Kontrollierte Kernschmelze.

Wir müssen uns mehr Gedanken über die Kerntemperatur von Gemüse machen.

Echt jetzt. Für zartes Fleisch tun wir es ja auch. Manchmal zwar eine Spur zu blasiert und überspannt. Was dann ganz schön anstrengend sein kann.

Aber keine Angst. Für einen perfekten Auberginenauflauf braucht es keine digitale Temperatur-Pistole und keine Bratenthermometer-App. Fingerspitzengefühl reicht.

Hab ich übrigens schon mal erwähnt, wie sehr mir das dumme Verb niedergaren auf den Senkel geht? Wenn man Fleisch bei niedriger Temperatur gart (englisch: low temperature cooking), kann man gerne – wenn es auch etwas arg gespreizt ist – von Niedrigtemperaturgaren sprechen. Aber bitte nicht von niedergaren, wie man umgangssprachlich leider oft hört und liest. Das klingt wie niedermachen. Was soll das heissen, sein Fleisch zur Schnecke machen?

Wer gerne mit der Sous-Vide-Methode arbeitet, bereitet neben Fleisch und Fisch auch Gemüse im kontrollierten Wasserbad zu. Das hat viele Vorteile. Das Gemüse bleibt auf den gewünschten Punkt saftig, knackig und farblich stabil.

Aber es gibt Gerichte, bei denen man so nicht weit kommt. Weil unterschiedliche Gar-Etappen gefragt sind und sich zum Schluss alles in einem finalen Zubereitungsschritt zu einem harmonischen Ganzen verschmelzen soll.

Nehmen wir diese klassische Parmigiana di Melanzane. Heute habe ich sie wie immer zubereitet, und doch ganz anders. Mein liebstes Rezept findet sich natürlich in «Italien vegetarisch». Keine Hexerei. Simple Zutaten. Einfache Zubereitung. Grossartiger Genuss.

Nur, heute hatte ich schon mal eine andere Aubergine als sonst. Eine handballgrosse Violetta di Sicilia. Ein kugelrundes Prachtexemplar. Schwer, leuchtend lila mit wilden weissen Nuancierungen. Und vermutlich eine der letzten dieser Saison.

Daraus wollte ich noch einmal eine Parmigiana machen. Aber nicht, wie gewöhnlich, nebeneinander in eine Auflaufform geschichtet. Sondern in einzelnen Scheiben und Schichten hochgetürmt wie einer dieser saftstrotzenden Porno-Burger.

Was wir an einer Parmigiana hassen und wie sie auf keinen Fall sein sollte:

  • Matschig. Eine in sich zusammengefallene Pampe macht keine Freude.
  • Wässrig. Das ist wirklich schlimm. Auberginen, die den Sugo verwässern. Igitt.
  • Verbrannt. Eine feine Kruste ist okay. Bitter, trocken und hart ist pfui.

Es fängt mit dem Schneiden der Aubergine an. Scheiben von 8 mm sind zu dünn, 12 mm sind zu dick. Ein Zentimeter ist für das Kaugefühl genau richtig.

Bei mir wandern die Scheiben ohne Salz und ohne Öl in den 240 Grad heissen Ofen. Nebeneinander auf Backpapier liegend. Jetzt müssen wir weniger auf die Zeit schauen, als vielmehr durch das Ofenfenster gucken. Denn wenn die Oberfläche der Auberginenscheiben leicht gebräunt ist, wenden wir sie und lassen sie auf der anderen Seite bräunen.

Der Duft gibt auch sicheres Geleit. Wir wollen milde, nussige Röstaromen und Auberginenduft riechen.

Dann nehmen wir sie heraus und lassen sie auskühlen. Sie sehen jetzt ein wenig aus wie getrocknete Pilze. Sie sind kompakt, innen weich, aussen fest und sie sind kein bisschen ölig. Was total super ist. Ich bin nämlich kein Fan von gebratener und im Ei gewendeter Aubergine für Parmigiana. Ist mir zu mastig.

In der Zwischenzeit wird ein simpler Sugo aufgesetzt.

Knoblauch im Olivenöl sanft erhitzen. Passierte Tomaten dazu. Deckel drauf. 30 Minuten köcheln. Danach generös salzen und moderat pfeffern. Frisch geschnittene Petersilie dazugeben, fertig.

Jetzt geht es ans Schichten. Etwas Olivenöl auf dem Boden einer runden Gratinform verteilen. Eine erste Auberginenscheibe darauf legen. Sugo darauf verteilen. Hallo, darauf verteilen – nicht ertränken. Dann eine hauchdünne Schicht Paniermehl darüberstreuen. Eine ebenso dünne Schicht Parmesan darüber reiben. Und schliesslich ein paar Streifen Mozzarella darauf setzen (nicht die ganze Fläche damit bedecken).

So weiterfahren, bis alle Scheiben aufgebraucht sind. Bei mir waren es acht Schichten. Zum Schluss mit Sugo, Paniermehl und Parmesan und Petersilie überdecken. Keine Mozzarella.

Im Ofen bei relativ niedrigen 160 Grad backen, bis die ideale Kernschmelze erreicht ist. Auch das kann man von blossem Auge beurteilen: Die Schichten fallen ineinander, sind aber noch einzeln sichtbar. Die Mozzarella ist weich, läuft nicht davon und ist nicht hart oder trocken. Und der Sugo wird blödsinnig cremig. Durch und durch eins mit der nussigen Cremigkeit der Auberginen verbunden. Traumhaft.

Jetzt kommt die dritte Kerntemperatur-Kontrolle: Man darf die Parmigiana auf keinen Fall heiss anschneiden und essen. Grober Schnitzer!

Ruhen lassen und warten bis das Innere lauwarm ist. So geniesst man den vollen Geschmack. Ausgewogen, aromatisch, orgiastisch.



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