Pret A Manger

Passt farblich perfekt in den Modeherbst 2009, aber was scherts den Bonvivant?

Lila geht diesen Herbst anscheinend. Obwohl das eigentlich überhaupt nicht geht. Schon gar nicht an einem Mann. Lila ist eine andere Art von Gelb. Das ein ebensolches No Go ist. Es sei denn, man gefällt sich als stilistischer Schreihals.

Der einzige Mann, der Lila tragen darf – und das auch nur als Futter in seinem Umhang – steht auf einer Bühne und zaubert weisse Karnickel aus einem Zylinder.

Und Gelb? Ja, Gelb. Ein schon etwas älterer Quartierzeitungs-Verleger, sagte einmal zu Patrick: «Was sind Sie, ein Ha De? Was soll denn das sein, Hilfs-Dienst? Haha. Nicht Ha De, Ah De? Ach so, Art Director. Ja, doch, ich kannte mal einen „Art Deirektor“. Der hatte immer einen gelben Overall an! Der war auch AD – in Neu York! Ein ganz verrückter Cheib!».

Überhaupt outet einen die Frage nach der «Modefarbe» doch als komplett démodé. Modefarben sind doch bloss dazu da, dass die Leute später einmal etwas zu lachen haben über die Leute, die damals an Geschmacksverirrung litten und diese obszönen «Modefarben» trugen.

Alles andere als eine Geschmacksverirrung ist die Kombination Rotkraut mit glasierten Marroni. In der Schweiz sagen wir Marroni zu Kastanien. Dafür nennen die Deutschen Rotkraut auch mal Rotkohl oder Blaukraut. Passen würde diese Kombination perfekt zu Wild. Aber das hatte ich gar nicht vorgesehn.

Am Samstag hatte ich bei meinem liebsten Elsässer Gmiesmaa einen Rotkohl gekauft. Und beim Metzger ein kleines Schüüfeli ergattert. Eine gepökelte Schweineschulter. Dazu nahm ich zum Glück und in weiser Vorsehung ein Stück gesalzener Speck.

Das heutige nasskalte Sauwetter, das, zugegeben, zum stimmungsvollen Ausklang der Basler Herbstmesse (von Robert reich bebildert und oft beschrieben) passte sowie die Sehnsucht nach einem herzerwärmenden Essen trieben uns Heim. Auf dem Weg musten wir uns nur noch beim Marronimaa mit gerösteten Kastanien eindecken und schon konnte es losgehen:

Rotkohl in feine Streifen schneiden. In einem Dampfkochtopf Schalotte in Butter anziehen. Rotkohl, einen geraffelten Apfel, Rotwein, Weinessig und Wasser dazugeben. Salzen, pfeffern. Dann am besten das Schäufele und den Speck darauf legen und 20 Minuten dämpfen.

Für die glasierten Marroni Butter und Zucker in einem Topf leicht karamellisieren. Die vom Marronimaa bereits gebratenen Marroni mit leicht gesalztem Wasser bedecken und 15 Minuten weich dämpfen. Vor dem Anrichten Marroni aus dem Topf heben und den Karamellsud sirupartig einreduzieren. Marroni wieder zufügen und durchschwenken.

Das Tröstende an diesem Gericht ist die Opulenz der Geschmacksempfindungen. Geradezu typisch herbstlich die Texturen und Nuancen: Von weich, zart und saftig über süss-sauer (fast welk) zu salzig-bissfest und von überfett bis – ja, herb eben.

Die Schweineschulter war übrigens von wirklich klitzekleinem Ausmass; ein Fäustling von knapp 400 Gramm. Deshalb war sie nach 20 Minuten im Dampfkochtopf sehr zart und sehr saftig.

Auf dem Rotkraut platziert, sollte man Schüfeli und Speck unbedingt mit dem Karamellschmelz der Marroni nappieren.

Et voilà, à la mode oder nicht, on s‘en fout – c‘est prêt a manger!


19 Kommentare zu Pret A Manger

  1. Schnick Schnack Schnuck am 9. November 2009 at 07:16:

    Ui, ja. Da läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Ich mag satte Farben. Auf dem Teller.

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  2. nata am 9. November 2009 at 08:29:

    Wenn es eine Modefarbe in Foodblogs gibt, dann wird Orange gerade von Lila abgelöst.

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  3. Mike am 9. November 2009 at 08:37:

    Ist ja fast schon Rotkohl-Fastfood. Mich kostet der Rotkohl mit über Nacht beizen und vorher ordentlich durchkneten wesentlich mehr Zeit. Einen „Marronima“ gibt es bei uns leider weit und breit nicht, den letzten sah ich vor Jahren in München. Irgendwo fliegen hier noch geschälte, eingeschweißte Marroni herum. Ist aber wirklich kein Vergleich mit frisch zubereiteten.
    War denn die Schulter nach nur 20 Minuten schon zart?

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  4. Claudio am 9. November 2009 at 09:23:

    Mir auch schon wieder Schnick Schnack Schnuck, das wäre jetzt ein schönes Frühstück! Jaja, nata, der inflationäre Kürbis im Herbst. Aber dafür braucht man sich ja nicht zu schämen, dieser „Trend“ wiederholt sich zum Glück jedes Jahr. Danke für die Nachfrage, Mike, ich habe gerade noch etwas zur Schweineschulter ergänzt. War sehr zart, weil sehr klein. Die Kochanleitung zum Kraut kam übrigens von der Frau des Gmiessmaa. Ich war auch überrascht über die unkomplizierte, unmarinierte und kurze Zubereitung. Ist aber sehr toll; das Kraut ist weich und hat doch einen erfrischeden Biss.

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  5. Magdi am 9. November 2009 at 09:38:

    Das Foto und die Beschreibung animiert auf jeden Fall zum Nachahmen.
    Der Speck geräuchert oder gekocht? Mir fällt auf, dass es bei dir oft Fleisch gibt. Unsere Tochter würd sich mit dir gut verstehen. Sie würd sagen: nimm den Claudio als Vorbild!!

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  6. Claus am 9. November 2009 at 10:56:

    Sehr reizvolle Kombination – bei uns heisst das rote Zeugs: Ruude Kappes

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  7. lamiacucina am 9. November 2009 at 14:21:

    Frau L. ihr Lieblingsgericht. Sie könnte es zweimal die Woche essen.

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  8. Johannes am 9. November 2009 at 19:20:

    gelb ist die Farbe des Neides und der Geschlechtskranken…

    aber das nur nebenbei, ich habe bei deinen Maroni nicht ganz verstanden, ob Du mit einem Topf arbeitest, also erst Karamell herstellen, dann Wasser, Salz und Maroni rein, dann Maroni raus und Wasser wegreduzieren lassen und schließlich Maroni wieder rein? Es liest sich ein bisschen so, auch wenn ich es eigentlich kaum glauben kann. Spontan hätte ich einen Topf fürs Kochen der Maroni und ein fürs karamellisieren verwendet, dann verstehe ich aber nicht so recht, welches Wasser beim reduzieren verdunsten soll?

    Wenn Du mir den Tip noch gibst, werde ich am Wochenende in Brüssel mal versuchen etwas dem Schäufele verwandtes aufzutreiben. Der Marronimaa steht hier glücklicherweise an jeder 3. Ecke gleich neben dem Schneckenmann.

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  9. Claudio am 9. November 2009 at 20:43:

    So oft ist es in Wirklichkeit gar nicht, Magdi, die anderen Dinge schaffen es einfach nur seltener in den Blog. Der Speck war gesalzen und ungekocht. Geräucherter Speck ginge wohl auch, wenn man es denn mag, dass er diesen Geschmack ans Rotkraut abgibt. Toller Ausdruck, Claus! Wirklich, Robert? Aber sie bereitet es bestimmt anders zu, verratest du wie? Gute Frage, Johannes, ich habs im Text präzisiert. Also: Wenn du bereits gebratene Marroni vom Marronimann kaufst, reicht ein Topf. Einfach vorgehen wie beschrieben. Sind deine Marroni roh, kannst du sie entweder vorkochen oder, wie du richtig bemerkst, in einem separaten Topf weichgaren und das Karamell in einem anderen Topf zubereiten. Gutes Gelingen! A propos Schneckenmann, was verkauft der genau? Gekochte Schnecken? Noch nie gehört, beschreib mal!

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  10. Johannes am 9. November 2009 at 23:31:

    Hallo Claudio,
    Herzlichen Dank für die Maronenzubereitung.
    Ich bin erst seit einer Woche Einwohner dieser kulinarisch nicht uninteressanten Stadt und habe es selbst noch nicht probiert. Hier werden auf der Straße von ambulanten Verköstigungsagenten Meeresschnecken angeboten, im Französichen als „bulot“ bekannt, da die Belgier ein wenig eigen sind, heißen die Biester hier „caricole“. Ich werde die Tage mal versuchen wie das so schmeckt und dann genaueres berichten. Im französichen Wikipedia habe ich sogar einen kurzen nicht alzu informativen Artikel gefunden, aber immerhin gibt es ein Bild vom typischen Schneckenverkäufer auf der Straße.
    http://fr.wikipedia.org/wiki/Caricole

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  11. gourmetpilot am 10. November 2009 at 00:16:

    man oh man claudio, du solltest foodphotograph werden. wenn du so weitermachst, brauchst du leute wie mich nichtmehr. mir wird immer klarer, dass ich eine grosse flasche aus meinem keller holen muss und ich mich von dir bekochen lassen will. chapeau monsieur! joerg

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  12. anette am 10. November 2009 at 08:23:

    violett versus dunkelblau und grau….
    heieiei….wer wird denn schlechtes über diese (oder jede andere) wunderbare farbe sagen….
    sie kann durchaus eine HERRliche tönung für echte kerle sein…
    kombiniert mit marron oder schokoladenbraun….
    die dosis machts …die zusammenstellung bringts….
    grüsse aus dem textildesignlabor….
    in dem man zum rotkraut blaukraut sagt…..
    dein bunter teller …farblich und inhaltlich trefflich komponiert….

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  13. Jürg am 10. November 2009 at 09:29:

    mmmh, hunger um 9uhr morgens . . . aber wo sind eigentlich die «spätzli» oder «chnöpfli» als beilage? das schreit doch förmlich danach . . .

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  14. Claudio am 10. November 2009 at 18:01:

    Oh, Meeresschnecken habe ich schon richtig gute gegessen Johannes, viel Spass! Hélas, Joerg, da freu ich mich jetzt schon drauf! Tönung? Für echte Kerle? Du redest jetzt aber nicht von Haare färben, anette? Zu Wild, mit viel Sauce, sofort, Jürg. Aber da fehlen sie nicht, die Marroni sind ja schon so sättigend und für die Spätzli hätte es eh keine Sauce, und die brauchts doch für Spätzli oder Chnöpfli, findsch nid?

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  15. capitan am 10. November 2009 at 18:17:

    …den taschenrechner wegleg.

    SEEEEHR LEGGER! muss ich haben. koch ich. am wochenende. ich muss nur noch ein paar begrifflichkeiten nachschlagen. der rheinländer an sich und der in hamburg im speziellen kennt ja nicht alle dialekte dieser welt. aber er arbeitet daran. und am essen.
    danke mal wieder für den kurzweiligen text*

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  16. anette am 12. November 2009 at 09:16:

    das schaf! nicht der kerl wird getönt…
    obwohl…..;-))

    wie wärs mit schupfnudeln als sättigungsbeilage ?
    könnte ich mir eher als spatzen vorstellen….

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  17. Magdi am 12. November 2009 at 11:24:

    Großes Kompliment an dich. Hab das Gericht gestern Mittag auf den Tisch gestellt. Ci siamo leccati i baffi. Obwohl ich mit den Kastanien ziemlich raufen musste. Bei uns gibt es keinen Marronimann und die Kastanienzeit ist auch vorüber. Aber mich reut es auf keinen Fall, dass ich darauf bestanden habe!

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  18. Kat am 16. November 2009 at 19:57:

    Deutsch kann ich nich mehr schreiben, entschuldigung, alors je dis merci pour l’opulence des saveurs, la beauté de l’image et une bonne raison de me procurer un beau morceau de petit salé lors du prochain séjour en France ou en Suisse. En Italie, ce n’est possible qu’au Sud Tirol et nous en sommes fort loin.
    Danke sehr!

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  19. Claudio am 17. November 2009 at 22:10:

    Ed infine, Kat, potresti addirittura scrivermi in Italiano. In Italia si, carni saporite per tutti i gusti – salve i petit salé, inconfondibili soppratutto nel triangolo Alsazia, Svizzera e Germania. Temo devi proprio fare quell viaggio!

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