Ihr braucht Trost? Bitte.

Semifreddo di Marroni

Semifreddo di Marroni. Mit Meringue, Gelato al Fior di Latte und Quittensirup.

Vermicelles ist so 2005. Das ist meine neue, halbgefrorene Interpretation von feinstem Maronenpüree. Und ich könnte mir in diesen Herbsttagen nichts Tröstlicheres vorstellen.

Zutaten
600 g Maronen (am besten über Kohle oder im Ofen geröstet für einen rauchigeren Geschmack).
Alternativ kann man auch tiefgefrorene Maronen verwenden.
1 Prise Salz
1 Vanilleschote
300 ml Vollrahm
20 g Kakaopulver
100 g Puderzucker
4 cl Kirsch (am besten den genial-rauchigen Bongkirsch)

Zubereitung
Geröstete, geschälte Maronen im Vollrahm weichgaren.
Salz und Vanillemark dazu.
Pürieren, Kirsch, Puderzucker und Kakao dazugeben.
Das Püree soll eher flüssig-fliessend sein.
Abschmecken, auskühlen lassen und portioniert in Zip-Beutel einfrieren.
Zum Servieren einfach in Stücke brechen und nach Belieben mit Gelato, Meringues, Quittensirup und Rahm garnieren.


Mittagessen fuer einen Fuenfliber.

Marroni mit Milch_s

Ich war diese Woche beruflich wieder in Zürich. Ein kurzer Termin am Vormittag. Konzentriert und produktiv. Zufrieden machte ich mich auf den Weg zurück zum Bahnhof. Weitere Arbeit wartete. Was eigentlich falsch ausgedrückt ist. Arbeit wartet nie. Die Tippt genervt auf ihre Armbanduhr und sagt uns, dass wir zu spät dran sind. Keine Zeit für einen Lunch.

Ganz im Gegensatz zu letzter Woche. Da war der einzige Sinn und Zweck meines Besuchs in der Zwinglistadt ein ausgedehnter Lunch. Das mehrgängige Menü dauerte über drei Stunden. Auch das hat sich gelohnt. Sehr sogar.

Aber während ich zu Fuss vom Kunsthaus durchs Niederdorf zum Bahnhof gehe, denke ich, soll ich doch etwas essen? Hm, aber was? Ich würde gerne einkehren. Am liebsten in die Alpenrose. Oder den neuen Hamburger-Laden ausprobieren: The Bite. Oder zu András, ins Berg und Tal? Aber eben: Kostet alles zu viel Zeit.

Lieber daheim dann was Kleines essen. Brot und Käse. Einen Apfel. Könnte mir auch den Reis von gestern wärmen. Ist schnell gemacht. Ein Pasta auch. Ach, zu viel Aufwand. Bis ich da bin, ist halb zwei. Komm, dann doch lieber jetzt etwas kaufen. Sandwich? Bratwurst? Banane? Sushi?

Sushi? Ja, genau. Das ist doch kein Sushi, das da in den Plastikboxen zwischen gefüllten Bretzeln und geschmackskastriertem Caprese-Salat in der Kühltruhe liegt! Das ist ein Nährboden für Keime. Das ist verschwendeter Fisch. Das ist die Verspottung einer Ess-Kultur, die sich rigoros an der Frische und an der Güte der Zutaten orientiert.

Und dann passierte das, was mir immer passiert, wenn ich unterwegs bin und die Zeit für ein vernünftiges, gesetztes Essen fehlt: Ich verwerfe eine Option nach der anderen. Weil – lieber esse ich nichts, als etwas, das keine Freude macht, ohne Freude zubereitet wurde oder sonst wie von schlechter Qualität ist.

Davon werden ja täglich Tonnen an Leute verkauft, die sich nicht so sperrige Gedanken machen wie ich. Und die sich über Mittag im Hetzen einfach etwas ins Gesicht drücken. Tonnenweise! Will mir gar nicht vorstellen, woher dieses billige, vorgefertigte Essen „to go“ herkommt, unter welchen Bedingungen und mit welchen Zutaten es zubereitet wurde. Da wird mir schlecht.

Schon klar, nicht alles ist so mies wie ich es rede. Gibt bestimmt auch gute Sandwiches. Mit Brot vom Bäcker. Guter Butter. Und was Anständigem dazwischen.

Aber ich sehe doch, was diese Menschen verdrücken. Diese gehetzten, gestressten Arbeitstiere. Massen-Menschhaltung ist das, denen billiges Futtermittel in die Hand gedrückt wird. Nichts anderes.

Da kommt mir einer auf der Rolltreppe entgegen, der sieht aus wie ein Beisser aus Walking Dead. Was ist mit seiner gereizten Haut? Will die sich vom Gesicht ablösen? Dem gehts nicht gut. Sieht man sofort. Sein ganzer aufgeblasener Körper scheint zu sagen, aufhören bitte, stopp! Aber er selbst hört es nicht. Sein Blick ist matt. Macht einfach weiter. Und beisst gedankenverloren in einen Industrie-Teigling, dem die laschen Salatblätter zu Seite raushängen. Der sieht echt aus wie ein Zombie, der an einem vergammelten Körperteil nagt.

Wer zwingt denn diese Leute, sich so minderwertig zu ernähren? So fettig. So überwürzt und überzuckert. Die ganzen leeren Kalorien. Würden sie tot umfallen, wenn sie nicht dauernd eine Plastikverpackung aufreissen und sich billigen Brennstoff zuführen würden? Die sind doch kein Michael Phelps, der 10’000 Kalorien pro Tag reinschaufeln muss.

Und dann die ganzen Plastikschalen, PET-Flaschen und Megamaxibecher. Der ganze Müll, den dieses portable Essen produziert. Und überhaupt, hat die SBB das Essen im Zug nicht verboten? Dieser Gestank im Waggon! Döner, Fastfood, asiatisches irgendwas im Kunststoff-Napf. Haben sich nett eingerichtet auf ihrem Sitz. Mit Ohrhörer mampfend vor dem Laptop. Schuhe ausgezogen, Tennissocken auf dem Sitz gegenüber. Widerlich. Einfach widerlich. Zum Glück finde ich noch einen Platz in einem Waggon, wo nicht gegessen wird: Im Speisewagen! Was für ein Witz.

In Basel angekommen, entdecke ich mein Mittagessen vor dem Bahnhofsplatz. Es wird gerade frisch zubereitet. Fast Food vom Feinsten. Gesund. Nachhaltig. Nahrhaft. Marroni! Archaisch. In der eigenen Schale über Holzkohle gebraten. Ein Naturprodukt ohne Additive. Nicht von der Industrie oder einem Foodkonzern bis zur Unkenntlichkeit verarbeitet und mit hohlem Marketing aufgeblasen.

Ich bin glücklich und kaufe mir 150 Gramm für fünf Franken. Ein Lunch für einen Fünfliber, sag mal! Danach bin ich zufrieden und satt. Und auch ein wenig stolz. Dass ich die Geduld aufgebracht habe, nicht das Erstbeste in mich hineinzustopfen. Dass ich mich zurückhalten konnte und meine Mitmenschen nicht mit einem unwürdigen Anblick oder penetrantem Geruch belästigt habe. Dass mein Lunch keine schwer abbaubaren Abfallberge hinterlässt.

Die schnelle Verpflegung unterwegs ist in meinen Augen zum grossen Teil eine kulinarische Kapitulation. Da halte ich mich lieber raus. Klar, manchmal ist es echt schwer, etwas Schlichtes zum Essen zu finden.

Aber mir ist es jede Mühe wert.

 


Hallo Herbst!

Wozu jammern über den Verlust des Sommers? Mit dem Herbst kommt doch für uns Kulinariker die Erntezeit, der wir das Summum abgewinnen können.

Mit grösster Vorfreude habe ich mich darum an das Aushecken und Zubereiten eines reichen Menus gemacht.

Auf dem Herbstteller gab es als Einstieg wunderbar pfeffrige Hirschsalami von Tichy und Wildschweinschinken. Darunter versteckt sich ein halber Steinpilz. Mal eben kurz mit Schalotten in Butter geschwenkt.

Dazu die ersten glasierten Marroni. Gedämpft, geschält und dann langsam mit Karamellzucker, Butter und Fleur de Sel überschmelzt.

Die perfekt gereiften italienischen Feigen habe ich im Ofen mit Staubzucker und Weisswein gebacken. Und schliesslich ein Apfel-Chutney aus den eigenen Sauergrauech-Äpfeln dazu gereicht.

Den Sirup mit Schalotten, Senfkörnern, Ingwer, Rohrzucker und Zimt eindicken lassen – ohne Apfelstücke drin, damit sie nicht zerfallen. Würfelchen davon lieber alleine in einer Pfanne kurz und heftig anbraten und dann unter den fertigen Sirup heben. Passt übrigens auch sehr gut zu Käse.

Dazu Riesling von Boxler. Mal mineralischer, mal harmonischer. Beide eine Wucht.

Den Butternut-Kürbis gab es als Süppchen mit Safran und selbst gemachtem Gemüsefond. Veilchen als Farbtupfer und süss-saure Crevette als Abschiedsgruss an den Sommer.

Exotischer aber sehr gesitteter Begleiter dazu ein Chardonnay aus Südafrika.

Das Herzstück im Trüffelrisotto ist ein rosa gebratenes Medaillon vom Rehrücken. Die Sauce dazu gezogen aus den ausgelösten Knochen, Mirepoix, Rotwein, Port und aromatisiert mit Nelken, Wacholder, Zimt und Thymian.

Dieser Côtes-du-Rhône ein respektvoller Begleiter, dem auch ein Steinpilzrisotto geschmeckt hätte.

Zum dritten Mal hab ich nun das Sieben-Stunden-Lamm nach Anthony Bourdain aufgetischt. Ich habe meine Hausaufgaben gemacht. Um 6 Uhr morgens aufgestanden, nur eine Tasse Weisswein als Flüssigkeit verwendet und minuziös den Creuset mit Brotteig zugespachtelt.

Das Resultat kann sich sehen und vor allem schmecken lassen. Den eingedickten Bratenjus habe ich vor dem Servieren nochmals kurz mit Weisswein deglaciert. Die 20 Knoblauchzehen die man herausfischen konnte, waren herrlich karamellisiert und zart wie Pralinen.

Als Beilage gab es blaue St. Galler-Kartoffeln, die als Püree leider etwas von ihrem intensiven Violett einbüssen.

Dafür hat dieser Papst unseren Durst nach intensiven Purpur bestens gestillt.

Karamelliger geht fast nicht. Das ist selbst für Kalbsbäckchen harte Konkurrenz.

Die Vieille Julienne konnte bestens Paroli bieten. Komisch, ich hätte schwören können, dass wir dazwischen noch eine Bottiglia di Barolo getrunken haben. Aber die Flasche ist entweder verschwunden oder in meinem sanften Rausch abgetaucht.

Der Käsehändler vom Basler Markt streckte mir ein Stück entgegen und warnte: „Sind Sie sicher, dass sie diesen Gorgonzola piccante versuchen möchten? Der macht süchtig!“ Das muss der erste ehrliche Dealer sein, den ich getroffen habe.

Zum Dessert zwei Mal Todsünden von Maître Pâtissier Jacques, Mulhouse: Chocolat und Caramel au Fleur de Sel. Mein Gast, der am nächsten Tag nach Kalifornien geflogen ist, meinte treffend: „Wenn mein Flieger morgen abstürzt, hat es sich wenigstens gelohnt!“

Ach ja, Dessertwein war auch noch und lange, lange Gespräche und ein noch längerer Nachhall auf einen schönen Herbstauftakt.



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