Das Wild und sein wildes Kraut

Vielleicht ist es das, was einen erstklassigen Küchenchef ausmacht: Antrieb.

Maestro Steffen Sinzinger jedenfalls hat es geschafft, dass ich mich hoch motiviert auf die Suche nach Neuland machte. Für mein drittes Rezept in seinem Projekt In 4 Gängen durfte ich mir die Hörner am Hirsch abstossen.

Für die Vorbereitung auf die Vorspeise habe ich auch auf Facebook ein Lasso ausgeworfen: «Wer küsst meine kulinarische Muse? Was fällt euch ein zu Hirsch als Vorspeise?»

Super, was da an Inspiration kam.

Wilder heisser Ziegenkäse auf Wildsalat | Linsencurry mit Hirschsalsiz | Winterportulak | Foie gras d’Oie | Steinpilze | rote, süss marinierte Beete | Maroni Birne | frittierter Rucola | Risotto | Lakritze | eingelegte Schalotten | dünn gehobelte Topinambur | Birnen-Julienne mit weissem Port mariniert | Kohlgemüse | Kürbis | Gurken-Relish | Wacholder-Wildsauce | Quitte | Baumnüsse Mangold | Preiselbeeren und Pistaziencreme | Löwenzahn.

Danke nochmals für euren Input an dieser Stelle!

Langsam lichtete sich der Nebel und ich wusste, was ich will:

Carpaccio vom Hirsch, eingelegt in Gin und geräuchert mit Apfelholz.

Dazu, so die Idee, etwas, das auf dem Speisezettel des geweihtragenden Paarhufers stehen könnte, sprich Wildkräuter.

Ich habe mich aufgemacht und die Bio-Gärtnerei am Hirtenweg besucht. Sensationell, was die alles im Angebot haben! Und so viel mir Unbekanntes. Ich hätte mal besser das Buch So schmecken Wildpflanzen meiner lieben Kollegin Katharina Seiser konsultiert!

Die Auswahl war saisonbedingt arg eingeschränkt, aber ich habe dennoch tolle Kräuter mitgenommen:

Hirschhornwegerich

Nomen est Omen. Schmeckt säuerlich-bitter und im besten Sinn salatig, also salzig.

Eberraute

Ja, „Eber“, hab ich auch gedacht. Vergessenes Würzkraut, das früher zum aromatisieren von fettigem Fleisch verwendet wurde, schmeckt bitter-zitronig.

Römische Kamille

Ein bitteres, blumig-ätherisches Kraut.

Bergamottenminze

Wow, ein extravagantes Aroma – Minze und Earl Grey!

Meerfenchel

Tolle Entdeckung. Griechen und Mallorquiner verwenden ihn als Salat oder in Essig eingelegt. Fleischige, saftige Blätter mit einem herben Aroma, das allerdings keineswegs nach Fenchel schmeckt.

Roter Gewürzfenchel

Wunderschönes, filigranes Laub, schmeckt angenehm süsslich mit einer Anis/Fenchelnote.

Portulak

Eigentlich als Garten-Unkraut bezichtigt, angenehm nussig schmeckender Salat.

Süssdolde

Diese hübschen Blätter schmecken, wie der Name verrät, wunderbar süss.

Brunnenkresse

Frischer, leicht scharfer und typischer Kresse-Geschmack.

Rote Brunnenkresse

Intensive, dunkle Farbe und geschmacklich noch einen Tick intensiver als Brunnenkresse.

Löwenzahn

Man muss ihn lieben, herrlich bitter im Geschmack, ich mag das.

 

Die Kräuter zupfen und vor dem Anrichten 30 Minuten ins Eiswasser tauchen.

Für das Hirsch-Carpaccio, 1 kg schön pariertes Entrecôte einlegen

Lake herstellen aus:

1 dl                          Schwarzwald Dry Gin Monkey 47

20 g                        Salz

5 g                           Zucker

3 g                           Pfeffer weiss, gemahlen

1 Zweig                  Thymian

1 Zweig                  Rosmarin

3 Stk.                      Wacholderbeeren, angedrückt

Entrecôte vom Hirsch mit den Zutaten in einem Gefrierbeutel 1 Stunde im Kühlschrank ziehen lassen. Danach mit der Smoking-Gun und Apfelholz räuchern. Auf den Kräutersalat setzen und mit Flocken von Murray River Salz würzen.

Vinaigrette für den Wildkräutersalat:

1 reife Kaki-Frucht schälen und Fruchtfleisch vorsichtig zerkleinern. Mit Olivenöl und Apfelessig mischen, salzen, pfeffern (bunter Pfeffer; schwarz, weiss, rosa, grün) Vorsicht: alles nur leicht untereinanderheben, sonst zerfällt das Fruchtfleisch und die Vinaigrette wird trübe!

Zu den Kräutern einen Schnitz pickled Apple auf einer Selleriecrème (Sellerie weichkochen, pürieren, abschmecken) platzieren:

Apfel in dünne Schnitze schneiden und 1 Stunde einlegen in

40 g Apfelessig

40 g Wasser

8 g Zucker

2 g Salz

1 g Schwarzer Pfeffer

1 g Koriandersamen

 

Neben den Apfelschnitz einen rohen Steinpilz platzieren:

Hut vom Steinpilz in dünne Scheiben schneiden, mit PPURA Rosa Grapefruit Olivenöl einpinseln und auf Kürbiscrème (Kürbis weichkochen, pürieren, abschmecken) setzen.

Macht Freude – auch fürs Auge.

Was ich mit dem restlichen Hirsch-Entrecôte gemacht habe?

Angebraten natürlich, ganz klassisch.

Hirsch Entrecôte 600p


12 Kommentare zu Das Wild und sein wildes Kraut

  1. lamiacucina am 17. November 2013 at 10:56:

    Wusste ich gar nicht, dass wir so etwas in Basel haben. Danke für die Adresse !

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  2. Mike am 17. November 2013 at 11:12:

    Genial, Claudio. Wunderschöner Teller mit vielen Geschmacksimpressionen.

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  3. Karin Schindler am 17. November 2013 at 12:07:

    Hallo Claudio, vielen Dank für das wundervolle Rezept. Ich hatte den Film „Entre les Bras” über die französischen Köche Vater und Sohn bzw. Michel Bras gesehen und mich gewundert, wieviele verschiedene Kräuter die da auf die Teller gepackt hatten. Jetzt weiss ich endlich, was in meinem kleinen Kräutergarten noch dazu fehlt. Eberraute habe ich schon (davon darf man aber nicht zuviel nehmen, die ist recht intensiv). Ausserdem habe ich noch Weinraute, Olivenkraut, Rosmarin, verschiedene Thymian-Sorten, Pimpinelle, Mönchspfeffer, römische Kamille, im Sommer dann Basilikum und Kapuzinerkresse, vietnamesischen Koriander….
    Habe schon nach einem Kochbuch von Monsieur Bras gesucht, die sind aber schon vergriffen und man bekommt sie evtl. nur noch in Antiquariaten.
    Lieber Gruß Karin (Markgräflerin)

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  4. katha am 17. November 2013 at 13:05:

    du spinnst. (und du weißt, wie das zu verstehen ist.)

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  5. carlo am 17. November 2013 at 15:58:

    applausi: completamente fuori classe – und, wie viel lebenszeit gabst du dafür her???

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  6. Claudio am 17. November 2013 at 16:07:

    War anfangs auch perplex, Robert. Lohnt sich sehr. Ich habe nun fünf winterharte Kräuter im Topf bei mir. Danke, Mike, vor allem sind es neue Geschmacksimpressionen. Ist ja kaum verarbeitet. Das schmeckt alles so roh, so direkt, wie soll ich sagen – wild! Toll, Karin, eine Märkgräflerin – juhuu! Der Film steht auch noch auf meiner Wunschliste, und deine Kräutersammlung klingt fantastisch. Ja, Katha, ich weiss, wie das zu verstehen ist, und wenn du das an deiner Gradation abliest, dann will das was heissen – danke 😉 Ich habe vor allem viel bekommen, lieber Carlo, weniger gegeben. Üblich ist, danach über ein Gericht zu sprechen, diesmal war es eher davor! Allein der Besuch der Gärtnerei war eine Pandorabox für mich. Und ganz viele Leute haben mir im Vorfeld Tipps und Inspiration gegeben. Auch eine schöne Erfahrung.

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  7. concuore am 17. November 2013 at 19:39:

    Claudio, wunderschöner Teller!

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  8. Claus am 18. November 2013 at 00:09:

    Naja. Ganz schön schön

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  9. lieberlecker am 19. November 2013 at 23:16:

    Wunderschöner Teller, der mich an das schon lange im Regal stehende Kochbuch von Bras erinnert. Aber mal ehrlich, wie lange hast Du, einen solchen „Traum“-teller anzurichten? Schaffst Du das in nützlicher Frist für 4 oder 6 Personen?
    Liebe Grüsse aus Zürich,
    Andy

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  10. Jens am 22. November 2013 at 08:58:

    Optisch ist das auf jeden Fall eine glatte 1!
    Echt interessant zu lesen, wie Du zu dem Ergebnis gekommen bist. Vielleicht werde ich dieses Stadium des Experimentierens auch mal erreichen, aber ich denke ein paar Hürden habe ich in dem Fall vorher noch zu nehmen 🙂

    Gruß,
    Jens

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  11. Magdi am 23. November 2013 at 08:59:

    Eine Augenweide, in diesen grauen Tagen und sicher auch eine Gaumenfreude!!

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  12. Anonyme Köche » Blog Archive » Pot-au-fond un peut fou am 9. Februar 2014 at 15:00:

    […] Hirsch | Vorspeise […]

    -

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