem Backen ist er mir einfach zerronnen, sich buchstäblich in ein Nichts aufgelöst.

Das Ding ist ja: Ich weigere mich, Rezepte zu befolgen. Man sagt ja gemeinhin, kochen geht auch Pi mal Daumen. Aber backen ist eine ganz präsise Chose. Da muss man schampar penibel zur Sache gehen und jedes Mikrogramm genauestens abwägen und Temperaturen aufs Grad genau einhalten. Bullshit. Wenn dem so wäre, würden ja alle Bäcker nur 1a Spitzen-Brot produzieren. Wir wissen, dass das eine Illusion ist. Leider sind die, die ihr Handwerk wirklich noch beherrschen und ernst nehmen immer mehr in Unterzahl.

pane integrale

Natürlich habe ich Bücher über Brotbacken in die Hand genommen. Und meistens wutschnaubend in eine Ecke gepfeffert. Im Ernst jetzt? Ein Rezept für Pane Pugliese mit Sauerteig und dann zusätzlich Frischhefe dazugeben? Wollt ihr mich verscheissern? Dieses Brot (eines meiner liebsten!) ist weltweit das einzige mit geschützer Ursprungsbezeichnung. Nachweislich mit 100% Hartweizen und nichts als Lievito Madre gebacken. Und ihr gebt Frischhefe rein? Das ist ja wie Viagra einwerfen, ihr Schlappschwänze! Als würde mir jemand Stützräder für mein Velo empfehlen. Hier, damit du nicht umfällst, du Trottel. Das ist schlicht inakzeptabel.

Ich teile hier gerne das authentische apulische Rezept, das mir als Leitplanke dient. Was ich allerdings gelernt habe: Das Rezept alleine garantiert noch kein Erfolg. Erst durch viel Übung gelingen die einzelnen, entscheidenden Schritte, die zu einem befriedigenden Ergebnis führen.

Pane Pugliese
con Lievito Madre

Zutaten

  • 120 g aktiver Lievito Madre
  • 600 g italienisches Hartweizenmehl (Semola rimancinata)
  • 400 g Wasser (24 Grad)
  • 20 g feines Meersalz

Zubereitung
In einem Gusseisenbräter mit Deckel

  • Lievito Madre über 12 Stunden bei Raumtemperatur 3 mal auffrischen.
  • Lievito Madre, Mehl und 380 g Wasser in einer Schüssel grob von Hand mischen (3 Min.) Zudecken und bei 24 Grad 1 Stunde reifen lassen.
  • Teig flach drücken, Salz darüber streuen, restliche 20 g Wasser dazugeben und alles von Hand verkneten, bis der Teig geschmeidig und homogen ist (5 bis 10 Minuten).
  • Teig in der Schüssel dehnen und falten (Teig mit beiden Händen von jeder Seite hochziehen und wie eine Serviette zur Mitte hin falten).
  • Zugedeckt bei 24 Grad 30 Minuten gehen lassen. Weitere 3 Mal im Abstand von 30 Minuten mit nassen Händen dehnen und falten.
  • Nach dem 4. Mal dehnen und falten sollte der Teig sehr weich und voluminös sein Eine weitere Stunde zugedeckt gehen lassen.
  • Teig auf eine bemehlte Arbeitsfläche geben, Oberfläche bemehlen. Mit der Handfläche durch leichtes flachklopfen und zu einem rechteckigen Teigstück formen. Die kurzen Seiten dehnen und zur Mitte hin falten. Um 45 Grad drehen und nun vom kurzen Ende her dicht einrollen, damit der Teig eine kompakte längliche Form bekommt. Durch Rundwirken zu einer straffen Kugel formen.
  • Bemehlen, zudecken (z.B. mit der Teigschüssel) und 30 Minuten ruhen lassen.
  • Gusseisen-Bräter mit Deckel im Ofen auf 250 Grad vorheizen.
  • Teig nochmals kurz zu einer Kugel wirken, damit die Oberfläche wieder Spannung bekommt, mit einer Rasierklinge einschneiden, z.B. zwei längliche Schnitte nebeneinander oder 6 Schnitte über Kreuz wie ein Schachbrett.
  • Auf einem Backpapier oder einer Backschaufel absetzen und weitere 10 Minuten zugedeckt ruhen lassen.
  • Brot vorsichtig in den Gusseisen-Bräter legen, Deckel drauf und 30 Minuten auf der untersten Rille backen.
  • Deckel abnehmen und weitere 15 Minuten offen fertig backen. Brot auf einem Gitter auskühlen lassen Frühestens nach 2 Stunden aufschneiden.

Pane Pugliese

Ich habe weiterhin Rezepte quergelesen, mir aber meinen eigenen Weg gebahnt und einfach probiert. Es ist ein anderes Lernen, wenn man immer wieder auf die Schnauze fällt, den Fehler sucht und dann jeden Schritt noch einemal besser und sorgfältiger macht. Es ging nur langsam voran. Aber immerhin, von Brot zu Brot wuchs meine meine Zuversicht und die Anerkennung der Leute, die davon probierten.

Brotscheiben

Meine geliebte Pizza bianca hingegen wollte einfach nicht nach ihrem Vorbild aus dem Vecchio Forno in Pescasseroli gelingen. Mal schmeckte sie zu banal, mal zu sauer, mal war sie zu flach und zu hart, mal zu hoch und zu weich. Bis sie eines Tages so aussah:

pizza bianca

Aussen krachend knusprig und innen aromatisch und luftig. Und meine Familie und Freunde, die die Pizza aus Pescasseroli kennen, meinten, Mamma mia, Claudio! Was hast du getan? Diese Pizza ist wie keine zuvor und definitiv noch ein bisschen besser als die in Pescasseroli.

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Ist das crazy? Das man vor Glück den Tränen nahe ist, nur weil man etwas gebacken hat? Aber genau das ist es. Das ist genau der entscheidende Unterschied, nachdem wir alle suchen. Der aus einem einfachen Essen einen aussergewöhlichen Bissen macht, der die Leute so tief berührt, dass sie beinahe erschrecken.

Porno di forno. Wer hat die Grössten?
Es gibt auf Instragram tatsächlich den Hashtag #pornodiforno! Dabei geht es meistens um Superlative wie riesengrosse Poren, die durch extreme hohe Hydratation (Wasseranteil im Verhältnis zum Mehl) von 100% und mehr entstehen. „Und mehr“, muss man sich mal vorstellen. Da draussen gibt es backbesessene Typen, die es tatsächlich fertig bringen, aus 1 kg Mehl und 1,2 kg Wasser einen backfähigen Teig zu formen.

Pane casareccio

Oft geht es auch um die perfektesten Handgriffe beim Dehnen und Falten von sehr klebrigen Teigen. Um das Formen eines perfekten Laibes oder dessen ästhetisches Einschneiden. Ich schaue mir vor allem die Handbewegungen minutiös ab. Durchforste die Kommentare und befolge Tipps zu Mischverhältnissen.

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Brot backen, ist etwas Aufregendes. Wenn ich weiss, dass ich am nächsten Tag Brot backen werde, schlafe ich mit den Gedanken daran ein. Ich überprüfe mehrmals, ob der Wecker auf Mitten in der Nacht auch wirklich gestellt ist. Und bevor ich aufwache, gehe ich im Traum die verschiedenen Schritte durch. Es fühlt sich an, wie vor einer Prüfung. Ich weiss, dass ich es kann und ich freue mich auf das Ergebnis. Aber ich habe auch Angst zu scheitern, weil ich etwas vergesse oder falsch mache und das Brot dann nichts wird. Also nehme ich im Traum rechtzeitig die Hefe aus dem Kühlschrank und stelle beruhigt fest, dass sie schöne Bläschen an der Oberfläche hat und aktiv ist. Dann wäge ich Mehl und Wasser ab, mische, knete, dehne, falte und so fort. Das ganze Tralala. Ich gehe den ganzen Zyklus durch wie ein Sportler, der mit geschlossenen Augen sein Rennen im Geiste abruft. Dann wache ich auf und mache mich eifrig ans Werk.

Manchmal backe ich aber auch einfach so nebenher. Hole die Hefe wie zufällig aus dem Kühlschrank und frische sie so lange auf, bis mir die schaumige Konsistenz zusagt. Dann fange ich an einen Teig zu führen, ohne dass ich festgelegt habe, was draus werden soll. Immer im Vorbeischlendern prüfe ich die Konsistenz und den Duft vom Teig. Während der Zeit, in der ich abends etwas lese oder schaue, stelle ich den Timer und gehe alle 30 Minuten kurz in die Küche, dehne und falte den Teig eine Minute und gehe wieder meiner anderen Beschäftigung nach. Dann packe ich den Teig in den Kühlschrank und backe irgendwann ein Brot, eine Ciabatta oder eine Pizza damit. Vielleicht nach 12, 24 oder erst nach 72 Stunden. Alles kein Problem.

Focaccia Barese

Denn so habe ich mit Brotbacken vorgestellt: Ich will es verinnerlichen. Im Schlaf können. Etwa so wie man Rad fährt. Ohne gross zu überlegen, einfach aufsitzen, intuitiv die Balance halten und so lange in die Pedale treten wie es nötig ist, um ans Ziel zu kommen.

Es gibt keine alleinige Wahrheit beim Brotbacken. Nur einen eigenen Weg. Und den muss jeder selbst gehen. 2016 betrachte ich als mein erstes Bäcker-Lehrjahr. Ich habe einen Apfel aus unserem Garten gepflückt und daraus meinen Lievito Madre angesetzt. Damit habe ich jede Woche gebacken. Ein Brot, eine Pizza, eine Focaccia. Es gab niederschmetternde Tage. Viele. Und Tage der Euphorie. Einige. Es gab Tränen der Verzweiflung und der überwältigenden Freude. Die Reise hat gerade erst begonnen. Wer mag, kann mich begleiten.

Falls ihr euch auch auf den Weg macht: Viel Glück!

Ciabatta


Butter bei die Frische

Unschlagbar gut: Morgens frisches Brot mit guter Butter.
Unschlagbar gut: Mittags frisches Brot mit guter Butter.
Unschlagbar gut: Abends frisches Brot mit guter Butter.

Und diese Butter ist unschlagbar gut: Mit gros sel gesalzene Butter aus der Normandie. 10 Minuten von Basel auf dem Samstagsmarkt von St. Louis zu finden, beim Stand der Maison Hilpipre aus Aspach le Bas.

Das erste Mal habe ich die Butter mit dem faltigen Rand für einen exotischen Käse gehalten. Ich deutete auf den Go-Kart-Rad grossen Laib und fragte Madame: „C’est quoi comme fromage?“ Darauf Madame amüsiert: „Des isch doch ke Kàs, des isch Beurre de Normandie!“

Die Butter gibt es süss, demi-sel und eben mit gros sel – ein besonderer Genuss, weil die Salzkristalle so knuspern beim Essen.

Man sollte für den Rundenstop bei Hilpipre eine Extra-Boxenzeit einrechnen. Erstens muss man sich meistens hinter einer langen Kundenschlange anstellen und zweitens braucht man Zeit, um eine gute Wahl bei den exzellenten Ziegenkäsen zu treffen, mit Madame den gewünschten Reifegrad ausgezeichneter Weich- und Hartkäse zu detektieren oder sich von der exzeptionellen Crème fraîche (für die Rhabarbertorte!) schöpfen zu lassen.

Manchmal aber, da schmeckt die Beurre de Normandie fast noch besser als der beste Käse. Einfach nur frisches Brot und gute Butter. Fertig.



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