Merken: Fave e cicoria.

Fave e cicoria

Eines (von vielen) klassischen Gerichten der cucina povera, der ärmlichen italienischen Bauernküche, das Kenner vor Glück in die Knie zwingt.

Das Süsslich-Milde der Favabohnen passt perfekt zum bitteren Ton der Catalogna.

Und das Bereichernde an diesem „Arme-Leute-Essen“ heutzutage: Es ist vegetarisch – oh, hoppla! – es ist sogar vegan, es ist clean, es ist nahrhaft, es ist nachhaltig, es ist detox (obwohl dieser Begriff Schwachsinn ist), es ist erschreckend simpel, es ist unkompliziert in der Zubereitung (okay, ein trendiges, fettarmes Fertiggericht aufzureissen geht schneller) und es schmeckt darüber hinaus noch komplex und verdammt gut. Nur, dass das die mehrheitlich doch recht verhaltensauffälligen Lifestyle-Gutmenschen-Esser noch nicht mal auf dem Radar haben und stattdessen lieber industriell gefertigte Fleischersatzprodukte zweifelhafter Herkunft liken. Ach, es ist so ermüdend gerade.

Letzten Sommer habe ich das Gericht mehrmals in seiner Ursprungsregion gegessen: Im atemberaubend schönen Apulien. Müsst ihr hin. Und wenn es nur fürs Essen ist. Was ja eigentlich immer das primäre Ziel sein sollte, nicht wahr? Aber gut, Landschaft, Meer und Kulturdenkmale nähren die Sehnsucht auch ziemlich üppig.

In meinem Buch «Italien vegetarisch» findet sich das Rezept im Frühjahrskapitel. Dann wird es mit frischen Fave (dicke Bohnen) und der Schnittzichorie Cicoriella zubereitet.

Wer Glück hat, findet hierzulande Catalogna als Wintersorte. Was meistens doppeltes Glück bedeutet: Denn im Inneren – wer hier regelmässig mitliest, weiss es – befinden sich die dicken Puntarelle Sprossen, was mir der liebste Wintersalat ist.

Catalogna

Solange es noch keine frischen Fave (Saubohnen) gibt, kann man sehr gut auf getrockneten Fave zurückgreifen. Die gibt es (bereits geschält) in italienischen Feinkostläden oder bei türkischen Gemüsehändlern.

Fave

Für vier Personen weicht man 300 g getrocknete Favabohnen mindestens 12 Stunden in kaltem Wasser ein. Dann kocht man sie mit einer in 5 mm dünne Scheiben geschnittene Kartoffel und einem Lorbeerblatt auf und lässt sie zugedeckt bei kleiner Hitze 2 Stunden weichgaren.

Inzwischen Catalognablätter abzupfen, putzen und in siedendem Salzwasser 10 Minuten blanchieren. In einem Sieb abtropfen und auskühlen lassen.

Wie gesagt, mit den dicken inneren Trieben macht ihr bitte den weltbesten Puntarellesalat.

Für das Favepüree den Lorbeer entfernen. Alles mit einem Kartoffelstampfer zerdrücken, salzen und dann mit reichlich gutem Olivenöl extra vergine und zu einem cremig Püree schlagen.

Die abgetropfte Catalogna im Olivenöl schwenken – was auf Italienisch ripassare all olio genannt wird: Dazu 1 Knoblauchzehe schälen und in feine Scheiben schneiden, Peperoncino in Ringe schneiden. In einer Schwenkpfanne Olivenöl erhitzen, kurz mit Knoblauch und Peperoncino aromatisieren. Cicoria dazugeben, durchschwenken und mit Salz abschmecken.

Auf einem vorgewärmten Teller anrichten, Cicoria rundherum platzieren und alles mit bestem Olivenöl beträufeln.

Besonders intensiv wird es mit einem jungen Olivenöl aus Erstpressung, so wie dem Novello, das ich von meinen liebsten Freunden von Ppura erhalten habe.

Brutal gut.

Ppura Novello


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So schaut sie aus, die vegetarische Galaxie im Wiener Tian.

Die seit Jahren hoch geschätzte Seelenverwandte Katharina Seiser befindet sich aktuell in einem ungewöhnlichen kulinarischen Orbit. Ihre Mission: 21 Tage vegan essen. Also rein pflanzlich. Keine tierischen Produkte. Nicht einmal Honig ist ihr vergönnt. Der gehört den fleissigen Bienen.

Wer Katha kennt, weiss, dass sie das akribisch durchzieht, ebenso fleissig Tagebuch darüber führt und ihre Erkenntnisse teilt und diskutiert.

Man kann ihr hier folgen, oder sich auf die Märzausgabe der Maxima freuen. Dort wird ein Artikel von ihr darüber erscheinen.

Auf meiner Kurzvisite in Wien haben wir uns im schicken Vegetarier Tian getroffen.

Ich weiss, Wien und Kurzvisite sollten sich ausschliessen und ich gelobe wieder zu kommen, ich mag nämlich diese Melange aus hochtrabend und heruntergekommen  und auch wenn ich gehört habe, dass sich die Wiener über ihre Stadt beklagen – ich bewundere sie.

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Das vegetarische Restaurant ist gleichzeitig gehoben und geerdet. Und dazu sehr kommunikativ. Die Küche ist radikal auf die Qualität der primären Produkte fokussiert. Gekocht wird auf einem hohen kreativen und handwerklichen Niveau mit viel Überraschung und Witz.

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Schöne Grüsse von der Knoff-Hoff-Show: Japanische Kaffeekocher für Randensuppe mit Thymian und Kakao.

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Hmm, wenns vegetarisch sein muss und herzhaft und satt machen soll, dann gehen italienische Spiantravioli immer. 

Leider hab ich in den dreieinhalb Stunden (!) nicht mitgeschrieben, was uns da als leichter Lunch serviert wurde. Aber sie wollen das Menü per Mail nachreichen und natürlich werde ich es dann hier ergänzen. Für Katha wurde jeder Gang auf veganisch übersetzt. Da fehlen dann ein paar Silben auf dem Teller, aber sprachlos macht einen so ein Essen bestimmt nicht. Im Gegenteil.

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Für mich ist vegane Ernährung keine Option, aber sehr wohl ein Thema. Dank meinem italienischen Erbe verwende ich mit einer ungezwungenen Selbstverständlichkeit, Gemüse, Hülsenfrüchte, Pasta, Reis und Polenta. Damit ist mein Speiseplan über lange Strecken veganer, als mir vermutlich bewusst ist.

Vor Jahren hatte ich mich übrigens bewusst gegen Fleischkonsum entschieden.

Die Erkenntnis, mit welchen Methoden Tiere aufgezogen werden und mit welchen Mitteln Fleisch behandelt und konserviert wird, bremste meinen Appetit  erheblich.

Mein Umfeld litt ein bisschen mit mir – und auch an mir. Weil sich Einladungen mangels valablen Alternativen als Herausforderung erwiesen. Nach ein paar Jahren musste auch ich eingestehen, dass der Verzicht auf Fleisch für mich einen grösseren Stress darstellte, als sich einem moderaten und bewussten Konsum hinzugeben.

Und so wurde ich vom überzeugten Vegetarier wieder zu dem, was der Mensch per se nun mal ist: Ein opportunistischer Allesfresser.

Das schliesst selbstverständlich nicht aus, dass man sich vor dem Einkauf seiner Lebensmittel Gedanken über die Herkunft und deren Produktion macht und Vernunft walten lässt.

Schlussendlich muss aber jeder seinen eigenen Weg finden – je weniger Erde er dabei verbrennt, desto besser für alle Beteiligten.

Auf ihrer veganen Expedition hat sich Katha – brillante Netzwerkerin, die sie ist – abends dann eine illustre Runde Kulinariker für ein veganes Menü in ihr liebstes Wiener Lokal bestellt, um allem voran die sensorische Erfahrung mit anderen zu teilen. Auch da durfte ich mich dazusetzen und mich an der Gesellschaft wie am Gebotenen sehr erfreuen.

Meinrad Neunkirchner macht aus dem «wos i hoit grad do hab» wie er lässig sagt, sehr souverän und handwerklich sehr aufwändig richtig gutes Essen. Damit meint er natürlich, was jetzt gerade aus der Umgebung Frisches zu bekommen ist.

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Und das ist nicht wenig. Ein Produzent unweit der Stadt erntet für ihn um diese Jahreszeit sogar Brenn- und Taubnessel.

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Da muss man sich schon richtig anstrengen, wenn man den veganen Faden nicht verlieren will. Da gibt es nichts, was auch nur im Ansatz etwas ersetzen oder imitieren will. Das hat Geschmack, das hat Biss, das hat Sättigendes.

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Und «an Schalk» hat er auch: Er gönnt der Katha nämlich sogar den Honig. Bloss, dass es halt kein Bienenhonig ist, sondern ein Löwenzahnhonig!

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Rote Rüben mit Pumpernickel, Kren und Vogelmiere. Gefüllte Zwiebel mit Navetten und – da ist er – Löwenzahnhonig.

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«Des gehd si scho aus.» Mein neuster liebster Austriazismus. Auch wenn er a bisserl inflationär eingesetzt wird.

Fast schon mit schlechtem Gewissen, habe ich mir dann noch einen Besuch ohne Katha beim angesagten Konstantin Filippou gegönnt.

Ich hab mindestens eine der drei marinierten Sardinen – die du ja so magst – auf dein Wohl verschlungen, liebe Katha!

Neugriechisch ist die angesagte Küchensprache bei Konstantin Filippou.

Wie bei einem traditionellen Stifado fehlt der Zimt in der Sauce auch bei der modernen Interpretation nicht.

Also wie gesagt – mit solchen Lokalen ist es schon recht gut auszuhalten in Wien.

Ach so. Mein persönliches Resümee in Sachen veganes Essen? Passt eh. Was Unsinn ist: Missionieren, Fisch oder Fleisch imitieren wollen (vegane Würste und Burger) und die Idee, vegane „Produkte“ seien per se gesund.



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