Have you got Balls?

Balls

Hackbällchen essen ist Vertrauenssache. Manchmal auch eine Mutprobe oder einfach nur Leichtsinn.

Ich gebe es zu, speziell in dieser Hinsicht bin ich ein Weichei. Wenn ich mir vorstelle, welche Hände die Dinger geformt haben. Nein – ich will das gar nicht wissen. Ganz zu schweigen von den inneren Werten.

So eine Frikadelle kann mir nichts, dir nichts zum Überraschungsei werden. Vor allem, wenn man so ein hypochondrisches Küken ist, wie ich.

Man hört ja solche Geschichten zur Genüge. Schon als mein Bruder mit der Story anfing, er hätte kürzlich in Jadras Lokal noch übrig gebliebene Cevapcici – ach, ich muss ja nicht ins Detail gehen. Ich sage nur: Er hatte eine lange, einsame Nacht auf und über dem Klo. Ich bekomme schon beim Gedanken daran zittrige Beine.

Oder Alfi. Alfi kam ein bisschen früher als geplant aus dem Urlaub zurück. M-hm. Ziemlich express sogar. M-hm. Er war in Vietnam. M-hm. Keine Erstklasszimmer im Spital. Hm-m. Er hatte etwas von so einem Strassenstand gegessen.

Ja komm! Aus der sicheren Distanz kann man natürlich locker angeben mit das-weiss-man-doch: cook it, peel it und so. Aber wenn du so ein Land bereisen willst, dann kannst du nicht auf Schritt und Tritt, also echt.

Es waren jedenfalls so Bällchen aus gehacktem Schweinefleisch, eingewickelt im Bananenblatt mit … ist eh wurst. Ich glaube das Thema ist gegessen.

Handkehrum, und das ist wirklich schizophren, kann ich bedenkenlos Köttbullar essen – bei Ikea! Ja, ja, inklusive brauner Sauce und Preiselbeeren (unbedingt!) und Pommes und Ketchup.

Sardenny hat mir sogar einmal eine Packung geschenkt. So ein 2-Kilo Ikea-Köttbullar-Sack. Die musste man im Backofen machen. Und die waren echt noch gut, wirklich.

Aber grundsätzlich, und da braucht man nicht um den heissen Brei herumreden, sind Hackchüechli wie auch Hackbraten klassische Hausmanns- und Frauenkost. Nirgends schmecken sie besser als zu hause.

Bei sich zu hause natürlich, keine Diskussion.

Dort liegt nämlich auch der Hund begraben. Es ist beim Hackfleisch eindeutig eine Frage des Vertrauens. Man isst einfach ruhiger, wenn man weiss, wer welche Zuaten mit blossen Händen verarbeitet hat. Fremde Pfoten im Fressnapf goutiert auch der Mensch nicht.

Ausser man gehört zu jenen Menschen (ich kenne sie nicht) die diese tickenden Zeitbomben vertilgen, die in Pubs, Quartier- oder Fernfahrerkneipen unter der matten Plastikhaube darben.

Wer isst sowas?

Egal obs morgens um acht oder halb zwei Uhr nachts ist. Es hat immer noch (wie lange schon?) zwei solcher vergammelter Buletten unter der Plexiglocke.

Ich habe ja schon zwei Tage den Burner, wenn ich mal eine frische Wurstwegge (kein Mensch weiss übrigens, was da drin ist) verdrücke. Was würde passieren, wenn ich mir mal so eine Frikadelle zuführen würde? Also dann lieber Fugu

Ich gebe mir immer doppelt Mühe, wenn ich welche zubereite. Denn ich verarbeite das Hackfleisch gleichzeitig zu Hackchüechli und zu Polpette. Dazu nehme ich:

500 Gramm Bio-Rinderhack
150 Gramm Kalbsbrät
1 grosse Zwiebel, grob gewürfelt
1 Ei
Eine Hand voll altes, in Milch eingeweichtes Brot
Salz, Pfeffer, Muskat
Glatte Petersilie

Polpette

Die eher flachen Hackchüechli gibt es an einem Jus mithilfe meiner Demiglace und lauwarmem Kartoffelsalat.

Frikadellen

Die Polpette hingegen werden nach dem Anbraten in Olivenöl zu einem intensiven Tomatensugo verarbeitet. Diesen serviert man am besten zu einer üppigen Portion Rigatoni oder Mezze Maniche. So als müsste man einen üblen Mobster spielen, sagen wir einen Tony Soprano.

Natürlich kann man die Polpette auch mit Peperoncino würzen und mit einem Teller Spaghetti den legendären Alka Seltzer-Spot nachspielen.

Polpette mit Sugo, aber ohne Pasta, kommen auch gerne mal, wie spanische Albondigas, als Antipasto respektive Tapas auf den Tisch.

Albondigas

Aber das Beste ist, wenn Polpette und Sugo übrig bleiben. Dann gibt es am nächsten Tag ein Hammer-Sandwich.

Sollte ich je eine Sandwich-Bar eröffnen, und Grund genug dazu gäbe es, wäre das mein Numero uno.

Panino


17 Kommentare zu Have you got Balls?

  1. Mike Seeger am 8. Februar 2008 at 19:02:

    Bravo, Claudio! Du hast mal wieder gezeigt, dass auch einfache Dinge geschmacklich begeistern können (lediglich die Zwiebeln hätte ich kleiner geschnitten). Ist eine schöne Anregung für Sonntagabend, da hatte ich kochtechnisch noch nichts vor. Leider bekomme ich hier kein Kalbsbrät, aber das Hackfleisch dafür vom Dexter-Bullen.
    Als kleinen Snack zwischendurch mache ich ab und zu ein paar bayerische Fleischpflanzln. Aus Rind- und Schweinemett, Zwiebelwürfel, Salz (Du weißt schon welches), Pfeffer, Muskatblüte, Majoran, wenig abgeriebener Zitronenschale und in Milch eingeweichten Brötchen („Semmeln“ auf bayerisch), sowie Ei zur Bindung. Am liebsten kalt mit Löwensenf.

    Liebe Grüße
    Mike

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  2. Claudio am 8. Februar 2008 at 21:16:

    Mann-o-Mike! Dir kann man wirklich nichts vormachen. Die Zwiebeln – das ist jetzt keine Ausrede – haben meine beiden Kinder geschnitten. Deshalb sind sie etwas gröber als sonst. Aber ich war so stolz, dass 5- und 8-jährige Jungs so toll mithelfen, da konnt ich einfach nicht noch den miesepetrigen Küchenchef raushängen. Deinen Dexter-Bullen hab ich schon mehrmals beäugt und mir vorgestellt wie sein Côte de Boeuf wohl schmeckt. Obs genug Fett dran hat? Ist ja eher mageres Fleisch, richtig? Deine Fleischpflanzln klingen auch sehr vernünftig, und das mit der Zitrone kannte ich nicht, muss ich mal ausprobieren. Ja, die einfachen Dinge, du bist jemand der das genau richtig sieht, die geben halt schon extrem viel her. Geniess das Wochenende!

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  3. jürg am 8. Februar 2008 at 22:19:

    caludio, die zusammensetzung der wurstwegge steht ja klar in deinem link:
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  4. Claudio am 9. Februar 2008 at 00:30:

    Das ist der Hammer, gell!? Geil, das du das angeklickt hast. Das ist für mich das Fundstück des Monats! Ich hoffe, die merken das ganz, ganz lange nicht. Ist eine echte OFFENBARUNG im Zusammenhang mit Wurstweggen, hahaha!

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  5. jürg am 9. Februar 2008 at 00:38:

    . . . du hast anscheinend schon auf sommerzeit umgestellt:
    Claudio am 9. Februar 2008 um 00:30

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  6. Claudio am 9. Februar 2008 at 00:50:

    Oje, scheiss Back to the Future. Ich hab schon versucht (wie so viele), das Rad der Zeit zurückzudrehen, Marty. Aber ich fürchte, etwas mit dem Fluxkompensator stimmt nicht!

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  7. patrick am 9. Februar 2008 at 01:58:

    ey ciao bellino!
    come va?

    hey mike! jetzt hab ich meine zwiebeln auch so rustico geschnitten. allerdings absichtlich. die sahen auf dem foto so gut aus. ok, ok mann muss die teile dann schon halt e klai weng kaue. das stimmt.

    claudio du glaubst es nicht aber ich hab deinen bericht zum anlass genommen gleich nach der arbeit bei meinem metzger eine ordentliche portion bio hackfleisch zu posten und dieses zu „spaissi miiite bolls“ zu verarbeiten.
    ich wusste das ursulas mutter und ihr freund nach der oper schnell auf ein glas wein vorbei kommen. du glaubst ja gar nicht wie schnell 1 kilo „miiite bolls“ weg sind. eine schale mit sugo balls, eine ohne. allerdings habe ich gelernt dass die nature balls hier bei den schwaben unbedingt mit senf serviert werden müssen. sonst geht gar nichts.
    und jetzt hab ich soeben die letzte verdrückt – yes!!!

    a presto bellino e tanti saluti
    patrick

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  8. Claudio am 9. Februar 2008 at 13:04:

    Uè, Patty! Du lässt es dir richtig gut gehen im Schwabenländle – recht hasch! Erzähl unserer Leserschaft doch mal von den Polpette, die deine Nonna zubereitet hat …, und wie sie den Metzger behandelt hat … A presto!

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  9. Mike Seeger am 10. Februar 2008 at 14:17:

    Mit den zu groben Zwiebelstücken geht’s mir wie Claudio mit Zwiebeln und Knoblauch – geht nicht. Warum? Wenn die Polpette, Fleischpflanzl, Frikadellen, Bouletten, Elefantenpopel wie aich immer saftig bleiben sollen (wovon ich ausgehe), sind die groben Zwiebeln noch roh (vorher andünsten wäre OK). Ich finde es dann unangenehm da drauf zu beißen, das passt nicht. Gerade, wenn man die „Hackfleischerzeugnisse“ kalt verzehrt, ist mir das unangenehm, zudem die Zwiebeln auch nach kurzer Zeit anfangen zu gären. Für mich also lieber klein geschnitten. Wie man das macht? Steht demnächst in unserer neuen Zeitschrift unter „Cooking for oncatcher“.
    Fressacks Kolumne? Unbedingt!!!
    Liebe Grüße
    Mike

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  10. DerPraktikant am 11. Februar 2008 at 16:05:

    Off Topitz

    Sehr geehrte Herren Anonyme Köche,

    ich hätte eine kleine Anfrage, wenn Sie erlauben. Und zwar würden wir gerne wissen, ob Sie damit einverstanden wären, wenn wir Ihr Blog in unser Sendung zum Thema „Kochblogs“ kurz vorstellen und zeigen könnten. Die Sendung findet im Rahmen des Formats „Die Blogshow – Nils und Roman erklären die Welt“ statt und wird im PayTV gesendet. Über eine Rückmeldung an lp7@lettra.de würden wir uns sehr freuen. (Scusi, ich konnte keine Email-Adresse finden, deswegen auf diesem Wege …)

    Herzliche Grüße!

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  11. thomas am 11. Februar 2008 at 21:11:

    Wie sagte einer meiner Sous-Chefs ehedem so schön?!
    „Bolognese, Meatballs und Personalesen sind Vertrauenssache.“

    Empfehle nebenbei noch das Fleischbällchenrezept aus „Pettersons und Findus’Kochbuch“. (ohne Preiselbeersauce)

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  12. Claudio am 12. Februar 2008 at 01:52:

    Praktikant: «Einmal eine Extra-Mail mit Rückmeldung und Sahnehäubchen an lettra.de, kommt sofort!»
    Thomas: Schau da, wusste nicht, dass die beiden auch Kochbücher schreiben. «Findus» ist für mich unter 08/15-Fischstäbchen abgespeichert, deshalb hatte ich nie einen Zugang zu den Kinderbüchern. Mal sehen, ob die meinen Kindern beibringen können, die Zwiebeln kleiner zu schneiden. Danke für den Tipp!

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  13. I’ ve got balls! … | Olivenoelblog am 9. August 2010 at 15:16:

    […] ist die Antwort auf diese Frage. Wie dort angekündigt, habe ich aus dem Hackfleisch des Dexter-Bullen Polpette mit Sugo auf […]

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  14. David am 25. Juni 2011 at 15:45:

    Verdammt, Claudio. Wollte ja eigentlich nur kucken, was Du zum Thema „Schweisfilet vom Grill“ zu sagen hast und dann läuft mir dein Polpette Sandwich übern Weg. Erinnert mich vrdomme an mein Lieblingssandwich à la Maghreb in meiner Strassburger Praktikumszeit. Domme nomol, wenn hesch gsait mochsch dü nomol säl Baguette?

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  15. Claudio am 26. Juni 2011 at 22:59:

    Jä do, dü! Säl Baguette geht mer nimmi üss em Kopf: http://tiny.cc/dtqqd. S andri Pain sotsch awer doch äu mol prowierä: https://www.anonymekoeche.net/?p=1538

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  16. Jan am 15. August 2011 at 19:51:

    Legendäres Rezept, was man mit Hackfleisch so alles machen kann …

    Habe ein wenig experimentiert und möchte euch heute das weltbeste Meatball-Rezept präsentieren:

    http://www.tapito.de/tapas/tapas-rezepte/datas/albondigas-en-salsa-de-tomate/index.php

    Schmeckt auch mit Bio-Hackfleisch. Hauptsache Sherry ist drin.

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  17. Süßkartoffelbällchen mit Spinat und Ziegenkäse | magentratzerl am 1. Mai 2015 at 08:12:

    […] das Buch* bei mir eingezogen ist, muss ich immer wieder  an diesen Artikel von Claudio denken. Ich sehe das Buch liegen, muss grinsen und denke “Have you got balls?”. Nicht […]

    -

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