Es gibt noch viel zu fressen.

Flechtengedeck 4

Der Mensch, ein Allesfresser? Es darf gelacht werden. Oder etwa nicht?

Vielleicht gibt es auf unserem Planeten mehr Dinge, die nicht essbar sind. Ich weiss es nicht. Aber bestimmt gibt es tausende Organismen, die man essen könnte, von denen ich noch viel weniger eine Ahnung habe. Das fesselt mich.

Flechten zum Beispiel. Diese hier [Edit: sind keine Flechten sondern Pilze, wie sachkundige Leser freundlicherweise kommentiert haben, danke!] sind auf der Schnittfläche unserer gefällten Birke gewachsen. Einfach so mir nichts dir nichts. Im Herbst war da noch eine blanke Fläche. Und letzte Woche entdecke ich dann diese prachtvollen und farbenfrohe Wucherungen.

Musste ich gleich fotografieren, mich an ihrer Schönheit laben und so tun, als könne man sie gleich servieren. So wie sie sind. Wäre super, nicht?

Obwohl, Schönheit ist einfach so dahin gesagt. Ein gewisser Schauer läuft mir schon auch den Rücken runter. Der Anblick erinnert nämlich auch an eher unappetitliche Lebewesen unterm Mikroskop oder an bedauernswerte Zeitgenossen, die ihre Flechten am Körper sommers spazieren tragen müssen. Brr!

Bei den Pilzen ist es anscheinend so, dass über 90 Prozent giftig sind für den Menschen. Bei den Flechten scheint es gleich umgekehrt zu sein. Es gibt nur wenige, die nicht essbar sein sollen. Vorausgesetzt, man weiss, wie man sie zubereiten muss. Einige müssen nämlich auf jeden Fall gekocht werden, bevor man sie verzehrt.

Flechtgedeck 1_s

René Redzepi, weiss auch, was man damit anfangen kann und würde sie jederzeit Popcorn vorziehen, wenn er ins Kino gehe.

Da hockt man da mit den immer gleichen Gemüsen und bildet sich ein, etwas vom Essen etwas zu verstehen.

Flechtgedeck 3_s

Dabei versteh ich gerade wieder: Je mehr man weiss, desto weniger weiss man.


Ragout vom Wurzelgemuese

Wurzelgemüse_s

Nehmen wir einmal an, einer hat den Winterblues, als hätte er ein jaulendes Rudel Wölfe in der Hose. Aber auch der Biss in best abgehangenes Fleisch kann ihn nicht befriedigen. Weil ihm irgendwie irgendetwas anderes fehlt. Dann könnte es daran liegen, dass er ein akutes Manko an gutem Gemüse hat.

Weil Sommer ist jetzt nicht. Und all die saftig-fruchtigen Gewächse stehen nun mal nicht beim Gemüsehändler in der Auslage. Zumindest nicht bei solchen, die noch einen Rest Selbstachtung haben.

Ein perfektes Remedium wäre dann der schleunigste Besuch eines lokalen Bauernmarkts. Ich kann euch sagen, so eine Kratte mit winterlichem Wurzelgemüse ist in dieser Hinsicht  eine wahre Zauberkiste!

Daraus macht man sich dann folgendes Ragout vom Wurzelgemüse und gut ist es:

Butterrüben, weisse, gelbe und rote Karotten, Petersilienwurzel, Pastinaken, Herbtsrüben, Topinambur, Knollensellerie, La Ratte Kartoffeln, nacheinander (die härtesten zuerst) in wenig Wasser dämpfen. Anschliessend im Eiswasser abschrecken und beiseite stellen.

Verbleibenden Sud einkochen; mit Sellerie, Zwiebel, Lorbeerblatt, Thymian (nur kurz) und Pfefferkörner. Hausgemachte Rinder- oder Gemüsebrühe dazugeben und einkochen. Das gibt einen wunderbaren Wurzelfond mit Tiefgang.

In der Zwischenzeit kümmern wir uns um das gewisse Etwas, das diesem Ragout hervorragend steht: Getrocknete Zwiebeln.

Dazu gleichmässig geschnittene Zwiebelstreifen langsam in Butter glasieren. Leicht salzen. Wenn sie weich und saftig sind, mit wenig Mehl bestäuben und sanft Farbe nehmen lassen.

Auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech kippen, locker verteilen und bei 80 Grad (Umluft) trocknen, bis sie rascheln, wenn man sie bewegt.

Geröstete Zwiebeln_s

Sie sollten nun sehr knusprig und süsslich-würzig sein. Bereitstellen – wenn möglich, nicht in unmittelbare Griffnähe, sonst sind sie weggeknabbert, bevor man sie über das Wurzelragout geben kann!

Wurzelgemüse kurz mit gesalzener Butter in einer Eisenpfanne schwenken, mit Weisswein löschen. Wurzelragout in tiefen Tellern oder kleinen Suppenschüsseln anrichten. Die Weissweinreduktion zum Gemüsefond geben. Fond mit Rahm und Butter binden, mit dem Zauberstab aufschäumen.

Wurzelragout mit dem aufgeschäumten Sud übergiessen, getrocknete Zwiebeln darüber geben. Knusprige Lingue di Suocera dazu servieren.

Ragout vom Wurzelgemüse_s

Was, bitte, gibt es am Winter nicht zu mögen?


Heute ein König

Drei Mahlzeiten. Ein Snack. Fünf am Tag. Morgens wie ein Kaiser oder abends wie ein Bettler. Mein Credo für dieses Jahr ist: Egal was von was oder wie viel davon – Hauptsache einmal am Tag König.

Einmal am Tag die ganze Aufmerksamkeit auf die eine Mahlzeit richten. Auf die eine Zutat. Auf die eine Methode. Die Produkte mit Bedacht wählen. Mit Leidenschaft und Verstand zubereiten. Sich darauf freuen. Es bewusst geniessen.

Damit, glaube ich, würde man sich selbst ein ganz gutes Geschenk machen.

Danke für die vielen Wünsche und Grüsse zum Jahreswechsel. Und ganz besonders, danke für die netten Komplimente für diesen Blog per E- und konventioneller Post. Freut mich, dass diese Seiten für viele so inspirierend sind.

Kurbeln wir also die kulinarischen Ideen mit einer losen Bilderfolge der vergangenen Tage an und freuen uns auf ein genussvolles Jahr.

Man könnte wieder einmal ein Feuer im Freien machen. Für dieses extra Knistern in der kalten Jahreszeit. Einen Stecken schnitzen.

Und einen einfachen Klöpfer, die schweizerischste aller Cervelatwürste, braten.

Mehr braucht es manchmal nicht, damit sich Glücksgefühle im Bauch breit machen. Klar, ein rechtes Stück Brot gehört dazu. Meine Entdeckung war ein Weisskohlsalat oder Coleslaw, wenn ihr wollt. Weisskabis, fein gehobelt. Mit Öl, Weissweinessig, Kümmel und Jogurt gewürzt  und mit Granatapfelkernen aufgehübscht.

Der beste Kartoffelsalat gelingt mit einer Hochmoor-Sieglinde. Ich mache ihn am liebsten mit viel selbst gemachter Mayonnaise und Rindsbrühe an.

Überhaupt: Tut euch einen gefallen und macht eure Mayonnaise bitte selbst, wenn das nicht schon die Regel ist. Spanische Patata Bravas Bratkartoffeln mit einer selbst gerührten Pimentón-Mayonnaise machen süchtig!

Oder meine neuste Kreation (als Anbeter der Sauce Béarnaise längst fällig!) eine Mayonnaise à la Béarnaise. Geht so: Halbe Tasse Weisswein, halbe Tasse Weissweinessig mit einer gewürfelten Schalotte, viel grob gemahlenem schwarzen Pfeffer und einem Bund Estragon aufkochen und so lange reduzieren, bis fast keine Flüssigleit mehr übrig ist. Inszwischen eine Mayo aufrühren und dann die Estragon-Reduktion unterziehen. Mon dieu, quel régal!

Wenn man nach Vieux-Ferrette zu Maître Fromager Antony fährt, kann man sich gut sortierte Stückchen vom Paradies einpacken lassen.

Auf dem Weg liegt das Restaurant du Chaudron, das seit August einen neuen Wirt hat. Hopla ina!

Anscheinend geht selbst der Maître mehrmals pro Woche dort essen. Kann ich verstehen. Hier ist ein Steak frites noch ein Steak frites. Do gits nit z chicaniera!

Mein Renner als Vorspeise im Winter bleibt weiterhin: Puntarelle-Salat von der Catalogna. Vinaigrette aus Sardellen, Honig, Peperoncino Zitrone, Olivenöl. Die bitter-süssen Noten passen gut zu geräucherter Forelle und geräucherten Crevetten.

Mein Jüngster liebt das Amuse fleischlos, aber keinesfalls lieblos und am liebsten ein scharfes Messer dazu, zwecks mundgerechter Gurken-Schnitzerei. „Die Konfi-Würfeli und den Salat kannst du haben, Papa.“

Für die grossen dann eben mit Fleisch. Entenbrust, Gänseleberterrine, Pata Negra, Aïoli, Marmeladen von Roter Bete und Schalotten.

Diese Päckchen kommen besonders zum Apéritif gut an. Prosciutto San Daniele, Füllung aus getrüffelter Ricotta mit einem Schnittlauchhalm zum genüsslichen Fingerfood geschnürt.

Diese Schollen-Rollen rocken! Kommt definitiv öfters auf den Tisch (aber nur aus MSC-Fang). Auf geschmortem Fenchel im Safran-Pernod-Sud, mit knackfrischen Salatblättern, Kapern und konfierten Tomaten.

Hübscher Fang auch das hier. Fisch aus der Dose von José in dieser voll schönen, weil voll schön illustrierten Schachtel.

Bisque de Hommard – geht das eigentlich auch als Sauce, anstatt als Hummersuppe? Ich finde, ja! Darf sogar im Glas vom Commestibles-Händler kommen. Zuhause dann mit Jakobsmuscheln und fluffigen Kartoffelgnocchi anrichten. Dann wirds ganz still am Tisch.

Wenn dann der Plat de résistance vom Irischen Rind kommt, sowieso. Die äusseren Blätter der Catalogna kommen mit Knoblauch und Peperoncino im Olivenöl sautiert sehr schön dazu.

Die inneren Blätter haben wir ja als Puntarelle-Salat zubereitet, remember?

Am nächsten Tag gleich nochmal so gut. Kalt aufgeschnitten und mit einer selbst geschleuderten Sauce Rémoulade (schon wieder Mayo!)

Hängt ihr übrigens auch eure Menüfolge in der Küche auf, wenn ihr für Gäste kocht? Hilft mir sehr, wenn ich im Verlauf des Abends immer betrunkener werde und sich all die kühnen Anrichtungsideen in ein schwammiges Ach-komm-das kann-auch so-raus zu verwandeln drohen.

Seit Neustem klebe ich meine Skizzen mit dem sehr angesagten, japanischen Washi Masking Tape im passendem Küchenutensilien-Print an meine Durchreiche (merci Fabienne!)

Diese Entenleber-Feigen-Macarons von Vollenweider waren ein Volltreffer zum Apéro-Champagner.

Das hier nennt sich Tonno di Coniglio, ist eingelegtes Kaninchenfleisch und wird hoffentlich auch ein Volltreffer. Mehr davon mit Rezept demnächst.

So, und dann wirds auch schon wieder Zeit, sich Zeit zu nehmen, um wieder einen Vorrat an dunklem Kalbsfond einzukochen. 

Reduzieren von 5 auf 0,5 Liter. Und dabei die Erkenntnis gewinnen: Je weniger man davon hat, desto mehr hat man davon: Blöd, dass das nicht für alles im Leben gilt. Geld zum Beispiel.

Haut rein!


Sterne fuer Sterbliche

Äuä gäng guet: Mittagsmenü im Emmenhof, Burgdorf

Ich habe bei einem Sternekoch gegessen, aber nicht so. Und ich bin Porsche gefahren, aber nicht so.

Das waren zwei Wochen ganz nach meinem vorweihnachtlichen Geschmack. Ich durfte leihweise ein grosses Spielzeug für grosse Jungs auskosten: Porsche. Panamera. Diesel.

Die Frage, die mich dabei beschäftige: Wird man zum Arschloch, wenn man Porsche fährt, oder sind es bloss die anderen, die das so sehen?

Die Antwort und ein paar quere Gedanken dazu sind  in meinem liebsten Lesestück für Freude bringende Fortbewegungsmittel, radical-mag, zu lesen.

Die Fahrzeug-Rückgabe ging in Burgdorf, Ämmitau, über die Bühne. Und zwar gekrönt von einem himmlisch geerdeten Mittagessen im Emmenhof.

Bravo, Werner Schürch! Als Sternekoch serviert er hinten Häppchen für Gourmets und vorne Happiges für Gourmands. Und in ebendieser holzigen Gaststube bekommt man für kleines Geld noch echt von Hand gezimmerte Mittagsmenüs.

Man geht hier sehr unzimperlich mit Qualität um: Es kommt einfach nur das Beste auf den Tisch. Regional, saisonal, frisch und selbstverständlich selbst gemacht.

Ich hatte die beste Tagessuppe, die man sich wünschen kann (wisst ihr noch, was ich letzthin über anständige Suppen geschrieben habe? Eben.)

gefolgt von einem soliden Menüsalat.

Aus der Auswahl von etwa zehn Hauptspeisen, habe ich suuri Kalbsläberli mit Rösti gewählt. Einer Rösti, wohl gemerkt, die dir das Wasser in den Mund und die Tränen in die Augen treibt, so knusprig und buttrig war die.

Und egal, ob man jetzt das Cordon Bleu mit den handgeschnittenen(!) Pommes frites und frischem Gemüse nimmt, Ragout, Fisch oder eben die geschnetzelte Kalbsleber bestellt, es kostet immer gleich viel.

Nämlich – moment, ich muss Anlauf holen – neunzehn Franken fünfzig!

Also, wer in der Gegend ist: hingehen. Aber vorher reservieren! Der Parkplatz ist doppelt und dreifach belegt (nicht nur mit Porsches).

Boom biddy, bye, bye, Panamera. Du hast mich ganz schön in Fahrt gebracht.


Dimanche en Decembre

Sonntag. Langsam erwachen. Tout gentilement. Küchengeräusche vernehmen.

Ein leiser Duft frischer Croissants herbeisehnen. Unter der weissen Bettdecke hervorkriechen. Die Schneedecke vor dem Haus bewundern.

Ein stiller Kuss. Einen Ristretto mit dickem Milchschnee bedecken. In ein knusprig-warmes Croissant beissen. Dabei die Augen schliessen.

Der Schwere der Augenlieder, dem Gleissen des Tageslichts nachgeben. Gestärkt für die nächste Schlafphase unter die Daunen schlüpfen. Den Anschluss im Traum wiederfinden.

Fünf vor zwölf mit einer konkreten Idee erwachen: Eine dampfende Schüssel Moules. Mit nichts als frischem Baguette für die cremige Weissweinsauce gewappnet sein. Freudig entschlossen zur Tat schreiten. Den eisgefrorenen Notvorrat an irischen Pfahlmuscheln feiern.

Staudensellerie und Cipollotti fein schneiden. Rispentomaten von den Kernen befreien und fein würfeln. Mit Chilis im Olivenöl kurz braten. Mit einem guten Weisswein löschen – und anstossen.

Muscheln in die Pfanne geben und fünf Minuten zugedeckt aufkochen.

Herausheben, Sauce aufkochen, Vollrahm und Butter einrühren, mit weissem Pfeffer abschmecken. Sauce und frische Cipollotti- und Petersilienstreifen über die Muscheln geben.

Viel Baguette essen, noch mehr Wein dazu trinken. Zurück ins Bett. Zu zweit.


Geschmackloser Musikgeschmack

Immer diese Bilder im Kopf, die du dann nicht mehr weg bekommst.

Unappetitliches gestern Abend im Bus. Wir alle kennen die Fingerlecker-Blätterer, die jede Seite mit angespeichltem Zeigefinger wenden.

Es gibt da anscheinend eine weitere, mir bis anhin unbekannte Spezies, die auf eine besondere Art von Orecchiette-Schmaus steht:

Ein ergrauter, mir gegenüber sitzender Herr, fummelt an seinem iPod rum und richtet den Kabelsalat seiner EarPods. Als er fertig mit Salatrüsten ist, führt er den einen Ohrstöpsel zum Mund – und speichelt ihn grosszügig ein!

Dann führt er ihn sich genüsslich seine Ohrmuschel ein. Bitte, ich will so etwas in meinem Leben nie wieder sehen!


Patience legen mit Aepfeln.

Hat nichts mit dem Original zu tun, aber die geduldige Fingerübung, die man dafür aufbringen muss, lohnt sich zum Fingerlecken.

Alain Passard nennt die Kreation aus seinem Dreisternelokal l’Arpège in Paris La Tarte bouquet de roses.

Wie – auch auf diesen Bildern –unschwer zu erkennen ist, hat da jemand ein wesentlich geschickteres Händchen, um aus hauchdünnen Apfelstreifen perfekte Röllchen zu drehen. Musste mich trotzdem daran versuchen.

Vermutlich ist Blätterteig die bessere Wahl. Hm, wäre er doch nur so schnell zubereitet, wie ein Mürbeteig.

Ich nehme 350 g Mehl, 250 g weiche Butter, 200 g Zucker, 1 Ei und eine Prise Salz. Mit den Händen ist alles im Nu zu einem kompakten Teig geknetet. Eine Stunde in Folie gewickelt kühlen. Dann 15 Minuten blind backen. Auskühlen lassen und Boden mit gemahlenen Mandeln bestreuen.

In der Zwischenzeit säuerliche Äpfel mit einem Ausstecher vom Kerngehäuse befreien. Dann mit einem Sparschäler spiralartig hauchdünne Streifen mitsamt Schale schneiden (je länger, je besser). Damit sie nicht braun werden in Zitronenwasser legen.

Dann nach und nach möglichst satte Röschen formen und mit der Schale nach oben auf den Teig verteilen. Viel Spass dabei!

Tarte mit Puderzucker bestreuen. Butterflocken darauf verteilen und 30 Minuten bei 180 Grad backen.

In der Zwischenzeit ein schönes Karamell ziehen. Zucker schmelzen, mit etwas Wasser löschen und sirupartig einköcheln. Vollrahm dazu, etwas Fleur de Sel und dann mit eiskalter Butter montieren.

Wenn die Tarte aus dem Ofen kommt, Apfelröschen mit dem Karamell nappieren.

Das Karamell auf dem Teller sieht nett aus, ist aber nicht nötig. Die Tarte schmeckt fantastisch. Und ich liebe meinen Mürbeteig (deshalb bin ich womöglich so träge, selbst einen Blätterteig herzustellen).

Schmeckt – wie selbst der banalste Apfelkuchen – lauwarm natürlich am besten.


Lasst uns Wurzeln erschlagen

Und auf dem Spaltbock: Schlachtfrisches sowie bestens abgehangenes Gemüse!

Wurzelgemüse – wenn nicht im Winter, wann dann?

So reich, so gut und so leicht in flüssiges Gold verwandelt. Und zwar mit diesem archaischen Werkzeug. Ich nenne es gut schweizerisch Passevite.

Das verbittet sich der Franzose. Er nennt es passe-vite. Pardon. Eventuell noch moulinette. Der Italiener sagt passaverdure dazu. Oha! Frei übersetzt etwa Gemüsemühle, wie passend.

Welcher küchensprachlich frivole Teufel aber die Deutschen geritten hat, ist mir ein Rätsel: Flotte Lotte. Echt jetzt?

Zugegeben, es gibt hübschere Geräte als dieses abgewetzte Teil. Aber es ist ein Erbstück und mit besten kulinarischen Erinnerungen konnotiert. Und damit macht man richtig gute Gemüsesuppen.

Wann hat das eigentlich angefangen, dass anständige Gemüsesuppen nur noch Crème, Süppchen, Schäumchen, oder fucking Cappuccino(!) sein dürfen?

Meine liebsten habe ich oft im Elsass bekommen. Mit kräftigem Weisswein-Geschmack. Rahmig, und mit diesen unzähligen kleinen Fettäuglein auf der Oberfläche. Da schmeckst du jedes Gemüse raus. Und das wollen wir doch, wenn wir eine Gemüsesuppe essen. Wollen wir das nicht?

Ich jedenfalls hab keine Freude an Gemüsesuppen die nur nach Zitronengras, Ingwer und uhh-ist-da-ein-Hauch-von-Kardamon? schmecken.

Jedenfalls nicht in unseren Breitengraden. Wenn ich Exotik im Suppenteller will, reise ich in ferne Länder.

Schaut mal bei Robert vorbei – allein schon wie viele Karottensorten es gibt. Dazu würfelt man Knollensellerie, jede Menge Rüben, Lauch, Schwarzwurzeln, Pastinaken, Petersilienwurzeln und was ihr sonst noch so auf dem Markt findet. (Meine Geheimwaffe: Ein paar dicke weisse Rippen vom Mangold dazu).

Alles in Butter mit Zwiebeln anziehen ohne es zu bräunen. Mit ein bis zwei Gläsern Riesling ablöschen, reduzieren.

Jetzt kann man mit einer guten selbst gemachte Geflügel- oder Rindsbouillon aufgiessen, oder – wers vegetarisch mag – einfach mit Wasser. Das Gemüse entwickelt genug Aroma, wenn man es eine gute Stunde langsam köcheln lässt.

Ein Loorberblatt und zwei Wacholderbeeren liegen auch nicht ganz falsch darin.

Dann dreht man alles schön durch (wenn ich jetzt Flotte Lotte schreiben würde, merkt man, wie befremdlich das klingt) das Passevite. Mit Rahm aufgiessen und nochmals aufkochen.

Hat man die Suppe nur mit Wasser statt mit Boullion aufgegossen, fehlen die schönen Fettäuglein. Kein Problem, einfach einen Esslöffel klare Butter oder von eurem Lieblingsöl darüber träufeln.

Natürlich kann man auch einen anständigen Minestrone mit dem tollen Wintergemüse machen. Inspiration gibts hier.


Bohnen und Lamm aufs Korn nehmen

Wer hat gerne Lamm? Wer hat gerne Bohnen? Wer hat gerne Reis? Bene, hier lang. Es gibt Risotto con Fagioli rossi di Lucca e Angnello.

Wenn man als Erstes die Bohnen mit dem Fleisch gekocht hat, muss man sich so was von zusammenreissen: Gross ist die Versuchung, sich eine grosse Serviette um den Hals zu binden und diese Pfanne Löffel um Löffel genüsslich wegzuputzen.

Zum Glück (für die anderen) dringen die Rufe der Familie an mein Ohr: «Hung-eeer! Wann gibts Essen?». Also auf – Risotto aufsetzen.

Aber der Reihe nach: Von der Lammkeule löst man so viel Fleisch vom Knochen, wie man pro Person mag und teilt es in mundgerechte Stücke. Den Knochen entsorgen oder dem Hund überlassen.

Das war ein Scherz! Der Knochen kommt natürlich zum Fleisch in den Topf, wo er für eine besonders gute Sauce sorgt.

Die Fleischstücke (und den Knochen) sanft im Olivenöl anbraten, viel Knoblauch, ein Stück Sellerie, ein paar zerstossene Fenchelsamen und Peperoncino dazu. Salzen, pfeffern und mit einem Schluck Weisswein deglacieren.

Passierte Tomaten dazu und mit Brühe aufgiessen. Die über Nacht eingeweichten Bohnen dazugeben und auf kleiner Hitze zwei Stunden weich schmoren.

Die Bohnen der Sorte Fagiolo Rosso di Lucca sind von ausgezeichneter Qualität. Sie behalten die Form und schmecken fantastisch. Der gute Freund, der mir schon von seinem weissen Trüffel abgegeben hat, hat sie mir vom diesjährigen Salone del Gusto mitgebracht. Grazie!

Habe ich erwähnt, dass das ein guter Freund ist?

Den Carnaroli-Reis habe ich nur im Olivenöl etwas auf Temperatur gebracht. Man braucht den gar nicht gross zu parfümieren, sondern nur nach und nach mit guter Brühe angiessen.

Wenn er gar ist, kippt man von diesem grossartigen Bohnen-Lamm-Eintopf dazu und labt sich an einem herzhaften Risotto rusticano!


Das Brot ist voll

Endlich wieder einmal altes Brot: Ein Grund zur Freude!

Wer sein altes Brot verschämt und (zu Recht) mit schlechtem Gewissen schmeissen will – bitte. Ich ziehe es vor, damit etwas brachial Einfaches und gleichzeitig brutal Ergötzliches daraus zu machen.

Pane cotto oder dialektisch Pan‘ cott‘ – gekochtes Brot – gibt es in Italien in vielen regional unterschiedlichen Varianten. Gemeinsam ist ihnen, altbackenes Brot einzuweichen oder aufzukochen und als rustikale Mahlzeit zu servieren.

Die Toskaner zum Beispiel machen daraus eine Pappa, einen bestimmt wohlschmeckenden, leider aber auch etwas unansehnlichen Brei.

Bei uns in den Abruzzen ziehen wir es vor, dass sich das harte Brot in einem Gemüsesud volllaufen lässt, aber die Form trotzdem noch behält.

Einmal mehr erstaunt, wie viel Geschmack (und Glück) mit so wenig Zutaten herauszuholen sind. Es braucht nebst altem, harten Brot (kann weiss oder dunkel sein, aber gut muss es sein) nur vier Zutaten: Olivenöl, Knoblauch, Peproncino und Broccoletti auch bekannt als Cime di Rapa.

Ich habe ja bereits über die Askese italienischer Abendbrote geschrieben. Das hier reiht sich bestens in diese Nische.

Brot grob stückeln. Cima di rapa waschen und grob zerkleinern. In einer Pfanne Olivenöl erwärmen und einzig mit Knoblauch und Peperoncino bei sanfter Hitze aromatisieren.

Beim Peperoncino habe ich übrigens auf eine Probe von Josefina Petrus’ Chili zurückgegriffen. Diese Verrückte hat es sich zum Ziel gemacht, den bestmöglichen Chili aufzuspüren und zu vertreiben. Passt mir.

Cime di rapa dazugeben. Knapp mit Wasser bedecken und zugedeckt gute 15 Minuten köcheln. Salzen, pfeffern.

Brotbrocken in die Pfanne legen und leicht andrücken, damit sie sich vollsaugen. Alles in einen Teller kippen und reichlich Olivenöl darüber träufeln.

Wer mag, kann das einfache Glück noch mit einem würzigen Pecorino ausbauen.

Den süditalienischen Rotwein bechert man am besten aus Zahnputzgläsern, die man bis zum Rand füllt (mit einem Zitronenschnitz garniert) und in jeweils einem Zug leert. Das ist sehr gesund und wärmt die Seele.

Salute!



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