Der dreiste Droste behütet auf der Bühne der Realität: im Parterre, Basel.

Von Bloggern hält der Satiriker nicht viel, heisst es. Vielleicht liest er einfach die falschen. Ich zum Glück nicht. Dank nutriculinary habe ich von der Lesung in Basel erfahren.

Droste, der die kulinarische Lebenskunst vorwiegend zusammen mit seinem Freund und Spitzenkoch Vincent Klink pflegt, sollte sich den – mein Tipp – unbedingt bookmarken.

Eine Lesung mit dem wortgewaltigen Wiglaf ist wahrlich ein memorabler Abend. Beflissen werden Jalousien geschlossen, Vorhänge gezogen, Lichter gelöscht. Der Autor ist, ähnlich wie Barytpapier, hochempfindlich. Was ihn reizt, fixiert er in haarscharfen Texten.

Auslöser für seine Irritationen lauern an jeder Ecke. So beklagt er die Auswüchse absurder Frisörnamen, ärgert sich ab lärmenden Gerüstbauern (die schlimmste Form der Bauarbeiter) und versteckt ihnen zur Strafe das Dixi-Klo, zieht über Verblödung, grassierende Servilität oder Religiosität her.

Aber er erfreut sich auch an Dingen. Pilznamen zum Beispiel. Der Vorstellung, Pilgerstrom wörtlich umzusetzen, damit Gutmenschen endlich zu klimaneutraler Elektrizität kommen. Oder dem schweizerdeutschen Wort Füdliblutt. Und manchmal betont er seine Gedanken mit einer treffenden Gesangseinlage.

Die nächsten Lesetermine findet man hier.

Lässt zum Schluss des Abends noch n bisken Sauerstoff an seinen Kopp.

Konfrontiert mit so viel Scharfsinn und Grips habe ich spontan (obwohl es vor zwei Jahren schon zur Debatte stand) beschlossen, etwas Passendes zu kochen: Hirn.

Als erstes braucht man natürlich ein frisches Lammhirn. Das bedeutet – einmal mehr – eine Promenade zu meinem türkischen Kasap des Vertrauens. Der verarbeitet erfreulicherweise nur Lamm aus der Schweiz, und diesem knackt er mit Vergnügen den Schädel auf, damit ich an das delikate Cerebrum komme.

Die Lammfleischberge aus Neuseeland/Australien, die in den Tiefkühltruhen des Landes liegen, lassen mich komplett kalt. Sollen doch die Lemminge fressen.

Das Hirn gut wässern und von Blutgefässen und Häutchen befreien. Einen Sud aus Wasser, Weisswein, einer Schalotte, einem Lorbeerblatt, Salz und ein paar ganzen schwarzen Pfefferkörnern aufsetzen. Hirn 15 Minuten darin pochieren.

Ein gutes Hirn braucht einen gesunden Nährboden. Den wollen wir ihm in Form von Hummus geben. Dazu 250 g weichgekochte, von den Häutchen befreiten Kichererbsen mit folgenden Zutaten zu einer Crème mixen:

75 g Tahina (Sesampaste), 3 Esslöffel Olivenöl inklusive zwei darin sanft erwärmte Knoblauchzehen, 4 Esslöffel frischen Zitronensaft, Salz und soviel Kichererbsensud oder Wasser, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist.

Lammhirn herausheben und längs in zentimeterdicke Tranchen schneiden. Olivenöl mit einem Batzen Butter in einer Sautoir erhitzen und zur Noisette aufschäumen lassen. Hirntranchen 30 Sekunden je Seite darin karamellisieren.

Hummus auf einem Teller ausstreichen, Tranchen vom Lammhirn darauf betten, mit etwas Butterschaum nappieren und Fleur de Sel besprenkeln. Teller mit ganzen Kichererbsen garnieren und einer Emulsion aus Olivenöl, Zitronensaft und Petersilie beträufeln.

Es gibt nichts schmalzigeres als Hirn. Eine reine Cholesterinbombe. Der Geschmack gleicht am ehesten Kalbsmilken, ist aber fettiger, crèmiger und von buttrig-nussigem Aroma.

Ich weiss nicht, ob man gscheiter wird, wenn man Hirn isst. Aber es erweitert schon den Horizont, etwas zu geniessen, was man zuvor nicht kannte.


26 Kommentare zu Droste, das Hirn und die Kichererbse

  1. Andrea am 17. Oktober 2010 at 11:52:

    *brrrrrr*

    Mut ja, Hirn nein!

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  2. Alex am 17. Oktober 2010 at 12:26:

    Bravo zur gelungenen Mutprobe? In den USA würde man sagen: „you took one for the team“. Auf jeden Fall sieht es so angerichtet sehr lecker aus. Hab selbst bis jetzt nur mal einen kleinen Bissen Hirn probiert, aber von dem Teller würde ich auch noch mehr kosten.

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  3. Kirsten am 17. Oktober 2010 at 12:58:

    Die Zutaten hören sich super an, wenn…naja…wenn das Hirn nicht wäre…
    Aber die Lesung war bestimmt der Renner!

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  4. sheik am 17. Oktober 2010 at 12:59:

    bravo Claudio

    ich liebe es !!! einfach schnell (nicht pochiert)mit einem „Batzen Butter“ in die pfanne, ein bischen salz und pfeffer und fertig isses……hmmm gut.

    p.s.
    das hirn fällt zwar dabei auseinander und erinnert fast an rührei macht aber dem geschmack nichts 😉

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  5. Norma am 17. Oktober 2010 at 13:55:

    Kein Problem, Lammhirn zu essen, ist ’ne Speise. Kann bestimmt auch munden. Mag die Kleckse auf dem Teller nicht.

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  6. Claus am 17. Oktober 2010 at 14:37:

    …also irgendwie muss ich da an Hannibal Lecter denken. Aussehn tut der Teller ja gut…

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  7. Joannis Malathounis am 17. Oktober 2010 at 14:55:

    Klasse! Ja, wenn wir die Türken nicht hätten… in den Staaten gibt es ein Sprichwort, wonach das Hirn ja auch nur ein Muskel sei…

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  8. Mike am 17. Oktober 2010 at 17:42:

    Bei uns leider nicht zu bekommen. Probieren würde ich es gerne, wäre aber der einzige in der Familie. Die Zubereitung ist fast die gleiche wie beim Kalbsbries. Was das Hirn betrifft: Zu Lebzeiten des Schafes drehten sich seine Gedanken nur um gutes Essen, das saftigste Gras, die aromatischten Kräuter … unser Hirn ist so viel größer, die Gedanken gleichen sich erschreckend, oder?
    Droste hätte ich auch gerne gehört, leider ist er nicht mal annähernd in unserer Nähe.

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  9. Eline am 17. Oktober 2010 at 19:06:

    Menschen sollen viel Hirn haben. Auf meinem Teller mag ich es nur in kleinen Mengen und in untergeordneter Rolle. Die oesterreichische Kueche hat da ein feines Gericht: Hirnpofesen, als Suppeneinlage- die schmecken grandios. Und dann gibt es noch Hirn mit Ei, das schmeckt so schlimm wie es aussieht! Bries finde ich hingegen sehr gut. Ist nicht so fett-schmierig.

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  10. queenofsoup am 17. Oktober 2010 at 19:42:

    hirn, ja. steht auf der to-do-liste, aber was eline schreibt – fettiger als bries (das ich unfassbar gern hab) – schreckt mich ein bisserl ab. ich werd’s aber trotzdem demnächst probieren, das mit der kichererbsencreme klingt, als könnte es mir gut gefallenn. aber, claudio, was meinst du: ist so ein hummus auch ohne knoblauch zu ertragen? fällt dir ein geschmacklich adäquater ersatz ein? ich krieg auf knoblauch leider auch in geringsten mengen gigantisch bauchweh, es ist ein drama!
    lg qos

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  11. jürg am 17. Oktober 2010 at 22:10:

    hi claudio! mutig, mutig, aber hattest du da auch mittesser? kaum, oder?

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  12. Wolf am 18. Oktober 2010 at 12:06:

    Ich hab Droste auch mal live erlebt und war begeistert. Der hat bestimmt viel Hirn gefressen. Am Schluss ist ein bisschen BSE-mäßig über die Bühne gehüpft. Schon ein paar Jahre her, da war er noch jünger 🙂

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  13. Felix am 18. Oktober 2010 at 13:31:

    Ach schön!
    Wenn wir pro Jahr ein Schwein, ein Rind und ein Lamm schlachten würden, dann gäbs eben dreimal Hirn! Sozusagen gottgewollt – und lecker!

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  14. Claudio am 18. Oktober 2010 at 22:59:

    Dann brauchst ja keinen Mut, Andrea. Ich zuerst auch nur einen kleinen Bissen, Alex, und schwups war der Teller leer. Kann ich dir nur empfehlen, Kirsten, die Lesung, mein ich. Allein schon für das Foto hab ich aufgepasst, dass es nicht auseinander fällt, sheik. Die Kleckse schmecken aber ausgezeichnet dazu, Norma. Ich auch, Claus, ich auch. Genaugenommen sind es ja Kurden, Joannis, bei uns zumindest. Zwei Gründe mehr, einmal nach Basel zu kommen, Mike! Schmeckt dann wohl ähnlich wie Mark als Suppeneinlage, Eline? Knoblauch kannst du problemlos weglassen, finde ich, queenofsoup, dafür magst du vielleicht etwas Koriander? Nein, Jürg, die Kinder wollten lieber die Augen vom Lamm aussaugen 😉 Jetzt hat er mehr so eine Ochsenpräsenz, Wolf. Bei Rind wär ich vorsichtig, Felix, von wegen BSE-mässig rumhüpfen.

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  15. Eline am 19. Oktober 2010 at 10:54:

    „Schmeckt dann wohl ähnlich wie Mark als Suppeneinlage, Eline?“

    Nein. Pofesen sind „Arme Ritter“ – wie heisst das in der Schweiz? 2 Weissbrotscheiben mit Fülle (in diesem Fall gehacktes Hirn mit Zwiebel und Gewürzen), in Ei paniert und gebacken. Gibt es auch mit Milz, sgn. Milzschnitten.

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  16. Claudio am 19. Oktober 2010 at 13:40:

    Aber natürlich, jetzt, wo dus sagst, Eline. In der Schweiz heissen Arme Ritter – achtung, festhalten: Fotzelschnitten. Mein absolutes Lieblingswort, um im deutschen Sprachraum ausserhalb der Schweiz Schrecken zu verbreiten. Das Wort war den Verlagsmitarbeiterinnen so suspekt, dass man es aus meinem Buch verbannte. Das sei doch so ein Wort, das Bauarbeiter den Frauen nachrufen!

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  17. Mike am 19. Oktober 2010 at 14:08:

    Für den gemeinen Gummischaber gibt es in Bayern auch eine Bezeichnung, die einen eher an „Spielzeug“ aus dem Beate-Uhse-Sortiment denken lässt.
    Und möchte der eine dem anderen Bajuwaren mitteilen, dass er doch besser den Mund zu halten hätte, hört sich das in Frauenohren auch ziemlich anrüchig an; kämen sie nachfolgender Äußerung gar unsinniger Weise nach, sorgte das sicher für zumindest fragende Blicke: „Hoit dei Fotzn!“

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  18. Eline am 19. Oktober 2010 at 16:37:

    Fotzelschnitten – nett!
    Fotzhobel = Mundharmonika, in Oberösterreich und Bayern durchaus so gebräuchlich wie Mikes Spruch. Nicht alle Frauenohren sind da so empfindlich.

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  19. Claudio am 19. Oktober 2010 at 18:07:

    Na, da haben wir ja wieder mal ein schönes Thema am Esstisch!

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  20. sheik am 19. Oktober 2010 at 20:59:

    Felix

    ich habe (ganz ehrlich) keinen unterschied zwischen hirn vom lamm und hirn vom kalb festgestellt. habe es allerdings auch noch nie im direkten vergleich gehabt.

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  21. Kirsten am 20. Oktober 2010 at 08:50:

    Also, dann bevorzuge ich doch Leber oder Nierchen oder Herz. Aber damit sitze ich in unserer Familie allein da :-(.

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  22. chickofprey am 20. Oktober 2010 at 10:55:

    Gott, lass es Hirn regnen ;P Ich liebe Kalbshirn, auch Kaninchenhirn ist klein aber fein – Lammhirn hatt ich allerdings noch nie, sieht sensationell aus, und die Humus-Kombi klingt wundervoll. Jetzt brauch ich nur noch einen Lamm-Fleischhauer meines Vertrauens.
    Danke übrigens für das Bild auf dem Schneidbrett. Hinreißend.

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  23. Ellja am 20. Oktober 2010 at 14:02:

    Da bin ich wieder mal ganz entspannt…. meine Tante war keine grandiose Köchin, aber sie hatte ein Gericht, das sich ihre Kinder und meine Mutter dauernd bei ihr gewünscht haben: Gebackenes Hirn. Jetzt war ich noch zu klein, um mir das Hirn zu zermartern und hab ganz unbefangen einfach auch mitgegessen. Und ja, es ist schon ein wenig seltsam gewesen, die Konsistenz… aber es hat mir geschmeckt. Ich würde sofort zulangen, aber nur mit einem Stück Brot dazu. Irgendwas „festes“ muss ja auch dabei sein 😉

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  24. Hesting am 21. Oktober 2010 at 16:52:

    Ich finde, Du machst das genau richtig. 🙂
    Die „gekochte Innenwelt“ von Alfred Kolleritsch kennst Du? Erschienen ist sie u.a. hier:
    http://www.hood.de/auction/38749360/da-nahm-der-koch-den-loeffel-hrsg-v-frank-gertrud.htm
    Eigentlich fast ein Fall für Astrids berühmte Sätze. Wenn ich mich mal entscheiden könnte, welche Stelle am schönsten ist …
    „Ich saß in der letzten Reihe. Während ich einige Manuskripte überflog, kam mir ein Satz immer unverständlicher vor. Erst, als er wie eine Metapher klang, hatte ich die Sicherheit. ihn richtig zu lesen: ‚Das Bewußtsein ist die spezifisch menschlich ideelle Widerspiegelung der objektiven Realität vermittels des Zentralnervensystems.‘ […] Ich stand auf und verließ den Saal. Wahrscheinlich war es die Müdigkeit, die so viele Bilder in meine Überlegungen brachte. Meine Einbildungskraft, gepaart mit plötzlichem Hunger und ihn begleitendem Speichelfluß bedrohte die Objektivität meiner Welt. Ich hatte den Wunsch, alles aufzuessen. […] Ich nahm einen Notizblock aus der Tasche und notierte mir die Namen einiger Dichterfreunde und beschloß, sie zu überreden, meinen Überlegungen zu folgen. Das Gehirn, der Ort der Weltanschauung, sollte von ihnen zubereitet werden.“

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  25. Lilian am 24. November 2010 at 21:52:

    Na ja, muss jetzt nicht unbedingt sein. Aber jedem seins.

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  26. Restaurant am Ende des Universums am 5. Mai 2011 at 11:34:

    Es sind ja recht viele Hirn-Liebhaber unterwegs, was mich erstaunt. Ich persönlich finde nämlich weder das rohe noch das zubereitete Hirn sieht in irgendeiner Art und Weise appetitlich aus. Im Gegenteil. Die letzten beiden Bilder erinnern mich eher an einem Unfall im Tunnel. Obwohl ich
    auch schon Hirn direkt aus dem gekochten Schädel eines Lamms gelöffelt habe. Und fand es sogar lecker. Aber mit 8 Jahren hatten sich meine Vorlieben und Abneigungen in Sachen Nahrung auch noch nicht so entwickelt. Und wenn Mama und Papa sich wie Bolle auf Urlaub in der Heimat freuen, weil sie da gekochte Schädel an jeder Straßenecke kaufen können, denkt sich so ein kleines Kind ja auch nix böses bei.
    Allerdings bin ich meinen Eltern bis heute dankbar, dass sie diese Delikatesse nie versucht haben, in der elterlichen Küche nachzukochen.

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