Die pure Fleischeslust

«Ooh, Baby, I like it raw!», behauptet Ol‘ Dirty Bastard in Shimmy Shimmy Ya.

Ob er auch zu Lebzeiten auf das berühmte rohe Steak Tatar stand, entzieht sich meiner Kenntnis. Belegt ist hingegen, dass er 13 Kinder hinterliess. Was natürlich kein Beweis dafür ist, dass er gerne rohes Fleisch mit rohen Eiern verdrückte. Aber der Gedanke drängt sich irgendwie auf.

Mein Baby, jedenfalls, fand, meine Worte klängen wie Musik (allerdings nicht wie die von ODB) als ich ihr am Samstagmittag einen Vorschlag machte.

Ich sagte zu meiner Frau, Baby, vergessen wir doch den nervigen Wochenend-Einkauf. Lass uns stattdessen ein schönes Stück vom Simmentaler Rind besorgen und ich bereite dir daraus das beste Tatar, das du je gegessen hast.

Alles Weitere wird sich irgendwie ergeben.

Dass sich die Flasche Rotwein, die wir dazu ausgesucht hatten, dann auch noch als die beste seit langem offenbaren sollte, unterstrich die überraschende Feier des Tages flagrant.

Zutaten für ein gutes Essen, das hat sich herumgesprochen, sollten von allererster Güte sein. Für Steak Tatar gilt dies, weil roh, in besonderem Masse. Ausserdem sollte die Unterlage, auf der das Fleisch geschnitten wird, peinlich sauber sein. Und, damit das klar ist, wenn wir schon ein Tatar zuhause zubereiten, dann wollen wir es auch selbst schneiden. Von Hand. Alles andere ist keine Silbe wert.

Für meine Variante muss man etwas von der klassischen Zutatenliste abweichen. Es lohnt sich.

Für 2 Personen habe ich 300 g von der gut gelagerten Huft genommen. Filet geht auch, ist jedoch nicht zwingend, wenn das Fleisch die Güte von Simmentaler oder ähnlich gutem Rind hat.

Das Fleisch würfeln und mit 1 TL Zucker, Salz, feiner Teriyaki-Sauce und 1/2 TL Piment d’Espelette in einer Schüssel vermengen. Mit Folie abdecken und 30 Minuten im Kühlschrank marinieren.

Fein würfeln: 2 grosse, grüne Oliven, 1 Essiggurke, 3 kleine Frühlingszwiebeln, 3 aromatische Datterini-Tomaten (entkernt). Dazu einen Bund flache Petersilie und etwas Schnittlauch klein schneiden. In eine Rührschüssel geben und vermengen mit 2 frischen Bio-Eidotter, 1 TL Moutarde à la Figue, 1 TL Dijonsenf, 1 EL Porto, 2 EL Olivenöl extra vergine.

Fleisch aus dem Kühlschrank nehmen, mit dem Chefmesser fein cutten und dann gut mit den Zutaten mischen. Vorsichtig mit schwarzem (oder weissem) Pfeffer aus der Mühle und Fleur de Sel abschmecken.

Was ist alles nicht drin? Richtig, als erstes: Ketchup. Müssen wir darüber reden? Ich glaube nicht. Dann Sardellen. Teriyaki-Sauce ist ein würdiger Ersatz, glaubt mir. Kapern? Geht in Ordnung, wers mag. Die grünen Oliven (es müssen allerdings gute sein, mit Stein) sind jedoch ausgewogener. Worcestershiresauce? Nein, dann lieber ein guter Porto. Tabascosauce? Nein, kein Vergleich zu Piment d’Espelette!

Mit Hilfe eines Servierrings anrichten. Ein paar Tropfen Olivenöl und – nein, die dunklen Augen sind kein Aceto Tradizionale – schwarze Sojasauce. Dazu getoastetes Brot und eine gute Butter. Mehr braucht es nun wirklich nicht, um damit sehr glücklich zu werden.

Der 2006er Descalzos Viejos ist limitiert und wurde uns unglücklicherweise geschenkt. Das heisst, ich werde mich für etwas bedanken müssen, was mich auf Anhieb abhängig gemacht hat, aber nur schwer zubekommen ist.

Es ist ein wahrlich bittersüsser Moment, wenn man die Flasche enthusiasmiert zum Glas führt und dann bemerken muss, dass man ihr auch durch  kippen um 180 Grad keinen einzigen Tropfen mehr zu entlocken vermag.

Seis drum. Das Essen, der Wein, der Abend – bleibend.


28 Kommentare zu Die pure Fleischeslust

  1. Bolliskitchen am 29. August 2011 at 07:13:

    Ketchup kommt ins Tatare? Never ever….östlich des Rheins vielleicht!

    Gut finde ich es, dass Du nochmals darauf hingewiesen hast, dass man Tatare ( auch vom Fisch) UNBEDINGT mit dem Messer schneiden MUSS.
    Dazu dann noch ein Mesclun…..

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  2. Heike am 29. August 2011 at 08:16:

    Am besten gefällt mir, dass du Hüfte genommen (und natürlich von Hand geschnitten)hast.
    Kernig darf es nämlich ruhig sein, Filet ist was für Warmduscher!

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  3. Sheik am 29. August 2011 at 09:16:

    keine kapern ??? aber trotzdem nach meinem gusto 😉

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  4. zorra am 29. August 2011 at 09:44:

    Oh, das Weingut ist ja nicht mal so weit weg von mir. Man kann auch online bestellen. 😉

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  5. Magdi am 29. August 2011 at 11:00:

    Was eßt ihr denn so viel Fleisch und Wurst. Das tut euch nicht gut:)

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  6. Su am 29. August 2011 at 11:56:

    Krass, schon wieder Fleisch. Ansonsten lese ich immer seeehr gerne mit 🙂

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  7. Mmmatze am 29. August 2011 at 12:19:

    Hihi, bestes Intro ever. Das Hors d’Oeuvre macht das Menü! 😉

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  8. Claudio am 29. August 2011 at 16:43:

    Danke für die Schützenhilfe, Bolli. Ketchup findet sich in 99% der Standard-Rezepte. Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum an ein so delikates Fleischgericht eine so banale Allerweltstunke kommen soll. (Mesclun hatten wir übrigens tatsächlich dazu, hab ich glatt unterschlagen). Heike, es sollte natürlich schon eine besonders zarte und fettarme Huft sein, gell. Ansonsten sehe ich das mit den Warmduschern ähnlich. Wie beschrieben, Sheik, Kapern jederzeit. Aber ich stehe halt unheimlich auf gute grüne Oliven (die übrigens wirklich schwer zu finden sind). Zorra, versuch den Wein, bin gespannt wie er dir gefällt, bei uns hat er voll eingeschlagen. Aber, Magdi, das ist doch ROHKOST – und die ist doch gesund! Hast recht, Su, sollte wieder vermehrt meine Alltagsküche posten, da gibt es nämlich haufenweise Gemüse ohne alles. Mmmatze, freut mich sehr, dass das geschätzt wird, ich dachte: Alles, bloss nicht die aufgewärmte Legende der Tatarenreiter und die Mär vom Fleisch unter deren Sättel.

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  9. Mmmatze am 29. August 2011 at 22:15:

    Tja, da zeigt sich, welcher Generation Kind ich bin. Mir ist Brooklyn näher als die Weiten der russischen Steppe.

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  10. jürg am 30. August 2011 at 16:13:

    ich freue mich immer besonders wenn du über fleisch berichtest . . . alles andere ist beilage (ich mag auch beilagen). weiter so claudio!

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  11. kaltmamsell am 30. August 2011 at 16:46:

    Jetzt habe ich endlich etwas gefunden, was ich dem Mitbewohner mit „Warum machst DU mir sowas nie?“ unter die Nase reiben kann (macht er gerne mit mir. Vor Zeugen).
    Die Weinleute haben aber schon viel Spaß an Wort-Schabernack. Descalzos viejos, tse.

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  12. Andreas am 30. August 2011 at 20:03:

    Schön mal wieder an so herrliche und pure Genüsse erinnert zu werden. Das Gute liegt oft so nah.

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  13. Claudio am 30. August 2011 at 22:38:

    Kann ich mir denken, Jürg. Erinnere mich zu gut daran, wie du den Kühlschrank aufgemacht hast und ein rohes Ragout-Würfelchen auf der Zunge hast zergehen lassen, als wärs ein Praliné vom Schiesser! Grossartig, liebes Kaltmamsell, genau DAS wollte ich lesen. Dachte allerdings, ich würde es als Erstes von meiner Schwägerin hören. Oh, und bitte um Aufklärung, was bedeutet der Name, „Barfüssige Greise?“. Muss ich mir gleich auf meinen Merkzettel schreiben, Andreas!

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  14. kaltmamsell am 31. August 2011 at 07:13:

    Der Name, Claudio, bedeutet genau das, alte Barfüßer – außer der Barfüßerorden heißt so in Spanien. Aber wer nennt denn einen Wein so? (Außer den Deutschen, die ja Eppelsheimer Köttelwäsch und ähnlich abstruse Weinnamen kennen.)

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  15. Claudio am 31. August 2011 at 09:19:

    Oder AC/DC http://bit.ly/o68Wvy – wenn das kein „Ballbreaker“ ist, dann weiss ich auch nicht.

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  16. Angelino am 6. September 2011 at 13:12:

    Ich sehe irgendwie kein gutes Gemüse in dem Blogeintrag. Aber der Wein ist wirklich gut, bei Lebouquet.org wurde dieser Geschmacksrichtung vor kurzem auch ein wenig diskutiert. Kann ich auf empfehlen.
    Das fleischige Mahl hsagt mir aber nicht wirklich zu. Ich finde Ketchup gehört in überhaupt keine Küche. Manche wollen anscheinend immer massetauglich kochen.

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  17. Michael am 7. September 2011 at 17:25:

    Sehr schönes Rezept. Passt toll zu eine schönen Sommerabend. Vielen Dank

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  18. Greg am 8. September 2011 at 18:04:

    Wow, da gab’s für mich ja wieder viel zu lernen. Danke Claudio! Kürzlich hat mir ein Freund geraten, einmal ein paar Austern (er weiss um meine Sucht) zu zerschneiden und in das Tatare zu mischen. Das werde ich mit deiner Variante verbinden. Bin gespannt auf die Wirkung 😉

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  19. zeno am 11. September 2011 at 02:09:

    na ja

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  20. Claudio am 15. September 2011 at 14:17:

    Natürlich nicht, Angelino, wer will zu einem Rinds-Tatar Gemüse essen? Da ist volle Konzentration aufs Fleisch gefragt. Ketchup ist für mich auch schrecklich inflationär, geb ich dir recht. Umso besser, wenn in Bio-Qualität, Michael! Greg, warum nicht? Kaviar ist auch eine beliebte Krönung. Wer soll denn in den Genuss der Wirkung kommen? Wirkung verfehlt, Zeno?

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  21. zeno am 15. September 2011 at 15:42:

    Austern im Tatar- für mich zuviel des Guten

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  22. Anonyme Köche » Blog Archive » Bier am 12. Februar 2012 at 23:48:

    […] Idee! Da kann ich mein Rezept sehr empfehlen. Passt wunderbar. Die komplexen Aromen des rötlichen Gebräus harmonieren wunderbar […]

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  23. Gerald am 15. Februar 2012 at 22:57:

    Reduced to the max! Werde ich unbedingt austesten. Danke für den Tip!

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  24. Anonyme Köche » Blog Archive » Reif für die Fleisch-Insel am 26. Oktober 2012 at 18:26:

    […] ich die Bilder zurückhalte. Ich meine diese heuchlerischen Susies, die schon beim Anblick von Tatar oder Markbein hysterisch kreischen. Die aber zu blöd oder zu blind sind zu fragen, woher ihr […]

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  25. Joanna am 7. März 2013 at 11:19:

    So schwer zu bekommen ist der Wein nicht. Man kann ihn Descalzos Viejos kann man bei Don Hidalgo GmbH kaufen. Die Firma importiert die Weine des Produzenten seit dem letzten Jahr. Don Hidalgo nimmt an der Expovina Primavera teil (21.03-27.03, Zürich, PULS 5, Giessereihalle) und dort kann man den Wein auch probieren und bestellen.Der Name des Weines kommt übrigens von dem Name eines Mönchsorden : „Barfüssler“, weil die Bodega sich in einer alten Kapelle dieses Ordens befindet.

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  26. Javier am 16. Mai 2013 at 22:12:

    Hallo

    Descalzos viejos ab nächste Monat bei uns erhätlich!!!

    http://www.mioliven.com

    info@mioliven.com

    Liebe Grüße aus Köln

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  27. Manu am 7. August 2013 at 21:59:

    Für leute mit kleinerem budget(, da kinder). Plätzli a la minute tuts locker! Ketchup, senf, ei, kapern und was salziges. Alles weitere könnte szeniges geplänkel sein.

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  28. Holy cow! Tatar von der Mutterkuh | zum fressn gern. am 18. April 2015 at 19:07:

    […] Rezept von: inspiriert von Claudios Fleischeslust […]

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