Gutes ist jederzeit gut.

Scarpetta al sugo di pomodoro

Wenn der Heisshunger die Geduld übermannt und man sich am Sugo vergreift.

Wehe, meine Mutter erwischte mich! Das gab ganz schön Schelte, wenn ich mich als Kind an den Herd schlich und ein grosses Stück Brot in den blubbernden Sugo versenkte, um es sogleich gierig in meinen Schlund zu hieven.

Eine Scarpetta macht man schliesslich in seinem eigenen Teller, nachdem man gegessen hat und die Sugoreste mit Brot auftunkt. Und nicht vor dem Essen. Und schon gar nicht direkt im Topf, wo vielleicht noch ein Brotmocken hineinfällt.

Noch heute halte ich es kaum aus, bis das Essen parat ist, vor allem wenn es etwas mit Tomatensugo gibt. Aber immerhin benutze ich einen Teller und schöpfe mir vom Sugo auf ein Stück frisches Brot. So kann ich auch gleich abschmecken, ob die Sauce noch Salz und Pfeffer braucht.

Es gab wieder einmal Tomatenrisotto. Ein wunderbar seelenwärmendes Gericht. Etwas für die Wochentage. Unspektakulär, aber glücklichmachend. Und wahnsinnig kostengünstig. Ich frage mich, warum gibt es so etwas Solides, Schnörkelloses und Schmackhaftes nicht da, wo mit kleinem Budget gekocht werden muss? In Kantinen, an Mittagstischen für Kinder, als Personalessen …

Hier ein paar Kniffe, wie es besonders gut gelingt.

Eine Zwiebel in feine Würfel schneiden und 10 geduldige Minuten bei mittlerer Hitze im Olivenöl anschwitzen ohne zu bräunen. Sie soll glasig und weich werden – und ihre ganze Süsse freigeben.

Das wisst ihr schon, dass gebräunte oder zu stark angebratene Zwiebeln den Tomatensugo bitter und unrund machen? Eben. Wollte nur sicher gehen.

Passierte Tomaten dazugeben, mit Wasser strecken und für mindestens zwei Stunden zugedeckt leise köcheln bis sich das Öl an der Oberfläche absetzt. Ab und zu kontrollieren, dass der Sugo nicht zu dick wird und falls nötig mit Wasser strecken.

Tomatensauce mit Salz und Pfeffer abschmecken. Nun eine Karotte und eine Stange Staudensellerie dazugeben und mit Wasser bis auf 1,2 Liter aufgiessen. 30 Minuten zugedeckt simmern: Das ist die Brühe für unser Tomatenrisotto.

Mehr als bei anderen Gerichten wollen wir bei einem Tomatenrisotto einen milden, süsslichen, runden und harmonischen Tomatengeschmack.

Risotto al pomodoro soll dich umarmen wie eine weiche Kuscheldecke. Säure, aufdringliche Kräuter oder Gewürzspitzen wären wie eine kratzende Etikette oder ein überstehender Nylonfaden an der Kuscheldecke. So etwas Zickiges tolerieren wir nicht. Auf keinen Fall. Schnipp-schnapp!

Guten Carnaroli oder Vialone in wenig Olivenöl toasten und auf Temperatur bringen bis er glasig wird. Keine Zwiebeln, kein Wein. Der ganze Geschmacksakkord liegt in der Tomatenbrühe, mit der wir den Risotto ein erstes Mal ablöschen.

Ich wiederhole es gerne noch hundert Mal: Man muss Risotto nicht ständig rühren. Aber man muss konstant dabei bleiben, damit er nicht anhockt. Sobald der Reis die Flüssigkeit aufgesogen hat, rührt man mit einem Holzspachtel am Topfboden, wo sich die Stärke vom Reis löst. Dann übergiesst man den Reis mit weiterer warmer Brühe und wiederholt das Prozedere. Nach 20 bis 25 Minuten ist der Risotto weich und hat noch einen leicht kernigen Biss.

Nun darf man ordentlich Butter und geriebenen Parmesan unterziehen. Diese Mantecatura verleiht dem Risotto seine einzigartige Cremigkeit. Frischer, fein geschnittener Basilikum steht ihm ebenfalls gut.

Die perfekte Konsistenz von Risotto nennen die Italiener all onda. Er soll noch so flüssig sein, dass er in einer sanften Welle zum Rand fließt, wenn man ihn auf einen flachen Teller gibt, diesen etwas kippt und unten mit der Handfläche dagegen klopft.

Und so sollte er auch bitte serviert werden. Nicht als gestockter Haufen und überdeckt mit allerlei unnötigem, wichtigtuerischem Firlefanz.

Tomatenrisotto


24 Kommentare zu Gutes ist jederzeit gut.

  1. lieberlecker am 22. November 2015 at 22:43:

    Einfach und schlicht, bzw. schlichtwegs grossartig – grazie 🙂
    Müsste ich auch wieder mal machen!
    Liebe Grüsse aus Zürich,
    Andy

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  2. Georg am 23. November 2015 at 13:43:

    Selten einen appetitlicheren Teller gesehen!

    Hast du eigentlich Empfehlungen für die besten passierten Tomaten?
    Oder kommt es darauf gar nicht an? Machst du sie selbst?

    Ich frage, weil ich gerade bei solchen puristischen Gerichten oft den Eindruck habe, dass sie sehr von der Qualität der eingesetzten Grundzutaten abhängen. Im letzten Jahr habe ich deshalb in Italien etliche Gläser Tomaten eingekocht, die jedes Mal ein Erlebnis waren. Leider sind die nur inzwischen längst aufgegessen…

    Viele Grüße aus München!

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  3. Claudio am 23. November 2015 at 16:49:

    Das ist das Tolle, Andy, dieses Gericht passt (dank ganzjährig verfügbaren passierten Tomaten) jederzeit in jede Jahreszeit!

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  4. Claudio am 23. November 2015 at 16:54:

    Danke, Georg! Das siehst du genau richtig, die Qualität ist enorm wichtig. Selbst eingemachte sind super, wenn sie gut gemacht sind und richtig gute Tomaten verwendet werden. Ich kaufe unterschiedliche Produkte, das Wichtigste ist, dass nur zwei Zutaten drin sind: Tomaten und Salz. Keine Säuerungsmittel, keine Gewürze, keine E-Nummern. Kürzlich bin ich in D auf eine Bio-Passata mit Toskanischen Tomaten von Petti gestossen, die ist richtig gut und nicht mal so teuer.

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  5. Marc am 23. November 2015 at 22:44:

    Tolles Rezept, werd ich bei Gelegenheit ausprobieren. Für wie viele Personen ist das denn gedacht? Hört sich nach einer ganz schönen Menge an?

    Grüße
    Marc

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  6. Georg am 24. November 2015 at 10:05:

    Danke, Claudio. Petti merk ich mir. Hab ich schon manchmal gesehen, ist mir aber nie wirklich aufgefallen.
    Ich bin ja ein großer Fan von den Ortolina-Produkten von Rodolfi. Ist zwar natürlich Industrieware, aber wirklich außergewöhnlich geschmackvoll. Bekommt man nur leider selten außerhalb Italiens.

    Dein Risotto gibts hier auch bald. Danke nochmal für die Inspiration.

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  7. Analoge Küche » Blog Archiv » Risotto? Einfach mal machen! am 25. November 2015 at 08:26:

    […] Claudio del Principe hat kürzlich in seinem Blog eine nicht nur einfache Vorgehensweise bei der Risotto-Zubereitung beschrieben – auch seine Grundzutaten […]

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  8. Claudio am 25. November 2015 at 10:19:

    Ist für vier, Marc. 300 g Reis, 300 ml passierte Tomaten, 1,2 l Tomatenbrühe.

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  9. Magdi am 29. November 2015 at 13:48:

    Du verteilst den risotto genau wie mein mann auf den ganzen teller, wahrscheinlich aus demselben grund 🙂 damit er abkühlt. noch besser ist er mit frischen sonnengereiften, frisch von der staude am gardasee gepflückten tomaten. Mir läuft das wasser im munde zusammen! Leider dauert das wieder eine ganze weile 🙁

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  10. Claudio am 30. November 2015 at 09:54:

    Ja, mit frischen Sommertomaten mag ich ihn auch, liebe Magdi, ein bisschen mehr allegro durch die prickelnde Säure. Aber mit passierten Tomaten ist er dafür etwas tröstender in den kalten Tagen.

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  11. Christian Schröder am 2. Dezember 2015 at 15:09:

    Sehr einfach und trotzdem so lecker :-))

    Gruß
    Christian

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  12. richard am 2. Dezember 2015 at 22:49:

    gestern die brühe vorbereitet, heute ein rasch gezaubertes abendessen, wunderbar und köstlich.
    bloß wie erlär ich jetzt dem nachwuchs, dass es das morgen nicht gleich wieder gibt?

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  13. Claudio am 3. Dezember 2015 at 11:08:

    Am besten auf übermorgen vertrösten, lieber Richard 😉

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  14. Anja am 7. Dezember 2015 at 11:47:

    Hallo Claudio!

    Vielen Dank für das leckere Rezept 🙂 Leider war der Reis bei mir nach 40min immer noch körnig. Ich habe auf sehr kleiner Flamme gearbeitet und die ganze Brühe aufgebraucht. Weisst du eventuell was schief gelaufen ist?
    Ich habe den Reis später mit Wasser erneut mehr als eine Stunde „gekocht“ und dann war der Risotto endlich bissfest. Es ist nicht das erste Mal, dass ich Risotto zubereitet habe und bis jetzt ist es eigentlich jedesmal gelungen :/

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  15. Claudio am 7. Dezember 2015 at 13:43:

    Oje, das klingt ja abenteuerlich, Anja! Wie hast du Risotto denn sonst zubereitet? Sehr kleine Flamme funktioniert leider nicht. Du brauchst mittlere Hitze. Der Reis soll blubbern. So nimmt er innerhalb von 20 bis 25 Minuten die ganze Brühe auf und ist genau richtig im Biss. Voraussetzung ist auch, dass du guten Risottoreis wie Carnaroli verwendest. Beim nächsten Mal klappt es bestimmt 😉

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  16. Anja am 7. Dezember 2015 at 14:09:

    Wahrscheinlich schon etwas heisser als dieses Mal. Ich kann es mir sonst auch nicht wirklich erklären und es ist ja eigentlich keine Hexerei 😉
    Das mit dem Reis hätte mich auch interessiert… ich verwenden den Bio-Reis von Coop, aber entweder bin ich blind oder da steht tatsächlich nicht drauf, welche Sorte drin ist.

    Und ja, um einen zweiten Anlauf werde ich sicher nicht rumkommen 😉

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  17. Georg am 14. Dezember 2015 at 16:16:

    l’ho fatto!

    http://eatingmunich.com/pomodorisotto/

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  18. Pomodorisotto - Eating Munich am 14. Dezember 2015 at 17:05:

    […] zurück zum Risotto. Den habe ich gekocht wie es hier beschrieben wird. Und als wäre das noch nicht herzerwärmend genug, habe ich ihn noch um ein paar […]

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  19. Claudio am 14. Dezember 2015 at 17:07:

    Bin geschmeichelt und gerührt, lieber Georg, grazie mille! Freu mich schon auf meinen nächsten Rezept-Beitrag: Mostarda Mantovana für Tortelli di Zucca. Glaube, das wird dir sehr gefallen.

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  20. Pomodorisotto - Splendido Magazin am 25. Februar 2016 at 17:09:

    […] zurück zum Risotto. Den habe ich gekocht wie es hier beschrieben wird. Und als wäre das noch nicht herzerwärmend genug, habe ich ihn noch um ein paar […]

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  21. Anonyme Köche » Blog Archive » Von Sanftheit umgeben. am 29. März 2016 at 22:10:

    […] Burro e Parmigiano auf. Mit selbstgemachtem Gemüse-Brodo selbstverständlich. So einen simplen wie hier beschrieben, einfach ohne […]

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  22. Thomas am 9. Mai 2016 at 08:27:

    Lieber Claudio
    ich weiss nicht, ob du Mails dieser Art beantwortest. Da ich aber keinen anderen Weg zu dir gefunden habe und du mir der richtige,weil kompetente Ansprechpartner zu sein scheinst, probiere ich es jetzt mal so. Der Anblick dieses Tomatenrisottos hat mich nämlich sehr an einen „Risotto alla crema di scampi“ erinnert, den ich vor Jahren in dem (damals) vorzüglichen Restaurant „Gli Archi“ in Sperlonga gegessen habe. Dieses Gericht scheint in Italien sehr populär zu sein, wenn ich es aber google, erscheinen viele, aber nur italienischsprachige Einträge. Ich habe auch schon gehört, dass das Gericht ausserhalb Italiens ziemlich unbekannt ist. Kannst du mir nicht zu einem guten deutschsprachigen Rezept verhelfen? Der Risotto ist in meiner Erinnerung sehr cremig, ein Teil der Scampi sicherlich püriert, die ganzen Scampi sind von sämtlichen Schalen befreit. Der Geschmack ist sehr zart, rund und duftig. Tomaten und Scampi sind beid geschmacklich sehr präsent und ausgewogen. Himmlisch!
    Vielleicht kannst du mir ja weiterhelfen, wenn ja, danke ich dir schon jetzt herzlich.
    Thomas

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  23. Claudio am 15. Mai 2016 at 10:17:

    Sorry für die späte Antwort, lieber Thomas! Ich musste mir ein paar ganz schreckliche Videorezepte auf youtube anschauen, um festzustellen, dass einige Leute in Italien tatsächlich die Scampi für diesen Risotto pürieren. Eine unverzeiliche Barbarei, wenn du mich fragst. Ich empfehle dir folgendes: Trenne den Kopf ab und Schäle die Scampi aus dem Panzer. Kurz unter fliessend Wasser abspülen und abtropfen lassen. Den Darm der Scampi entfernen. Scampi in 2-3 Stücke schneiden und bereitstellen. In einem Topf wenig Olivenöl erhitzen und die Köpfe und Karkassen der Scampi sanft braten. Schon dieser Duft wird dich betören! Eine zerteilte Schalotte, 1 Stange Staudensellerie, 1 kleine Peperoncinoschote und 1 Karotte zufügen. Weiterbraten und aufpassen, dass es nicht am Topfboden ansetzt. Mit einem Spritzer Weisswein ablöschen. Ein paar Löffel passierte Tomaten dazugeben und mit Wasser bedecken (1L für 4 Personen). Salzen. Das ist dein aromatischer Brodo für den Risotto (vorzugsweise Carnaroli superfino). 1 Stunde lang offen ziehen lassen, abschmecken. Den Risotto mit dieser Scampibrühe kochen. Schluckweise. Jeweils wenn die Brühe beinahe aufgesogen ist, kräftig mit dem Holzlöffel am Topfboden durchrühren, das löst die Stärke aus dem Reis und macht ihn cremig. 5 Minuten vor Ende die rohen Scampistücke zum Risotto geben. Alles mit eiskalter Butter abbinden, servieren, geniessen, in Erinnerungen an Sperlonga schwelgen 😉

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  24. Pomodorisotto – Splendido Magazin am 24. Februar 2018 at 17:12:

    […] zurück zum Risotto. Den habe ich gekocht wie es hier beschrieben wird. Und als wäre das noch nicht herzerwärmend genug, habe ich ihn noch um ein paar […]

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