Neues vom Tellerrand
Happ-en 2 ist draussen. Ein bisschen mehr wild (ja, Adjektiv) ist das Thema.
Es werden wieder tolle Lesebissen serviert – total unverwöhnt und sehr anregend.
Marlene Halter geht mit uns raus und erzählt über die Renaissance von essbaren Wildpflanzen. Der Koch der Bar Basso findet, wenn er Fleisch essen will, muss er auch Tiere töten können und absolviert deshalb die Jungjägerausbildung.
Patrick Karpiczenko tischt eine himmlisch illustrierte Bildergeschichte auf.
In der Rubrik Quinto Quarto huldigt Marcello Gallotti den wahren Helden der italienische Küche: La Mamma!
Und der Atheist und Politblogger Kacem el Ghazzali erzählt von seiner Flucht aus Marokko und wie er sich täglich ein Stück Heimat auf seinen Teller zurückholt.
Wenn komische Kerle kochen ist meine Verwurstung von Anders Thomas Jensens Film Flickering Lights mit einem Rehrücken-Rezept.
Den Happ-en gibts im Abo oder kostenlos an ausgewählten Orten.
Hoch die Haxen!
Mit einer Haxe kann man fast nichts falsch machen – wenn man alles richtig macht.
Allein schon beim Servieren glänzt die Grosse Pièce mit einem beeindruckenden Auftritt. Volumen, Tiefgang und Textur kommen aber auch geschmacklich auf hohen Hacken daher.
Wahre Connaisseurs ziehen so eine Haxe, wie zum Beispiel diese hier vom Kalb, jedem Filet vor. Und selbst das verwandte Ossobuco – eigentlich eine Scheibe aus der Haxe – oder meine heiss geliebten Kalbsbäckchen sehen dagegen regelrecht blass aus.
Dazu macht sich die göttliche Sauce dank dem Knochen, reichlich Fond und Wein beim langsamen Schmoren praktisch von alleine. Geduldige, behutsame Zubereitung wird belohnt mit saftiger, mürber und einmalig karamelliger Fleisch-Konsistenz. Zum Niederknien.
Haxe vom Metzger vorbereiten lassen. Aber von einem mit Verstand! Meinen habe ich voll auf dem falschen Fuss erwischt. Das Greenhorn war zwar übermotiviert, als er mir freundlich anbot, die Haxe zu parieren. Aber was macht er dann? Schneidet das Fleisch der Länge nach ein, klappt die Fleischlappen links und rechts vom Knochen nach aussen und sagt: «So!»
«So, was?» musste ich entgegnen. «Kleinschneiden und als Kalbsgeschnetzeltes verkaufen – und mir bitte eine frische Kalbshaxe holen, ich mach das selbst.»
Der arme Tropf hat gar nichts begriffen. Er hätte das so gelernt, so könne man den Knochen wunderbar präsentieren. «Sie scherzen? Ich will eine Haxe präsentieren die majestetisch dasteht und ihren Knochen gen Himmel reckt!»
Jaja, das ginge doch auch so, ich müsse das Stück lediglich wieder zuklappen und mit Küchenschnur binden. Ja klar, oder ich kann die Adresse dieser Metzgerei aus meinem Gedächtnis löschen und mein Fleisch in Zukunft woanders besorgen.
Zuhause also vom schmaleren Teil so viel Fleisch wegschneiden, dass der Knochen zu einem guten Teil sauber frei gelegt ist. Die Abschnitte kann man gut mitkochen. Reste davon ergeben eine grandiose Füllung für Ravioli oder eine reiche Sauce zu Pappardelle. Ich habe übrigens mit einer Kalbshaxe von einem guten Kilo in einem Sonntagsmenu vier Personen glücklich gemacht.
Am Vorabend oder etwa 8 Stunden vor dem Servieren Haxe salzen, pfeffern, im Mehl wenden. Überschüssiges Mehl abklopfen. Dann in einem Schmortopf mit klarer, nicht zu heisser Butter gemütlich von allen Seiten gut bräunen.
Parallel dazu in einem anderen Topf 6 dl Rotwein mit einer grob geschnittenen Schalotte, einem Zweig Thymian und einem Lorbeerblatt aufkochen und auf die Hälfte reduzieren.
Haxe herausnehmen und im selben Schmortopf Mirepoix aus Sellerie, Karotten, Schalotten und Knoblauch anbräunen. Etwas Tomatenmark dazugeben, Boden mit Puderzucker bestäuben und unter ständigem Rühren karamellisieren. Schluckweise mit 2 dl Portwein ablöschen und sirupartig einkochen.
Dann die Weinreduktion und 5 dl dunklen Kalbsfond dazugeben. Die Haxe wieder in den Schmortopf geben, Deckel drauf und auf niedrigster Stufe fünf Stunden schmoren. Die Temperatur sollte 90 Grad nicht übersteigen!
Das Fleisch ist sehr collagenhaltig. Deshalb wird es am zartesten, wenn es langsam bei niedriger Temperatur gegart wird. Das Fleisch sollte die Form behalten, sich aber auf leichten Druck vom Knochen lösen. Dann ist es perfekt.
Nach der Schmorzeit Haxe vorsichtig aus der Sauce heben und auskühlen lassen. Sauce passieren und schluckweise reduzieren, bis sie eine sirupartige Konsistenz erreicht. Mit Salz und Pfeffer justieren.
Ausgekühlte Haxe mit einer Mischung aus Sauce und Trüffelhonig (oder normalem Honig) bepinseln und im Ofen bei 80 Grad wärmen. Immer wieder mit der Mischung einpinseln.
Dazu luftig-buttriges Kartoffelpüree servieren und viel, sehr viel Sauce bereit halten. Jeder und jede am Tisch wird sich grosszügig damit bedienen wollen!
Und zu guter Letzt: Das Knochenmark. Eine fast endlose Fülle lässt sich aus dem langen Knochen zu Tage fördern. Auf knuspriges Brot gestrichen und mit grobem Meersalz bestreut, ein weiterer Haxen-Hochgenuss.
Ostern kann kommen
Süsser Hoppelhase im Schnee.
Mein ganzes Osterlamm am offenen Feuer, von dem ich schon seit Jahren träume, werd ich in meinem Garten wohl auch heuer nicht bekommen. Wetten, es schneit zu Ostern nochmal?
Also trösten wir uns schon mal mit feinen Ooschterfläädli – dem Basler Ostergebäck schlechthin.
Im kulinarischen Erbe der Schweiz kann nachgelesen werden, wie es dazu kam. Und bald erscheint Band 2 aus dem Echtzeit Verlag (auf das Osterfladen-Rezept darin bin ich sehr gespannt: Griess, Reis oder aufgeweichtes Brot für die Füllung?)
Zuerst reiben wir mit den Händen einen Mürbeteig: 250 g Mehl, 1 Prise Salz, 2 EL Zucker, abgeriebene Schale einer halben Zitrone, 125 g kalte Butter in Stücken, 1 Ei, 2 EL Vollrahm.
In Folie wickeln und mindestens 30 Minuten kühlen.
Für die Füllung 2 dl Vollrahm und 2 dl Milch mit 3 EL Hartweizengriess aufkochen, vom Herd ziehen und 15 Minuten quellen und auskühlen lassen.
Statt eingeweichte Rosinen habe ich sehr fruchtige, getrocknete Baselbieter Kirschen in Aargauer(!) Kirschwasser (Seppetoni) eingeweicht: Kommt gut.
Dann 3 Eigelb mit 3 EL Zucker schaumig schlagen, Abrieb einer halben Zitrone und 100 g gemahlene Mandeln darunter rühren. Eiweiss von 3 Eiern zu Schnee schlagen und sorgfältig darunter ziehen.
Förmchen ausbuttern. Teig auf wenig Mehl 3 mm dick auswallen und in die Förmchen legen. Teigboden dicht einstechen, 20 Minuten kühl stellen.
Aufgeweichte Kirschen zur Füllung geben und diese auf den Teigboden verteilen.
Im unteren Teil des auf 200 °C vorgeheizten Ofens 25 Minuten backen, auskühlen lassen und – mit oder ohne Schablone – mit Puderzucker bestäuben.
Ganz zufrieden bin ich nicht mit dem Resultat. Das Innere ist mir zu kompakt. Die Varianten mit aufgekochtem Reis oder eingeweichtem Brot drängen sich auf – noch ist ja Zeit bis Ostern!
Albtraum Kochen
Traumdeuter, was hat das zu bedeuten?
Erinnere mich eben erst an den schrecklichen Traum von heute Nacht. Leider nur Bruchstücke. Logisch, wie immer.
Wann bitte erfindet mal jemand einen Traumrecorder?
Nachts an die Schläfen stöpseln, morgens ungläubig das eigene Kopfkino bestaunen und glücklich sein, dass das Leben nicht halb so schlimm ist, wie die Projektionen in der eigenen Schädelwand (oder unglücklich, weil es nicht annähernd so phantastisch ist, wie im Traum).
Der Traum handelte von einem Fleischwolf.
Es war ein grosser, antiker, elektrisch betriebener, beige emaillierter Fleischwolf. Und er stand in einer alten, unaufgeräumten Gewerbeküche, die offensichtlich schon lange nicht mehr genutzt worden war.
Mir war anscheinend klar, was ich in dieser Küche zu tun hatte. Denn ich war passend beschürzt, trug Clogs, und ich Griff mir gut gelaunt ganze Kalbslebern aus einer Stahlschale, die ich aus einem grossen Kühlschrank hervorgeholt hatte.
Ich hob sie in den Fleischtrichter und eine nach der anderen verwandelte sich surrend in dunkelrotes Fleischmus, das durch die Passierscheibe in die darunter liegende Mengmulde quoll.
Ich kann nicht sagen, was ich genau zu kochen vorhatte. Aber das Traum-Ich wusste es ganz genau. Und dieses Traum-Ich freute sich unheimlich darauf, eine grosse Gruppe mit einem exquisiten Mahl zu verköstigen.
Dann kamen plötzlich Helfer und Hilfsköche herein. Man begrüsste sich fröhlich und umarmte sich freudig und schon bald hatte jeder ein Bier in der Hand und dann noch eins und noch eins und dann sassen wir alle an einem gemütlichen Eichentisch, dichter Zigarettenrauch staute sich unter tief hängenden Tischlampen und alle gingen schlafen.
Wie das halt so abläuft in Träumen. Man schläft und träumt und was tut man im Traum? Man geht schlafen. Absurd so was.
Jedenfalls war es dann nächster Tag und ich stand wieder, nun nicht mehr so gut gelaunt, in der Küche. Alleine. Alle Helfer und Hilfsköche weg oder irgendwo am Pennen. Der Fleischwolf noch voller Lebermus. Wir, besser gesagt, ich, also das Traum-Ich (dieser Trottel) hatte alles stehen und liegen gelassen. Alles ungekühlt!
Und vor allem – ein hektischer Kontrollblick führte zu Tage: Es gab überhaupt keine Lebensmittel. Nichts war da, nichts war vorbereitet.
In diesem Augenblick rückte die grosse Wanduhr an der gekachelten Wand mit einem trockenen „Klack!“ auf 11 Uhr und ich wusste: Um zwölf kommen die Gäste!
Ich vermute, genau dann rettete mich der Wecker meines iPhones.
Habt ihr auch schon so schlimme Albräume gehabt, die im Küchenchaos enden?
X-Trem Urban Picnic
Immer mehr junge Frauen essen anscheinend besonders gerne auswärts. Damit meinen sie draussen. Auf der Strasse. Ganz egal wo. An Orten, die man im wahrsten Sinne als unwirtlich bezeichnet, machen sie es sich ganz spontan gemütlich und hocken sich mampfend auf den Asphalt.
Gerade heute habe ich das in der Stadt wieder beobachtet. Konkret: Linke Hand irgendetwas aus einer Tüte, reche Hand Zigarette, am Ohr das Mobile Phone.
Gut, ich war sensibilisiert: Joerg Utecht hat heute auf seinem sehr lesens- und ebenso hörenswerten (weil er immer auch gute Musik aufspürt) Blog eine Blitzumfrage an zehn ausgewählte Genussmenschen im sozialen Netz gestartet.
Er wollte wissen, was Foodblogger, Winzer und Gastronomen heute, Samstag – dem dedizierten Shopping/Putztag – zu Mittag essen.
Bei mir stand zur Stärkung des gemeinsamen Familyshoppings in der City Döner auf dem Menuplan. Obwohl das durchaus als Take Away und Street Food geht, nehme ich selbst dieses handliche Essen ausschliesslich und immer an einem Tisch sitzend im Lokal ein. Kompromiss im Sommer: Am Tisch sitzend auf der Gartenterrasse eines Lokals.
Ach komm, was ist schon gegen ein Picknick im Freien auszusetzen? Nichts, gar nichts. Eine Wurst im Wald, selbst gebratenes kaltes Hühnchen und Tabouleh mit Picknickdecke auf der Wiese oder von mir aus ein Gelato im Cono auf einer Parkbank mit Blick aufs Meer – wunderbar!
Aber Mädels – bitte: In Industriesauce ertränkter Fertigsalat auf der Treppe zum Parkhauseingang aus der PP-Schale reinschaufeln sieht soo scheisse aus. Aber so richtig. Abgesehen davon, dass euch dieser Convenience-Dreck nicht gut tut und unmöglich gut schmecken kann, blockiert ihr mit euren unpassenden Sit-ins Durchgangswege, wie eine beschissene Horde Büffel das Wasserloch.
Der Eingang zum Detailhändler, Kiosk, Lebensmittelladen oder zur Tankstelle könnt ihr doch nicht ernsthaft als Picknickzone in Erwägung ziehen?
Geht es euch wirklich an eurem legginsbespannten Hintern vorbei, dass ihr Passanten an der Busstation in die Enge treibt? Oder soll man euch – ach so! – wenn ihr an der Hauswand kauernd wie Penner altes Brot vorbeibringen?
Von euren grosszügigen Give-Aways, die ihr jeweils der Öffentlichkeit überlässt, ganz zu schweigen.
[Edit 3. März]: Ich merke aufgrund der Kommentare, dass ich etwas präzisieren muss. Mir geht es vorwiegend um diese eine Gruppe junger Frauen: Vermeintlich stilsicher, modebewusst und eigentlich sehr gepflegt. Warum tun gerade die das?
Gerade weil man es wohl von vernünftigen, auf die äussere Erscheinung so penibel achtende Mädchen nicht erwartet, finde ich es so befremdlich, wenn sich ausgerechnet sie mit ihrem Hosenboden auf dem blanken Asphalt niederlassen und sich mit ihren Plastikschälchenfood ausbreiten.
In diesem Zusammenhang, habt ihr dieses andere Phänomen schon gesehen? Mädels die ihr Softgetränk bei McD mit Alkohol pimpen. Nein? Ich verweigere meinen Söhnen nicht den Besuch in Burgerketten. Und als wir letzthin nach 22 Uhr dort waren, haben wir beobachtet, wie derselbe Typ junger Frauen den Plastikdeckel ihrer Softdrinks unauffällig anhebt, um dann ein Schnapsfläschchen rein zu kippen. Wahnsinn, wie gemütlich.
Dass allgemein fressendes, schleckendes, schmatzendes und schlürfendes Volk immer mehr Innenstädte und ÖVs bevölkert, ja, auch das ist kein schöner Anblick. Man fragt sich, wozu noch in den Zoo gehen und die Affen beim fressen beobachten.
Blubberndes Barcelona
Kein Zweifel: Albert Raurichs Dos Palillos hat während unseres Barcelona-Trips Gaumen und Herz erobert. Ferran Adrià hat im Buch Where chefs eat verraten, dass er gerne dort isst. Danke dafür. Donnerstags und freitags gibt es über Mittag ein 5-Gang-Spektakel für unglaubliche 22 Euro – das Restaurant wurde kürzlich mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet.
Das MACBA ist nur einen Steinwurf entfernt und so war es keine Kunst, nach unserem Museumsbesuch das Lokal im Raval zu finden. Eine Reservation ist allerdings sehr ratsam.
Wir hatten Won Tons mit Schwein, marinierte rohe Makrele, Huhn mit Ei, Reis, Nori und Frühlingszwiebel, einen Mini-Beef-Burger mit Shizo und eine eisgekühlte Mangomousse.
Man umringt auf Barhockern die Quadratur des neuen Kochens und geniesst das konzentrierte Werkeln der Brigade. Es ist so simpel: Mehrere Köche bereiten laufend Gerichte zu, setzen diese dem Gast vor und parlieren dabei total ungezwungen darüber. Schnell kommt man dabei ins Schwärmen und denkt den naiven Gedanken: Warum nur kann nicht in jedem Restaurant auf dieser Welt mit so viel Hingabe und Transparenz gearbeitet werden? Warum?
Gut, manchmal kippt es auch ein bisschen ins Kontemplative. Wenn ein junger Koch mit dem Fluidum eines Mode-Designers mehrere Minuten braucht, bis er in Slomo vier Makrelenstückchen auf ein Glasplättchen gezirkelt hat, muss man sich schon sehr kontrollieren, um ihn nicht mit einer akuten Tourette-Attacke einzudecken. Aber dafür hat man ja den guten Sake vor sich stehen.
Der Fokus ist klar asiatisch. Davon zeugen Produkte, Präsentation und die Präzision bei der Zubereitung. Dennoch ist es keine Doktrin und es gibt auch ansprechende Interpretationen europäischer Gerichte.
Zum Beispiel die obligaten katalanischen Manitas de Cerdo. Nur werden die Schweinefüsse zeitgemäss zubereitet: 12 Stunden sous-vide gegart und erst dann über Holzkohle langsam geröstet, hauchdünn aufgeschnitten und auf einem flachen Stein serviert.
Oder ein Tataki von der 9 Jahre alten Kuh (das Fleisch von älteren Kühen anstelle von 18 bis 24 Monate alten Rindern ist gerade sehr angesagt). Die Trockenreifung erfolgt über 3 bis 4 Monate. Getunkt werden die feinen Fleischtranchen in einer Mixtur aus Wachtel-Ei, Miso und Soja. Schlicht umwerfend im Geschmack!
Auch den gegrillten Mark-Knochen sollte man sich nicht entgehen lassen. Garniert mit feinen Flocken vom getrockneten Tuna und flankiert von einem mit Holzspänen überdeckten Stückchen Kohle. Grossartig!
Die gute Nachricht für Berliner: In der Hauptstadt gibt es einen Ableger. Ob das Flair da so geschmeidig ist wie in Barcelona, wage ich allerdings zu bezweifeln.
Sowieso – und das gilt eigentlich für alle Restaurants in denen wir waren: Es tut so gut, eine Bedienung erleben zu dürfen, die professionell arbeitet, Freude zeigt und sich gleichzeitig unaffektiert und nahbar gibt.
Das Flash Flash soll ein Hot Spot für geschmackssichere Künstler und Kreative (gewesen) sein. Für das dominierend weisse Originaldekor aus den Siebzigern mit den schwarzen Blow-up-Silhouetten an den Wänden war ich irgendwie empfänglich. Und weil es der ideale Ausgangspunkt für ein Schlender-Shopping auf der Rambla Catalunya ist, landete diese Adresse auf meiner Restaurant-Liste.
Das Lokal füllt sich ab 14 Uhr bis auf den letzten Tisch mit Gästen im Alter von 60+. Der Renner sind Tortillas, die legendären Flash Flash-Hamburger, katalanische Klassiker und Cocktails.
Blöd nur, dass ausgerechnet ich die wohl schlechteste Tortilla meines Lebens serviert bekam. Einer Tagesempfehlung mit Artischokken und weisser Butifara-Wurst sollte man doch folgen dürfen, oder nicht?
Also gut, das Ding war grauenhaft. Auch farblich. Ein grauer, knapp gestockter Eierkuchen. Darin dunkelgraue Artischokkenlappen. Optisch und geschmacklich etwa so appetitlich wie nasse Sportsocken, die man eine Woche in der Trainingstasche vergessen hat.
Die tonangebende Note allerdings steuerten die ranzigen Butifara-Stückchen bei. Ich habe aus reinen Forschungszwecken gut ein Viertel der Tortilla gegessen und es ist mir ein Rätsel, warum ich nicht mit einer Lebensmittelvergiftung im Spital gelandet bin. Ja, ich hatte noch nicht mal den Hauch einer Magenverstimmung. Anscheinend muss diese Tortilla so schmecken!
Der Pies de Cerdo, ein katalanischer Klassiker, war okay. Aber man muss das schon mögen. Ist ja vor allem fast kein Fleisch, dafür viel Bindegewebe. Der gekochte Schweinefuss wird über einem Grill knusprig karamellisiert und kitzelt die Knabberfreude mit einer würzigen Meersalzkruste.
Kommentar meines zehnjährigen Sohnes: «Schweinefuss? Wegen dir muss jetzt so eine arme Sau ein Leben lang hinken!»
Abends dafür ein Volltreffer im La Cuina d’en Garriga (muchas gracias an Kommentator Christian Meyer für den Tipp!). Wollte man einen Liebesfilm mit Javier Bardem drehen, würde er in diesem romantischen Lokal glaubhaft den charmanten Wirt geben.
Halb Delikatessgeschäft, halb Restaurant mit kleinen Tischen, findet sich im hinteren Teil eine Art Table d’Hôte an der bis zu 10 Personen sehr zuvorkommend bedient werden. Die Karte ist angenehm übersichtlich. Hat man Lust auf, sagen wir, Pimientos, die nicht auf der Karte stehen, sieht der Koch kurz in der Gemüsekiste vorne im Laden nach, greift er sich einen Teller voll und Minuten später stehen sie mit weiteren Tapas auf dem Tisch. Perfekt!
Diesmal lag unsere Wohnung gleich hinter der Uni. Das ist praktisch, denn Studis lieben es ja, gemütlich zu frühstücken. So finden sich in der Umgebung einladende Cafés wie das mit allerlei Kunst und Kreativem bestückte Cosmo
oder die Bäckerei Forn La Llibreria mit der schönen Idee, eine Buchhandlung in eine innovative Bäckerei mit traditionellem Handwerk zu verwandeln. Die Kunden dürfen sich zum Gebäck gratis ein Buch aussuchen – oder auch welche schenken, wenn sie ausgelesen sind.
An einem sonnigen Februartag gibt es eigentlich nur eine Destination, wenn es zum Mittagessen geht: Ans Meer! Von all den mehr oder minder schlimmen Touri-Fallen in Stadtnähe gefällt mir das Sal Cafe sehr gut.
Man sitzt auf der Holzveranda direkt über dem Sandstrand, atmet den Ozean und die Coolness des deluxe beach bar restaurant wie sie sich selbst definieren. Und geniesst etwas aus dem Wok oder eine Paella und die obligaten copas de vino blanco, mit dem man sich alles gleich alles noch ein bisschen schöner trinkt.
Ob es wirklich einer der besten Japaner in Barcelona ist, kann ich nicht beurteilen.
Aber zum ausgezeichneten Essen im El Japonés gibt es das besondere Passeig de Gràcia-Flair kostenlos dazu. Eine solide Adresse, bei der man nichts falsch machen kann. Nimmt leider keine Reservationen.
Carles Abellán war lange Jahre Begleiter von Ferran Adrià, bevor er sich mit seinen Projectes 24 selbständig machte.
In seinem Commerç, 24, das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist, serviert er quasi die Quintessenz seiner kulinarischen Kompetenz. Die anachronistischen Molekular-Kapriolen haben Platz gemacht für etwas mehr geerdete und zugänglichere Kreationen.
Kompromisslos hohe Produktqualität, zeitgemässe Zubereitung und Reduktion aufs Wesentliche. Und das zu einem fairen Preis. Wir lassen uns das 7-Gang Festival Menu mit 5 Nachspeisen zu 84 Euro auftischen.
Gestartet wird mit Snacks und einer veritablen Performance von Sommelier Antonio. Er trägt einen perfekt sitzenden schwarzen Anzug mit schwarzem Hemd, schwarzer Krawatte und ähnlich markante Gesichtszüge wie Jude Law.
Nachdem sich unsere Kinder eine Coke geordert haben, erscheint er mit einem edlen Serviertablett und macht sich an die Operation Cola.
Dazu reibt er grosse, dünnwandige Tumblergläser minutiös mit Streifen von der Zitronenschale aus. Er benutzt dafür Ess-Stäbchen. Dabei erklärt er, dass die Säure der Zitrone sehr aggressiv sei und deshalb in der Cola unerwünscht. Die äussere gelbe Schale biete jedoch exakt die Konzentration an Aroma, die sich so gut mit Cola verbinde.
Das Zeremoniell dauert ungelogen fünf Minuten. Dann versenkt er übergrosse Eismocken im schwarzen Gebräu. Und von nun an werden wir wohl ein Problem haben, wenn wir unseren Buben eine gewöhnliche Cola hinstellen.
Damit wir uns richtig verstehen. Diese Einlage hatte nichts Affektiertes. Es waren einfach dedizierte Handgriffe eines Profis. Genau so gut (und gerne) hätte ich einem Velomech zuschauen können, wie er Radschläuche wechselt.
Das minimalistische Intérieur variert von knallig gelb zu knallig rot und kontrastiert mit dezentem Anthrazit. Leider war es an unserem Tisch so dunkel, dass ich keine Bilder machen konnte. Die PR-Verantwortliche war aber so freundlich, mir einige zukommen zu lassen.
Bei den Snacks überraschten Sashimi vom Kabeljau mit schwarzem Knoblauch und schwarzem Sesam, Ceviche von der Morchel, in Ingwer eingelegter Blumekohl und eine Filorolle gefüllt mit Parmesanschaum.
Wenig Begeisterung entlockte die „Pizza“ mit Walderdbeeren, Tomaten, Anchovies, Bufala und Rucola oder die Essenz von der Totentrompete.
Im Menu überzeugten marinierte Sardelle mit Orange und Wasabi, ein umwerfendes Tuna Tatar, die „Kinder-Überraschung“ ein Ei gefüllt mit flüssigem Eigelb, festem Eiweiss, Trüffel und Kartoffelschaum, Dorsch mit Mangold und Kichererbsen, die umwerfende Kombination aus Entenreis, Entenlebermousse und gerösteten Maisschrot.
Weniger gelungen eine heisse Bowle zum riechen von mediterranen Kräutern bevor der etwas enttäuschende Weissling mit Vinaigrette-Espuma aufgetragen wurde.
Eine Bombe dann aber zum Schluss: Ein traumhaftes Kalbsbäckchen mit eingelegtem Rambutan(!)
Die Desserts wie Ice Tea mit Ananas und Zitronensorbet, Safran-Eis mit Karamell und Variationen von Schokolade verblassten danach leider etwas.
Was soll man sagen. Viel gesehen und viel gegessen in Barcelona. Aber längst nicht genug. Wir kommen wieder. Danke an meine Leserschaft für die Tipps im Vorfeld! Ich sammle gerne weiter für den nächsten Trip. Fins després!
Beef vom Balken
Serviervorschlag: Kaltes Roastbeef vom Irish Beef Tenderloin auf Kantholz.
Wurstplatte war gestern. Für einen unkomplizierten Imbiss mit 12 Gästen gab es von Hand aufgeschnittenes Rindsfilet.
Dazu musste ich zuerst in den Keller. Nicht um das Fleisch zu holen, sondern um mir einen adäquaten Servierklotz zurecht zu schleifen:
Kantholz, Fichte, unbehandelt. 12 x 8 x 60 cm. Zwokommazwo Kilo schwer und nach dem Feinschliff liebevoll mit bestem Schweizer Bio Leinöl eingerieben.
Dann, mit Vorfreude, ans Braten: Rindsfilet zwei Stunden vor der Zubereitung aus dem Kühlschrank nehmen und mit Olivenöl einreiben. Eisenpfanne sehr langsam, sehr lange, sehr heiss werden lassen (sie darf rauchen). Bratbutter darin schmelzen (sie darf nicht rauchen).
Das schöne Filet grosszügig salzen und rundherum anbraten. Sachte, nichts anbrennen lassen – geht ganz gemütlich. Hitze reduzieren und alle paar Minuten ein Stückchen wenden. Das kann gut 15 Minuten dauern.
Wenn die Farbe stimmt, ail en chemise, also ungeschälte Knoblauchzehen, einen Zweig Rosmarin und Kochbutter dazugeben. Grosszügig pfeffern und den Braten zwei, drei Minuten in diesen Aromaten rollen.
Dann kommt das Teil auf ein Gitter im vorgeheizten Rohr. Bei 80 Grad zieht es bis zu einer Kerntemperatur von 55 Grad langsam gar. Dauert in der Regel etwa 2 Stunden pro Kilo.
Vor dem Aufschneiden eine Stunden auskühlen lassen. Zeit nutzen, um seinem Tranchiermesser ein paar Schärfegrade zu spendieren.
Mit einer selbst gemachten Béarnaiser-Mayonnaise, frischem Brot mit dunkler Kruste und einem kräftigen Rotwein auftischen.
Und hier noch das lange versprochene Rezept für meine liebste Mayonnaise à la Béarnaise (gibt ca. 300g):
In einem Topf 1/2 dl Weisswein und 1/2 dl Weissweinessig mit einer gewürfelten Schalotte, einem TL grob geschrotetem schwarzem Pfeffer und einem fein geschnittenen Bund frischen Estragon aufkochen, bis die Flüssigkeit komplett verdampft ist. Auskühlen lassen.
Zwei frische Eigelb und einen Teelöffel Dijonsenf (beides zimmerwarm!) in einer Rührschüssel mit dem Schwingbesen (von Hand oder elektrisch) zu einer homogenen Paste verrühren.
250 ml Öl – Mais, Sonnenblumen oder Oliven, je nach Vorliebe – zunächst tröpfchenweise, dann in einem dünnen Strahl bei konstantem Rühren unterschlagen.
Zum Schluss zwei Esslöffel Weissweinessig und die Estragon-Reduktion einrühren. Abschmecken mit Salz, Zucker, Pfeffer.
Wer darin baden oder die Schüssel für sich alleine will, hat mein volles Verständnis.
Best of Barcelona
«Du-de-li-de-du! Pròxima estació: Passeig de Gràcia.»
Auf diesen Ohrwurm der Metro in Barcelona freu ich mich wieder besonders. Abtauchen, auftauchen, staunen, entdecken, geniessen. Jede Adresse eine neue Verheissung.
Letztes Jahr haben wir die Stadt mehrheitlich entlang der Sehenswürdigkeiten entdeckt. Diesmal darf es etwas ins Abseits gehen, Richtung Geheimtipps.
Ferràn hatte mir seine beiden liebsten Orte zum Essen geflüstert: Dos Palillos und Tapaç24. Muss ich dieses Jahr hin.
Was sind eure liebsten Orte, Cafés, Taperías, Shops und Must-Sees in Barcelona?
Das blaue Wunder
Lohnt jede einzelne Minute Handarbeit: Ravioli di Patate.
Wie man schnöden Kartoffelbrei zu sündhaft delikaten Teigtaschen verarbeitet, weiss man im Mugello schon sehr, sehr lange. Dort gibt es die traditionellen Tortelli di Mugello.
Meine Ravioli sind mit blauen St. Gallern gefüllt. Sie warten mit wundervoll nussigem Aroma auf und überraschen mit ihrer exzentrischen Koloratur.
Für den Teig: 1 Vollei, 125 g Weissmehl und eine Prise Salz pro Person. Durchkneten bis der Teig glatt und elastisch ist. Wenn er zu hart ist: wenig Wasser zugeben. Teig In Folie einwickeln und mindestens 2 Stunden kühl stellen. Dann so dünne Bahnen wie möglich ausziehen (sollten durchschimmernd sein).
Für die Füllung: 1 kg blaue St. Galler (oder andere mehlig kochende Kartoffeln wie zum Beispiel blaue Schweden) in der Schale kochen. Etwas auskühlen lassen. Olivenöl erwärmen und mit Knoblauch und einer gewürfelten Sellerierippe aromatisieren, danach beides entfernen.
Für die Sauce: Vollrahm kurz aufkochen, Hitze reduzieren, Butter darin schmelzen lassen, salzen, pfeffern, warm halten.
Kartoffeln durch die Kartoffelpresse zum Öl geben, unter schwacher Hitze rühren und sanft rösten. Wenig Tomatenmark dazu geben, mitrösten. Würzen mit Salz, schwarzem Pfeffer und Muskat. Farce auskühlen lassen, 50 g geriebenen Parmesan untermischen, in einem Spritzbeutel bereitstellen.
Nussgrosse Portionen der Füllung auf den Teigbahnen verteilen, Ränder mit Wasser einpinseln, mit zweiter Teigbahn zudecken und die Luft rund um die Füllung gut wegdrücken. Ravioli ausschneiden und auf einem bemehlten Brett oder Küchentuch auslegen.
Im schwach sprudelnden Salzwasser 3 Minuten kochen, mit dem Schaumlöffel in vorgewärmte Teller heben. Mit Sauce nappieren und etwas Parmesan bestreuen.
Die wundervolle Wandlung der Bauernknolle zur blaublütigen Pastafüllung.
Wo ist bloss mein Kopf?
Ich hätte schwören können, dass diese Konstruktion idiotensicher ist. Abgestützt nach allen Seiten. Fest im Boden verankert. Und das Gitter zusätzlich beschwert mit zwei Pflastersteinen. Aber sicher ist bloss, dass ich der Idiot in der Geschichte bin.
Der dreiste Dieb hat sich einfach unten durch gegraben. Gott allein weiss wann. Erst vor ein paar Stunden ist die dicke Schneeschicht aufgetaut. Und damit sind wohl auch die verräterischen Spuren des Delinquenten dahingeschmolzen.
Schöne Schweinerei!
Einfach meinen Kaninchenschädel im Garten geklaut und sich damit vom Acker gemacht. Alarmiert hat mich mein Sohn. Er will am Nachmittag einen Igel beobachtet haben, der am Tatort rumgeschnüffelt hat. Aber bis ich herbeigeeilt war, war er schon über alle Berge.
Kommt mir jetzt nicht mit der Klamotte vom Igel und dem Hasen!
Nachdem wir letzthin ein Kaninchen zubereitet hatten, wollte ich mit meinen Jungs den Schädel präparieren. Ich hatte gelesen, dass man sich die Mühe vom Säubern sparen kann, wenn man das Mutter Natur und ihren Tatortreinigern überlässt.
Zwei bis drei Wochen würden reichen. Danach mit Wasserstoffperoxid bleichen – fertig wäre unser privates Museumsstück gewesen!
Ich stelle fest: Über die Dinge die sich in meinem Garten abspielen, habe ich null Ahnung. Alles für die Katz. Katz? War sie das etwa? Oder ein Fuchs? Marder Dachs? Kopfgeld: Bringt ihn mir! Aus dem mach ich Ragout!